Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.07.2022, Az. 4 StR 50/22

4. Strafsenat | REWIS RS 2022, 7130

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Gegenstand

Strafzumessung im Betäubungsmittelrecht: strafschärfende Berücksichtigung einer fehlenden Abhängigkeit


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27. September 2021

a) im Strafausspruch aufgehoben,

b) im Ausspruch über die Einziehung dahin geändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.938 € angeordnet ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, zwei Monate dieser Strafe wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung für verbüßt erklärt und die „erweiterte“ Einziehung von [X.] in Höhe von 1.938 € angeordnet. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge zum Teil Erfolg und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 [X.]).

2

1. Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, weil das [X.] strafschärfend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte selbst kein Betäubungsmittelkonsument und daher „nicht etwa durch eine Abhängigkeitsproblematik zur Finanzierung des eigenen Konsums zur Tatbegehung bewegt worden“ sei. Das Motiv, die Drogen erworben zu haben, um den eigenen Konsum zu finanzieren, kann Grund für die Milderung der Strafe sein, weil Suchtdruck oder Angst vor Entzugsfolgen das Handeln eines Täters beeinflussen können (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Februar 2022 – 2 StR 223/21, Rn. 3; Beschluss vom 5. März 2020 – 1 StR 42/20, Rn. 3; [X.] in [X.], 4. Aufl., § 29a BtMG Rn. 142 mwN). Das [X.] hat dagegen die fehlende Abhängigkeit des Angeklagten als strafschärfenden Umstand bewertet und damit rechtsfehlerhaft das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes zu seinen Lasten berücksichtigt.

3

Da die Strafzumessung schon unter diesem Gesichtspunkt rechtsfehlerhaft ist, kann der Senat offen lassen, ob die Strafkammer durch ihre weitere Erwägung, der Angeklagte habe „kühl wirtschaftlich kalkulierend aus reinem Gewinnstreben mit Betäubungsmitteln Handel getrieben“ ein noch im Rahmen der Tatbestandsmäßigkeit von § 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 1 BtMG liegendes Gewinnstreben strafschärfend herangezogen und damit gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoßen hat (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Februar 2020 – 2 StR 517/19 Rn. 4, [X.], 146, 147; Beschluss vom 22. Mai 2018 – 4 StR 100/18, [X.], 325, 236; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], BtMG, 6. Aufl., § 29a Rn. 266 mwN).

4

Die rechtsfehlerhafte Strafzumessung führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 [X.]).

5

2. Darüber hinaus war die Einziehungsentscheidung abzuändern, weil das [X.] im Tenor der angefochtenen Entscheidung von einem Fall der erweiterten Einziehung nach § 73a Abs. 1 StGB ausgegangen ist. Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

6

Der [X.] hat dazu in seiner Antragsschrift vom 24. Februar 2022 folgendes ausgeführt:

„Den [X.] in Höhe von 1.938,00 Euro hat der Angeklagte nach den Feststellungen […] aus der verurteilungsgegenständlichen Tat erlangt. Von einem Erwerb durch oder für andere rechtswidrige Taten ist die Strafkammer angesichts der getroffenen Feststellungen und der Ausführungen zur [X.] ([X.] f.) auch nicht ausgegangen. Die […] [X.] sind […] mit dem Erwerb und dem Vorhalten der (verbliebenen) Betäubungsmittel als Bewertungseinheit zu einer Tat verbunden. […] Im Falle der Erlangung durch die verurteilungsgegenständliche Tat schreiben § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB die Einziehung des Wertes von [X.] vor […]. Die Einziehung des erlangten Gegenstandes ist nicht möglich. Soweit der Angeklagte über Geldmittel verfügte, standen diese nach den Feststellungen nicht im Zusammenhang mit den Erträgen aus der verfahrensgegenständlichen Straftat in Höhe von 1.938,00 Euro ([X.] 6).“

7

Dem schließt sich der Senat an und ändert den Ausspruch über die Einziehung in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 [X.] ab (vgl. [X.], Urteil vom 27. September 2018 – 4 [X.], NStZ-RR 2019, 22, 23; [X.] in Löwe/[X.], [X.], 26. Aufl., § 354 Rn. 12 mwN). § 265 Abs. 1 [X.] steht nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte gegen die Einziehungsentscheidung anders als geschehen verteidigt hätte.

8

3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Kompensationsentscheidung von der Aufhebung des Strafausspruchs nicht betroffen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 30. August 2011 – 3 [X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 65. Aufl., § 353 Rn. 8 mwN).

Quentin     

        

     Bartel     

        

Rommel

        

Ri[X.] Dr. Maatsch ist wegen
Urlaubs an der Unterschriftsleistung
gehindert.

                          
        

Quentin

        

Messing     

        

Meta

4 StR 50/22

07.07.2022

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Arnsberg, 27. September 2021, Az: II-2 KLs 12/20

§ 46 StGB, § 337 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.07.2022, Az. 4 StR 50/22 (REWIS RS 2022, 7130)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7130

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