Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2003, Az. 5 StR 251/02

5. Strafsenat | REWIS RS 2003, 4909

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Nachschlagewerk: ja BGHSt : ja [X.] : ja StPO § 142 Abs. 1 Gebotene Ablehnung der Bestellung eines vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflicht[X.]teidiger bei konkreter Gefahr einer Interessenkollision in einem Fall sukzessi[X.] Mehrfach[X.]teidigung. BGH, [X.]. v. 15. [X.]anuar 2003 [X.] 5 StR 251/02 [X.]5 StR 251/02 [X.] vom 15. [X.]anuar 2003 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Anstiftung zum Mord u.a. - 2 - [X.]er 5. Strafsenat des [X.] hat am 15. [X.]anuar 2003 beschlossen: [X.] 1. [X.]em Angeklagten [X.]wird auf seine Kosten zur weite-ren Begründung seiner Revision gegen das Urteil des [X.] vom 11. [X.]ezember 2001 Wieder-einsetzung in den vorigen Stand gewährt. 2. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 11. [X.]ezember 2001, so-weit es ihn betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben. 3. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Ent-scheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des [X.] zurück[X.]wiesen. I[X.] 1. [X.]ie Revision des Angeklagten [X.]

gegen das Urteil des [X.] vom 11. [X.]ezember 2001 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet [X.]worfen. 2. [X.]er Angeklagte [X.]

hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch den [X.] ent-standenen notwendigen Auslagen zu tragen. - 3 - G r ü n d e
[X.] [X.]as Schwurgericht hat den Angeklagten [X.]wegen Anstiftung zum Mord zu lebenslanger Freiheitsstrafe [X.] nach Einbeziehung anderweits [X.] hängter rechtskräftiger Strafen als Gesamtstrafe [X.], den Angeklagten [X.] wegen Beihilfe zum Mord zu fünf [X.]ahren Freiheitsstrafe [X.]urteilt. 1. [X.]as Schwurgericht hat folgendes festgestellt: [X.]ie Angeklagten hatten seit 1992 massive Konflikte mit ihrem [X.]. [X.]er Angeklagte [X.] begann im [X.]ahre 1993, den mit ihm und seiner Ehefrau befreundeten [X.]zu überreden, G zu töten. [X.]em wiederholten [X.]rängen [X.]s schloß sich der Angeklagte [X.]

