Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.01.2014, Az. IX ZR 209/11

9. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 8833

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Gegenstand

Insolvenzrechtliche Anfechtungsklage: Behandlung widersprüchlicher Regelungen im Insolvenzplan; Auswirkungen der Eröffnung eines neuen Insolvenzverfahren gegen den Schuldner hinsichtlich der Ermächtigung des alten bzw. neuen Insolvenzverwalters zur Prozessführung; Massezugehörigkeit eingeklagter Forderungen


Leitsatz

1. Sind im Insolvenzplan und in der für die Gläubiger bestimmten Zusammenfassung widersprüchliche Regelungen enthalten, ist der rechtskräftig bestätigte Insolvenzplan maßgeblich.

2. Wird der Insolvenzverwalter im Insolvenzplan ermächtigt, anhängige Anfechtungsklagen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens fortzuführen, werden diese Prozesse durch die Eröffnung eines neuen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners unterbrochen. Der Verwalter in dem neuen Insolvenzverfahren kann den Rechtsstreit aufnehmen.

3. Wird der Insolvenzverwalter im Insolvenzplan ermächtigt, anhängige Anfechtungsklagen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens fortzuführen, fallen die geltend gemachten Ansprüche in die Masse, wenn vor vollständiger Erfüllung des Plans ein neues Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 15. Zivilsenats in [X.] des [X.] vom 14. Dezember 2011 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 27. Oktober 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der ausgeurteilte Betrag an die Klägerin als Verwalterin über das Vermögen der der [X.] zu zahlen ist.

Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin machte als vormalige Verwalterin in dem auf Antrag vom 15. Dezember 2009 am 1. Februar 2010 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (fortan: Schuldnerin) Anfechtungsansprüche gegen den [X.]eklagten geltend, der im Jahre 2009 kurzfristig als Chefarzt für die Schuldnerin tätig war und ein Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts gegen die Schuldnerin auf Zahlung von Gehalt, Urlaubsgeld und Schadensersatz erwirkt hatte. Der Prozess vor dem Arbeitsgericht ist durch die [X.]röffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen und nicht aufgenommen worden. Nachdem der [X.]eklagte ein Zahlungsverbot hinsichtlich der Konten der Schuldnerin erwirkt hatte, hatte diese die Summe aus dem Versäumnisurteil am 17. November 2009 bezahlt. Nach einer teilweisen Rückgewähr verlangte die Klägerin den Rest in Höhe von [X.] € nebst Zinsen.

2

Die vorliegende Klage ist am 7. Mai 2010 eingereicht und am 26. Mai 2010 zugestellt worden.

3

In dem Insolvenzverfahren hatte die Schuldnerin am 23. April 2010 einen Insolvenzplan vorgelegt, der am 7. Mai 2010 beschlossen und mit [X.]eschluss vom selben Tage bestätigt wurde. Der [X.]eschluss wurde rechtskräftig. Das Insolvenzverfahren wurde am 21. Juni 2010 aufgehoben. In dem Insolvenzplan wurden im [X.] Teil im Abschnitt [X.] "Plangestaltung" unter "Allgemeines" zwei Massen gebildet. Die Masse 1 (kurzfristig verteilungsfähige Masse) sollte danach aus der Differenz zwischen näher bezeichneten Aktiva und Passiva bestehen. Die Masse 2 bestand aus allen Anfechtungsklagen der Verwalterin, die bis zum 30. April 2010 rechtshängig gemacht werden würden, abzüglich aller Rechtsverfolgungskosten, sofern sie im Obsiegensfall nicht vom [X.] erstattet würden. [X.] werden sollte zudem die auf den unterlegenen [X.] entfallende Quote für den angefochtenen [X.]etrag. Unter Abschnitt [X.] "Rechtsstreitigkeiten" heißt es wörtlich: "Die Insolvenzverwalterin soll alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten (§ 259 Abs. 3 [X.]) weiterführen."

4

In der Zusammenfassung des Planes heißt es unter "III. [X.] Teil" unter 1.2 wiederum, aber mit abweichendem Datum:

"Masse 2 (bis zu € 352.169,87) bestehend aus:

· allen Anfechtungsklagen der Verwalterin, die bis zum 7. Mai 2010 rechtshängig gemacht wurden, abzüglich aller Rechtsverfolgungskosten, sofern sie im [X.] nicht vom [X.] erstattet werden.
· abzüglich der auf den unterlegenen [X.] entfallenden Quote für den angefochtenen [X.]etrag."

