Bundespatentgericht, Urteil vom 07.02.2012, Az. 3 Ni 30/10 (EP)

3. Senat | REWIS RS 2012, 9455

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Gegenstand

Wirkungslosigkeit dieser EntscheidungPatentnichtigkeitsklageverfahren – „Biodegradable polymeric compositions comprising starch and thermoplastic polymer“ -  zur Erforderlichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 0 937 120

([X.] 697 30 852)

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], [X.], [X.]. Dr. [X.], der Richterin [X.]. Zettler sowie des Richters [X.]. Dr. Lange

für Recht erkannt:

[X.] Das [X.] Patent 0 937 120 wird im Umfang seiner Ansprüche 21 und 22 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt.

I[X.] Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter Inanspruchnahme der Prioritäten IT TO960890 vom 5. November 1996 und [X.] vom 9. Dezember 1996 am 5. November 1997 angemeldeten und unter anderem für die [X.] in der Amtssprache [X.] erteilten Europäischen Patents EP 0 937 120 (Streitpatent), das vom [X.] unter dem Aktenzeichen 697 30 852 geführt wird und der internationalen Patentanmeldung [X.] 1998/020073 entstammt. Die Erteilung des Patents mit der Bezeichnung "Biodegradable polymeric compositions comprising starch and a thermoplastic polymer" (Biologisch abbaubare [X.]erzusammensetzungen, die Stärke und ein thermoplastisches [X.]er enthalten) wurde 22. September 2004 veröffentlicht.

2

Das Streitpatent umfasst in der erteilten Fassung 22 Patentansprüche, von denen die Ansprüche 21 und 22 angegriffen sind. Der erteilte Patentanspruch 21 und der auf ihn rückbezogene Patentanspruch 22 haben folgenden Wortlaut:

Abbildung

3

In der [X.] Übersetzung lauten die Patentansprüche 21 und 22:

Abbildung

4

Die Klägerin macht hinsichtlich dieser Patentansprüche die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit und der fehlenden Ausführbarkeit geltend. Sie stützt ihr Vorbringen auf folgende Dokumente:

5

K1 [X.]chrift EP 0 937 120 B1

6

[X.] [X.] Übersetzung des [X.] [X.] 30 852 T2

7

K2 Registerauszug des [X.]: 697 30 852.9 vom 27. Dezember 2009

8

K3 Merkmalsgliederung des Anspruchs 21 von [X.]

9

K4 [X.] 90/05161 [X.]

[X.] [X.] [X.]

K6 [X.], "Biologisch abbaubar", [X.], 47. Jg., 1996, Nr. 1 (Januar 1996), [X.] und 67

[X.] I. [X.] et al., "[X.]: Physico-Chemical Backgrounds, Processing Conditions, Properties",

DAVOS [X.], [X.], [X.], [X.], 22.-26. März 1993 (1993)

[X.] S. [X.] et al., "Structural Characteristics of Biodegradable Thermoplastic Starch/Poly(ethylene-vinyl alcohol) Blends", [X.]. [X.]. [X.]., [X.], [X.] (1995)

K9 I. [X.] et al., "Thermoplastic Starch/[X.]er Blends: Structure, Properties, Application", [X.] Symposium, [X.], [X.], 20.-21. November 1991, [X.] (1991)

[X.] [X.] 92/19680 [X.]

[X.] Schriftsatz der Patentanmelderin vom 5.1.2004 an das [X.] im Erteilungsverfahren zum Streitpatent

[X.]  [X.] ([X.]) [X.] vom 24.5.2011

[X.] EP 0 947 559 B1

[X.]a [X.] 31 396 T2

[X.] Tabellarischer Vergleich der Merkmalsgliederungen: [X.]a Anspruch 1 gemäß Hauptantrag mit Anspruch 21 des [X.]

[X.] T1819/07 Entscheidung der Beschwerdekammer des [X.] vom 15.3.2011

K16 [X.], [X.], 4th [X.], Vol. 22, [X.] (1997), Seiten 256 bis 278

[X.] [X.] von 3 Ni 30/10 (EP) zu [X.] ([X.])

[X.] Tabellarische Übersicht der in Absatz 52 des [X.] ([X.]) angegebenen Beispiele für "mit Stärke inkompatible" [X.]ere

K19 [X.] und [X.], "[X.]er Chemistry", 3th [X.], [X.], [X.], [X.] [X.] (1992), Seiten 325 bis 326

[X.] [X.] und [X.], "[X.]er rheology and processing", Elsevier Applied [X.]ence, [X.] (1990), S. 85

K21 Analysebericht von [X.], "Quantitative Mikrostruktur-analyse für Abbildung 15 b) "[X.]" und Abbildung 16b) "[X.]" von Anlage [X.] mit korrigierter Seite 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 7.2.2012

[X.] EP 0 512 360 [X.] ([X.] im [X.] Parallelverfahren)

[X.] [X.] 91/02025 [X.] ([X.] im [X.] Parallelverfahren)

K24 [X.] 92/14782 [X.] ([X.] im [X.] Parallelverfahren)

[X.] [X.] 93/09171 [X.] ([X.] im [X.] Parallelverfahren)

K26 EP 0 560 244 [X.] ([X.] im [X.] Parallelverfahren)

[X.] Textstellen im Stand der Technik zu Entgasung während der [X.]trusion, Tabellarische Übersicht zu Entgasung in [X.] und [X.] - K26

[X.] [X.] von [X.]: Nacharbeitung von Beispiel 3 auf Seite 14 der Patentanmeldung [X.] (Anlage [X.])

