Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.03.2018, Az. 9 AZR 249/17

9. Senat | REWIS RS 2018, 12049

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Gegenstand

Konkurrentenklage - Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens


Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 8. Dezember 2016 - 18 [X.] 1152/16 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 4. Dezember 2013 - 48 [X.] - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines [X.] anzunehmen, wonach sie als Bereichsleiterin des [X.] ([X.]) zu beschäftigen und zu vergüten ist.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die [X.]eklagte verpflichtet ist, die Stelle der Leiterin für den [X.]ereich [X.] ([X.]) in der sog. Gemeinsamen Geschäftsstelle der [X.]eklagten in [X.] mit der Klägerin zu besetzen.

2

Die [X.]eklagte ist eine von den Landesmedienanstalten zur Durchführung der ihnen ua. durch den Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien vom 31. August 1991 obliegenden Aufgaben gegründete [X.]. [X.]is zum 31. August 2013 betrieb sie in [X.] die Geschäftsstelle der [X.], deren Leiterin die Klägerin seit dem 20. April 2005 war.

3

Unter dem 9. Oktober 2012 schrieb die [X.]eklagte die Stelle „eines [X.]ereichsleiters/einer [X.]ereichsleiterin für den [X.]ereich [X.] ([X.])“ aus. Mit Schreiben vom 3. November 2012 bewarb sich die Klägerin auf diese Stelle. Daneben gingen noch vier weitere [X.]ewerbungen ein. Am 8. Januar 2013 führte die [X.]eklagte mit der Klägerin sowie [X.] und Frau [X.] Vorstellungsgespräche. Zwei weitere [X.]ewerberinnen erfüllten die Anforderungen nicht und wurden deshalb nicht zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. In einem schriftlichen Auswahlvermerk vom 9. Januar 2013 wurde Frau [X.] als am besten geeignete [X.]ewerberin für die [X.]esetzung der Stelle empfohlen.

4

[X.]insichtlich der Klägerin wurde im Auswahlvermerk festgehalten, dass ihre Führungserfahrungen eher kritisch gesehen würden, von gewissen Defiziten bei der Erledigung organisatorischer Aufgaben berichtet worden sei, sie deutlich weniger als die anderen beiden [X.]ewerberinnen in der Lage sei, die entscheidenden Aspekte und jugendschutzrechtlichen Fragen zu erfassen, verständlich und nachvollziehbar darzulegen, und dass sich der Eindruck eingestellt habe, sie zeige sich eher verschlossen und wenig kommunikativ, insbesondere in stressigen Situationen. Die grundsätzliche Eignung der Klägerin für die zu besetzende Stelle wurde im Vermerk nicht infrage gestellt. Seit dem 1. April 2013 hatte die Mitbewerberin [X.] die ausgeschriebene Stelle aufgrund einer auf zwei Jahre befristeten Abordnung von der [X.]ayerischen Landeszentrale für neue Medien inne. Im Oktober 2014 schrieb die [X.]eklagte die Stelle neu aus.

5

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie sei besser qualifiziert gewesen als die zunächst von der [X.]eklagten ausgewählte Mitbewerberin [X.]. Daher sei die von der [X.]eklagten getroffene Auswahlentscheidung nicht von Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt. Der Abbruch des [X.] sei rechtswidrig. Die Gründe dafür seien ihr erst mit Schriftsatz vom 15. August 2016 mitgeteilt worden.

6

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

die [X.]eklagte zu verurteilen, ihr Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags anzunehmen, wonach sie als [X.]ereichsleiterin des [X.]ereichs Kommission für Jugendmedienschutz ([X.]) zu beschäftigen und zu vergüten ist;

        

hilfsweise

        

die [X.]eklagte zu verurteilen, über ihre [X.]ewerbung unter [X.]eachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden;

        

äußerst hilfsweise

        

festzustellen, dass die [X.]eklagte verpflichtet ist, sie finanziell so zu stellen, als wäre ihr die ausgeschriebene Stelle der [X.]ereichsleiterin für den [X.]ereich Kommission für Jugendmedienschutz ([X.]) mit Wirkung vom 1. April 2013 übertragen worden.