an; er war an der Tötung des mit beiden Angeklagten zerstrittenen, ihnen für ihr geschäftliches Fortkommen lästig und gefährlich gewordenen Partners gleichfalls interessiert. Schließlich erschoß [X.]den [X.]im März 1994 hinterrücks [X.] wie von beiden [X.] einkalkuliert [X.] mit einer ihm von [X.]zur Tatausführung überge-benen Pistole. [X.]wurde ein [X.]ahr später vom [X.] wegen heimtü-ckisch begangenen Mordes [X.] unter Zubilligung erheblich [X.]minderter Schuldfähigkeit [X.] zu neun [X.]ahren Freiheitsstrafe [X.]urteilt. Verteidigt wurde er von Rechtsanwalt S . Bereits vor der Tat hatte der Angeklagte [X.] seinem damaligen Freund [X.] diesen Rechtsanwalt für den Fall, daß er als Täter ermittelt würde, benannt; [X.]müsse dann —auf [X.] machen und werde nach fünf bis sechs [X.]ahren entlassen werden. - 4 - Erst im [X.] 2000 offenbarte [X.] der Polizei die Beteiligung der Angeklagten an dem von ihm begangenen Mord. Zuvor waren weitere Zu-wendungen des Angeklagten [X.]an ihn während seiner Strafhaft schließ- lich ausgeblieben; Konflikte zwischen den Eheleuten [X.]waren [X.], der sich um [X.]s Ehefrau sorgte, bekannt geworden. Zudem hatte ein Mitge-fangener, dem [X.] sich offenbart hatte, ihm zu der Aussage geraten; ihn motivierte dabei nicht zuletzt der näher rückende [X.]punkt der Zweidrittel-[X.]büßung seiner Strafe. Einen Monat vor der polizeilichen Aussage hatte [X.] seinen früheren Verteidiger Rechtsanwalt [X.]schriftlich [X.], im Streit zwischen den Eheleuten [X.]zugunsten der Ehefrau zu [X.]mitteln; in dem durch Frau [X.]übermittelten Brief teilte er mit, der schon früher von Rechtsanwalt [X.]geäußerte Verdacht, [X.]habe ihn, [X.] , zur Ermordung [X.]s angestiftet, treffe zu. [X.]as Schreiben, über das [X.]der Polizei berichtet hatte und dessen Original die Ehefrau des Angeklagten [X.], die Rechtsanwalt [X.] nur eine Abschrift überlas-sen hatte, einbehalten und den Ermittlungsbehörden übergeben hatte, hat das Schwurgericht als wesentliches Indiz zur Stützung der Zeugenaussage des [X.] [X.] gewertet, auf die es seine Beweiswürdigung maß-geblich gestützt hat. 2. Soweit die Revisionen der Angeklagten zunächst jeweils mit der Sachrüge begründet worden sind, haben sie keinen Erfolg. [X.]ie [X.] begegnet insgesamt im Ergebnis keinen durchgrei-fenden rechtlichen Bedenken. Auch erweist sich die auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruhende Auffassung des Schwurgerichts als rechts-fehlerfrei, die Angeklagten hätten hinsichtlich des zutreffend angenommenen [X.] der Heimtücke den jeweils erforderlichen Beteiligtenvorsatz gehabt (vgl. BGHR StGB § 26 Vorsatz 2). Bei dieser Sachlage ist die Revision des Angeklagten [X.] nach § 349 Abs. 2 StPO zu [X.]werfen. - 5 - I[X.] [X.]er Umstand, daß der Angeklagte [X.]in der Tatsacheninstanz allein durch den [X.] freilich auf Wunsch dieses Angeklagten [X.] zum Pflicht[X.]teidiger bestellten Rechtsanwalt S [X.]teidigt worden ist, begegnet ebenso durchgreifenden Bedenken wie die anfänglich entsprechend geordneten [X.]s[X.]hältnisse im Revisions[X.]fahren. Nachdem dem Angeklagten [X.]aufgrund dieser Bedenken im Revisions[X.]fahren ein weiterer Verteidiger bestellt worden ist, hat dieser zur weiteren Begründung der Revision des [X.] [X.]eine Verfahrensrüge wegen Verletzung des § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO erhoben und hierfür Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. [X.]as Wiedereinsetzungsgesuch und diese Verfahrensrüge sind begründet; dies führt zur umfassenden Aufhebung des Urteils auf die [X.] des Angeklagten [X.], soweit dieser Angeklagte [X.]urteilt worden ist.
