Bundessozialgericht, Urteil vom 22.02.2023, Az. B 3 KR 14/21 R

3. Senat | REWIS RS 2023, 1059

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Nutzenbewertung von Arzneimitteln - Nutzenbewertung nur Bewertung des medizinischen Zusatznutzens im Verhältnis zur bestimmten zweckmäßigen Vergleichstherapie - keine Nutzenbewertung ohne bestimmbare zweckmäßige Vergleichstherapie - zulassungsrechtlicher Solist - Off-Label-Use keine zweckmäßige Vergleichstherapie


Leitsatz

1. Die Nutzenbewertung ist allein eine Bewertung des medizinischen Zusatznutzens im Verhältnis zur vom Gemeinsamen Bundesausschuss bestimmten zweckmäßigen Vergleichstherapie.

2. Kann eine zweckmäßige Vergleichstherapie nicht bestimmt werden, ist über eine Nutzenbewertung nicht zu beschließen und ein begonnenes Nutzenbewertungsverfahren zu beenden.

3. Der zulassungsüberschreitende Einsatz von Arzneimitteln ist keine zweckmäßige Vergleichstherapie gegenüber einem zulassungsrechtlichen Solisten.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 24. September 2021 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die mit Beschluss des Beigeladenen zu 2 vom 15. August 2019 vorgenommene Änderung der Anlage XII der [X.] zur Nutzenbewertung des Wirkstoffes Regadenoson (neues Anwendungsgebiet: Messung der fraktionellen Flussreserve) unwirksam ist.

Der Schiedsspruch der Beklagten vom 1. Juli 2020 (schriftliche Fassung vom 6. Juli 2020) wird aufgehoben.

Der Beigeladene zu 2 trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1.

Tatbestand

1

[X.] steht ein Schiedsspruch über die Festsetzung eines Erstattungsbetrags für ein Arzneimittel sowie der ihm zugrunde liegende Nutzenbewertungsbeschluss des [X.] ([X.]).

2

Die Klägerin ist ein pharmazeutischer Unternehmer und vertreibt das seit 2010 zugelassene Fertigarzneimittel [X.] mit dem Wirkstoff [X.] in [X.]. Dieses ist seit 2011 in [X.] im Verkehr und wird als Diagnostikum zur kurzzeitigen Gefäßerweiterung eingesetzt. 2019 erhielt das Arzneimittel eine Zulassung im neuen Anwendungsgebiet als pharmakologischer Stressauslöser für die Messung der fraktionellen Flussreserve (FFR-Messung), die 2017 im Verfahren nach § 135 [X.] als neue Methode anerkannt worden war und 2018 Aufnahme im Einheitlichen Bewertungsmaßstab fand. Der zu 2 beigeladene [X.] bewertete im Verfahren nach § 35a [X.] den Nutzen des Wirkstoffs im neuen Anwendungsgebiet und ergänzte die Anlage XII der [X.] ([X.]) um die Feststellung, dass ein Zusatznutzen von [X.] ([X.]) gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie "Pharmakologische Stressauslösung nach Maßgabe des Arztes" als nicht belegt gelte (Beschluss vom [X.], BAnz [X.]). In den Tragenden Gründen zum Nutzenbewertungsbeschluss führte der [X.] ua aus, dass im neuen Anwendungsgebiet keine weiteren Arzneimittel zugelassen seien und die im Off-Label-Use eingesetzten Wirkstoffe Adenosin und Nitroprussid als geeignete Komparatoren angesehen werden könnten (Tragende Gründe vom [X.]). Einer Festbetragsgruppe ordnete der Beigeladene zu 2 das Arzneimittel nicht zu.

3

Nach gescheiterten Verhandlungen zwischen der Klägerin und dem zu 1 beigeladenen [X.] über eine Erstattungsbetragsvereinbarung rief dieser die beklagte Schiedsstelle an und beantragte die Festsetzung des [X.] nach § 130b [X.] zu [X.] ([X.]). Die Beklagte setzte auf der Grundlage des Nutzenbewertungsbeschlusses des [X.] den Erstattungsbetrag und weitere Vereinbarungsinhalte fest (Schiedsspruch vom 1.7.2020, schriftliche Fassung vom 6.7.2020).