7

Die [X.]eklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der [X.]esetzungsanspruch der Klägerin sei untergegangen, da die Stelle nach der Neuausschreibung zwischenzeitlich dauerhaft besetzt worden sei. Für die Neuausschreibung habe es einen sachlichen Grund gegeben. Die [X.]ewerberliste habe zu diesem Zeitpunkt nur noch aus einer [X.]ewerberin, nämlich der Klägerin, bestanden. [X.] sei nicht bereit gewesen, die Stelle auf Dauer zu übernehmen, Frau [X.] habe ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 9. Mai 2014 zum 30. Juni 2014 gekündigt. Die Klägerin habe man nicht uneingeschränkt für geeignet gehalten.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die [X.]erufung der Klägerin zurückgewiesen. Das [X.]undesarbeitsgericht hat das Urteil des [X.]s aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.]erufungsgericht zurückverwiesen. Es hat dem [X.] auferlegt zu prüfen, ob der in der Neuausschreibung der Stelle liegende Abbruch des [X.] aus sachlichen Gründen erfolgt und ob die Klägerin die am besten geeignete [X.]ewerberin gewesen sei und damit Anspruch auf die erstrebte Stelle gehabt habe ([X.]AG 12. April 2016 - 9 [X.] - Rn. 32, [X.]AGE 155, 29).

9

Auch nach der Zurückverweisung durch das [X.]undesarbeitsgericht hat das [X.] die [X.]erufung der Klägerin gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit der vom [X.]undesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

A. Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat Anspruch auf Annahme ihres Vertragsänderungsangebots zur Besetzung der Stelle der Bereichsleiterin für den Bereich [X.]. Die [X.]ilfsanträge der Klägerin fallen deshalb nicht zur Entscheidung an.

I. Die Klage ist begründet. Der [X.] hat aufgrund seiner bereits getroffenen Entscheidung ([X.] 12. April 2016 - 9 [X.] - Rn. 32, [X.]E 155, 29) nur noch darüber zu befinden, ob der konkludente Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens durch Neuausschreibung der Stelle im Oktober 2014 aus sachlichen Gründen erfolgte und die Stelle der Klägerin nach den Grundsätzen der Bestenauslese zu übertragen ist.

II. Das [X.] hat zu Unrecht angenommen, der Abbruch sei aus sachlichen Gründen erfolgt. Nach seiner Auffassung sei es nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr sich entschließe, mit dem Ziel einer bestmöglichen Besetzung der Stelle einen breiteren Interessentenkreis anzusprechen, wenn er Bedenken gegen die Eignung des ansonsten einzig verbliebenen Bewerbers habe. Es könne dem Auswahlvermerk vom 9. Januar 2013 entnommen werden, dass die Beklagte die Klägerin nicht uneingeschränkt für geeignet gehalten habe.

1. Bricht der öffentliche Arbeitgeber das Stellenbesetzungsverfahren aus einem sachlich nachvollziehbaren Grund ab, gehen die Verfahrensrechte der Bewerber nach Art. 33 Abs. 2 GG unter. Die Durchführung einer Stellenausschreibung zwingt den Dienstherrn nicht, den Dienstposten mit einem der Auswahlbewerber zu besetzen. Die Ausschreibung ist lediglich ein [X.]ilfsmittel zur Gewinnung geeigneter Bewerber. Der Bewerbungsverfahrensanspruch verdichtet sich nur dann zu einem Besetzungsanspruch, wenn das Auswahlverfahren ordnungsgemäß abgeschlossen wurde und die Auswahl nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG zugunsten des Anspruchstellers ausgefallen war oder hätte ausfallen müssen ([X.] 24. März 2009 - 9 [X.] - Rn. 18, [X.]E 130, 107). Ein Anspruch auf die ausgeschriebene Stelle kann nach diesen Grundsätzen nur gegeben sein, wenn die Bestenauslese zum Zeitpunkt des Abbruchs des Stellenbesetzungsverfahrens ohne Verletzung der [X.] der anderen Bewerber gemäß Art. 33 Abs. 2 GG zugunsten des klagenden Bewerbers abgeschlossen war und nur der sachwidrige Abbruch des Besetzungsverfahrens die Besetzung der Stelle mit jenem verhinderte (vgl. [X.] 17. August 2010 - 9 [X.] - Rn. 17, [X.]E 135, 213).

