Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.04.2013, Az. IX ZR 122/12

9. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6709

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Gegenstand

Fortsetzung eines Anfechtungsprozesses durch den Insolvenzverwalter nach Insolvenzverfahrensaufhebung


Leitsatz

Auf der Grundlage des Insolvenzplans darf der Insolvenzverwalter nur einen bei Aufhebung des Verfahrens bereits rechtshängigen Anfechtungsprozess fortsetzen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 17. April 2012 aufgehoben.

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 26. Juli 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 22. Oktober 2009 über das Vermögen der [X.] (nachfolgend: Schuldnerin) am 1. Januar 2010 eröffneten Insolvenzverfahren.

2

Die Schuldnerin belieferte die Beklagte im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung mit Ware. Jener standen nach Maßgabe einer Konditionenvereinbarung umsatzabhängige Provisionen gegen die Schuldnerin zu. Gegen [X.] der Schuldnerin über 125.835,37 € rechnete die Beklagte am 3. Dezember 2009 mit [X.] in entsprechender Höhe auf.

3

Das Amtsgericht hat das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin nach Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans durch Beschluss vom 5. Juli 2010 mit Wirkung zum 3. Juli 2010 aufgehoben. Der Insolvenzplan ermächtigt den Insolvenzverwalter, "anhängige Rechtsstreitigkeiten, die eine Insolvenzanfechtung zum Gegenstand haben, auch nach Aufhebung des Verfahrens fortzuführen".

4

Mit der am 28. Mai 2010 eingereichten und am 22. Juli 2010 zugestellten Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung von 125.835,37 € in Anspruch. Nach Abweisung der Klage durch das [X.] hat das [X.] dem Begehren stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des Urteils des [X.].

I.

6

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger mache keinen insolvenzrechtlichen Anfechtungsanspruch, sondern den ursprünglichen Kaufpreis- oder Werklieferungsanspruch der Schuldnerin geltend. Er sei zur Verfolgung des Anspruchs befugt, weil er nach dem Inhalt des Insolvenzplans ermächtigt sei, anhängige Rechtsstreitigkeiten, die eine Insolvenzanfechtung zum Gegenstand haben, fortzuführen. Da die Klageforderung nur dann keinen Bestand habe, wenn die von der Beklagten erklärte Verrechnung wirksam sei, kämen hinsichtlich der Aufrechnung nur anfechtungsrechtliche Gesichtspunkte in Betracht. Der Rechtsstreit habe daher im Sinne von § 259 Abs. 3 [X.] eine Insolvenzanfechtung zum Gegenstand. Die Aufrechnung sei hier gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3, § 130 [X.] unwirksam.

II.

7

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Klage ist bereits unzulässig. Wäre sie als allgemeine Leistungsklage anzusehen, fehlte dem Kläger mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens die aus § 80 Abs. 1 [X.] herrührende Klagebefugnis. Ist die Klage als Anfechtungsklage anzusehen, ist der Kläger auch nicht gemäß § 259 Abs. 3 Satz 1 [X.] prozessführungsbefugt, weil die vorliegende Klage erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erhoben wurde.

8

1. Die zuletzt genannte Vorschrift verleiht dem Insolvenzverwalter nach Bestätigung des Insolvenzplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Befugnis, einen anhängigen Anfechtungsrechtsstreit fortzuführen, wenn dies im gestaltenden Teil des Planes vorgesehen ist. Zwar kann die Insolvenzanfechtung als spezifisches Instrument des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nur während der Dauer des Verfahrens von dem Insolvenzverwalter kraft seines Amtes ausgeübt werden. In Durchbrechung dieses Grundsatzes wird ausnahmsweise durch § 259 Abs. 3 [X.] aufgrund einer Entscheidung der Gläubiger in dem Plan die Prozessführungsbefugnis des Verwalters für schwebende Verfahren über die Dauer des Insolvenzverfahrens hinaus aufrechterhalten. Ist das Insolvenzverfahren aufgehoben worden, schließt das Gesetz eine Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters für neue, erst anhängig zu machende Anfechtungsklagen schlechthin aus ([X.], Urteil vom 10. Dezember 2009 - [X.], [X.], 136 Rn. 10).