[X.]a Analysebericht von [X.]: Quantitative Mikrostrukturanalyse der Probe 11127 (0,18 % Wassergehalt) mit Hilfe der "Image Tool 3.0" Software

K29 Herstellungsbedingungen des Beispiels 3 auf Seite 14 der [X.] [Schaubild zu Tabelle 1 auf Seite 14 von [X.] ([X.] im [X.] Parallelverfahren)]

[X.] [X.] von [X.]: Nacharbeitung von [X.], [X.] 1991 (Anlage K9)

K31 "Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie", 4. Auflage, Band 15, [X.] (1978), Seite 216

K32 [X.] von [X.]: Untersuchung zum Einfluss der Dauer der Säureätzung von Stärke-Polyester-Blends mit 5 M HCl

sowie auf die in der mündlichen Verhandlung überreichten Dokumente

Schaubild "Wirkungsweise von Phasenvermittlern"

Schaubild "Bildung eines Phasenvermittlers vom Typ A)e) [[X.]] in-situ".

Die Klägerin ist der Ansicht, die Gegenstände der angegriffenen Ansprüche 21 und 22 des [X.] seien nicht ausführbar, da Messmethoden zur Bestimmung der Mikrostruktur und Verfahrensparameter weitestgehend nicht genannt und unklare Begriffe verwendet würden. Insbesondere fehle es an der Ausführbarkeit der extrem breiten Ansprüche für solche Materialien, die keinen Ester vom Typ A) a) gemäß Absatz [0015] des [X.] darstellten, der für die in Anspruch 21 genannte Mikrostruktur unerlässlich sei.

Außerdem seien die Gegenstände der streitgegenständlichen Ansprüche durch den Stand der Technik gemäß [X.], [X.] und [X.] neuheitsschädlich getroffen. Dabei sei davon auszugehen, dass "mit Stärke inkompatibel" im Sinne des [X.] solche [X.]ere seien, die mit Stärke nicht vollständig mischbar seien, so dass beim Mischen eine heterophasige Struktur entstehe. Der Fachmann entnehme der [X.] aufgrund seines allgemeinen Fachwissens, dass ein amphiphiles [X.]er eingesetzt werde. Darüber hinaus ergäben sich die Merkmale der beanspruchten Erfindung für den Fachmann in naheliegender Weise aus seinem allgemeinen Fachwissen in Verbindung mit dem Stand der Technik gemäß K9 und [X.].

Soweit die Beklagte der Auffassung sei, die [X.] ständen der Patentfähigkeit nicht entgegen, weil deren Gegenstände nicht ausführbar seien und dies mit [X.] belegen wolle, handele es sich - wie entsprechende Untersuchungen der Klägerin belegten - nicht um korrekte Nacharbeitungen.

Die Klägerin stellt den Antrag,

das [X.] Patent 0 937 120 im Umfang seiner Patenansprüche 21 und 22 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig zu erklären.

Die Beklagte stellt den Antrag,

die Klage abzuweisen

und beantragt die Gewährung einer Schriftsatzfrist zur Erwiderung auf den Schriftsatz der Klägerin vom 30. Januar 2012, insbesondere zu den mit diesem Schriftsatz vorgelegten Gutachten [X.] und K32.

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen und verweist auf die Dokumente:

[X.] von 2007: "[X.] 2007" (http://www.epo.org/about-us/events/archive/2007/patent-forum/inventor2007.html)

B1 [X.], "[X.]", Prog. [X.]. [X.]., Vol. 23, Seiten 707 bis 757, 1998

B2 Analysebericht von [X.]A. vom 29.11.2011 Reproduction of [X.] I. et al., "[X.]: Physico-Chemical Backgrounds, Processing Conditions, Properties", [X.] Recycle '93 [X.] - in situ formation of amphiphilic polymers - Seiten 1 bis 11

B3 Analysebericht von [X.]A. vom 13.12.2011 Reproduction of [X.] I. et al., "[X.]: Physico-Chemical Backgrounds, Processing Conditions, Properties", [X.] Recycle '93 [X.] - Addition of external amphiphilic polymers - Seiten 1 bis 8

B4 [X.] et al., "Thermoplastic Starch Blends With a Poly([X.]): Processability and Physical Properties", [X.]er Engineering and [X.]ence, [X.] 1994, Vol. 34, No. 1, Seiten 17 bis 23

B5 Analysebericht von [X.]A. vom 13.12.2011 Reproduction of [X.] I. et al., "Thermoplastic starch/polymer blends: Structure, Properties, Applications", Symposium International "Valorisation industrielle non alimentaire des [X.]", 20 et 21 Novembre 1991 - [X.], Seiten 1 bis 10

[X.] Analysebericht von [X.]A. vom 3.5.2011, [X.]. 3 [X.] reproduction: Part I film blowing and tear resistance, Seiten 1 bis 8, und Part II [X.], Seiten 1 bis 5

[X.] von [X.]A. vom 3.5.2011, [X.] mediator in [X.] polymer incompatible with starch at water content during mixing above and below 1 %, Seiten 1 bis 17

B8 Analysebericht von [X.]A. vom 15.12.2011, [X.]ample 17 of [X.] 92/19680 reproduction, Seiten 1 bis 8

B9 Analysebericht von [X.]A. vom 15.12.2011, [X.]/19680 with a composition based on PCL and starch including [X.], Seiten 1 bis 8

[X.] von [X.]A. vom 3.5.2011, [X.] 1B and 2B of EP 0 937 120 B1 reproduction, Seiten 1 bis 8

[X.] Analysebericht von [X.]A. vom 23.9.2011, [X.] in heterophase compositions comprising thermoplastic starch and a thermoplastic polymer incompatible with starch, Seiten 1 bis 7

B12 Teilchengrößenverteilungen gemäß Figuren 1 und 2

B13 Berufungsbegründung der Patentinhaberin in Sachen der EP 0 947 559 ([X.] ([X.])) vom 17. Januar 2012 samt Anlagen an den Bundesgerichtshof

B14 Manual / Gebrauchsanleitung von [X.], Scanning Electron Microscope Operating Instructions, Ausgabe 4. Mai 1990.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Lehre von Anspruch 21 des [X.] sei hinreichend deutlich offenbart, da der Fachmann die üblichen Methoden zur Messung der Partikelgröße im Streitpatent mitlese.