4

Das [X.] hat die Klage, gerichtet auf Aufhebung des Schiedsspruchs und Verpflichtung der Beklagten zur erneuten Entscheidung über den Schiedsantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts sowie auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit des Nutzenbewertungsbeschlusses des Beigeladenen zu 2, abgewiesen: Die Voraussetzungen für die Durchführung eines [X.] hätten vorgelegen; es handele sich um ein erstattungsfähiges Arzneimittel mit neuem Wirkstoff, das zuvor in das Methodenbewertungsverfahren nicht einbezogen gewesen sei. Der Nutzenbewertungsbeschluss sei weder in formeller noch materiell-rechtlicher Hinsicht zu beanstanden, insbesondere habe der zulassungsrechtliche Solistenstatus von [X.] im neuen Anwendungsgebiet hinreichende Beachtung gefunden. Der auf der Grundlage dieses Beschlusses ergangene Schiedsspruch sei ebenfalls rechtmäßig sowohl hinsichtlich des festgesetzten Erstattungsbetrags als auch der festgesetzten weiteren Vertragsinhalte (Urteil vom 24.9.2021).

5

Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§§ 35a, 130b [X.]). Die Durchführung des [X.] sei bereits unstatthaft gewesen, weil das Arzneimittel nur im Direktvertrieb abgegeben werde und der Wirkstoff wegen Ablaufs des [X.] nicht mehr neu sei, auch stehe der Nutzenbewertung das vorangegangene Methodenbewertungsverfahren entgegen. Der Beschluss des [X.] sei wegen Verletzung des Gebots des fairen Verfahrens formell rechtswidrig und materiell rechtswidrig wegen unzureichender Berücksichtigung des Solistenstatus von [X.]. Der Schiedsspruch sei rechtswidrig, insbesondere wegen der Berücksichtigung von Arzneimitteln im Off-Label-Use als zweckmäßige Vergleichstherapie bei der Festsetzung des Erstattungsbetrags und der Nichtbeachtung der Besonderheiten des Direktvertriebs.

6

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des [X.] vom 24. September 2021 aufzuheben und

        

1. festzustellen, dass die mit Beschluss des Beigeladenen zu 2 vom 15. August 2019 vorgenommene Änderung der Anlage XII der [X.] zur Nutzenbewertung des Wirkstoffes [X.] (neues Anwendungsgebiet: Messung der fraktionellen Flussreserve) unwirksam ist,

        

sowie 

        

2. den Schiedsspruch der Beklagten vom 1. Juli 2020 (schriftliche Fassung vom 6. Juli 2020) aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Schiedsantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

7

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen, soweit sie sich gegen ihren Schiedsspruch und das ihn bestätigende Urteil des [X.] vom 24. September 2021 richtet.

8

Der Beigeladene zu 1 verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Der Beigeladene zu 2 verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der [X.]lägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Entgegen der Auffassung des erstinstanzlich zuständigen [X.] (§ 29 Abs 4 [X.] SGG) ist der Nutzenbewertungsbeschluss des zu 2 beigeladenen [X.] jedenfalls deshalb rechtswidrig und unwirksam, weil über eine Nutzenbewertung des Arzneimittels wegen dessen zulassungsrechtlicher Solistenstellung im neuen Anwendungsgebiet nicht zu beschließen war. Mangels Grundlage für eine Erstattungsbetragsfestsetzung ist danach auch der Schiedsspruch der beklagten Schiedsstelle rechtswidrig und aufzuheben.

A. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind der Nutzenbewertungsbeschluss des Beigeladenen zu 2 und der auf dessen Grundlage ergangene Schiedsspruch der Beklagten. Gegen den Nutzenbewertungsbeschluss des zum Rechtsstreit notwendig beigeladenen [X.] wendet sich die [X.]lägerin im Rahmen des Rechtsschutzes gegen den Schiedsspruch der Beklagten zulässig mit einem Feststellungsantrag, gerichtet auf die Feststellung der Unwirksamkeit des [X.] (vgl zuletzt BSG vom [X.] - B 3 [X.]R 3/20 R - [X.], 1 = [X.]-2500 § 130b [X.], Rd[X.]5 ff). Gegen den Schiedsspruch der Beklagten wendet sich die [X.]lägerin zulässig mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, gerichtet auf die Aufhebung des Schiedsspruchs und Verpflichtung der Schiedsstelle zur neuen Entscheidung über den Schiedsantrag der [X.]lägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats (vgl zuletzt BSG vom [X.] - B 3 [X.]R 3/20 R - aaO, RdNr 21 ff).