5

Unter "6. Rechtsstreitigkeiten" heißt es wiederum:

"Die Insolvenzverwalterin soll alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten (§ 259 Abs. 3 [X.]) weiterführen."

6

Auf [X.]igenantrag der Schuldnerin, nun firmierend als [X.], vom 17. Oktober 2010 wurde am 1. Februar 2011 ein neues Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und die Klägerin auch in diesem Verfahren zur Insolvenzverwalterin bestellt. Sie meint, nunmehr als Verwalterin in dem neu eröffneten Insolvenzverfahren prozessführungsbefugt zu sein.

7

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Auf die [X.]erufung des [X.]eklagten hat sie das [X.]erufungsgericht abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Anfechtungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung des Berufungsgerichts und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.

9

Das Berufungsgericht hat gemeint, die Klage sei wegen fehlender Prozessführungsbefugnis der Klägerin unzulässig. Die Klägerin könne sich nicht auf § 259 Abs. 3 [X.] stützen, weil die Fortsetzung des Rechtsstreits nicht durch den am 7. Mai 2010 beschlossenen Insolvenzplan gedeckt sei. Dieser setze im gestaltenden Teil voraus, dass die [X.] von der Verwalterin bis 30. April 2010 rechtshängig gemacht worden seien. Die Klage sei verspätet eingereicht worden. Dass in der Zusammenfassung des Insolvenzplans als maßgebliches Datum der 7. Mai 2010 genannt sei, sei unerheblich. Rechtliche Bedeutung komme nur dem von den [X.]läubigern beschlossenen und vom Insolvenzgericht bestätigten Plan zu. Der Insolvenzplan sei nach Maßgabe des individuellen Verständnisses derjenigen auszulegen, die ihn beschlossen hätten. Das im Insolvenzplan genannte Datum (30. April 2010) sei nicht auslegungsfähig. Ein übereinstimmendes abweichendes Verständnis der vertragschließenden [X.]en sei weder vorgetragen noch feststellbar. Zudem könnten Vorstellungen der [X.]läubiger, die mit dem Wortlaut unvereinbar seien, aus [X.]ründen der Rechtssicherheit nicht berücksichtigt werden.

Der Umstand, dass die Klägerin auch in dem neuen Insolvenzverfahren bestellt worden sei, verschaffe ihr ebenfalls keine Prozessführungsbefugnis, weil sie in dieser Eigenschaft eine neue [X.] sei. Es könne auch nicht angenommen werden, die Klägerin habe den Rechtsstreit nach Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens für die Schuldnerin in gewillkürte Prozessstandschaft geführt.

Selbst wenn die Klage zulässig wäre, weil die Klägerin in dem neuen Insolvenzverfahren erneut als Insolvenzverwalterin bestellt sei, wäre die Klage unbegründet. Denn die Klägerin habe die Anfechtungsfrist des § 131 [X.] nicht gewahrt. Auf § 139 Abs. 2 Satz 1 [X.] könne sich die Klägerin nicht stützen, weil der Fall, dass zwei verschiedene Insolvenzverfahren eröffnet worden seien, von der Vorschrift nicht erfasst werde.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Die Klägerin ist nun als Verwalterin in dem zweiten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin prozessführungsbefugt, weil sie den zuvor von ihr mit Prozessführungsbefugnis gemäß § 259 Abs. 3 [X.] auch nach Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens geführten Anfechtungsrechtsstreit nach dessen Unterbrechung durch die Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens als Verwalterin in diesem Verfahren gemäß § 85 [X.] wirksam aufgenommen hat.

a) Die Klägerin war zunächst als Verwalterin in dem ersten Insolvenzverfahren nach dessen Aufhebung nach § 259 Abs. 3 [X.] prozessführungsbefugt.