1. Kollidiert der Wunsch eines Beschuldigten, von einem bestimmten Rechtsanwalt [X.]teidigt zu werden, mit einem möglichen Konflikt dieses Rechtsanwalts in Bezug auf die Interessen eines anderen [X.] auch früheren [X.] Mandanten (vgl. [X.] zur Unmaßgeblichkeit des [X.] des anderen Mandats für die Frage rechtlich relevanter Interessenkonflikte wegen [X.] Berufspflichten [X.] nur BGHSt 34, 190, 191; [X.] in [X.]/[X.], StGB 26. Aufl. § 356 [X.]. 10, 17; [X.] in Henssler/Prütting, [X.] 1996 § 43a [X.]. 41, 126 ff.; Feuerich/[X.], [X.] 5. Aufl. § 43a [X.]. 20, 55 ff.), sind folgende Grundsätze zu beachten. a) [X.]em Beschuldigten ist aufgrund seines Rechts auf ein faires, rechtsst[X.]tlich geordnetes Verfahren eine effektive Verteidigung im Straf[X.]-fahren zu gewährleisten (Art. 6 Abs. 3 lit. [X.]; Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). [X.]aher muß für den Beschuldigten [X.] abgesehen von seinem grundsätzlich gegebenen Recht aus § 137 Abs. 1 Satz 1 StPO auf Verteidi-gerwahl [X.] in gewichtigen Straf[X.]fahren ein Verteidiger mitwirken (§ 140 StPO), dessen juristische Qualifikation [X.] regelmäßig als Rechtsanwalt [X.] si- - 6 - chergestellt (vgl. §§ 138, 139, 142 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO) und dessen notwendige Anwesenheit während der gesamten Haupt[X.]handlung durch den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO abgesichert ist. Sofern kein Wahl[X.]teidiger mitwirkt, bedarf es in diesen Fällen mithin der Pflicht[X.]teidigerbestellung. Hierbei soll auf ein Vertrauens[X.]hältnis zwi-schen Beschuldigtem und Verteidiger hingewirkt werden; zudem sind dem Beschuldigten in einem fairen, rechtsst[X.]tlich geordneten Verfahren aktive Mitwirkungsbefugnisse zuzubilligen. [X.]ies gab Anlaß zu der Regelung in § 142 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StPO, wonach ein Wunsch des Beschuldigten auf Verteidigung durch einen bestimmten Rechtsanwalt durch Nachfrage zu fördern und diesem weitgehend Rechnung zu tragen ist (vgl. BGHSt 43, 153, 154 f.; BGHR StPO § 142 Abs. 1 Auswahl 7, 8; [X.], [X.] Aufl. § 142 [X.]. 9 m. w. N.). b) Ein absehbarer Interessenkonflikt in der Person eines als Pflicht[X.]-teidiger in Betracht gezogenen Rechtsanwalts kann, sofern deshalb eine mindere Effektivität seines Verteidigungseinsatzes zu befürchten ist, seiner Bestellung entgegenstehen (vgl. [X.] [X.] Kammer [X.] NStZ 1998, 46; [X.], 292; OLG Frankfurt N[X.]W 1999, 1414, 1415). Hierin kann auch ein wichtiger Grund im Sinne des § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO liegen, von der Bestellung des vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflicht-[X.]teidiger abzusehen (vgl. [X.] in [X.]. § 142 [X.]. 7). Eine sol-che Entscheidung löst ein Spannungsfeld, bei dem jeweils im fairen [X.]ren angelegte Elemente widerstreiten: die Beachtlichkeit der aktiven Mitwir-kung des Beschuldigten bei der Suche nach einem Verteidiger, dem er [X.]