Bundessozialgericht, Urteil vom 13.09.2011, Az. B 1 KR 23/10 R

1. Senat | REWIS RS 2011, 3403

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Gegenstand

Krankenversicherung - Heilmittelerbringer - Vergütungsanspruch bei Leistung aufgrund vertragsärztlicher Verordnung - kein Vergütungsanspruch bei Verstoß gegen Höchstmengenvorgaben der Heilmittel-Richtlinien


Leitsatz

1. Leistet ein zugelassener Heilmittelerbringer entsprechend seiner Berechtigung und Verpflichtung einem Versicherten aufgrund ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung, erwächst ihm daraus ein gesetzlicher Vergütungsanspruch gegen die Krankenkasse (Anschluss an und Weiterentwicklung von BSG vom 28.9.2010 - B 1 KR 3/10 R = BSGE 106, 303 = SozR 4-2500 § 129 Nr 6).

2. Ein zugelassener Heilmittelerbringer erwirbt insoweit keinen Vergütungsanspruch, als er einem Versicherten Heilmittel entsprechend einer vertragsärztlichen Verordnung leistet, die offenkundig den Höchstmengenvorgaben der Heilmittel-Richtlinien (juris: HeilMRL) widerspricht, welche das Wirtschaftlichkeitsgebot sichern (Anschluss an und Weiterentwicklung von BSG vom 27.10.2009 - B 1 KR 4/09 R = BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5).

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 26. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 51,84 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung von weiteren vier physiotherapeutischen Behandlungen.

2

Der Kläger betreibt eine Praxis für Physiotherapie und ist zur Versorgung der Versicherten der beklagten Krankenkasse ([X.]) mit physiotherapeutischen Leistungen zugelassen. Er ist Mitglied des [X.] schloss mit (dem Landesverband) der Beklagten am [X.] einen "Rahmenvertrag nach § 125 Abs 2 [X.]B V" ([X.]). Der [X.] trat am 1.12.2002 in [X.] und wurde zum 31.12.2006 gekündigt. Er regelt [X.] die Einzelheiten der Versorgung der Versicherten mit physiotherapeutischen Leistungen, die Vergütung der Leistungen und deren Abrechnung, die Rechte und Pflichten der Vertragspartner sowie die Folgen von [X.] (§ 2 Nr 1 [X.]), die "Verordnung/Kooperation zwischen Leistungserbringer und Vertragsarzt/Behandlungsdurchführung"(§ 4 [X.]) und die Fortgeltung des [X.] bzw Teilkündigung (§ 23 Nr 4 [X.]). Die Beklagte listete im Jahr 2005 die Prüfpunkte bei unvollständigen und inhaltlich fehlerhaften [X.] auf. und teilte sie sämtlichen Heilmittelerbringern in [X.] mit.

3

Facharzt für Innere Medizin [X.] verordnete am 9.7.2008 als Erstverordnung dem bei der Beklagten Versicherten R zehn krankengymnastische Behandlungen (Indikationsschlüssel EX3a) zur Wiederherstellung und Besserung der gestörten Beweglichkeit wegen eines Zustands nach Schulterluxation. [X.] gab keine medizinische Begründung für eine Verordnung außerhalb des [X.] an. Der Kläger erbrachte die verordneten Leistungen von Juli bis August 2008 und berechnete der Beklagten hierfür unter Berücksichtigung der Zuzahlungen einen Gesamtbetrag von 119,60 Euro. Sie beglich lediglich sechs Behandlungseinheiten, verweigerte aber die Zahlung des Restbetrages von 51,84 Euro für vier physiotherapeutische Behandlungen, weil nach den Richtlinien über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung ([X.]) grundsätzlich nur sechs physiotherapeutische Behandlungen verordnet werden dürften. Der Kläger hätte dies bei Überprüfung der Verordnung erkennen können.