aa) § 259 Abs. 3 [X.] verleiht dem Insolvenzverwalter nach Bestätigung des Insolvenzplans und Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Befugnis, einen anhängigen Anfechtungsrechtsstreit fortzuführen, wenn dies im gestaltenden Teil des Plans vorgesehen ist. Zwar kann die Insolvenzanfechtung als spezifisches Instrument des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nur während der Dauer des Insolvenzverfahrens ausgeübt werden. Nach § 259 Abs. 3 [X.] kann jedoch aufgrund einer Entscheidung der [X.]läubiger im Insolvenzplan die [X.] über die Dauer des Insolvenzverfahrens hinaus aufrechterhalten werden ([X.], Urteil vom 11. April 2013 - [X.], [X.] 2013, 437 Rn. 8, 11). Da die Klage vorliegend am 26. Mai 2010 zugestellt wurde und die Aufhebung des Insolvenzverfahrens erst am 21. Juni 2010 erfolgte, konnte § 259 Abs. 3 [X.] die hier vorliegende Klage erfassen.

bb) Im Insolvenzplan wurde im dritten Abschnitt unter "[X.]" angeordnet, dass die Insolvenzverwalterin alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten (§ 259 Abs. 3 [X.]) weiterführen soll. In der Zusammenfassung des Insolvenzplans gemäß § 235 Abs. 3 Satz 2 [X.] ist unter Nummer 6 dieselbe Formulierung enthalten. Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass in dem von § 259 Abs. 3 [X.] erlaubten Umfang von der Insolvenzverwalterin die [X.] fortgeführt werden sollten (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 2005 - [X.], [X.], 39 Rn. 21 ff). Zudem ist im darstellenden Teil des Insolvenzplans unter Buchstabe [X.] "Vorgehensweise" ausdrücklich der vorliegende Rechtsstreit als in [X.]ang gesetztes Klageverfahren aufgeführt, das nach § 259 Abs. 3 [X.] anhängig gemacht worden sei. Das ist zwar unzutreffend, weil die Klage im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch nicht eingereicht und zugestellt war, lässt aber ebenfalls erkennen, dass das Verfahren - gemäß der Anordnung im [X.]estaltenden Teil - fortgeführt werden sollte.

cc) Der Insolvenzplan kann allerdings die Befugnis des Verwalters, anhängige [X.] fortzuführen, auf bestimmte Verfahren beschränken ([X.], Beschluss vom 7. März 2013 - [X.], [X.], 714 Rn. 5). Eine solche Beschränkung hat das Berufungsgericht zu Unrecht aus den Bestimmungen des Insolvenzplans zur Masse 2 entnommen.

(1) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Formulierung im Insolvenzplan maßgebend ist, nicht diejenige in der inhaltlich abweichenden Zusammenfassung. § 259 Abs. 3 Satz 1 [X.] stellt auf den Inhalt des Plans, nicht denjenigen der Zusammenfassung ab. Auch wenn es zutrifft, dass, wie die Revision behauptet, den [X.]läubigern vor der Beschlussfassung nur die Zusammenfassung überlassen worden war, was nach § 235 Abs. 3 Satz 2 [X.] ausreichend ist, ändert sich am Ergebnis nichts. [X.]emäß § 235 Abs. 2 [X.] ist der Erörterungs- und Abstimmungstermin öffentlich bekannt zu machen. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass der Plan in der [X.]eschäftsstelle eingesehen werden kann. Die Bekanntmachung genügt als Nachweis der Zustellung an alle Beteiligte (§ 9 Abs. 3 [X.]). Den [X.]läubigern ist es zumutbar, dort Einsicht zu nehmen und den gesamten Inhalt des Plans nachzulesen (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 2005, aaO Rn. 21). Ob dem Plan die Bestätigung gemäß § 250 [X.] zu versagen gewesen wäre, wenn die gemäß § 235 Abs. 3 Satz 2 [X.] übersandte Zusammenfassung mit dem Plan nicht übereinstimmt, kann dahinstehen. Ist der Plan rechtskräftig bestätigt, ist jedenfalls nach § 217 [X.] dessen Inhalt maßgebend. Bestätigt wird der Plan (§ 248 [X.]), nicht die Zusammenfassung. Offensichtliche Fehler des Plans können seit 1. März 2012 vom Verwalter nach § 221 Satz 2 [X.] bei entsprechender Ermächtigung berichtigt werden, was der gerichtlichen Bestätigung bedarf (§ 248a [X.]).