Die Gegenstände der streitgegenständlichen Patentansprüche seien neu und beruhten auf erfinderischer Tätigkeit. Das in [X.] beschriebene [X.] stelle kein mit Stärke inkompatibles [X.]er im Sinne des [X.] dar und sei mangels Nennung konkreter Verfahrensbedingungen nicht ausführbar. Vor allem aber wirkten die amphiphilen [X.]ere gemäß Streitpatent rein physikalisch, während [X.] und [X.] eine chemische Bindung, d. h. molekulare Koppelung beträfen. [X.] offenbare im Unterschied zum Streitpatent nur stärkehaltige Domänen, die nicht in den Anspruch 21 des [X.] angegebenen Größenbereich fielen.

Eine Zusammenschau von K9 mit [X.] und [X.] führe nicht zum Gegenstand des [X.], da die Mittel zur Erreichung der Mikrostruktur dort nicht offenbart seien. [X.] und [X.] verwendeten gänzlich andere Mittel als das Streitpatent.

Die zu den [X.] angestellten Vergleichsversuche der Beklagten seien unter den in den jeweiligen Druckschriften offenbarten Verfahrensbedingungen durchgeführt worden. Sie beantragt die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den Fragen,

ob das [X.] auf einer der Lehre der [X.] entsprechenden Nacharbeitung beruht,

ob das Gutachten [X.], nicht aber [X.], auf einer der Lehre der [X.] entsprechenden Nacharbeitung beruht,

und

ob das Gutachten B5, nicht aber [X.], auf einer der Lehre der K9 entsprechenden Nacharbeitung beruht.

Entscheidungsgründe

I.

Die auf die Nichtigkeitsgründe der mangelnden Ausführbarkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 [X.] [X.] Art. 138 Abs. 1 lit. b EPÜ) und mangelnder Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ) gestützte Klage ist zulässig. Sie erweist sich auch als begründet. Der von der Klägerin geltend gemachte [X.] der mangelnden Patentfähigkeit führt zur Nichtigkeit des Streitpatents im Umfang der angegriffenen Patentansprüche 21 und 22, da sich deren patentgegenständliche Lehre gegenüber dem vorgebrachten Stand der Technik jedenfalls als nicht erfinderisch erweist.

1. a) [X.] betrifft biologisch abbaubare polymere Zusammensetzungen mit hohem Widerstand gegen Alterung und gegen geringe Feuchtigkeit, umfassend thermoplastische Stärke und ein mit Stärke inkompatibles thermoplastisches Polymer. In diesen Zusammensetzungen konstituiert die Stärke die dispergierte Phase und das thermoplastische Polymer konstituiert die kontinuierliche Phase (vgl. [X.] Abs. [0001]).

Zum Stand der Technik ist in der Streitpatentschrift ausgeführt, dass es bekannt sei, dass die mechanischen Eigenschaften, insbesondere die Reißfestigkeit von Produkten (Filmen), die aus Zusammensetzungen hergestellt seien, welche thermoplastische Stärke und ein mit Stärke inkompatibles thermoplastisches Polymer enthielten, bei denen die Stärke die disperse Phase konstituiere, beträchtliche Verschlechterungen erführen, weil die Stärke Wasser abgebe oder absorbiere, bis sie mit der [X.] im Ausgleich sei ([X.] Abs. [0003]). Unter [X.]edingungen relativ niedriger Feuchtigkeit, beispielsweise bei 20 % Feuchtigkeit, zeige das Material die Tendenz, fragil zu werden, weil die disperse Phase wegen [X.] ungenügend plastifiziert werde, wodurch die Transformationstemperatur über die Umgebungstemperatur steige ([X.] Abs. [0004]). Wenn unter diesen Umständen die Stärkepartikel, welche die disperse Phase ausmachten, belastet seien, könnten sich diese nicht verformen und die [X.]elastung aufnehmen, sondern blieben starr, wodurch das Zerreißen ausgelöst würde ([X.] Abs. [0005]).

Aufgabe zugrunde, biologisch abbaubare, heterophasige Zusammensetzungen, die thermoplastische Stärke und ein mit Stärke inkompatibles thermoplastisches Polymer aufweisen und in denen die Stärke die disperse Phase und das Polymer die kontinuierliche Phase ausmachen, bereitzustellen, die geeignet sind, gute mechanische Eigenschaften auch bei geringer relativer Feuchtigkeit zu bewahren (vgl. [X.] Abs [0015] Zn. 1 bis 4).

Gelöst wird diese Aufgabe gemäß Patentanspruch 21 durch ein

1 Material, das aus heterophasigen Zusammensetzungen gewonnen werden [X.] umfassend thermoplastische Stärke und ein mit Stärke inkompatibles thermoplastisches [X.] in dem die Stärke die disperse Phase und das thermoplastische Polymer die kontinuierliche Phase konstituiert,1.3 mit einer Mikrostruktur der dispersen Phase, in der mindestens 80% der Partikel Abmessungen haben, die kleiner als 1 um sind und die durchschnittliche Partikelgröße zwischen 0,1 und 0,5 um beträgt

Laut Patentanspruch 22 kommt folgendes Merkmal hinzu:

2 Material nach Anspruch 21 in Filmform.

b) [X.]ei der [X.]eurteilung des Gegenstandes des Streitpatents, nämlich einer Zusammensetzung von Polymeren mit verbesserten Eigenschaften, ist das Wissen und Verständnis des einschlägigen Fachmanns bezüglich der Kompatibilisierung von [X.]([X.]) von [X.]edeutung. Der zuständige Fachmann ist hier als [X.] der Fachrichtung makromolekulare [X.]hemie bzw. Polymerchemie zu definieren, der mit der Entwicklung von umweltverträglichen polymeren Zusammensetzungen betraut ist, die zum Einen gut biologisch abbaubar sind und zum Anderen eine hohe mechanische Festigkeit mit geringer Neigung zur Alterung aufweisen, und der sich praktisch wie theoretisch weitgehende Kenntnisse auf dem Gebiet der Herstellung solcher Materialien angeeignet hat.