4

Das [X.] hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 51,84 Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 4.9.2008 zu zahlen: Der Leistungserbringer müsse lediglich prüfen, ob die vertragsärztliche Verordnung eine Diagnose und die Beschreibung der Art und Benennung der Anzahl der Leistungen enthalte (Urteil vom 18.2.2009). Auf die Berufung der Beklagten hat das L[X.] die Klage abgewiesen: Ein Vergütungsanspruch bestehe mangels Wirksamkeit der vertragsärztlichen Verordnung nicht. [X.] habe die Höchstverordnungsmenge von sechs Einheiten (Teil 1 Abschnitt II Nr 11.2.3 [X.]) nicht beachtet. Der Kläger habe gegen seine Pflicht verstoßen, die Verordnung des Vertragsarztes auf aus seiner professionellen Sicht erkennbare Fehler und Vollständigkeit zu überprüfen (Urteil vom [X.]).

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 2 Abs 4, 12, 125 Abs 2 [X.]B V und des § 58 [X.]B X. Die Pflicht, die Übereinstimmung von Verordnung und Leistungspflicht der gesetzlichen [X.]n zu überprüfen, treffe nach der Regelung des § 13 Abs 8 Bundesmantelvertrag-Ärzte ausschließlich die Vertragsärzte. Sie hafteten bei Unwirtschaftlichkeit (§ 106 [X.]B V). Eine Prüfpflicht der Heilmittelerbringer folge weder aus § 12 [X.]B V noch - abgesehen vom Fall der nicht zeitgerechten Behandlung - aus den [X.]. Der Kläger habe seinen lediglich in § 4 Nr 3 [X.] konkret geregelten Pflichten genügt.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts [X.] vom 26. Oktober 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 18. Febr[X.]r 2009 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Er macht zwar einen Anspruch auf Bezahlung weiterer vier physiotherapeutischer Behandlungseinheiten zulässig mittels einer allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) geltend. Die Voraussetzungen dieses gesetzlichen Vergütungsanspruchs (dazu 1.) sind aber nicht erfüllt, weil die ärztliche [X.] über zehn Behandlungseinheiten unzulässig war, der [X.]läger objektiv seine Pflicht zur Überprüfung der ärztlichen Verordnung verletzt hat und dies eine weitere Vergütung ausschließt (dazu 2.).

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 125 Abs 2 Satz 1 [X.] iVm § 15 Abs 1 des zum 1.12.2002 in [X.] getretenen ("Rahmenvertrag nach § 125 Abs 2 [X.]") [X.] einschließlich seiner als Anlage beigefügten Preisvereinbarung. Der [X.] ist grundsätzlich trotz der zum 31.12.2006 ausgesprochenen [X.]ündigung gemäß § 23 [X.] [X.] auch für die [X.] danach weiter wirksam, da bislang eine [X.] nicht zustande gekommen ist. § 125 Abs 2 Satz 1 Halbs 1 [X.] bestimmt, dass über die Einzelheiten der Versorgung mit Heilmitteln, über die Preise, deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung die [X.], ihre Landesverbände oder Arbeitsgemeinschaften Verträge mit Leistungserbringern oder Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer schließen. Basis dieser Verträge ist die Festlegung des Leistungsumfangs im Bereich der Heilmittel (§ 32 [X.]) durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ([X.]; vgl BSG Urteil vom [X.] - B 3 [X.]R 9/09 R - Rd[X.] 15, zur Veröffentlichung in [X.]-2500 § 125 [X.] vorgesehen). Der [X.] entscheidet in Richtlinien ([X.]) gemäß § 92 Abs 1 Satz 1 [X.] über die ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten, auch speziell über die Verordnung von Heilmitteln (§ 92 Abs 1 Satz 2 [X.] iVm Abs 6 [X.]) sowie über die Einführung neuer Heilmittel (§ 138 [X.]). Die Bindung der Heilmittelerbringer an die Richtlinien über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-[X.]) ergibt sich inzwischen unmittelbar aus § 91 Abs 6 [X.] in der ab [X.] geltenden Fassung ([X.] des [X.] in der gesetzlichen [X.]rankenversicherung vom [X.], [X.]; vgl zuvor - seit 1.1.2004 - § 91 Abs 9 [X.] idF des [X.] der gesetzlichen [X.]rankenversicherung vom 14.11.2003, [X.] 2190).