(2) Widersprüchlich sind die Aussagen des Insolvenzplans und der Zusammenfassung nicht hinsichtlich der Bestimmung zur Fortführung der [X.], sondern zur Verteilung des dadurch erzielten Erlöses, der die Masse 2 bildet. Diese Regelung hat das Berufungsgericht zu Unrecht zur Beurteilung der Frage herangezogen, ob die [X.] fortgeführt werden sollen. Diese Frage ist hier nicht geregelt. Das Berufungsgericht hat die maßgebliche Regelung übersehen, stattdessen die Verteilungsregelung und damit einen nicht unmittelbar einschlägigen Auslegungsstoff zugrunde gelegt. Wie die Verteilungsregel auszulegen ist, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 6. Oktober 2005, aaO Rn. 12 ff).

b) Durch die Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens war der vorliegende Rechtsstreit entsprechend § 240 ZPO unterbrochen, weil er die Insolvenzmasse dieses Insolvenzverfahrens betrifft.

aa) Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings gesehen, dass die Rechtsprechung des [X.] bei § 240 ZPO grundsätzlich den formellen [X.]begriff zugrunde legt ([X.], Urteil vom 13. März 1997 - [X.], NJW 1998, 156, 157; [X.]/[X.]reger, ZPO, 30. Aufl., § 240 Rn. 7). Es muss das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Prozesspartei eröffnet worden sein. Das war vorliegend nicht der Fall. § 240 ZPO muss aber entsprechend angewandt werden, wenn, wie hier, die [X.] der [X.] mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht entfällt.

(1) Nach § 259 Abs. 3 Satz 2 [X.] wird der fortgeführte [X.] auf Rechnung des Schuldners geführt, wenn im Plan keine abweichende Regelung getroffen wird. In diesem Fall ist der Insolvenzverwalter als gewillkürter Prozessstandschafter des Schuldners tätig ([X.], Urteil vom 6. Oktober 2005, aaO Rn. 29). Ist dagegen im Plan eine abweichende Regelung getroffen, kommt auch eine gewillkürte Prozessstandschaft für die [X.]läubiger oder eine gesetzliche Prozessstandschaft in Betracht. Im vorliegenden Fall ist eine abweichende Regelung zum Teil, nämlich hinsichtlich des Erlöses getroffen, der den [X.]läubigern zustehen sollte.

Jedenfalls ist die im Insolvenzplan nach § 259 Abs. 3 [X.] begründete gewillkürte Prozessstandschaft der Klägerin als Verwalterin im ersten Insolvenzverfahren nicht gemäß §§ 115, 116 [X.] erloschen, weil der Auftrag nicht vom Schuldner erteilt wurde. Die Klage wurde durch die Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens nicht unzulässig, sie kann nicht abgewiesen werden (vgl. für diesen Fall [X.], Urteil vom 10. November 1999 - [X.], [X.], 149, 150 f; HK-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 85 Rn. 16). Dann aber wird der Rechtsstreit in entsprechender Anwendung des § 240 ZPO unterbrochen (Jaeger/Windel, [X.], § 85 Rn. 12; MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., vor §§ 85 bis 87 Rn. 15; Musielak/[X.], ZPO, 10. Aufl., § 240 Rn. 2; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 240 Rn. 7; [X.][X.]ehrlein, 4. Aufl., § 240 Rn. 15). Dies entspricht dem Rechtsgedanken des § 17 Anf[X.], der für den parallel gelagerten Fall eines anhängigen Prozesses über eine [X.]läubigeranfechtung ausdrücklich die Unterbrechung des Prozesses anordnet, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Anf[X.] kann der Insolvenzverwalter den Rechtsstreit aufnehmen.

(2) Im Insolvenzplan ist bei der Bestimmung der Masse 2 geregelt, dass von den Erlösen aus den [X.]en die Rechtsverfolgungskosten abzuziehen sind. Es sind jedoch keine Rückstellungen gebildet für die Kosten verlorener Prozesse, die aus den Erlösen gewonnener Prozesse nicht gedeckt sind. Diese sind folglich gemäß § 259 Abs. 3 Satz 2 [X.] von der Schuldnerin zu tragen. Diese gesetzliche Zahlungspflicht der Schuldnerin trifft, wenn über ihr Vermögen zwischenzeitlich ein neues Insolvenzverfahren eröffnet wird, die Insolvenzmasse, aus der der Anspruch - sei es womöglich auch nur in Höhe einer Quote - zu befriedigen ist. Nach dem Zweck des § 240 ZPO muss deshalb der Rechtsstreit unterbrochen werden, weil andernfalls der Insolvenzverwalter des ersten Verfahrens zu Lasten und auf Risiko der Masse des neuen Insolvenzverfahrens weiter prozessieren könnte.

