Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15.04.2014, Az. 1 ABR 82/12

1. Senat | REWIS RS 2014, 6277

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Gegenstand

Bildung eines Arbeitsschutzausschusses


Leitsatz

§ 11 ASiG begründet keinen Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Einrichtung eines Arbeitsschutzausschusses.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 9. August 2012 - 3 [X.] - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, einen Arbeitsschutzausschuss einzurichten.

2

Die Arbeitgeberin ist ein Einzelhandelsunternehmen mit [X.]itz in [X.] und Filialen im gesamten [X.]. In der Filiale 3106 in [X.] sind 65 Arbeitnehmer beschäftigt. Wegen der räumlichen Entfernung vom [X.]auptbetrieb in [X.] gilt dieser Betrieb als selbständiger Betrieb im [X.]inne des Betriebsverfassungsgesetzes. Der antragstellende Betriebsrat ist dort gebildet.

3

Die Arbeitgeberin hat in ihrem [X.]auptbetrieb in [X.] unter Beteiligung des Gesamtbetriebsrats einen Arbeitsschutzausschuss eingerichtet.

4

Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Arbeitgeberin habe auch in dem [X.] Betrieb einen Arbeitsschutzausschuss zu bilden. Er hat beantragt,

        

der Arbeitgeberin aufzugeben, für die Filiale 3106 in [X.], einen Arbeitsschutzausschuss zu bilden.

5

Die Arbeitgeberin hat Antragsabweisung beantragt.

6

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen, das [X.] hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Begehren weiter.

7

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet.

8

I. In dem Verfahren sind neben den beiden Beteiligten nicht weitere betriebsverfassungsrechtliche [X.]tellen nach § 83 Abs. 3 ArbGG zu hören. Eine Beteiligung des Gesamtbetriebsrats ist nicht erforderlich. Die vom Betriebsrat begehrte Entscheidung berührt den Gesamtbetriebsrat nicht in dessen betriebsverfassungsrechtlicher [X.]tellung. Der Betriebsrat verfolgt sein Begehren aus eigenem Recht, die Rechtsstellung anderer Organe der Betriebsverfassung stellt er dabei nicht in Frage.

9

II. Der Betriebsrat hat keinen Anspruch gegen die Arbeitgeberin auf Bildung eines Arbeitsschutzausschusses. Dieser ergibt sich weder aus § 11 A[X.]iG noch aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 [X.].

1. § 11 A[X.]iG verpflichtet den Arbeitgeber zur Bildung eines Arbeitsschutzausschusses. Diese Bestimmung begründet jedoch keinen Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Einrichtung eines solchen Ausschusses.

a) Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber, soweit in einer sonstigen Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist, in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten einen Arbeitsschutzausschuss zu bilden. In diesen hat der Betriebsrat zwei Mitglieder zu entsenden. Der Arbeitsschutzausschuss hat die Aufgabe, Anliegen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beraten. Er tritt mindestens einmal vierteljährlich zusammen. [X.] des § 11 A[X.]iG ist der Arbeitgeber. Kommt dieser seiner Verpflichtung aus § 11 A[X.]iG nicht nach, hat nach der Gesetzessystematik des [X.]es die Arbeitsschutzbehörde nach § 12 A[X.]iG die erforderlichen Maßnahmen anzuordnen ([X.]/Kohte 3. Aufl. § 290 Rn. 75). Der Betriebsrat kann nach § 89 Abs. 1 [X.]atz 2 [X.] die zuständige Arbeitsschutzbehörde ersuchen, gegenüber dem Arbeitgeber die Verpflichtungen aus § 11 A[X.]iG im Wege einer Anordnung nach § 12 Abs. 1 A[X.]iG durchzusetzen (vgl. [X.] in [X.]/Brunhöber/[X.] [X.] 4. Aufl. § 12 Rn. 7; dazu allgemein [X.] 3. Juni 2003 - 1 [X.] - [X.]E 106, 188). Einen unmittelbar gegen den Arbeitgeber gerichteten Anspruch des Betriebsrats auf Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses enthält das [X.] dagegen nicht.

b) Entgegen einer im [X.]chrifttum vertretenen Auffassung folgt ein solches betriebsverfassungsrechtliches Recht nicht aus dem Entsendungsrecht des Betriebsrats nach § 11 [X.]atz 2 A[X.]iG (so aber [X.] Arbeitsschutzrecht 5. Aufl. [X.] Rn. 134; im Ergebnis auch [X.]/Bieneck [X.] § 11 Rn. 46). Danach gehören dem Arbeitsschutzausschuss zwei vom Betriebsrat benannte Betriebsratsmitglieder an. Diese Vorschrift begründet aber nur einen Anspruch des Betriebsrats auf Entsendung zweier Betriebsratsmitglieder in einen bereits bestehenden Ausschuss, nicht hingegen auf die Errichtung eines solchen Ausschusses. Nach der Gesetzessystematik obliegt die Durchsetzung dieser gesetzlichen Verpflichtungen vielmehr der zuständigen Behörde. Diese hat nach § 12 Abs. 1 A[X.]iG eine entsprechende Maßnahme anzuordnen und diese nach § 20 A[X.]iG im [X.] durch Verhängung einer Geldbuße durchzusetzen.

2. Ein Anspruch des Betriebsrats auf Bildung eines Arbeitsschutzausschusses folgt auch nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 [X.]. Dem steht bereits der Eingangshalbsatz des § 87 Abs. 1 [X.] entgegen. § 11 A[X.]iG regelt die gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers zur Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses abschließend. [X.]ierdurch sind die Interessen der Arbeitnehmer hinreichend geschützt und bedürfen keines weiteren [X.]chutzes durch Mitbestimmungsrechte. Auch fehlt es dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer zwingenden gesetzlichen Regelung keine Gestaltungsmöglichkeiten hat, an einem [X.]andlungsspielraum, der unter Mitwirkung des Betriebsrats auszufüllen wäre ([X.] 22. Juli 2008 - 1 [X.] - Rn. 72, [X.]E 127, 146). Der Betriebsrat kann deshalb die Bildung eines solchen Ausschusses nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 [X.] erzwingen ([X.] 27. Aufl. § 87 Rn. 327; Wiese/Gutzeit GK-[X.] 10. Aufl. § 87 Rn. 668; LAG [X.]amburg 27. [X.]eptember 1995 - 4 [X.] -). Die gegenteilige Auffassung der Rechtsbeschwerde, wonach es bei § 87 Abs. 1 Nr. 7 [X.] „auf den Einleitungssatz“ nicht ankomme, verkennt die [X.]ystematik des § 87 [X.].

3. Nachdem der Antrag bereits wegen fehlender Anspruchsgrundlage abzuweisen war, bedurfte es keiner Entscheidung, ob die Arbeitgeberin ihrer Verpflichtung aus dem [X.] dadurch genügt, dass sie im [X.]auptbetrieb unter Beteiligung des Gesamtbetriebsrats einen Arbeitsschutzausschuss errichtet hat.

        

    [X.]chmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Rath    

        

    [X.]eyboth    

                 

Meta

1 ABR 82/12

15.04.2014

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Stuttgart, 23. November 2011, Az: 14 BV 103/11, Beschluss

§ 11 ASiG, § 87 Abs 1 Nr 7 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15.04.2014, Az. 1 ABR 82/12 (REWIS RS 2014, 6277)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6277

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