-traut, einerseits; die durch gerichtliche Fürsorgepflicht zu sichernde Effektivi-tät der Verteidigung andererseits, die bei greifbaren Interessenkonflikten re-gelmäßig als vorrangig zu werten sein wird. c) [X.]er Gefahr einer Interessenkollision durch die Verteidigung mehre-rer derselben Tat Beschuldigter [X.] wie auch durch die Verteidigung mehrerer - 7 - Beschuldigter im selben Verfahren [X.] begegnet die Regelung des § 146 StPO. In Abwägung zwischen der Gefahr einer nicht ausreichend sachge-recht geführten Verteidigung einerseits und den aus einem generellen Verbot folgenden Einschränkungen der freien Verteidigerwahl sowie der freien Be-rufsausübung der Verteidiger andererseits hat der Gesetzgeber im [X.] 1987 Anlaß gesehen, von dem noch bei Einführung der Regelung [X.] 1974 aufgestellten strikten Verbot der Mehrfach[X.]teidigung durch das zusätzliche Erfordernis der Gleichzeitigkeit die sukzessive Mehrfach[X.]teidi-gung auszunehmen (vgl. dazu näher [X.] [X.]O § 146 [X.]. 1). Hieraus ist zu folgern, daß die Bestellung eines vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflicht[X.]teidiger allein mit Rücksicht auf die abstrakte Gefahr einer Interessenkollision nicht abgelehnt werden darf, die sich für einen Verteidiger schon daraus ergeben kann, daß er die Vertei-digung eines Beschuldigten übernimmt, obgleich er zuvor schon einen ande-ren derselben Tat Beschuldigten [X.]teidigt hat. [X.]ies ist aus der Gleichwertig-keit von Wahl- und Pflicht[X.]teidigung zu folgern, da der entsprechende Sach[X.]halt eine Zurückweisung des Verteidigers nach § 146a StPO nicht rechtfertigt (vgl. BGHR StPO § 142 Abs. 1 Auswahl 6). [X.]ies hindert freilich auch in einem Fall sukzessi[X.] Mehrfach[X.]teidi-gung nicht etwa schlechthin die Ablehnung der Beiordnung des gewünschten Rechtsanwalts zum Pflicht[X.]teidiger aus dem wichtigen Grund der konkre-ten Gefahr eines Interessenkonflikts (vgl. [X.] [X.]O § 142 [X.]. 7 und § 146 [X.]. 1). d) Zu beachten ist dabei, daß der Rechtsanwalt grundsätzlich allein für die Wahrung seiner Berufspflichten [X.]antwortlich ist (vgl. [X.], 292; OLG [X.]üsseldorf NStZ 1991, 352; OLG Frankfurt N[X.]W 1999, 1414, 1415), hier speziell bezogen auf das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 [X.]). [X.]as wird in Fällen, in denen der Bestellung eines vom Beschuldigten gewünschten Rechtsanwalts zum Pflicht[X.]teidiger - 8 - kein anderer wichtiger Grund als die konkrete Gefahr einer Interessenkollisi-on entgegensteht, regelmäßig Anlaß für folgende Verfahrensweise sein: [X.]er für die [X.] zuständige Gerichtsvorsitzende sollte vor einer Ablehnung der gewünschten Pflicht[X.]teidigerbestellung den Rechtsanwalt [X.] gegebenenfalls daneben auch den Beschuldigten selbst [X.] zu dem Sach-[X.]halt anhören, der die Gefahr der Interessenkollision begründen kann. Liegt ein derartiger Sach[X.]halt nach Lage des Einzelfalles auf der Hand, wird der Vorsitzende eine derartige Anhörung durchführen müssen und [X.] gehindert sein, den gewünschten Pflicht[X.]teidiger ohne weiteres sofort zu bestellen. Entsprechendes wird zu gelten haben in Fällen, in denen wegen nach-träglich erkannter konkreter Gefahr eines Interessenkonflikts die Rücknahme der Pflicht[X.]teidigerbestellung aus wichtigem Grund (vgl. [X.] [X.]O § 143 [X.]. 4 f.) zu erwägen oder aufgrund einer entsprechenden Gefahr der Interessenkollision in der Person eines Wahl[X.]teidigers die zusätzliche Be-stellung eines Pflicht[X.]teidigers (vgl. [X.] [X.]O § 141 [X.]. 