(3) Im Falle des Obsiegens fällt der Erlös aus dem Prozess in die Masse des neuen Insolvenzverfahrens und nicht den [X.]läubigern des ersten Insolvenzverfahrens zur Verteilung gemäß den Bestimmungen des Insolvenzplans zu. Der Insolvenzplan kann zwar nicht als privatrechtlicher Vergleich der [X.]läubiger mit dem Schuldner angesehen werden, schon weil der Wille einzelner [X.]läubiger durch Mehrheitsentscheidungen überwunden werden kann (vgl. §§ 244 ff [X.]). Der Insolvenzplan ist vielmehr ein spezifisch insolvenzrechtliches Instrument, mit dem die [X.]läubigergesamtheit die Befriedigung aus dem Schuldnervermögen organisiert ([X.], Urteil vom 6. Oktober 2005, aaO Rn. 15). Die Befriedigung der absonderungsberechtigten [X.]läubiger und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Verfahrensabwicklung und die Haftung des Schuldners können hier gemäß § 217 [X.] abweichend von der [X.] geregelt werden. Das gilt jedoch naturgemäß nur für das Insolvenzverfahren, in welchem der Insolvenzplan angenommen und bestätigt wird. Regelungen für spätere Insolvenzverfahren desselben Schuldners können nicht getroffen werden.

(4) Wird, wie im vorliegenden Fall, vor vollständiger Erfüllung des Planes über das Vermögen des Schuldners ein neues Insolvenzverfahren eröffnet, so sind gemäß § 255 Abs. 2 [X.] die Stundungen oder die (Teil-)Erlasse, die im Insolvenzplan vorgesehen sind, für alle [X.]läubiger hinfällig. Denn diese sollen in einem neuen Insolvenzverfahren gegenüber neuen [X.]läubigern nicht schlechter gestellt werden, etwa indem sie lediglich eine Quote auf ihre frühere Quote nach dem Plan erhalten (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 255 Rn. 31 ff; [X.]/[X.], [X.], 18. Aufl., § 255 Rn. 14). Im Übrigen bleibt aber der Insolvenzplan im [X.]rundsatz bestehen (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], aaO Rn. 37; HmbKomm-[X.]/[X.], 4. Auf., § 255 Rn. 15 f; [X.] in [X.]/[X.]ehrlein/Ringstmeier, [X.], § 255 Rn. 11; [X.] in Kübler/Prütting/Bork, [X.], 1998, § 255 Rn. 21; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 255 Rn. 21), sofern in ihm nicht etwas anderes bestimmt ist ([X.]/[X.], aaO).

bb) Demgemäß bleiben auch die [X.] weiter bestehen, die gemäß § 259 Abs. 3 [X.] aufrechterhalten wurden. Es wäre mit Sinn und Zweck der Eröffnung eines neuen Insolvenzverfahrens unvereinbar, bei Eröffnung bereits bestehende und geltend gemachte [X.] entfallen zu lassen (vgl. § 17 Abs. 1 Anf[X.]). Dass dieselben Rechtshandlungen gegebenenfalls ganz oder teilweise auch im neuen Insolvenzverfahren anfechtbar wären, ändert daran nichts.

(1) Mit der Eröffnung des neuen Insolvenzverfahrens gehen die Befugnisse des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, gemäß § 80 [X.] auf den Insolvenzverwalter über. Das gilt auch bezüglich der sich aus dem Insolvenzplan noch ergebenden Rechte und Pflichten. Für eine gesonderte Planüberwachung gemäß § 260 [X.] ist daneben kein Raum. Diese endet vielmehr mit Eröffnung des neuen Insolvenzverfahrens (HK-[X.]/[X.], 6. Aufl. § 268 Rn. 1) und ist aufzuheben (MünchKomm-[X.]/[X.], aaO § 268 Rn. 8). Dementsprechend ist im Streitfall die Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans mit Beschluss vom 4. Juli 2011 aufgehoben worden.

