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Ablehnung (A-limine-Abweisung) eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung: Kein Anspruch auf Zulassung von "Wahlbeobachtern" bei Bundespräsidentenwahl - offensichtliche Unbegründetheit des Antrags in der Hauptsache - Zulässigkeit des eA-Antrags trotz Vorwegnahme der Hauptsache bei mangelnder Möglichkeit anderweitiger Gewährung ausreichenden Rechtsschutzes
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betrifft die Frage, ob die 15. [X.] verfassungsrechtlich verpflichtet ist, dem Antragsteller oder einer von ihm benannten Person die Anwesenheit bei der Auszählung der Stimmen und der Ermittlung des Wahlergebnisses als Wahlbeobachter zu gestatten.
1. Der Antragsteller ist Mitglied der 15. [X.], die am 18. März 2012 zur Wahl des Bundespräsidenten zusammentreten wird, und zugleich Mitträger eines Wahlvorschlags.
2. Er stützt seinen aus dem Rubrum ersichtlichen Antrag auf Art. 54 Abs. 7 GG in Verbindung mit § 8 Satz 2 [X.] und den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl. Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl gebe jedem Mitglied der [X.] die Möglichkeit, als Beobachter bei der Auszählung der Stimmen nach jedem einzelnen Wahlgang zur Wahl des Bundespräsidenten zugegen zu sein.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei erforderlich, weil er bereits bei der Wahl des Bundespräsidenten durch die 14. [X.] daran gehindert worden sei, bei der Auszählung der Stimmen selbst zugegen oder durch eine von ihm und den übrigen Trägern seines Wahlvorschlags zu benennende Person vertreten zu sein. Es sei deshalb damit zu rechnen, dass die 15. [X.] einen solchen Antrag ebenfalls ablehnen werde.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber offensichtlich unbegründet.
Der Antrag ist zulässig, obwohl er auf eine Maßnahme gerichtet ist, die die Entscheidung in der Hauptsache im Wesentlichen vorwegnähme.
Eine Vorwegnahme der Hauptsache steht der Zulässigkeit eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dann nicht entgegen, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache möglicherweise zu spät käme und dem Antragsteller in anderer Weise ausreichender Rechtsschutz nicht mehr gewährt werden könnte (vgl. [X.] 34, 160 <162 f.>; 67, 149 <151>; 108, 34 <40>). Dies ist vorliegend der Fall. Würde der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen Vorwegnahme der Hauptsache zurückgewiesen, wäre eine Entscheidung in der Hauptsache erst nach der Ablehnung des bei der 15. [X.] eingebrachten Antrags des Antragstellers, jedem [X.] die Benennung eines bei der Stimmenauszählung anwesenden Wahlbeobachters zu gestatten, möglich.
Der Antrag ist jedoch offensichtlich unbegründet.
1. Nach § 32 Abs. 1 [X.] kann das [X.] im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei müssen die Gründe, welche für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme sprechen, außer Betracht bleiben. Für eine einstweilige Anordnung ist allerdings kein Raum, wenn der Antrag in der Hauptsache sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet erweist (vgl. [X.] 89, 38 <44>; 118, 111 <122>). Dies ist vorliegend der Fall.
2. Ein im Organstreitverfahren zu erhebender Antrag wäre jedenfalls offensichtlich unbegründet, weil dem Antragsteller kein durch das Grundgesetz übertragenes Recht zusteht, als "Wahlbeobachter" nach jedem Wahlgang zur Wahl des Bundespräsidenten an der Auszählung der Stimmen und der Ermittlung des Wahlergebnisses teilzunehmen (a), und der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl die Zulassung von "Wahlbeobachtern", die durch [X.] benannt werden, bei der Auszählung der Stimmen und der Ermittlung des Wahlergebnisses der einzelnen Wahlgänge in der [X.] nicht gebietet (b).
a) Der Antragsteller ist Mitglied der [X.] gemäß Art. 54 Abs. 3 GG und damit Träger der Rechte, die jedem Mitglied der [X.] eingeräumt sind. Dazu zählen insbesondere gemäß § 7 [X.] die Rechte aus Art. 46, Art. 47 und Art. 48 Abs. 2 GG, sowie gemäß §§ 8, 9 [X.] das Recht, Geschäftsordnungsanträge zu stellen, Wahlvorschläge zu machen sowie an den notwendigen Abstimmungen und der Wahl des Bundespräsidenten teilzunehmen.