§ 125 Abs 2 Satz 1 [X.] begründet im Zusammenspiel mit den konkretisierenden vertraglichen Vereinbarungen eine öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung für die zugelassenen (vgl § 124 Abs 1 [X.]) Heilmittelerbringer, die Versicherten mit vertragsärztlich verordneten Heilmitteln zu versorgen. Das entspricht der allgemeinen [X.]onzeption, die der erkennende und der 3. Senat des BSG übereinstimmend dem Vergütungsrecht der nicht vertragsärztlichen Leistungserbringer zugrunde legen (vgl zB für Apotheker [X.], 303 = [X.]-2500 § 129 [X.], Rd[X.] 13 mwN; [X.], 157 = [X.]-2500 § 129 [X.], Rd[X.] 12 ff; für [X.]rankenhäuser [X.], 15 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 15 mwN; [X.], 300 = [X.]-2500 § 39 [X.], Rd[X.] 7 mwN). Die Versorgung mit Heilmitteln richtet sich dagegen nicht nach dem Recht des Dienstvertrages (§ 611 BGB iVm § 69 [X.]; so noch BSG [X.]-2500 § 125 [X.] Rd[X.] 13): [X.] erwerben im Gegenzug für die Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht einen durch [X.] näher ausgestalteten gesetzlichen Anspruch auf Vergütung gegen die [X.], der schon in § 125 Abs 2 Satz 1 [X.] vorausgesetzt wird. Rechtsnatur und Struktur des Vergütungsanspruchs der Heilmittelerbringer folgen der Einbindung der Heilmittelerbringer in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag der [X.] (vgl hierzu Art 1 [X.]6 des [X.] der gesetzlichen [X.]rankenversicherung ab dem [X.] vom 22.12.1999 [X.] 2626). Die [X.] erfüllt mit der Versorgung Versicherter mit vertragsärztlich verordneten Heilmitteln ihre im Verhältnis zum Versicherten bestehende Pflicht zur [X.]rankenbehandlung (vgl § 27 Abs 1 Satz 2 [X.] und § 32 [X.]). Dies betonen auch die vertraglichen Regelungen nach § 125 Abs 2 Satz 1 [X.]. Die vertragsärztliche Verordnung schafft eine Grundlage dafür, dass ein Versicherter mit dem Heilmittel als Naturalleistung der gesetzlichen [X.]rankenversicherung (§ 2 Abs 2 Satz 1 [X.]) auf [X.]osten der [X.] versorgt wird. Leistet ein zugelassener Heilmittelerbringer entsprechend seiner Berechtigung und Verpflichtung einem Versicherten aufgrund ordnungsgemäßer vertragsärztlicher Verordnung, erwächst ihm daraus ein gesetzlicher Vergütungsanspruch gegen die [X.] (vgl zum Parallelbereich der Arzneimittelverordnungen [X.], 303 = [X.]-2500 § 129 [X.], Rd[X.] 13; [X.], 157 = [X.]-2500 § 129 [X.], Rd[X.] 12 ff mwN).

2. Der [X.]läger hat nicht alle Anspruchsvoraussetzungen für die Vergütung der geleisteten Heilmittel erfüllt. Er leistete nämlich nicht aufgrund ordnungsgemäßer, sondern trotz unzulässiger ärztlicher Verordnung, die den das Wirtschaftlichkeitsgebot sichernden Vorgaben der Heilmittel-[X.] offenkundig widersprach.