7) in [X.] zu ziehen ist. e) Bei der Annahme des wichtigen Grundes der konkreten Gefahr [X.], welcher die Ablehnung der Bestellung des vom Be-schuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflicht[X.]teidiger gemäß § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO rechtfertigt, steht dem zuständigen Gerichtsvorsitzenden ein Beurteilungsspielraum zu, der nicht der umfassenden Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt. So kann in Grenzfällen die Ablehnung der vom Beschuldigten gewünschten [X.] wegen vom [X.] angenommener Gefahr der Interessenkollision als [X.]tretbare Ent-scheidung ebenso unbeanstandet bleiben wie die bei gleicher Sachlage gleichwohl [X.] ebenfalls [X.]tretbar [X.] [X.]fügte Bestellung des Verteidigers. Insbesondere kann sich die Vertretbarkeit der getroffenen Entschei-dung über die Pflicht[X.]teidigerbestellung auch aus dem Motiv der [X.] - 9 - renssicherung ergeben. So kann die Ablehnung der gewünschten Vertei-digerbestellung im Einzelfall dann [X.]tretbar sein, wenn die Gefahr einer Inte-ressenkollision aktuell noch nicht übermäßig groß erscheint, indes unbedingt [X.]mieden werden soll, daß sie später doch virulent wird und dann zum Ab-bruch einer Haupt[X.]handlung mit beträchtlichem Umfang zur Unzeit nötigen könnte. In Fällen dieser Art mag auch einmal die Bestellung eines weiteren Pflicht[X.]teidigers neben dem gewünschten angezeigt sein. f) [X.]ie Verneinung der Gefahr eines Interessenkonflikts und die [X.] dem Wunsch des Beschuldigten gemäß [X.]fügte Pflicht[X.]teidigerbe-stellung wird umso eher vom Revisionsgericht als [X.]tretbar zu bewerten sein, wenn Gegengründe, die sich im Einzelfall aufdrängen, mit dem benann-ten Verteidiger, gegebenenfalls auch mit dem Beschuldigten, erörtert und wenn daraufhin in Kenntnis des kritischen Sach[X.]halts keine Bedenken ge-gen die Bestellung geäußert oder gar beachtliche Gründe gegen einen mög-lichen Interessenkonflikt vorgebracht worden sind. 2. Nach diesen Maßstäben war die Bestellung des Rechtsanwalts [X.]zum Pflicht[X.]teidiger des Angeklagten [X.] rechtsfehlerhaft. a) [X.]er Haupttäter [X.]hatte mit der [X.], daß der Angeklag-te [X.]die Ermordung [X.] als Anstifter [X.]anlaßt [X.] und der Angeklag-te [X.] dies durch psychische Beihilfe unterstützt [X.] hatte, Anlaß zu maß-geblicher Intensivierung des gegen beide Angeklagte geführten Ermittlungs-[X.]fahrens gegeben. [X.]ieses Verfahren hatte den Vorwurf der Beteiligung an derselben Tat zum Gegenstand, wegen deren Begehung [X.]rechtskräftig [X.]urteilt war und sich zur [X.] seiner [X.] noch in Strafhaft befand. Zunächst waren die beiden Angeklagten den [X.] und Gerichten während des Straf[X.]fahrens gegen [X.]lediglich als —Tatinteressentenfi bekanntgeworden, später war ein Ermittlungs[X.]fahren gegen [X.], in dem [X.] zunächst noch zu seinen Gunsten ausgesagt hatte, nur aufgrund von Angaben [X.]ritter vom [X.] eingeleitet worden. - 10 - Nachdem Rechtsanwalt S
den Haupttäter [X.] [X.]teidigt [X.], [X.]stieß die spätere sukzessive Übernahme der Verteidigung des Anstif-ters [X.]zwar mangels Gleichzeitigkeit nicht gegen das Verbot des § 146 StPO. Indes bestanden jenseits der generell bei solcher Fallgestaltung gege-benen Gefahr einer Interessenkollision deutliche konkrete Anhaltspunkte für einen möglichen Interessenkonflikt, in den dieser Rechtsanwalt bei der [X.] des Angeklagten [X.]im Blick auf seine fortwirkenden Pflichten gegenüber seinem früheren Mandanten [X.] geraten konnte. [X.]er Angeklagte [X.]war weitestgehend nicht geständig. Für seine Ü-berführung wegen Anstiftung zum Mord war die Zeugenaussage [X.] s [X.] wie von Anfang an erkennbar [X.] von maßgeblicher Bedeutung. Bei dieser Sachlage drängte sich die Aufdeckung möglicher Schwachstellen dieser Aussage als eine zentrale Aufgabe von [X.]