c) Zur Erläuterung dieses Wissens wird auf den Übersichtsartikel von [X.] ([X.]), der Strategien zur Kompatibilisierung von [X.] zusammenfasst, [X.]ezug genommen. Dieser Übersichtsartikel ist zwar nachveröffentlicht, die zitierten Literaturstellen, die in [X.] abgehandelt werden, sind jedoch alle vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents veröffentlicht, so dass der darin beschriebene Stand der Technik vor diesem [X.]punkt dem aufmerksamen Fachmann bekannt war und damit zum fachmännischen Wissen gehörte (vgl. [X.] [X.]. [X.]). Dies entspricht dem Vorbringen der [X.]eklagten in ihrer [X.]erufungsbegründung im Verfahren 3 Ni 3/10 ([X.]) (vgl. [X.]3 [X.]. III., dort S. 9).

Durch das Mischen von verschiedenen Polymeren werden neue [X.] erhalten, die in der Regel gegenüber den individuellen Polymeren verbesserte Eigenschaften aufweisen. Die [X.] können im Ergebnis homogen bis heterogen sein. In homogenen Mischungen verlieren beide Mischkomponenten ihre Identität und die Produkteigenschaften stellen das arithmetische Mittel beider Komponenten dar. In heterogenen Mischungen bleiben die Eigenschaften aller Komponenten erhalten. Die bekanntesten und meist erhaltenen Mischstrukturen sind (i) Dispersionen von einem Polymeren in der Matrix eines anderen Polymeren und (ii) co-kontinuierliche Zweiphasenstrukturen. Welche der beiden Strukturen erhalten wird, hängt [X.] der Mischkomponenten, der Viskosität und deren Verhältnis zueinander, der Mischtemperatur und dem Mischungsverhältnis der Komponenten ab. (vgl. [X.] [X.]. [X.] Punkt 2.1.).

Die meisten Mischungen sind vollständig unmischbar. Sie haben eine grobe Phasenstruktur, die [X.] ist scharf und die [X.] dazwischen ist gering, dh diese Mischungen müssen kompatibilisiert werden, um einen synergistischen Effekt bezüglich der Komponenteneigenschaften zu erzielen (vgl. [X.] [X.]. [X.] Punkt 2.3. dort S. 712 Abs. 2). Die Kontrolle der Phasenstruktur während des Mischverfahrens ist entscheidend, um die neuen Materialien mit verbesserten Eigenschaften bezüglich der unmischbaren Ausgangssubstanzen zu erhalten. Zur Mischung der Komponenten haben sich in der Praxis Doppelschneckenextruder als am besten geeignet erwiesen, wobei hier u. a. die Temperatur, Geschwindigkeit und die [X.] während des Mischens im [X.] (im Extruder) zu beachten sind (vgl. [X.] [X.]. [X.] Punkt 2.4.1.2. insb. S. 715 Abs. 3).

Zur Kompatibilisierung werden Makromoleküle (Polymere) verwendet, die grenzflächenaktive Eigenschaften aufweisen. Üblicherweise umfassen diese grenzflächenaktiven Polymere [X.]lockstrukturen mit einem [X.]lock, der mit einer Mischungskomponente mischbar ist, und einem anderen [X.]lock, der in der anderen Mischungskomponente mischbar ist. Diese [X.]lockstrukturen können auch in-situ während des Mischungsprozesses erzeugt werden. Die grenzflächenaktiven Polymere verringern die [X.] zwischen den Phasen. Je kleiner die [X.] zwischen den Phasen ist, desto kleiner wird der Durchmesser der erzeugten Tropfen (Teilchen) des in der Matrix dispergierten Polymers 1. Üblicherweise können durchschnittliche Partikelgrößen im [X.] erreicht werden. Durch den Einsatz geeigneter Kompatibilisierungsmittel erhöht sich die [X.] zwischen den Grenzflächen, was [X.]elastungen zwischen den Phasen abschwächt, so dass auftretende Risse nicht weiterwachsen können. Folgenschwere Fehler in der Matrix, die aus äußeren [X.]elastungen herrühren, werden in Folge verhindert (vgl. [X.] [X.]. [X.] Punkt 2.4.2.).

d) Der [X.]egriff "inkompatibel" im Zusammenhang mit Merkmal 1.1 bedarf der Erläuterung. Zur [X.]eurteilung dieses [X.]egriffs ist nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche [X.]estimmung der in der Patentschrift verwendeten [X.]egriffe entscheidend, sondern das Verständnis des unbefangenen Fachmanns. Patentschriften stellen im Hinblick auf die dort gebrauchten [X.]egriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon dar (vgl [X.], 909 - 914 [X.]annschraube). Die Patentschrift betrifft Zusammensetzungen der [X.]), [X.]) und [X.]). [X.]ezüglich der Zusammensetzung A) ist u. a. ausgeführt, dass die Wirkung von [X.] der Klasse a) zur Erzeugung einer Kompatibilität im Fall von Stärke/Polyestersystemen auf der Wechselwirkung zwischen den freien Alkoholgruppen des [X.] und jenen der Stärke und zwischen den Estergruppen des [X.], wodurch die Kompatibilität bewirkt wird, und der Polyesterphase beruht (vgl. [X.] Abs. [0020] u. [0027]). Gemäß Abs. [0097] können die Zusammensetzungen [X.]) auch die grenzflächenaktiven Mittel umfassen, die für die Zusammensetzungen A) beschrieben wurden. In diesem Fall verbessert der Einsatz des grenzflächenaktiven Mittels zusätzlich die rheologischen Eigenschaften der Zusammensetzungen. Unter diese Zusammensetzungen fallen auch die grenzflächenaktiven polymeren Mittel der Klasse e) (vgl. [X.] Abs. [0046]). Insgesamt ist für die Zusammensetzungen A), [X.]) und [X.]) ausgeführt, dass mit Kompatibilitätsbedingungen (mit oder ohne grenzflächenaktive Mittel) während des Mischens mit dem Extruder, die ausreichend gut sind, eine Dispersion von Stärke in Form von Partikeln mit einer durchschnittlichen Größe von weniger als 1 Mikrometer, vorzugsweise weniger als 0,5 Mikrometer, gewonnen werden kann (vgl. [X.] Abs. [0030], [0031], [0107] u. [0115]).