a) Der Vergütungsanspruch des zugelassenen [X.] setzt zunächst voraus, dass ihm ein Versicherter eine vertragsärztliche Heilmittelverordnung zwecks Versorgung vorlegt. Die ordnungsgemäße vertragsärztliche Verordnung eines Heilmittels, der keine Genehmigungsentscheidung der [X.] folgt, legitimiert den Versicherten, sich frei einen der zugelassenen Leistungserbringer auszusuchen und nach dessen Überprüfung die verordnete Leistung in Anspruch zu nehmen. Sie ist Grundvoraussetzung für einen Vergütungsanspruch des [X.], der den Anspruch des Versicherten gegen seine [X.] auf Versorgung mit einem Heilmittel erfüllen soll. Als Hilfeleistung einer nichtärztlichen Person darf die Leistung nur erbracht werden, wenn sie ärztlich angeordnet und verantwortet ist (§ 15 Abs 1 Satz 2 [X.]). Der Vertragsarzt erklärt mit der Heilmittelverordnung in eigener Verantwortung gegenüber dem Versicherten, dem nichtärztlichen Leistungserbringer und der [X.], dass alle Anspruchsvoraussetzungen des durch die [X.]rankenversicherungskarte als berechtigt ausgewiesenen Versicherten (§ 15 Abs 2 [X.]) auf das verordnete Heilmittel nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse aufgrund eigener Überprüfung und Feststellung erfüllt sind: Das verordnete Heilmittel ist danach nach Art und Umfang geeignet, ausreichend, notwendig und wirtschaftlich, um die festgestellte [X.]rankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder die festgestellten [X.]rankheitsbeschwerden zu lindern (vgl § 27 Abs 1 [X.]). Welche Heilmittel in diesem Sinne nach Art und Umfang geeignet, ausreichend, notwendig und wirtschaftlich sind, hat der [X.] in für alle Systembeteiligten verbindlichen Richtlinien festzulegen, den Heilmittel-[X.] (hier anzuwenden idF vom 1.12.2003/16.3.2004 - BAnz 2004, [X.], in [X.] getreten am 1.7.2004; geändert am [X.] - BAnz 2005, [X.]1 S 4995, in [X.] getreten am 2.4.2005).

b) Weiter setzt ein Vergütungsanspruch des [X.] voraus, dass er aus seiner professionellen Sicht ebenfalls die Anspruchsvoraussetzungen für die Versorgung des Versicherten mit dem verordneten Heilmittel überprüft und bejaht hat. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sind Heilmittelerbringer verpflichtet, die ärztliche Verordnung auf Vollständigkeit und Plausibilität zu überprüfen (vgl [X.], 1 = [X.]-2500 § 125 [X.], Rd[X.]0 ff). Dies ergibt sich schon unabhängig von der Auslegung der konkreten [X.] (§ 125 Abs 2 Satz 1 [X.]) aus höherrangigem Recht.

Bereits aus § 2 Abs 4, § 12 Abs 1 Satz 2 iVm § 73 Abs 2 Satz 1 [X.] 7 [X.] folgt, dass der Heilmittelerbringer den Inhalt der ärztlichen Verordnung insoweit prüfen muss, als er nur auf Basis einer gültigen Verordnung mit den für eine wirksame und wirtschaftliche Heilmitteltherapie notwendigen ärztlichen Angaben leisten darf. Denn nach § 2 Abs 4 [X.] haben auch Leistungserbringer - neben [X.] und Versicherten - darauf zu achten, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden. Die Regelung trifft keine Ausnahme für Heilmittelerbringer. Sie erweitert vielmehr den Adressatenkreis des [X.], das sich nach dem Inhalt des § 2 Abs 1 Satz 1 [X.] unmittelbar nur an die [X.] richtet, auf alle Leistungserbringer und Versicherte (vgl etwa [X.] in [X.]/[X.], [X.], Stand August 2011, [X.] § 2 Rd[X.]5; [X.] in [X.]assler [X.]ommentar, Stand Juli 2011, § 2 [X.] Rd[X.] 8). Auch § 12 Abs 1 Satz 2 [X.] bestimmt, dass Leistungserbringer Leistungen nicht bewirken dürfen, die nicht notwendig und unwirtschaftlich sind. Diese Bestimmungen begründen eine eigenständige Verantwortung auch des [X.], für die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Heilmittelerbringung zu sorgen. Da seine Leistung durch die ärztliche Verordnung veranlasst wird, hat er diese Verordnung auf aus seiner professionellen Sicht zumutbar erkennbare Fehler, also auf Vollständigkeit und Plausibilität zu überprüfen.