(2) Die [X.]eltendmachung von [X.] gemäß § 259 Abs. 3 [X.] ist zwar von [X.]esetzes wegen nicht notwendig mit einer Planüberwachung verbunden. Für sie kann aber nichts anderes gelten. Es ist für den Verwalter des neu eröffneten Insolvenzverfahrens eine zentrale Aufgabe, [X.] geltend zu machen. Viele der schon im Rahmen des ersten Insolvenzverfahrens angefochtenen Rechtshandlungen können auch im neuen Verfahren anfechtbar sein. Da die nicht befriedigten Insolvenzgläubiger des ersten Insolvenzverfahrens nunmehr auch Insolvenzgläubiger des neuen Insolvenzverfahrens sind und in diesem quotenmäßig befriedigt werden, besteht kein [X.]rund, die Insolvenzanfechtungsansprüche aus dem ersten Insolvenzverfahren gesondert abzuwickeln und die damaligen Insolvenzgläubiger daraus gesondert zu befriedigen. Dies liefe im [X.] auf die Abwicklung von zwei parallelen Insolvenzverfahren in einen Teilbereich hinaus, die schon deshalb nicht zu rechtfertigen ist, weil es an zwei getrennten Insolvenzmassen fehlt (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juni 2011 - [X.], [X.], 1326 Rn. 6). In das neue Insolvenzverfahren sind alle Altverbindlichkeiten des Schuldners einbezogen. [X.], soweit sie im Rahmen des Insolvenzplans befriedigt wurden, können ihrerseits insolvenzrechtlichen Anfechtungen ausgesetzt sein. Dann müssen umgekehrt die aus dem ersten Insolvenzverfahren fortbestehenden [X.] ebenfalls zur Masse des neuen Insolvenzverfahrens gehören, aus dem auch die [X.] (anteilig) befriedigt werden.

(3) Ein Nebeneinander zweier Verfahren zur [X.]eltendmachung von [X.] und Verteilung der hieraus gewonnenen Beträge würde schließlich zu kaum lösbaren Abgrenzungsproblemen führen. Ist ein Anfechtungsanspruch allerdings bereits im Rahmen des [X.] erfolgreich rechtskräftig durchgesetzt worden, kommt wegen desselben Vorgangs ein neuer Anspruch gegen den [X.] auf Rückgewähr zur Masse im neuen Insolvenzverfahren nicht mehr in Betracht (vgl. [X.], Urteil vom 15. November 2012 - [X.], [X.], 81 Rn. 15 ff, 19 ff).

Fällt aber der nach § 259 Abs. 3 [X.] geltend gemachte Anfechtungsanspruch in die Masse des neu eröffneten Insolvenzverfahrens, muss der bereits anhängige Rechtsstreit entsprechend § 240 ZPO durch die Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens unterbrochen werden, damit der Insolvenzverwalter in diesem Verfahren prüfen kann, ob er den Prozess gemäß § 85 [X.] aufnehmen will. Er kann nicht, etwa durch die Annahme eines gesetzlichen [X.]wechsels, gezwungen werden, nicht Erfolg versprechende Prozesse zu Lasten der Masse des zweiten Insolvenzverfahrens fortzuführen.

2. Die Klägerin hat als Verwalterin im neuen Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin den Rechtsstreit wirksam nach § 85 [X.], jedenfalls in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift, aufgenommen.

a) Die Klägerin hat mehrfach erklärt, dass sie den Prozess als Verwalterin in dem neuen Insolvenzverfahren fortführen will, und damit den Rechtsstreit gemäß § 85 ZPO aufgenommen.