Ein durch das Grundgesetz übertragenes Recht, als "Wahlbeobachter" an der Auszählung der Stimmen und der Ermittlung des Wahlergebnisses teilzunehmen, existiert demgegenüber nicht. Dieses Recht kann nicht aus Art. 54 Abs. 7 GG in Verbindung mit § 8 Satz 2 [X.] abgeleitet werden. Soweit § 8 Satz 2 [X.] auf die Geschäftsordnung des [X.] verweist, kennt diese ein entsprechendes Recht des einzelnen Bundestagsabgeordneten nicht. Soweit § 8 Satz 2 [X.] die Möglichkeit eröffnet, dass die [X.] sich eine eigene Geschäftsordnung gibt, wären dort möglicherweise geregelte Rechte auf Teilnahme an Stimmauszählungen ausschließlich durch die Geschäftsordnung und nicht durch das Grundgesetz begründet, so dass ihre Beachtung nicht Gegenstand einer Überprüfung im Organstreitverfahren sein kann (vgl. [X.] 27, 44 <51>).
b) Dem Antragsteller steht auch kein aus dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl abzuleitender Anspruch auf Teilnahme oder Benennung eines bei der Stimmenauszählung anwesenden "Wahlbeobachters" zu.
Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl ergibt sich aus Art. 38 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Die Öffentlichkeit der Wahl ist Grundvoraussetzung für eine [X.] politische Willensbildung. Sie sichert die [X.] und Nachvollziehbarkeit der Wahlvorgänge und schafft damit eine wesentliche Voraussetzung für begründetes Vertrauen der Bürger in den korrekten Ablauf der Wahl (vgl. [X.] 123, 39 <68>). In welcher Ausprägung der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl auf die [X.] anzuwenden ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ergibt sich aus diesem Grundsatz kein Anspruch auf Teilnahme oder Benennung von "Wahlbeobachtern" bei der Auszählung der Stimmen zur Ermittlung des Ergebnisses der einzelnen Wahlgänge zur Wahl des Bundespräsidenten.
Die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Wahl fasst das [X.] dahingehend zusammen, dass alle wesentlichen Schritte der Wahl öffentlicher Überprüfbarkeit unterliegen, soweit nicht andere verfassungsrechtliche Belange eine Ausnahme rechtfertigen (vgl. [X.] 123, 39 <70>). Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit des Wahlvorgangs müssen gewährleistet sein.
Dem trägt die bisher in der [X.] geübte Praxis Rechnung. Zur Auszählung der Stimmen und Ermittlung des Ergebnisses der einzelnen Wahlgänge werden Schriftführer aus der Mitte der [X.] gewählt. Diese gehören verschiedenen Fraktionen an (vgl. §§ 3, 9 und 12 der Geschäftsordnung des [X.]) und kontrollieren sich bei der Auszählung gegenseitig. Zusätzlich überwacht der Präsident Vorkehrungen, Methoden und Abläufe. Anzeichen dafür, dass diese Kontrolle nicht ausreichend ist, sind nicht ersichtlich. Es ist daher davon auszugehen, dass mit dem gewählten Verfahren den Kriterien der Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit in der [X.] entsprochen wird.
Meta
14.03.2012
Bundesverfassungsgericht 2. Senat
Ablehnung einstweilige Anordnung
Sachgebiet: BvQ
Art 20 Abs 1 GG, Art 20 Abs 2 GG, Art 38 GG, Art 54 Abs 3 GG, Art 54 Abs 7 GG, §§ 63ff BVerfGG, § 24 BVerfGG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 63 BVerfGG, § 8 S 2 BPräsWahlG, § 3 BTGO, § 9 BTGO, § 12 BTGO
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 14.03.2012, Az. 2 BvQ 16/12 (REWIS RS 2012, 8180)
Papierfundstellen: REWIS RS 2012, 8180 BVerfGE 130, 367-371 REWIS RS 2012, 8180
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