Dem einschlägigen Fachmann erschließt sich hier die Lehre, dass das thermoplastische Polymer soweit mit der thermoplastischen Stärke kompatibilisiert (vermischt) vorliegen soll, dass das gewünschte Ergebnis, [X.] im [X.] zu erhalten, erreicht wird. Diese Erkenntnis steht auch im Einklang mit seinem diesbezüglichen Fachwissen. Der [X.]egriff "inkompatibel" ist in diesem Zusammenhang demnach so zu verstehen, dass die thermoplastischen Polymere in der Mischung soweit kompatibilisiert sind, dass die Zusammensetzung mit allen ihren beanspruchten Merkmalen erhalten wird. Dies ist auch Gegenstand des Patentanspruchs 21. Dort soll gemäß Merkmal 1.1 das beanspruchte Material thermoplastische Stärke und ein mit Stärke inkompatibles thermoplastisches Polymer umfassen, d. h. der [X.]egriff "inkompatibel" bezieht sich auf das thermoplastische Polymer im Erzeugnis, wobei das Polymer in der oben beschriebenen Form darin vorliegt - nämlich in einer in [X.]ezug auf die thermoplastische Stärke ausreichend kompatibilisierten Form. Im Grenzbereich der verschiedenen Phasen liegt dann eine (teilweise) Vermischung vor.

e) Während der Vermischung der Komponenten in der Schmelze können bei den erhöhten Temperaturen chemische Reaktionen ablaufen. So reagieren [X.](OH)-Gruppen von z. [X.]. Stärke mit freien Säuregruppen anderer Polymere unter [X.]ildung eines [X.], wobei Wasser freigesetzt wird. Da chemische Reaktionen in beide Richtungen (vorwärts und rückwärts) verlaufen, stellt sich bei einer gewissen Konzentration der Edukte und Produkte ein Gleichgewicht ein (Massenwirkungsgesetz). Dieses Gleichgewicht kann durch Entfernen oder Zugeben von Edukten oder Produkten beeinflusst werden. [X.]ei [X.] geschieht dies üblicherweise durch Entfernen von Wasser aus dem [X.] durch Destillation, so dass das Gleichgewicht immer von Neuem in Richtung der Veresterung gedrückt wird. In der Praxis kann es deshalb bei der Vermischung (blend) von Polyestern mit Stärke im Extruder mit Entgasung (Entfernen von Wasserdampf) zu Veresterungs- oder Umesterungsreaktionen kommen. [X.]ei Mischungen mit Stärke wird dabei die hydrophile Stärke an die hydrophobe Polymere angebunden, wobei diese dann in-situ kompatibilisiert werden.

f) [X.]ei der Herstellung von Dispersionen von einem Polymeren in der Matrix eines anderen Polymeren fallen grundsätzlich Partikel mit unterschiedlichen Durchmessern an, d. h. es liegt immer eine Partikelgrößenverteilung vor. Zur quantitativen [X.]eurteilung dieser Partikelverteilung ist es deshalb von Vorteil, Mittelwerte bezüglich der Partikelgrößen anzugeben. Der Streitpatentschrift können keine Angaben entnommen werden, welcher Mittelwert unter einer durchschnittlichen Partikelgröße (Patentanspruch 1) bzw. durchschnittlichen numerischen Dimension ([X.]eispiele [X.] und [X.]2) gemeint ist. D. h. zur [X.]eurteilung der durchschnittlichen Partikelgröße gemäß Streitpatentschrift können alle in Frage kommenden Mittelwerte herangezogen werden. Der [X.]egriff der durchschnittlichen Partikelgröße im Streitpatent ist dementsprechend zu verstehen.

2. Die Klägerin stützt ihr Vorbringen der mangelnden Ausführbarkeit zum Einen auf fehlende Ausführbarkeit über die gesamte [X.]reite des Patentanspruchs 21 und zum Anderen auf fehlende Angaben zu Messmethoden und Verfahrensparametern zur [X.]estimmung der Mikrostruktur sowie auf diesbezügliche mangelnde Klarheit.

a) Was fehlende Angaben zu Messmethoden und Verfahrensparametern zur [X.]estimmung der Mikrostruktur in [X.]ezug auf das Merkmal 1.3 anbelangt, so stellt diese nach Auffassung des [X.] nicht die Ausführbarkeit, sondern vielmehr ausschließlich die Unterscheidbarkeit streitpatentgemäßer Zusammensetzungen von gattungsgemäßen Zusammensetzungen des Standes der Technik und damit deren Abgrenzbarkeit in Frage. [X.]ei dem Merkmal 1.3 handelt es sich lediglich um eine relativ beliebig gezogene Auswahlgrenze, mit deren Hilfe der Fachmann aus dem riesigen Kollektiv von mit Stärke inkompatiblen thermoplastischen Polymeren dasjenige Material selektieren kann, welches voraussichtlich die gestellten technischen Anforderungen erfüllt. Denn die im Einzelnen angewandte [X.] führt nicht zu einem anderen Stoff bzw. nicht zu einer anderen Zusammensetzung. Ziel eines jeden analytischen Verfahrens ist es, die [X.]eschaffenheit einer bestimmten Probe, hier einer den Merkmalen 1, 1.1 und 1.2 unterfallenden Zusammensetzung, zu untersuchen. Wenngleich für ein und dasselbe, unter die Merkmale 1.1 und 1.2 fallende [X.] in Abhängigkeit von üblichen, dem Fachmann geläufigen Messverfahren und von den Verfahrensparametern zur [X.]estimmung der Mikrostruktur unterschiedliche Messwerte für das Merkmal 1.3 erhalten werden können, so ändert sich dadurch allenfalls die zur Analyse herangezogene Probe (zerstörende oder zerstörungsfreie Analytik), nicht aber die stoffliche [X.]eschaffenheit des jeweiligen zu untersuchenden Produkts an sich.

