Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2000, Az. 5 StR 408/00

5. Strafsenat | REWIS RS 2000, 747

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Nachschlagewerk : ja[X.]St : neinVeröffentlichung : jaStPO §§ 142 Abs. 1 Sätze 2 und 3, 336Einem zeitgerecht vorgetragenen Wunsch des Beschuldigten auf Beiordnung einesvon ihm benannten Rechtsanwalts ist grundsätzlich auch dann zu entsprechen, wennzuvor nach Unterlassen der gebotenen Anhörung ein anderer Pflichtverteidiger be-stellt worden war.[X.], [X.]. v. 25. Oktober 2000 - 5 StR 408/00 LG Hamburg [X.]5 StR 408/00BUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSSvom 25. Oktober 2000in der [X.] versuchter schwerer räuberischer Erpressung u. [X.] 2 -Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 25. Oktober 2000beschlossen:Auf die Revision des Angeklagten Z wird das Urteil [X.] Hamburg vom 30. März 2000, soweit es diesenAngeklagten betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Fest-stellungen aufgehoben.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Revi-sion, an eine andere Strafkammer des [X.].[X.][X.] hat den Angeklagten wegen versuchter schwererräuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zueiner Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des [X.] mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Die Ablehnung der Pflichtverteidigerbe-stellung des vom Angeklagten bezeichneten Verteidigers seines Vertrauensverletzte dessen Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 lit. [X.], § 336 Satz 1 StPO).- 3 -I.Wenige Tage nach seiner Verhaftung, am 29. November 1999, [X.] der Beschwerdeführer im Blick auf einen zuvor gestellten Haftprü-fungsantrag, ihm [X.] einen Pflichtverteidiger zu bestellen; einenbestimmten Verteidiger, dessen Beiordnung er wünschte, bezeichnete [X.] bei dieser Gelegenheit nicht. Die Haftprüfung wurde [X.] Dezember 1999, noch ohne Verteidiger, durchgeführt. Erst anschließendübermittelte die Staatsanwaltschaft die Akten zur [X.] 140 Abs. 1 Nr. 1, § 141 Abs. 3 StPO) an den im Ermittlungsverfahren zu-ständigen Strafkammervorsitzenden (§ 141 Abs. 4 StPO), der [X.] [X.] unmittelbar, nachdem die Akten bei ihm eingegangenwaren und ohne daß er dem Beschwerdeführer zuvor Gelegenheit gegebenhätte, einen Rechtsanwalt zu bezeichnen [X.] Rechtsanwalt J [X.] bestellte. Der [X.]uß wurde am 27. Dezember 1999 anden Beschwerdeführer übersandt. Ebenfalls am 27. Dezember 1999 [X.] Rechtsanwalt [X.]als Verteidiger bevollmächtigt; dessen Melde-schriftsatz gelangte am 29. Dezember 1999 zu den Akten. Anlaß für eineAufhebung der Pflichtverteidigerbestellung von Rechtsanwalt [X.] nicht gesehen (vgl. § 143 StPO); dieser erhielt zunächst Akteneinsicht,danach auch Rechtsanwalt R .Im Januar 2000 beantragte der Beschwerdeführer in zwei Schreibenunter Hinweis auf zeitliche Überschneidungen bei der [X.],anstelle von Rechtsanwalt J Rechtsanwalt [X.] zum Pflicht-verteidiger zu bestellen, der ihn schon früher verteidigt und den er über dievorliegende Sache informiert habe, bevor er von der Beiordnung [X.] J erfahren habe. Nach der zwischenzeitlich erfolg-ten Anklageerhebung lehnte der nunmehr zuständige [X.] diesen Antrag am 8. Februar 2000 ab, nachdem er geklärt hatte, [X.] [X.] [X.] den der Beschwerdeführer selbst nicht honorierenkonnte [X.] die Verteidigung nicht als Wahlverteidiger durchführen werde; ein- 4 -wichtiger Grund, anstelle des Rechtsanwalts J Rechtsanwalt[X.] zum Pflichtverteidiger zu bestellen, sei flweder vorgetragen nochersichtlichfl. Bereits am 10. Februar 2000 erhob der Beschwerdeführer, [X.] [X.] inzwischen mitgeteilt hatte, er könne ihn zu [X.] der vorrangigen Bestellung eines anderen [X.] nicht verteidigen, Gegenvorstellung, die aus den ge-nannten Gründen abgelehnt wurde.In der am 27. März 2000 begonnenen Hauptverhandlung wurde [X.] von Rechtsanwalt J verteidigt. Am Schluß desersten [X.] teilte der Beschwerdeführer dem Strafkammer-vorsitzenden nochmals mit, er wolle nicht weiter von Rechtsanwalt J verteidigt werden; er bat um Unterbrechung der Verhandlung, bis er ei-nen Rechtsanwalt P erreicht habe. Der Vorsitzende lehnte [X.] Hauptverhandlung eine Entpflichtung von Rechtsanwalt J er-neut ab. Die Hauptverhandlung wurde am 30. März 2000 unter [X.] bis zur Verkündung des angefochtenen Urteils abge-schlossen.[X.] Verfahrensweise beanstandet die Revision mit Recht.1. Schon der Vorlauf der Bestellung eines anderen Pflichtverteidigerswar verfahrensrechtlich bedenklich. Dabei ist nämlich die [X.] des § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO unbeachtet geblieben, welche das imfairen Verfahren zu beachtende Interesse des Beschuldigten konkretisiert,von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigt zu werden (vgl. dazuLaufhütte in [X.]