Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 09.02.2022, Az. 1 BvQ 11/22

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2022, 1398

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Mangels Rechtswegerschöpfung unzulässiger Eilantrag eines Journalisten auf Zugang zum Paul-Löbe-Haus anlässlich der Wahl des Bundespräsidenten (17. Bundesversammlung) am 13.02.2022


Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

1

Der Antragsteller ist Journalist und begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die die Präsidentin des [X.] verpflichtet, ihm den Zugang zum [X.] am 13. Februar 2022 zu gewähren, in dem die 17. [X.] stattfindet.

I.

2

1. Aufgrund des aktuellen [X.] hat die Präsidentin des [X.], die nach Art. 54 Abs. 4 Satz 2 GG in Verbindung mit §§ 1, 8 des Gesetzes über die Wahl des Bundespräsidenten durch die [X.] ([X.]) für die Durchführung der [X.] zuständig ist, das neben dem [X.] gelegene [X.] des [X.] für den 13. Februar 2022 mit dem Status des Plenarsaals versehen. Die 17. [X.] hat 1.472 Mitglieder. Hinzu kommen Sicherungs- und [X.]. Insgesamt werden etwa 2.200 Personen am Wahlvorgang beteiligt sein.

3

2. Mit Pressemitteilung vom 28. Januar 2022, die an alle beim [X.] akkreditierten Journalistinnen und Journalisten übersandt wurde, informierte die Präsidentin des [X.], dass die Berichterstattung über die 17. [X.] wie folgt organisiert sei: Im [X.] selbst werde es nur Platz für eine begrenzte Anzahl an Fotografen geben. Über [X.] werde dort die Fernseh-Liveübertragung durch das Parlamentsfernsehen und über [X.] gewährleistet. Anderen Berichterstattern werde kein Zugang zum [X.] gewährt. Für Fernsehen und Hörfunk stünden Räumlichkeiten für [X.] und [X.] im [X.] zur Verfügung, dort in der [X.], der [X.], auf der Fraktionsebene und im [X.]. Für die schreibende Presse werde es in zwei Pressearbeitsräumen eine Liveübertragung aus dem [X.] mit 50 Sitzplätzen geben. Alle anderen Gebäude des [X.] seien unter den üblichen Bedingungen ohne Einschränkung zu betreten.

4

Für das [X.] gelte am 13. Februar 2022, dem Tag der [X.], für alle Personen in der [X.] von 6:00 Uhr bis zwei Stunden nach Ende der [X.] eine Testpflicht. Vor dem [X.] werde ein Testzentrum errichtet. Tests, die ab Samstag, den 12. Februar 2022, 15:00 Uhr, durchgeführt würden, hätten Gültigkeit für den Folgetag.

5

3. Der Antragsteller ist seit 1979 als Journalist tätig und seit 1995 Mitglied der Bundespressekonferenz. Mit Email vom 31. Januar 2022 wandte er sich an die Akkreditierungsstelle des [X.] und beantragte die Ausstellung eines Akkreditierungsausweises für das [X.] am 13. Februar 2022. Die Fernbeobachtung per Video aus dem [X.] könne kein Ersatz sein und stelle keine sinnvolle und sachgerechte Lösung dar. Er sei vollständig geimpft und geboostert, so dass von ihm keine höhere Infektionsgefahr ausgehe als von den übrigen Anwesenden im [X.], bei denen der Impfstatus ausweislich des Testkonzepts der Präsidentin des [X.] keine Rolle spiele. Die Verweigerung der Zulassung jeglicher Journalisten zur eigentlichen [X.] sei willkürlich und in der Sache nicht begründbar. Die Entscheidung erwecke den Eindruck, nicht frei von [X.] ergangen zu sein.

6

4. Mit Fax vom 6. Februar 2022 wandte sich der Antragsteller an das [X.] und beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Präsidentin des [X.] solle verpflichtet werden, ihm Zugang zur [X.] am 13. Februar 2022 im [X.] des [X.] als Ort des [X.] zu gewähren und ihm eine Akkreditierung auszustellen, die ihm Zugang zu den dort versammelten Mitgliedern der [X.] und den Wahlvorgängen und damit die freie Ausübung seines Berufs ermögliche. Nach dem entsprechend heranzuziehenden Art. 42 GG komme die [X.] öffentlich zusammen. Die vollständige Verweigerung des Zugangs von schreibenden Journalisten zur [X.] sei willkürlich, da es keinen hinreichenden sachlichen Grund hierfür gebe. Die Maßnahme sei ungeeignet, den mutmaßlichen Zweck einer besseren Kontrolle des Infektionsgeschehens zu erreichen. Der Verweis auf eine Videoübertragung sei kein hinreichender Ersatz für eine umfassende und unabhängige Berichterstattung und das Gespräch mit den Mitgliedern der [X.].