c) Welche Prüfungen der Heilmittelerbringer im Einzelnen vorzunehmen hat, ist nicht allein aus dem Gesetz und den Heilmittel-[X.] abzuleiten. § 125 [X.] überlässt die nähere [X.]onkretisierung dieses höherrangigen Rechts vielmehr - in Empfehlungsform zur Orientierung - den Rahmenempfehlungen (vgl § 125 Abs 1 [X.]) und rechtsverbindlich den Verträgen über die Versorgung mit Heilmitteln (vgl § 125 Abs 2 [X.]). Letztlich ist auch das Verhalten der Systembeteiligten an Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu messen (vgl - trotz des noch anderen rechtlichen [X.] - weiterhin BSG [X.]-2500 § 125 [X.] Rd[X.]3).

Im vorliegenden Fall musste der [X.]läger als Heilmittelerbringer die dem Versicherten vertragsärztlich in der [X.] als "Regelfall" zugedachten zehn Einheiten [X.]rankengymnastik ([X.]G) im Hinblick auf die zulässige Höchstverordnungsmenge überprüfen. Denn die Heilmittel-[X.] ließen als hier vorgesehenen Regelfall nur die Verordnung von sechs Einheiten [X.]G zu. Der [X.] senkte 2004 die bei [X.] zulässige Höchstmenge von zehn auf sechs Einheiten [X.]G ab, um eine engermaschige ärztliche [X.]ontrolle im Interesse der Qualitätssicherung der Verordnungen vor dem Hintergrund vorhandener Zweifel an der Wirtschaftlichkeit zu erreichen (s Begründung des Beschlusses zur Novellierung der Heilmittel-[X.] vom 1.12.2003 [X.].3.2 und [X.] 1.). Die gebotene, auch einem Physiotherapeuten zumutbare Prüfung der Verordnung anhand der zulässigen Höchstverordnungsmenge hätte dem [X.]läger die Unzulässigkeit der Verordnung auch ohne aufwändige Prüfung bewusst gemacht.

Die Höchstverordnungsmenge leitet sich daraus ab, dass der Heilmittelverordnung nach den Heilmittel-[X.] in den jeweiligen Abschnitten des [X.] ein definierter Regelfall zugrunde liegt. Dieser Regelfall geht von der Vorstellung aus, dass mit dem der Indikation zugeordneten Heilmittel im Rahmen der [X.] des [X.] das angestrebte Therapieziel erreicht werden kann. Die [X.] und die Anzahl der Behandlungen (Einheiten) je Verordnung im Regelfall ergeben sich aus dem [X.]. Die Verordnungsmenge richtet sich nach dem medizinischen Erfordernis des Einzelfalls; nicht jede Schädigung/Funktionsstörung bedarf der Behandlung mit der Höchstverordnungsmenge je Verordnung bzw der [X.] des [X.] (vgl insgesamt Teil 1 Abschnitt II [X.] 11 Heilmittel-[X.]). [X.] außerhalb des [X.] sind bis auf die in den Richtlinien genannten Ausnahmen nicht zulässig (vgl Teil 1 Abschnitt II [X.] 11.1 Heilmittel-[X.]). Die maximale Verordnungsmenge bei Erst- und Folgeverordnungen beträgt bis zum Erreichen der [X.] jedes [X.] eine konkret genannte Anzahl von Einheiten, in der hier maßgeblichen Physikalischen Therapie bis zu sechs Einheiten (vgl Teil 1 Abschnitt II [X.] 11.2.3 Satz 1 Heilmittel-[X.]). Die Verordnung von zehn Einheiten [X.]G überschritt diese Grenze.