s Verteidiger auf. Indes unterlag

[X.] einer Verschwiegenheitspflicht gegenüber seinem früheren Mandanten [X.], zudem traf ihn als Rechtsanwalt naheliegend auch eine gewisse berufsrechtliche Verpflichtung, dem im Straf[X.]fahren Verteidigten während dessen anschließender Strafvollstreckung nicht durch aktive [X.] eines Mandats mit gegenläufigen Interessen Nachteil zuzufügen. Rechtsanwalt [X.] war daher gehindert, ihm von seinem früheren Mandanten während dessen Verteidigung etwa an[X.]trautes Wissen, das seinem jetzigen Mandanten [X.]hätte nützen können, zu offenbaren. Er konnte unter Umständen auch in Konflikt geraten, wenn es sich ihm etwa im Interesse seines jetzigen Mandanten [X.]aufdrängen mußte, entlastende Indizien vorzutragen, über deren Bewertung er indes aufgrund [X.]traulicher Mitteilungen seines früheren Mandanten [X.] nicht offenbarungsfähige nähere Kenntnisse besaß. [X.]arüber hinaus konnte er in die Situation geraten, durch Vorbringen, mit dem er [X.] gezielt gegen [X.]s jetzige Aussage [X.]teidigte, jedenfalls den Verdacht zu erwecken, sich hierdurch in entspre-chender Weise standesrechtlich pflichtwidrig [X.] mindestens aber bedenklich [X.] gegenüber seinem früheren Mandanten zu [X.]halten, so daß er unter Hint- - 11 - anstellung von [X.] s berechtigten Verteidigungsinteressen leicht hätte [X.] werden können, von solchem Verteidigervorbringen Abstand zu [X.]. b) Allein diese auf der Hand liegenden Umstände hätten dem ermit-telnden St[X.]tsanwalt, bevor er dem [X.] bereits im Ermittlungs[X.]fahren den Antrag auf Bestellung des Rechtsanwalts

[X.] zum Pflicht[X.]teidiger des damaligen Beschuldigten [X.]be-fürwortend zuleitete, Anlaß geben sollen, auf Klärung der auf eine Interes-senkollision hindeutenden Anzeichen gegenüber dem Rechtsanwalt und dem Beschuldigten [X.]hinzuwirken. Sofern sich dies dem damals mit dem [X.] noch nicht näher befaßten [X.] selbst noch nicht hätte aufdrängen müssen, hätte dieser jedenfalls nach Kenntnis von der Anklage entsprechend allen Anlaß gehabt, die [X.]fügte [X.] zu hinterfragen und auf eine derartige Klärung hinzuwirken. [X.]ie jetzt im Revi-sions[X.]fahren eingeholten dienstlichen Erklärungen, die den Wunsch des Angeklagten [X.]nach Verteidigung durch Rechtsanwalt
[X.]in den Mittelpunkt stellen und ein sachlich unauffälliges Verteidiger[X.]halten beto-nen, machen es dem [X.] nicht [X.]ständlich, daß die sich bei der [X.] Fallgestaltung aufdrängenden Anhaltspunkte für eine mögliche Inte-ressenkollision in der Person des gewünschten Verteidigers nach außen hin gänzlich unbeachtet geblieben sind. c) [X.]er [X.] braucht nicht zu entscheiden, ob die Bestellung des Rechtsanwalts S

zum Pflicht[X.]teidiger allein aufgrund der genann-ten Umstände bereits als un[X.]tretbar und damit rechtsfehlerhaft zu bewer-ten wäre. [X.]ies läge jedenfalls in Ermangelung ausdrücklicher Hinterfragung der mit einer möglichen Interessenkollision zusammenhängenden Probleme gegenüber den Beteiligten nicht ganz fern. Andererseits sind vor dem Hinter-grund genereller Zulässigkeit sukzessi[X.] Mehrfach[X.]teidigung gemäß § 146 StPO der ausdrückliche Wunsch des Angeklagten [X.]nach Bestellung dieses Verteidigers und das Fehlen eines Vortrags eigener Bedenken gegen - 12 - die Ordnungsmäßigkeit seiner Bestellung durch den zur Prüfung standes-rechtlich pflichtgemäßen Verhaltens primär berufenen Rechtsanwalt nicht unbeachtlich. Hier kommen jedoch weitere Fallbesonderheiten hinzu, welche der Annahme einer noch [X.]tretbaren, daher nicht als rechtsfehlerhaft zu qualifizierenden [X.] jedenfalls entgegenstehen. [X.]) Zum einen drängten sich Überlegungen über eine mögliche Inte-ressenkollision nicht nur infolge der Verhältnisse zwischen den [X.] vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Rollen bei Tatbegehung und in der Entwicklung der jeweils gegen sie geführten Straf[X.]fahren auf. [X.]ar-über hinaus war die Person des Rechtsanwalts [X.] [X.] ohne daß dies etwa für sich dem Rechtsanwalt ohne weiteres zum Vorwurf gereichen müß-te [X.] hier schon zeitnah zur Tatbegehung im Gespräch: Nach den Urteilsfest-stellungen benannte der Angeklagte [X.]schon im Rahmen seiner Anstif-tungshandlungen diesen Rechtsanwalt dem Haupttäter [X.]