b) Der streitgegenständliche Anfechtungsanspruch gehört zur Masse des zweiten Insolvenzverfahrens. Der Rechtsstreit wurde zwar zuvor nicht von der Schuldnerin geführt, aber gemäß § 259 Abs. 3 Satz 2 [X.] teilweise auf deren Rechnung, teilweise für die [X.]läubiger. Für diesen Fall ist § 85 [X.] entsprechend anwendbar. Die Klägerin als Verwalterin in dem neuen Insolvenzverfahren muss die Möglichkeit haben, den Prozess selbst zu führen und die in die Masse fallenden [X.] geltend zu machen. Müsste sie weiterhin in gewillkürter Prozessstandschaft aus dem Insolvenzplan klagen, müsste sie Leistung an sich als Verwalterin im neuen Insolvenzverfahren verlangen. Das führte zum selben Ergebnis, wäre aber bei personenverschiedenen Verwaltern für die Masse unzweckmäßig. Jedenfalls könnte der Verwalter in dem neuen Verfahren den Auftrag zur gewillkürten Prozessstandschaft jederzeit kündigen und die Prozessführung an sich ziehen. Derart unterschiedliche Verfahrensweisen sind abzulehnen. Die Lösung kann sich auch insoweit an der Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 2 Anf[X.] orientieren.

3. Die Klageforderung ist begründet, die Berufung des Beklagten unbegründet. Der Klägerin steht gemäß §§ 129, 131 Abs. 1 Nr. 1, § 143 Abs. 1 [X.] gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von [X.] € zu. Der Beklagte hat diesen ihm verbliebenen Betrag aus der Leistung der Insolvenzschuldnerin vom 17. November 2009 erlangt.

a) Durch die Zahlung hat der Beklagte eine Befriedigung für seine vermeintlichen Forderungen aus dem Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts erlangt. Die Leistung erfolgte im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, nämlich am 17. November 2009. Maßgeblich ist der Insolvenzantrag vom 15. Dezember 2009, der zur Eröffnung des ersten Insolvenzverfahrens geführt hat. Auf der [X.]rundlage dieser Verfahrenseröffnung hat die Klägerin als Verwalterin im ersten Insolvenzverfahren Klage erhoben. Diesen Anspruch macht sie nach Unterbrechung und Aufnahme des Rechtsstreits weiterhin geltend. Auf die vom Berufungsgericht erörterte Frage, ob bei einem entsprechenden Anfechtungsanspruch infolge der Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens die Monatsfrist gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] im Hinblick auf § 139 Abs. 2 [X.] als gewahrt angesehen werden könnte, kommt es nicht an.

b) [X.] war inkongruent. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ist eine während des [X.] von drei Monaten der Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 [X.]) im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherheit oder Befriedigung als inkongruent anzusehen ([X.], Urteil vom 23. März 2006 - [X.], [X.]Z 167, 11 Rn. 9 mwN). Seit der Entscheidung vom 9. September 1997 ([X.], [X.]Z 136, 309, 311 ff) hat der [X.] zudem in ständiger Rechtsprechung angenommen, dass eine inkongruente Deckung auch dann vorliegt, wenn der Schuldner in der Krise zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung geleistet hat ([X.], Urteil vom 20. Januar 2011 - [X.], [X.], 385 Rn. 6 mwN). Die Zwangsvollstreckung war hier bereits eingeleitet. An der Zahlung unter dem Druck der Zwangsvollstreckung besteht deshalb kein Zweifel.

c) In der Ankündigung der Klägerin, den Prozess vor dem Arbeitsgericht nicht aufnehmen zu wollen, liegt keine Freigabe in dem dort geführten Passivprozess gegen die Schuldnerin. § 85 Abs. 2 [X.] gilt hier nicht (vgl. HK-[X.]/[X.], aaO § 85 Rn. 62, 64). Der Beklagte konnte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin seine Ansprüche nur durch Anmeldung zur Tabelle (§§ 87, 194 ff [X.]) oder nach Maßgabe des Insolvenzplans weiterverfolgen.

d) In der [X.]eltendmachung von gesetzlichen [X.] durch die Klägerin liegt kein Verstoß gegen Treu und [X.]lauben. Selbst wenn die Schuldnerin den Beklagten vorsätzlich schädigte, wie dieser behauptet, können entsprechende Ansprüche nur im Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden. Begründete [X.] werden dadurch nicht ausgeschlossen.

[X.]                     Vill                          Lohmann

                Pape                   Möhring

Meta

IX ZR 209/11

09.01.2014

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 14. Dezember 2011, Az: 15 U 273/10

§ 35 InsO, § 85 InsO, § 217 InsO, § 235 Abs 3 S 2 InsO, § 248 InsO, § 259 Abs 3 InsO, § 240 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.01.2014, Az. IX ZR 209/11 (REWIS RS 2014, 8833)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8833

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