Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 08.11.2017, Az. 2 BvR 49/17

2. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2017, 2729

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Zu verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährung von Lockerungen im Strafvollzug, insb bei langdauernder Inhaftierung - hier: Rüge einer Verletzung von Art 19 Abs 4 GG durch unzureichende Sachaufklärung bzgl Vollzugslockerungen nicht hinreichend substantiiert (§§ 23 Abs 1 S 2, 92 BVerfGG) - Verletzung von Art 2 Abs 1 GG iVm Art 1 Abs 1 GG nicht gerügt


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde des anwaltlich vertretenen und seit mehr als 15 Jahren strafgefangenen Beschwerdeführers betrifft die Versagung von Vollzugslockerungen.

2

Sie wird gemäß § 93a Abs. 2 [X.] nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist. Sie genügt nicht den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] folgenden Begründungsanforderungen.

3

1. Wendet sich die Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, so bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit der konkreten Entscheidung und deren konkreter Begründung dahingehend (vgl. [X.] 88, 40 <45>; 101, 331 <345>; 105, 252 <264>; [X.] 19, 388 <395>), dass und weshalb bei dem substantiiert und schlüssig darzustellenden Sachverhalt unter Anknüpfung an die beziehungsweise Auseinandersetzung mit der hierzu bereits ergangenen Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.] 77, 170 <214 f.>; 79, 292 <301>; 99, 84 <87>; [X.] 1, 227 <228>; 3, 213 <216>; 13, 128 <132>; 13, 544 <546>) ein Verstoß der angegriffenen Entscheidung gegen das mit der Beschwerde konkret geltend gemachte verfassungsbeschwerdefähige Recht möglich erscheint (vgl. [X.] 28, 17 <19 f.>; 65, 227 <232 f.>; 67, 90 <94>; 89, 155 <171>; [X.] 9, 174 <184 f.>).

4

2. Nach diesen Maßstäben hat der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen den allein gerügten Art. 19 Abs. 4 GG nicht substantiiert dargelegt. Denn soweit er eine unzureichende Aufklärung des Sachverhalts durch die Fachgerichte rügt, hat er nicht ausgeführt, mit welchen Mitteln das [X.] die von der Justizvollzugsanstalt angenommene Gefahr eines Missbrauchs von Lockerungen weiter hätte aufklären sollen. Diesbezüglich ist auch nichts ersichtlich. Die Justizvollzugsanstalt hat ihrer Entscheidung, keine Lockerungen zu gewähren, das forensisch-psychiatrische Sachverständigengutachten vom 27. Oktober 2014 zugrunde gelegt, welches noch ausreichend aktuell war. Sie hat sich nicht nur auf die durch die weit zurückliegende Tat zutage getretene Gefährlichkeit gestützt, sondern in der Abwägung insbesondere darauf abgestellt, dass bisher noch keine ausreichende therapeutische Tataufarbeitung vorliege. Anhaltspunkte für eine willkürliche, weil nicht nachvollziehbare Abwägung liegen aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht vor.

5

3. Eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG hat der - anwaltlich vertretene - Beschwerdeführer dagegen nicht gerügt. Eine solche Rüge lässt sich auch den Ausführungen zur vermeintlich unzureichenden Sachverhaltsaufklärung nicht entnehmen.

6

Die Kammer weist aber darauf hin, dass gegen die angegriffenen Entscheidungen diesbezüglich verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Das [X.] hat es unbeanstandet gelassen, dass der Vollzugsplan derzeit jegliche Vollzugslockerung ablehnt, ohne sich mit der Frage zu befassen, ob im Hinblick auf Ausführungen die angenommene Flucht- und Missbrauchsgefahr durch die bei dieser Lockerungsform definitionsgemäß vorhandene Aufsicht durch [X.] hinreichend ausgeräumt ist (vgl. [X.] 19, 306 <316 f.>), und ohne auf die Frage einzugehen, ob dem Beschwerdeführer nach mehr als 15jähriger Haft Lockerungen, unabhängig von ihrer entlassungsvorbereitenden und auf Entscheidungen über eine künftige Entlassung einwirkenden Funktion, schon zur Erhaltung seiner Lebenstüchtigkeit gewährt werden mussten (vgl. [X.] 19, 306 <315 f.>; 20, 307 <312 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 4. Mai 2015 - 2 BvR 1753/14 -, juris). Das [X.] hat die gegen die Entscheidung des [X.]s gerichtete Rechtsbeschwerde verworfen.

7

4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

8

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 49/17

08.11.2017

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Nürnberg, 29. November 2016, Az: 1 Ws 425/16, Beschluss

Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 11 Abs 1 Nr 1 StVollzG, § 11 Abs 1 Nr 2 StVollzG, § 11 Abs 2 StVollzG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 08.11.2017, Az. 2 BvR 49/17 (REWIS RS 2017, 2729)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 2729

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 286/18

Vf. 49-VI-18

Zitiert

2 BvR 1753/14

Zitieren mit Quelle:
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