d) Der [X.]läger hätte bei der gebotenen Überprüfung der Verordnung von zehn Einheiten [X.]G ihre Unzulässigkeit feststellen und sich mit dem Vertragsarzt oder der Beklagten in Verbindung setzen müssen (vgl auch Teil 1 Abschnitt VII [X.]6. f Heilmittel-[X.]), um das nach den Heilmittel-[X.] gebotene Verfahren zur Beachtung der Qualitätssicherung auf dem Boden des [X.] zu wahren. Die Unzulässigkeit einer Heilmittelverordnung aufgrund Überschreitung der zulässigen Höchstmenge zwecks Achtung des [X.] schließt nach § 12 Abs 1 Satz 2 [X.] jedenfalls eine Vergütung für die Leistungen aus, die die Höchstmengengrenze überschreiten. Aufgrund dessen, dass die Beklagte sechs Einheiten [X.]G bezahlt hat, bedarf es keiner weiteren Erörterung, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine geltungserhaltende Reduktion einer unzulässigen Verordnung durch den Heilmittelerbringer möglich ist.

Wie ein Heilmittelerbringer auf bei der gebotenen Prüfung festgestellte Fehler reagieren muss, ist unter Berücksichtigung des Prüfzwecks teilweise ausdrücklich, teilweise aber auch nur sinngemäß geregelt. So dient die Prüfpflicht nichtärztlicher Leistungserbringer nicht allein der Achtung des [X.], sondern zugleich dem Schutz des versicherten Patienten: Er vertraut sich dem Heilmittelerbringer an, um sich seinen Anspruch auf eine indikationsgerechte Heilmittelversorgung erfüllen zu lassen. Ändert sich etwa sein Zustand nach Ausstellung der Verordnung wesentlich oder reagiert er ungewöhnlich auf die erste [X.], sodass bei einer [X.] eine Schädigung droht, muss dies der Heilmittelerbringer im Rahmen seiner professionellen Erkenntnismöglichkeiten erfassen und hierauf reagieren, indem er seine Leistung unterbricht, den verordnenden Arzt informiert und das weitere Vorgehen mit ihm und dem Versicherten abstimmt. In diesem Sinne bestimmt etwa Teil 1 Abschnitt VII [X.]9.3 Heilmittel-[X.]: Ergibt sich bei der Durchführung der Behandlung, dass mit dem verordneten Heilmittel voraussichtlich das Therapieziel nicht erreicht werden kann oder dass der Patient in vorab nicht einschätzbarer Weise auf die Behandlung reagiert, hat der Therapeut darüber unverzüglich den Vertragsarzt, der die Verordnung ausgestellt hat, zu informieren und die Behandlung zu unterbrechen. Der Vertragsarzt entscheidet über eine Änderung oder Ergänzung des Therapieplans, eine neue Verordnung oder die Beendigung der Behandlung.

Teilweise regeln bereits die Heilmittel-[X.] ausdrücklich, dass bei spezifischen Mängeln die Verordnung ihre Gültigkeit verliert. So liegt es, wenn nicht innerhalb festgelegter [X.]räume mit der verordneten Behandlung begonnen oder wenn eine begonnene Behandlung über spezifische [X.]räume hinaus unterbrochen wird (s Teil 1 Abschnitt VII [X.]8.2 und [X.]9.2 Heilmittel-[X.]). Teilweise treffen zwar nicht die Heilmittel-[X.] eine ausdrückliche Regelung, wohl aber die [X.] (§ 125 Abs 2 [X.]). Nach Teil 1 Abschnitt VI [X.]1. Heilmittel-[X.] müssen etwa die Vordrucke nach Maßgabe der Nummer 22 vollständig ausgefüllt werden. § 4 [X.] Satz 2 [X.] sagt hierzu: "Die vertragsärztliche Verordnung kann nur ausgeführt werden, wenn diese für die Behandlung erforderlichen Informationen" "enthalten sind". Das versteht sich eigentlich von selbst. Ohne diese Angaben ist die nichtärztliche Leistung weder ärztlich angeordnet noch verantwortet (§ 15 Abs 1 Satz 2 [X.]).