2. Das [X.] hat übersehen, dass der Grund für den Abbruch jedenfalls dann, wenn er sich nicht evident aus dem Vorgang selbst ergibt, schriftlich dokumentiert werden muss (vgl. [X.] 12. Juli 2011 - 1 BvR 1616/11 - Rn. 26 mwN). Die schriftliche Dokumentation ist nicht im späteren gerichtlichen Konkurrentenstreitverfahren nachholbar. Dies würde die Rechtsschutzmöglichkeiten der Bewerber in unzumutbarer Weise mindern. Denn die Bewerber werden grundsätzlich nur durch die rechtzeitige schriftliche Fixierung der wesentlichen Erwägungen in die Lage versetzt, anhand von Akteneinsicht sachgerecht darüber entscheiden zu können, ob die Entscheidung des Dienstherrn ihren Bewerbungsverfahrensanspruch berührt und ob Rechtsschutz in Anspruch genommen werden sollte. Weiterhin eröffnet erst die schriftliche Dokumentation des [X.] dem Gericht die Möglichkeit, die Beweggründe für den Abbruch nachzuvollziehen (vgl. [X.] 28. November 2011 - 2 BvR 1181/11 - Rn. 23). Nur so kann sichergestellt werden, dass solche Gründe im Prozess nicht nachgeschoben werden.

a) Aus den Feststellungen des [X.]s lässt sich eine schriftliche Dokumentation des [X.] nicht entnehmen. Entgegen der Auffassung des [X.]s dokumentiert der Auswahlvermerk vom 9. Januar 2013 keinen [X.]. Dort werden zur Begründung der besseren Eignung der damaligen Mitbewerberin [X.] zwar einige „Defizite“ hinsichtlich der Eignung der Klägerin ausgeführt. Die grundsätzliche Eignung der Klägerin wird aber nicht infrage gestellt. Damit dokumentiert der Auswahlvermerk lediglich die Auswahl-, nicht aber etwaige Abbruchgründe. Diese stellten sich nach dem Vortrag der Beklagten auch erst, nachdem sich später herausstellte, dass [X.] nicht bereit war, die Stelle auf Dauer zu übernehmen, und Frau [X.] mit Schreiben vom 9. Mai 2014 ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten gekündigt hatte.

b) Der von der Beklagten behauptete [X.] war auch nicht evident. Ein Evidenzfall, der eine schriftliche Dokumentation des [X.] entbehrlich macht, liegt nicht vor, wenn nach der Ausschreibung nur eine Bewerbung vorliegt und zu erwarten ist, dass sich das [X.] erweitern könnte (vgl. [X.] 28. November 2011 - 2 BvR 1181/11 - Rn. 26).

3. Die Beklagte ist verpflichtet, das Angebot der Klägerin auf die verlangte Vertragsänderung anzunehmen, da nur der sachwidrige Abbruch des Besetzungsverfahrens dies verhinderte. Denn sie ist die einzig verbliebene Bewerberin und erfüllt nach dem Auswahlvermerk der Beklagten die Anforderungen. Die Annahmeerklärung der Beklagten gilt gemäß § 894 Satz 1 ZPO mit Rechtskraft des Urteils als abgegeben.

B. Die Beklagte hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Kranzusch    

        

    Anthonisen    

                 

Meta

9 AZR 249/17

20.03.2018

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 4. Dezember 2013, Az: 48 Ca 5250/13, Urteil

Art 33 Abs 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.03.2018, Az. 9 AZR 249/17 (REWIS RS 2018, 12049)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 12049

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 Sa 7/23 (Landesarbeitsgericht Köln)


Referenzen
Wird zitiert von

10 Ca 5830/20

4 Sa 7/23

18 Ga 47/19

4 Ga 21/18

3 Ta 317/20

4 SaGa 22/19

3 Ta 375/20

3 Ta 202/20

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