7

5. Der Präsidentin des [X.] wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie hat mit [X.] ihres Bevollmächtigten vom 9. Februar 2022 den Beitritt zum Verfahren erklärt und vorgetragen, dass aufgrund der fortgesetzten Bedrohung durch die [X.] für die [X.] ein besonderes Hygienekonzept vorgesehen und in Absprache mit den Fraktionen des [X.] entworfen worden sei. Um die gebotenen Abstände einzuhalten, habe sie alle Ebenen des [X.]es zum [X.] designiert und auf Grundlage ihres Hausrechts bestimmte Schutzmaßnahmen getroffen. Zugang werde nur getesteten Personen gestattet. Im gesamten Bereich bestehe die Pflicht, eine [X.] zu tragen. Der persönliche Kontakt zwischen Mitgliedern der [X.] und Journalisten sei weiterhin möglich, lediglich im designierten [X.] des [X.]es nicht. Insofern unterschieden sich die getroffenen Regelungen nicht wesentlich von den sonst üblichen Zugangsbeschränkungen für Medienvertreter oder von Beschränkungen bei der letzten [X.] im Jahre 2017. In der Praxis würden alle Pressevertreter, die für das [X.] akkreditiert werden wollen, zugelassen. Dies ändere aber nichts daran, dass auch ansonsten Medienvertreter keinen Zugang zum eigentlichen [X.] des [X.]s hätten. Dieser sei allein den Abgeordneten vorbehalten. Bei der letzten [X.] sei [X.] des [X.] gleichfalls nur für Mitglieder der [X.] und das die Wahl sichernde Personal zugänglich gewesen. Journalisten blieben darauf angewiesen, wie im Parlamentsbetrieb üblich, dass die Mandatsträger zu ihnen in die zugewiesenen Bereiche kämen. Die Präsidentin des [X.] hält den Antrag bereits für unzulässig, jedenfalls unbegründet.

II.

8

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

9

1. Nach § 32 Abs. 1 [X.] kann das [X.] im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 [X.] gegeben sind, ist wegen der weittragenden Folgen einer verfassungsgerichtlichen einstweiligen Anordnung regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Maßnahmen vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die in der Hauptsache zu entscheidende Verfassungsbeschwerde erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. [X.] 140, 99 <106 Rn. 11>; 143, 65 <87 Rn. 34 f.> m.w.N.; stRspr). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss das [X.] im Rahmen einer Folgenabwägung die Nachteile abwägen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. [X.] 140, 99 <106 Rn. 11>; 143, 65 <87 Rn. 35>; [X.], Beschluss des [X.] vom 15. April 2021 - 2 BvR 547/21 -, Rn. 73; Beschluss des [X.] vom 24. Januar 2022 - 1 BvR 2449/21 -, Rn. 22, jeweils m.w.N.; stRspr).

Vorliegend wäre ergänzend zu berücksichtigen, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung einen Eingriff des [X.]s in die Autonomie eines anderen Verfassungsorgans bedeuten würde ([X.], Beschluss des [X.] vom 26. Januar 2022 - 2 [X.] -, Rn. 31; Beschluss der [X.] des [X.] vom 6. Mai 2005 - 1 BvQ 16/05 -, juris, Rn. 23).

2. Danach kommt eine einstweilige Anordnung hier nicht in Betracht.

Soweit sich der Antragsteller gegen die ausbleibende Bescheidung seines [X.] für das [X.] wendet, ist die Verfassungsbeschwerde bereits offensichtlich unzulässig. Der Rechtsweg ist nicht erschöpft (§ 90 Abs. 2 [X.]). Vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde besteht für den Antragsteller die Möglichkeit, bei den Verwaltungsgerichten um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen.

Dies ist hier auch nicht offensichtlich sinn- und aussichtslos (vgl. [X.] 55, 154 <157>; 70, 180 <185>; 145, 20 <54 Rn. 85>; stRspr). Die Materie der Akkreditierung von Journalisten für den Bereich des [X.], die hier aufgrund fehlender anderweitiger Regelungen durch das Gesetz über die Wahl des Bundespräsidenten durch die [X.] ([X.]) entsprechend heranzuziehen ist, ist dem [X.] auch im Rahmen einstweiliger Verfügungsverfahren vertraut (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 28. April 2017 - 27 L 36/17 -, juris).

Der Antragsteller hat sich mit [X.] vom 6. Februar 2022 an das [X.] gewandt. Es ist nicht ersichtlich, warum er sich mit seinem Antrag eine Woche vor der [X.] nicht im Rahmen des Eilrechtsschutzes an das [X.] hätte wenden können.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvQ 11/22

09.02.2022

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Ablehnung einstweilige Anordnung

Sachgebiet: BvQ

§ 32 Abs 1 BVerfGG, § 90 Abs 2 BVerfGG, BPräsWahlG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 09.02.2022, Az. 1 BvQ 11/22 (REWIS RS 2022, 1398)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1398

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 BvR 547/21

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