9

2. Die am 28. Mai 2010 eingereichte Klage wurde der Beklagten am 22. Juli 2010 zugestellt. Da das Insolvenzverfahren durch Beschluss vom 5. Juli 2010 aufgehoben worden war, konnte durch die spätere Zustellung die gemäß § 259 Abs. 3 Satz 1 [X.] für den Zeitpunkt der Aufhebung verlangte Rechtshängigkeit nicht begründet werden.

a) Der Verwalter kann nach dem Wortlaut der Regelung einen "anhängigen Rechtsstreit", der eine Insolvenzanfechtung zum Gegenstand hat, auf der Grundlage des Insolvenzplans auch nach Aufhebung des Verfahrens fortsetzen. Bereits zur Auslegung des § 240 ZPO hat der Senat erkannt, dass durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer [X.] eine Unterbrechung nur stattfindet, wenn ein durch Klagezustellung bewirktes rechtshängiges Verfahren vorliegt ([X.], Beschluss vom 11. Dezember 2008 - [X.] 232/08, [X.], 332 Rn. 9). Sowohl im Rahmen des § 240 ZPO als auch den darauf bezogenen konkurs- bzw. insolvenzrechtlichen Vorschriften wird Rechtshängigkeit vorausgesetzt ([X.], aaO).

b) Auf diesem Verständnis beruht auch die hier maßgebliche Regelung des § 259 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Ein "anhängiger Rechtsstreit" im Sinne dieser Vorschrift scheidet aus, wenn - wie im Streitfall - zum Zeitpunkt der [X.] lediglich eine Anfechtungsklage eingereicht, aber noch nicht zugestellt ist. Durch die Verbindung des Tatbestandsmerkmals "anhängig" mit dem Begriff "Rechtsstreit" wird unmissverständlich verdeutlicht, dass eine Fortführung nur für eine im Zeitpunkt der [X.] bereits zugestellte Anfechtungsklage in Betracht kommt (zutreffend [X.]/[X.], Z[X.] 2013, 49, 50 ff). Dieses Verständnis liegt auch den §§ 85, 86 [X.] zugrunde, die "anhängig" im Sinne von "rechtshängig" begreifen. In Übereinstimmung hiermit ist auch der Senat davon ausgegangen, dass der Insolvenzverwalter spätestens im Zeitraum zwischen der Abstimmung über den Insolvenzplan und der [X.] Anfechtungsklage zu erheben hat und nur einen bereits rechtshängigen Anfechtungsrechtsstreit fortsetzen kann (vgl. Urteil vom 10. Dezember 2009, aaO).

c) Der Beschluss über die Aufhebung des Verfahrens zum 3. Juli 2010 wurde im Streitfall am 5. Juli 2010 erlassen und öffentlich bekannt gemacht. Die Aufhebung ist jedenfalls mit der Beschlussfassung am 5. Juli 2010 wirksam geworden ([X.], Beschluss vom 15. Juli 2010 - [X.] 229/07, [X.]Z 186, 223 Rn. 5 ff) und damit vor Klageerhebung.

Die Aufhebung unterliegt, wenn die Entscheidung von einem [X.] getroffen wurde, gemäß § 6 Abs. 1 [X.] nicht der Beschwerde (MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 258 Rn. 19; HK-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 258 Rn. 9; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 258 Rn. 2; HmbKomm-[X.]/Thies, 4. Aufl., § 258 Rn. 20). Ergeht die Entscheidung - wie im Streitfall - durch einen Rechtspfleger, ist zwar nach § 11 Abs. 2 Satz 1 [X.] die befristete Erinnerung eröffnet (MünchKomm-[X.]/[X.], aaO Rn. 20; [X.]/[X.], aaO; HK-[X.]/[X.], aaO; HmbKomm-[X.]/Thies, aaO). Gleichwohl ist ebenso wie bei einer Entscheidung durch den [X.] auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Aufhebung abzustellen, weil der Erinnerung, wie der Beschwerde gemäß § 570 Abs. 1 ZPO, keine aufschiebende Wirkung zukommt ([X.], Urteil vom 13. Januar 1975 - [X.], NJW 1975, 692; MünchKomm-[X.]/Ganter, aaO § 6 Rn. 51; im Ergebnis ebenso [X.]/[X.], aaO). Bei dieser Sachlage ist die Regelung des § 259 Abs. 3 Satz 1 [X.] vorliegend nicht einschlägig, weil die Anfechtungsklage der Beklagten erst nach [X.] zugestellt wurde. § 167 ZPO ist insofern nicht einschlägig.

III.

Das angefochtene Urteil ist, weil sich die Revision als begründet erweist, gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben. Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden und die Berufung mit der Maßgabe zurückweisen, dass die Klage unzulässig ist.

[X.]                              Gehrlein

             Grupp                             [X.]

Meta

IX ZR 122/12

11.04.2013

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 17. April 2012, Az: 5 U 3216/11

§ 259 Abs 3 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.04.2013, Az. IX ZR 122/12 (REWIS RS 2013, 6709)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6709

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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