Der [X.]läger kann für sich nichts daraus ableiten, dass die Heilmittel-[X.] und der [X.] die Folgen von Verstößen der Verordnungen gegen die Höchstmengen nicht ausdrücklich regeln. Ihm musste bekannt sein, dass solche Verordnungen nach dem klaren Inhalt der Heilmittel-[X.] nicht zulässig sind und die Absenkung der Höchstverordnungsmenge aus Gründen der Wirtschaftlichkeit erfolgt war. Einer zusätzlichen Anordnung der "Ungültigkeit" einer die Höchstmengengrenze überschreitenden Verordnung bedurfte es nicht. Sie ergibt sich unmittelbar aus § 12 Abs 1 Satz 2 [X.].

Die Beklagte handelte auch nicht treuwidrig (§ 242 BGB), indem sie lediglich sechs Behandlungseinheiten [X.]G abrechnete, nicht aber die tatsächlich vom [X.]läger geleisteten zehn Einheiten, obwohl § 4 [X.] [X.] bestimmt: "Diagnose, Art und Anzahl der Leistungen ergeben sich aus der vom Vertragsarzt ausgestellten Verordnung. Die vertragsärztliche Verordnung kann nur ausgeführt werden, wenn diese für die Behandlung erforderlichen Informationen enthalten sind. Dem Leistungserbringer obliegt insoweit jedoch keine Prüfpflicht." Wenn man § 4 [X.] Satz 3 [X.] so auslegen wollte, dass er jegliche Prüfpflicht der Physiotherapeuten negierte, wäre er wegen Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nichtig (vgl bereits [X.], 1 = [X.]-2500 § 125 [X.], Rd[X.]1). Hier kommt hinzu, dass die Beklagte schon 2005 alle Heilmittelerbringer über die ihres Erachtens bestehenden Pflichten und Obliegenheiten bei [X.] aufklärte und den [X.] zum Ablauf des Jahres 2006 kündigte. Anlass für die bloße [X.] war, dass der [X.]läger der von der Beklagten geforderten Nachfrage beim verordnenden Arzt trotz der dargelegten Unzulässigkeit der Verordnung nicht nachkam.

3. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm §§ 52 Abs 3, 47, 63 Abs 2 Satz 1 G[X.]G.

Meta

B 1 KR 23/10 R

13.09.2011

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Mannheim, 18. Februar 2009, Az: S 5 KR 3270/08, Urteil

§ 2 Abs 2 S 1 SGB 5, § 2 Abs 4 SGB 5, § 12 Abs 1 S 2 SGB 5, § 15 Abs 1 S 2 SGB 5, § 15 Abs 2 SGB 5, § 32 SGB 5, § 69 SGB 5, § 73 Abs 2 S 1 Nr 7 SGB 5, § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB 5, § 125 Abs 2 S 1 SGB 5, Teil I Abschn II Nr 11.1 HeilMRL vom 01.12.2003, Nr 11.1 HeilMRL vom 01.12.2003, Teil I Abschn II Nr 11.2.3 S 1 HeilMRL vom 01.12.2003, Nr 11.2.3 S 1 HeilMRL vom 01.12.2003, Teil I Abschn VII Nr 21 HeilMRL vom 01.12.2003, Nr 21 HeilMRL vom 01.12.2003, Teil I Abschn VII Nr 26 HeilMRL vom 01.12.2003, Nr 26 HeilMRL vom 01.12.2003, Teil I Abschn VII Nr 28.2 HeilMRL vom 01.12.2003, Nr 28.2 HeilMRL vom 01.12.2003, Teil I Abschn VII Nr 29.2 HeilMRL vom 01.12.2003, Nr 29.2 HeilMRL vom 01.12.2003, Teil I Abschn VII Nr 29.3 HeilMRL vom 01.12.2003, Nr 29.3 HeilMRL vom 01.12.2003, § 242 BGB, § 611 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 13.09.2011, Az. B 1 KR 23/10 R (REWIS RS 2011, 3403)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3403

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