. § 142 Rdn. 8 m.w.N.). Es lag kein begründeter Anlaßvor, von der vorgesehenen Anfrage beim Beschuldigten ausnahmsweise ab-zusehen: Eine besondere Eilbedürftigkeit ist dem erst nach über drei [X.] Antrag des inhaftierten Beschwerdeführers, dessen zugleich- 5 -erstrebte Haftprüfung noch ohne Verteidiger durchgeführt worden war, er-sichtlich gerade nicht zuerkannt worden. Der Umstand, daß der [X.] in dem Antrag von sich aus keinen Rechtsanwalt als gewünschtenPflichtverteidiger benannt hatte, machte seine Anhörung nicht grundsätzlichentbehrlich; es war nicht ohne weiteres davon auszugehen, der [X.] hätte sein Vorschlagsrecht gekannt, aber darauf verzichten wollen(vgl. [X.] NStZ-RR 1996, 271).2. Allein die Nichtbeachtung des § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO begrün-det allerdings noch nicht die Revision (vgl. [X.]R StPO § 142 Abs. 1 [X.] Aus-wahl 3). Der Beschwerdeführer sieht aber unter Berücksichtigung des an-schließenden [X.] zutreffend einen durchgreifenden Ermes-sensfehler in der Ablehnung seines Begehrens, ihm in Abänderung der ge-troffenen Beiordnungsentscheidung den Verteidiger seiner Wahl zum Pflicht-verteidiger zu bestellen. Mit der ablehnenden Entscheidung hat der Straf-kammervorsitzende die Bedeutung des Rechts des Beschwerdeführers aufein faires Verfahren verkannt.Danach ist bei der Auswahl des Pflichtverteidigers dem Interesse [X.], von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigt zu wer-den, ausreichend Rechnung zu tragen; grundsätzlich soll der Beschuldigtemit der Beiordnung des Verteidigers seines Vertrauens demjenigen gleichge-stellt werden, der sich auf eigene Kosten einen Verteidiger gewählt hat (vgl.[X.] 9, 36, 38; [X.]St 43, 153, 154 f.). Das bedeutet, daß einem zeitge-recht vorgetragenen Wunsch des Beschuldigten auf Beiordnung eines vonihm benannten Rechtsanwalts grundsätzlich zu entsprechen ist, es sei denn,wichtige Gründe stehen dem entgegen.Die geschützte Interessenlage des Beschwerdeführers war hierschon durch die unterbliebene Anhörung nach § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO vorder Pflichtverteidigerbestellung nicht in gebotener Weise beachtet worden.Nachdem anschließend gleichwohl der Wunsch des Beschwerdeführers, von- 6 -einem anderen Rechtsanwalt verteidigt zu werden, alsbald [X.] noch bevor derbestellte Verteidiger maßgeblichen Arbeitsaufwand investiert hatte [X.] akten-kundig geworden und anschließend vom Beschwerdeführer noch mit sachli-chen Argumenten besonders begründet worden war, lag hier ein [X.] [X.] zu Unrecht vermißter [X.] wichtiger Grund für die [X.] Änderung der Pflichtverteidigerbestellung ersichtlich vor. Deren Ab-lehnung verletzte folglich das Recht des Beschwerdeführers auf ein fairesVerfahren.3. Daß der Beschwerdeführer sein Begehren nicht unmittelbar zuBeginn der Hauptverhandlung nochmals vorgebracht hat, stellt seine Rüge-befugnis hier nicht in Frage. Nach dem Verfahrensvorlauf war ihm als Laieneine Wiederholung seines bereits mehrfach abgelehnten Wunsches, den eraus seiner Sicht für wenig aussichtsreich erachten mußte, nicht zuzumuten;die Hilfe seines amtierenden Verteidigers konnte er für sein Begehren nichtin Anspruch nehmen.Der Beschwerdeführer hat auch nicht etwa über einen wesentlichenZeitraum die Verteidigung durch Rechtsanwalt J widerspruchsloshingenommen, so daß seinem Verhalten auch nicht etwa eine nachträglicheZustimmung zur Pflichtverteidigerbestellung, die dann im Revisionsverfahrennicht widerrufen werden könnte, zu entnehmen ist. Daß er in seinem nachBeginn der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Ablösung des [X.] nunmehr [X.] nachdem eine Beiordnung von Rechtsanwalt [X.]stets abgelehnt worden war [X.] noch einen anderen Rechtsanwalt benannthat, stellt die Revisibilität des gerügten Verfahrensfehlers ebenfalls nicht [X.] -Ein Beruhen des Schuldspruchs auf dem gerügten [X.] läßt sich nicht ausschließen. Dies wäre bei der gegebenen Sachlagenur dann in Betracht zu ziehen, wenn der Beschwerdeführer von Anfang anumfassend geständig gewesen wäre. Dies ist indes nicht der Fall.[X.] Basdorf Tepperwien Gerhardt Raum

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5 StR 408/00

25.10.2000

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2000, Az. 5 StR 408/00 (REWIS RS 2000, 747)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 747

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