als potentiellen späteren Verteidiger; [X.][X.]band so mit der Person dieses Rechtsanwalts die Prognose eines [X.]minderten Sanktionsrisikos, mit deren Benennung er Hemmungen des [X.] abzubauen suchte. [X.]iese Urteilsfeststellung gründet auf der entsprechenden Zeugenaussage [X.]

s. [X.]ieser hatte schon in seiner ersten polizeilichen Vernehmung Angaben über prozessuale Verhaltensmuster, seine Schuldfähigkeit betreffend, gemacht, die ihm der Angeklagte [X.][X.] freilich nach der Tat, aber vor seiner Entdeckung und Verhaftung [X.] nahegebracht habe, und hatte dabei auch Angaben zur Vermitt-lung und Bezahlung von Rechtsanwalt S

als Verteidiger durch [X.] gemacht. Es liegt auf der Hand, daß schon die Angaben seines früheren Man-danten [X.]im Ermittlungs[X.]fahren gegen [X.], namentlich aber dessen spätestens in der Haupt[X.]handlung gemachte belastende Angabe, sein [X.] Mandant [X.]habe sich im Rahmen seiner Anstiftungshandlungen in einer derartigen, für die Person des Verteidigers anrüchigen Weise geäußert, für Rechtsanwalt S

die gebotene in jeder Beziehung unbefangene - 13 - Wahrnehmung seiner [X.] gegenüber dem Angeklagten [X.]nachhaltig zu erschweren geeignet war. Schon [X.]s Aussage bei der Polizei zu diesem Themenkreis hätte mindestens eine kritische Nachfra-ge an Rechtsanwalt S

, die erstrebte Verteidigung [X.] s betref-fend, [X.]anlassen sollen. [X.]edenfalls nach [X.]
s entsprechender Zeugen-aussage in der Haupt[X.]handlung war sie unbedingt geboten. [X.]) Zu dieser herausgehobenen Sachnähe kam eine weitere maßgeb-liche Besonderheit hinzu. Ein Brief des [X.] [X.]an seinen frühe-ren Verteidiger Rechtsanwalt S

war Gegenstand der [X.] geworden. Es lag auf der Hand, daß dieses Schreiben wegen der [X.] vor [X.]s [X.] gegenüber der Polizei geäußerten, zudem darin nachvollziehbar motivierten Erwägung einer solchen [X.] eine nicht unwesentliche indizielle Bedeutung für die Beurteilung der Zu[X.]lässigkeit von [X.]s Angaben gewinnen konnte [X.] die ihm das Schwurgericht später tatsächlich auch zugemessen hat. Hinzu kam, daß im Inhalt dieses Schrei-bens eigene Erwägungen des Rechtsanwalts
[X.] über eine Tatbetei-ligung des Angeklagten [X.]behauptet wurden. Rechtsanwalt

[X.]wäre danach im Verfahren gegen den Angeklagten [X.] sogar als Zeuge in Betracht gekommen, wobei er sich freilich naheliegend auf ein Zeugnis[X.]weigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO, womöglich gar auf ein Auskunfts[X.]weigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO, hätte berufen [X.]. [X.]iese weitergehende Besonderheit begründete zusätzliche [X.] Bedenken dagegen, daß dieser Rechtsanwalt die Verteidigung des Ange-klagten [X.]in der gebotenen unabhängigen und distanzierten Weise werde führen können. [X.]edenfalls danach können seine Bestellung zum Pflicht[X.]-teidiger des Angeklagten [X.]