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin kann aus einer extrem breiten, quasi aufgabenhaften Formulierung des Patentanspruchs 21 ebenfalls nicht der [X.] der mangelnden Ausführbarkeit der Erfindung hergeleitet werden (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. b EPÜ). Wie die Klägerin selbst nicht in Abrede stellt, zeigt das Streitpatent jedenfalls anhand zweier konkreter Ausführungsbeispiele, wie heterophasige Zusammensetzungen mit den stofflichen Merkmalen 1.1 und 1.2 in Domänengrößen des beanspruchten [X.]ereichs des Merkmals 1.3 erhalten werden können (vgl. [X.] S 21 bis 22 [X.]eispiele 1[X.], 2[X.]), so dass dem fachkundigen Leser die erforderliche technische Information vermittelt wird, um mit seinem Wissen und Können die streitpatentgemäße Lehre jedenfalls insoweit nachzuarbeiten (vgl. auch [X.]GH GRUR 2010, 916 - Klammernahtgerät).

Eine unangemessene Anspruchsbreite, auf welche die Klägerin mit ihrem Vorbringen im Ergebnis abzielt, ist nach der Rechtsprechung für sich allein zwar kein [X.] ([X.]GH GRUR 2001, 813, 818 - [X.]; GRUR 2004, 47 [X.] - blasenfreie [X.]; dagegen [X.]GH GRUR Int. 2010, 749-752 - Thermoplastische Zusammensetzung). Jedoch stellt die Lehre des Patentanspruchs 21 in Anbetracht der [X.] äußerst großen Anzahl grundsätzlich geeigneter thermoplastischer Polymere, die nach den schriftsätzlichen Ausführungen der [X.]eklagten lediglich optional [X.] bzw. grenzflächenaktive Mittel erfordern (vgl. [X.] v 19. Dezember 2011 S. 8 le. Abs.; [X.] z. [X.]. Abs. [0030], [0031], [0097], [0107], [0115] u. 0118]), sowie in Anbetracht einer Vielzahl von Ausgestaltungsmöglichkeiten betreffend die [X.]eschaffenheit und damit die Struktur thermoplastischer Stärke nichts anderes dar als ein "Forschungsprogramm" zum Auffinden für spezielle Anwendungen geeigneter [X.]lends von unter die Merkmale 1.1 und 1.2 subsumierbarer Edukte bzw. letztlich nur die Aufgabenstellung im Rahmen des [X.] 1.3 (vgl. [X.][X.] 3 Ni 47/08 v. 23.11.2010 - [X.]uprenorphinpflaster; [X.] 1063/06 v. 3.2.2009).

3. Ob die mangelnde Ausführbarkeit des Gegenstandes des Streitpatents gegeben ist, kann allerdings dahinstehen, da das Material gemäß Patentanspruch 21, wie nachfolgend dargelegt, nicht patentfähig ist.

Das Material mit den Eigenschaften 1 bis 1.3 dürfte gegenüber der [X.] und [X.] bereits nicht neu sein.

a) Aus der Druckschrift [X.] geht ein Material hervor, das aus Mischungen von thermoplastischer Stärke ([X.]) und hydrophoben Polymeren hergestellt wird. Als mit [X.] zu mischende Polymere sind Polyolefine, unterschiedliche [X.]ellulosederivate und aliphatische Polyester aufgeführt. Selbstverständlich handelt es sich bei diesen Polymeren aufgrund ihrer thermischen Verformbarkeit um thermoplastische Polymere. Die [X.] bildet die disperse Phase und das Polymer die Matrix, d. h. es liegt eine heterophasige Zusammensetzung vor. Dies entspricht den Merkmalen 1 und 1.2. Die Partikelgröße der dispersen Phase ist mit weniger als 0,2 µm angegeben, d. h. die durchschnittliche Partikelgröße der dispersen Phase ist kleiner als 0,2 µm. Es spricht vieles dafür, dass bei dieser durchschnittlichen Partikelgröße über 80 % der Partikelabmessungen unter 1 µm liegen, und dass damit das Merkmale 1.3 insgesamt erfüllt ist. Entsprechendes gilt für das [X.] des "inkompatiblen thermoplastischen Polymers" des Merkmals 1.1 insofern, als in [X.], neben den mit Stärke ohnehin inkompatiblen Polyolefinen, mit [X.]ellulosederivaten und aliphatischen Polyestern auch solche thermoplastischen Polymere als Matrix eingesetzt werden, die gemäß der [X.]eschreibung des Streitpatents als inkompatibel mit Stärke bezeichnet werden (vgl. [X.] Abs. [0052]), und wobei eine Kompatibilisierung im Zuge der Mischung und Verarbeitung entsteht (vgl. [X.] Abs. 4 u. 5).