und die alleinige Wahrnehmung der [X.] durch ihn in der gesamten Tatsacheninstanz ohne jede gericht-liche Hinterfragung [X.] ungeachtet des entsprechenden Wunsches des Ange-klagten [X.][X.] nurmehr als [X.]fahrensfehlerhaft bewertet werden. Hätte sich - 14 - Rechtsanwalt S

bei der gegebenen Sachlage ungeachtet geäu-ßerter und nicht etwa zu entkräftender gerichtlicher Bedenken gegen seine Mitwirkung dann als Wahl[X.]teidiger des Angeklagten [X.]gemeldet, hätte er zwar naheliegend nicht zurückgewiesen werden können. [X.]em Angeklag-ten [X.]wäre jedoch gleichwohl aus den nämlichen Gründen, die der Bei-ordnung [X.]s zum Pflicht[X.]teidiger entgegenstanden, ein anderer Rechtsanwalt als Pflicht[X.]teidiger beizuordnen gewesen (vgl. [X.] [X.]O § 141 [X.]. 7). 3. [X.]aß der rechtsfehlerhaft zum Verteidiger bestellte Rechtsanwalt

[X.]als einziger Verteidiger des Angeklagten [X.]–. in diesem Fall notwendiger Verteidigung die danach angezeigte Verfahrensrüge wegen [X.] eigenen [X.]fahrensfehlerhaften Mitwirkung nicht erhoben hat, geht auf die [X.]fahrensfehlerhafte Bestellung dieses Verteidigers zurück. Hierin liegt eine auf das Revisions[X.]fahren fortwirkende Vernachlässigung der dem [X.] [X.]gegenüber bestehenden prozessualen Fürsorgepflicht. [X.]e- ren Folgen sind ihm ungeachtet seines entsprechenden [X.] freilich auf laien-hafter Verkennung seiner eigenen Verteidigungsinteressen beruhenden [X.] Wunsches nach Bestellung dieses Verteidigers nicht als [X.]schuldet anzulas-ten. [X.]anach liegt ein Ausnahmefall vor, in welchem dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einer Verfahrensrü-ge zu gewähren ist (vgl. [X.], [X.] Aufl. § 44 [X.]. 7a m. w. N.). [X.]en entsprechenden Antrag hat der zusätzlich bestellte Verteidiger innerhalb einer Woche (s. § 45 Abs. 1 StPO) nach Zustellung des Urteils und seiner Bestellung unter formgerechter Nachholung der [X.]säumten [X.]rensrüge gestellt. 4. Ein absoluter Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 StPO ist nicht gel-tend gemacht (vgl. dagegen auch BGHR StPO § 338 Nr. 5 Verteidiger 1 und 5). Indes greift die Rüge wegen Verletzung des § 142 Abs. 1 Satz 3 - 15 - StPO durch. Es läßt sich nicht ausschließen, daß der Schuldspruch zum Nachteil des Angeklagten [X.]auf der [X.]fahrensfehlerhaften Gestaltung seiner Verteidigungs[X.]hältnisse beruht (§ 336 Satz 1 StPO). Ungeachtet der letztlich [X.] Beweiswürdigung und trotz mangelnder konkreter Hinweise auf abweichende Sachaufklärungsmöglichkeiten ist nicht auszu-schließen, daß ein anderer Verteidiger, dessen Mitwirkung geboten war, mit zulässigen prozessualen Mitteln auf abweichende, für den Angeklagten [X.]günstigere [X.] hätte hinwirken können. [X.]as Urteil ist daher, soweit es den Angeklagten [X.]betrifft, auf die entsprechende Verfahrensrüge umfassend aufzuheben. 5. [X.]er neue Tatrichter wird für den Fall einer erneuten Verurteilung des Angeklagten [X.]jedenfalls nunmehr nicht mehr gehindert sein, unter Berücksichtigung sämtlicher nach Tatbegehung erfolgter rechtskräftiger Ver-urteilungen eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach den bei [X.], StGB 51. Aufl. § 55 [X.]. 6, 8, 9, 11, 13, 19 genannten [X.] vorzunehmen. [X.] Basdorf Gerhardt Raum

Meta

5 StR 251/02

15.01.2003

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2003, Az. 5 StR 251/02 (REWIS RS 2003, 4909)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 4909

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