(Merkmal 1), in dem die Stärke die disperse Phase und das thermoplastische Polymer die kontinuierliche Phase darstellt (Merkmal 1.2). Die Mikrostruktur der dispersen Phase mit Durchmessern der Domänen von < 0,25 µm fällt unter Merkmal 1.3 (siehe obige Ausführungen zu [X.]). In [X.] ist ausgeführt, dass aufgrund des geringeren Kontrasts der kleineren Domänengrößen bei der Messung auf eine gewisse Löslichkeit der Stärke und [X.] Komponenten geschlossen werden kann. Das Vorliegen von diskreten stärkehaltigen Domänen zeigt jedoch, dass der größte Teil der Stärke unmischbar mit dem [X.] ist (vgl. [X.] S. 2277 re. [X.]. Abs. 1). D. h. das thermoplastische Polymer [X.] ist in der Mischung mit der Stärke im Sinne des Streitpatents "inkompatibel" (Merkmal 1.1).Dass es sich bei dem gemäß [X.] eingesetzten Poly(ethylen-vinylalkohol) um ein mit Stärke im Sinne des Streitpatents inkompatibles thermoplastisches Polymer handelt und damit auch das Merkmal 1.1 insgesamt erfüllt ist, ergibt sich aus der [X.]eschreibung des Streitpatents, wonach die expressis verbis als mit Stärke inkompatibel eingestuften thermoplastischen Polyester, darunter das in [X.] im Gemisch mit [X.] zum Einsatz gelangende Poly-ε-caprolacton (vgl. [X.] S. 27 [X.]eisp. 17 bis 23), auch im Gemisch mit einem bis zu 30-fachen Überschuss an [X.] eingesetzt werden können (vgl. [X.] Abs. [0061] [X.] Abs. [0052], [0057], [0058] [0060], [0087], [0090], [0091]).

Merkmal 1.1 umfassend) und im Hinblick auf den [X.]egriff thermoplastisches Polymer um einen stofflich offenen Sachanspruch, bei dem die Inkompatibilität sich nicht nur auf den Zustand vor dem Verarbeiten der Ausgangsstoffe bezieht, und auch auf den Zustand der Komponenten in dem erhaltenen bzw. erhältlichen Material. Denn Kompatibilität ist für den Erhalt der kleinen Domänen gemäß Merkmal 1.3 zwingend erforderlich, was letztlich durch Zugabe von kompatibilitätsvermittelnden Stoffen, z. [X.]. auch von [X.] im Sinne der Lehre des Streitpatents, erreicht werden kann.

b) Ob der Gegenstand des Patentanspruchs 21 gegenüber der Lehre der Druckschriften [X.] oder [X.] die erforderliche Neuheit aufweist, kann letztlich jedoch dahinstehen. Denn der Gegenstand des Patentanspruchs 21 beruht gegenüber den Druckschriften [X.] und [X.] oder [X.] jedenfalls nicht auf einer erfinderischer Tätigkeit.

[X.]ei der [X.]ewertung der erfinderischen Tätigkeit ist von dem zugrunde liegenden technischen Problem auszugehen und zu prüfen, ob der Fachmann Anlass dazu hatte, die fraglichen Druckschriften in [X.]etracht zu ziehen, und ob diese ihm Hinweise oder Anregungen zur Lösung des Problems bzw. der Aufgabe geben können ([X.]GH GRUR 2009, 1039 - Fischbissanzeiger). Das ist hier der Fall. Die Druckschriften [X.], [X.] und [X.] betreffen nämlich biologisch abbaubare [X.] aus thermoplastischer Stärke und unpolaren thermoplastischen Polymeren. Sie beschäftigen sich auch mit verbesserten mechanischen Eigenschaften dieser Mischungen im Hinblick auf deren Mikrostruktur.

Merkmal 1.1). Demnach sind die erhaltenen [X.]/Polyolefin-Mischungen multiphasig und damit auch heterophasig (Merkmal 1), wobei ein Polymer üblicherweise in dem Anderen dispergiert ist und das Kompatibilisierungsmittel zwischen den [X.] verteilt ist. Das Kompatibilisierungsmittel soll dabei die Grenzspannung zwischen den Phasen verringern und somit auch die Partikelgröße der dispergierten Teilchen beeinflussen. Dabei ist eine feinere Verteilung der Partikel für die mechanischen Eigenschaften des Materials von wesentlicher [X.]edeutung (vgl. [X.] STRUKTURE S. 310 bis 311). [X.]ezüglich der Eigenschaften der Mischungen wird in [X.] darauf hingewiesen, dass a) ein hoher Stärkeanteil zur besseren Erzielung der biologischen Abbaubarkeit und b) eine Polyolefinmatrix hinsichtlich einer guten Wasserbeständigkeit als kontinuierliche Phase vorliegen soll. D. h. die Stärke liegt entsprechend Merkmal 1.2 als die disperse Phase vor und das thermoplastische Polymer bildet die kontinuierliche Phase. Dabei können passende mechanische Eigenschaften nur erzielt werden, wenn die Größe der dispergierten Teilchen klein ist, d. h. wenn der Homogenisierungsgrad hoch ist. Die Verwendung des Kompatibilisierungsmittels verringert nach [X.] die Größe der dispergierten Teilchen und verbessert die [X.]elastbarkeit des Materials, u. a. die Reißfestigkeit. Die Vermischung des Kompatibilisierungsmittels mit beiden Phasen verbessert also die Wechselwirkung zwischen den Grenzflächen (vgl. [X.] PROPERTIES S. 311 bis 312). In [X.] wird vorgeschlagen diese Mischungen in der Praxis durch Homogenisieren in einem Doppelschneckenextruder herzustellen. Da die Struktur der Mischungen von den jeweiligen Temperaturen und Prozessbedingungen abhängt, ist der Herstellungsprozess dementsprechend anzupassen, um die erwünschten Ergebnisse zu erzielen (vgl. [X.] PRO[X.]ESSING S. 313). Dies liegt im konstruktiven Können des Fachmanns.

Merkmalen 1, 1.1 und 1.2 soweit kompatibilisiert werden müssen, dass der Homogenisierungsgrad hoch ist. D. h. die Größe der dispergierten Teilchen soll so klein wie möglich ausfallen. Damit hatte der Fachmann den entscheidenden Hinweis zur Lösung der gestellten Aufgabe, nämlich die Teilchengröße der Stärkedomänen möglichst klein einzustellen. Dies wird gemäß [X.] durch Einsatz von Kompatibilisierungsmitteln erreicht.

Merkmal 1.3), wodurch hervorragende Eigenschaften wie u. a. hohe mechanische Haltbarkeit in [X.] gestreckten Filmen erreicht wird (vgl. [X.] le. Abs.). [X.] zeigt auch auf, welche Kompatibilisierungsmittel eingesetzt werden können, nämlich in-situ erzeugte amphiphile Polymere, die auf die Moleküle der Matrix im [X.] (compounding process) aufgepfropft werden. Der Fachmann hatte damit Anlass, Zusammensetzungen mit den Merkmalen 1 bis 1.2 dahingehend zu verbessern, dass die Partikelgröße der dispergierten [X.] unter 0,2 µm liegt und dabei die Streuung der Partikelgröße möglichst gering zuhalten, beispielsweise so, dass mindesten 80 % der Partikel kleiner sind als 1µm sind. Somit gelangt er zwanglos und ohne Weiteres zu einem Material gemäß Patentanspruch 21.

Merkmalen 1 bis 1.2 (vgl. die Ausführungen unter [X.]). Es werden ua die Eigenschaften von Extrusionsmischungen aus Amylose-reichen Hylon VII mit [X.] ([X.]), das 56 Mol% [X.] enthält, untersucht (vgl [X.] Titel und Zusammenfassung). Im dem abschließenden Absatz, der die Einflüsse der Struktur auf die Verarbeitbarkeit und Eigenschaften von Stärke/[X.]-Mischungen zusammengefasst, ist ausgeführt, dass die mechanischen Eigenschaften von Stärke/[X.]-Mischungen auch von der Verteilung der Stärke-haltigen und [X.]-haltigen Phasen abhängen. Kleinere und gleichmäßig verteilte Domänen führen zu mechanischen Eigenschaften, die mehr denen der Mischungen von beiden Komponenten entsprechen. Dagegen wirken sich große Stärkedomänen als Kristallisationspunkte für [X.]elastungseffekte (stress) aus, was zu mechanischen Defekten schon bei geringer Zugbeanspruchung führt. Wenn zwischen Stärke und [X.] eine gewisse Mischbarkeit besteht (also Inkompatibilität im Sinne des Streitpatents) (Merkmal 1.1), erhöht sich die Adhäsion zwischen den Grenzflächen der Phasen. Dadurch können Fehler in der Matrix, die durch [X.] der Domänen von der Matrix herrühren, vermindert werden (vgl. [X.]. [X.]. Abs. 3).

Merkmal 1.3 auch die Anregung, die Größe der möglichst kleinen Domänen auf einen Durchmesser unter 0,25 µm einzustellen (d < 0,25 µm) (vgl. [X.] S. 2277 li. [X.]. Abs. 3 bis re. [X.]. Abs. 1), um das erwünschte Ergebnis zu erzielen.

Insgesamt hatte der Fachmann damit Anlass, Zusammensetzungen mit den Merkmalen 1 bis 1.2 dahingehend zu verbessern, dass die Partikelgröße der dispergierten [X.] unter einer Zielgröße von 0,25 µm liegt, um die angestrebten verbesserten mechanischen Eigenschaften der Mischung zu erhalten.

Sofern die [X.]eklagte die Ausführbarkeit bzw. Nacharbeitbarkeit des vorgebrachten Standes der Technik, insbesondere der [X.] in Frage stellt, weil darin weder Verfahrensparameter und Vorrichtungen noch Ausführungsbeispiele enthalten seien, vermag dies den Fachmann nicht davon abzuhalten, ausgehend von [X.] - Partikelgrößen von 0,2 µm stets im [X.]lickfeld - zu Materialien entsprechend den Merkmalen 1.3 zu gelangen. Die dazu erforderliche experimentelle Arbeitsweise erschließt sich ihm zwanglos aufgrund seines Wissens und Könnens (vgl. vorstehend [X.]. I.1.c)).

Ein Material mit den Merkmalen 1 bis 1.3 war deshalb für den Fachmann im Hinblick auf die Druckschriften [X.] und [X.] oder [X.] naheliegend, so dass Patentanspruch 21 in der erteilten Fassung, jedenfalls mangels erfinderischer Tätigkeit, keinen [X.]estand hat.

4. Was den auf den Patentanspruch 21 rückbezogenen angegriffenen Anspruch 22 anbelangt, so ergibt sich dessen Merkmal bereits aus [X.] bzw [X.] oder werden dort zumindest nahegelegt.

Merkmal 2) (vgl. [X.] S. 2259 re. [X.]. Abs. 1).

5. Der von der [X.]eklagten beantragten Gewährung einer [X.]atzfrist zur Stellungnahme zu den Gutachten [X.] und [X.] bedurfte es nicht, da es auf diese nicht ankam. Im Übrigen hat sich die [X.]eklagte hierzu in der mündlichen Verhandlung ausführlich geäußert.

Der Senat hatte auch keine Veranlassung, entsprechend dem Antrag der [X.]eklagten ein Sachverständigengutachten einzuholen, da die von den Parteien für beweiserheblich gehaltenen Fragen rechtliche [X.]ewertungen sowie die [X.]eurteilung von Parteigutachten betreffen, für die die Mitglieder des [X.] fachkundig sind (vgl. dazu [X.], ZPO, 32. Aufl., § 402 Vorbem. Rn. 3; [X.], Patentgesetz, 8. Aufl. § 81, Rn. 161; [X.]enkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 88 Rn. 6; § 139, Rn. 125).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] [X.] § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 [X.] [X.] § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

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3 Ni 30/10 (EP)

07.02.2012

Bundespatentgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 07.02.2012, Az. 3 Ni 30/10 (EP) (REWIS RS 2012, 9455)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9455

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