B. Der Nutzenbewertungsbeschluss des Beigeladenen zu 2 ist rechtswidrig und von Anfang an unwirksam.

1. Der Nutzenbewertungsbeschluss ist gestützt auf § 35a [X.] (in der Normfassung am Tag des [X.] des [X.] vom [X.], [X.] 646).

a) Danach bewertet der [X.] den Nutzen von erstattungsfähigen Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen (§ 35a Abs 1 Satz 1 [X.]). Hierzu gehört insbesondere die Bewertung des Zusatznutzens gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie, des Ausmaßes des Zusatznutzens und seiner therapeutischen Bedeutung (§ 35a Abs 1 Satz 2 [X.]). Der Nutzen eines Arzneimittels ist nach der untergesetzlichen Ausgestaltung der patientenrelevante therapeutische Effekt insbesondere hinsichtlich der Verbesserung des Gesundheitszustands, der Verkürzung der [X.]rankheitsdauer, der Verlängerung des Überlebens, der Verringerung von Nebenwirkungen oder einer Verbesserung der Lebensqualität (§ 2 Abs 3 [X.] <[X.]> in der [X.] am Tag des [X.] des G[X.]V-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes vom [X.], [X.] 1050; 5. [X.]apitel § 3 Abs 1 VerfO[X.] idF der Verfahrensordnung am Tag des [X.] der letzten Änderung vom 16.8.2018, BAnz [X.]). Der Zusatznutzen eines Arzneimittels ist ein Nutzen in diesem Sinne, der quantitativ oder qualitativ höher ist als der Nutzen, den die zweckmäßige Vergleichstherapie aufweist (§ 2 Abs 4 [X.]; 5. [X.]apitel § 3 Abs 2 VerfO[X.]).

b) Als erste Stufe des durch das [X.] - [X.] vom 22.12.2010 ([X.] 2262) eingeführten zweistufigen Systems der [X.] für erstattungsfähige Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen führt der [X.] danach eine zulassungsnahe ("frühe") Nutzenbewertung durch (vgl § 35a Abs 1 Satz 3 [X.]) und veröffentlicht diese (§ 35a Abs 2 Satz 3 [X.]). Nach einem Stellungnahmeverfahren (§ 35a Abs 3 Satz 2 [X.]) beschließt der [X.] über die Nutzenbewertung und stellt mit dem Beschluss insbesondere den Zusatznutzen des Arzneimittels fest 35a Abs 3 Satz 1 und 3 [X.]); der Beschluss ist Teil der [X.] (§ 35a Abs 3 Satz 6 [X.]). Auf der Grundlage dieses Beschlusses erfolgt, wenn das Arzneimittel keiner Festbetragsgruppe zugeordnet wurde, auf der zweiten Stufe die wirtschaftliche [X.] des Arzneimittels nach Maßgabe des § 130b [X.] (hier in der Normfassung am [X.] zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19.5.2020, [X.] 1018), die sich für die Vereinbarung oder Festsetzung des Erstattungsbetrags am vom pharmazeutischen Unternehmer nachzuweisenden medizinischen Zusatznutzen im Verhältnis zur vom [X.] bestimmten zweckmäßigen Vergleichstherapie orientiert (vgl zu diesem System der [X.] vom [X.] - B 3 [X.]R 20/17 R - [X.], 149 = [X.]-2500 § 130b [X.], [X.]5 f; BSG vom 10.9.2020 - B 3 [X.]R 11/19 R - [X.]-2500 § 35a [X.] Rd[X.] ff; BSG vom [X.] - B 3 [X.]R 3/20 R - [X.], 1 = [X.]-2500 § 130b [X.], RdNr 26 f; vgl zur frühen Nutzenbewertung als Zusatznutzenbewertung auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl 2022, § 35a RdNr 7 ff).

c) Gerichtlich zu überprüfen ist ein Nutzenbewertungsbeschluss des [X.] auf einen Feststellungsantrag darauf, ob durch den [X.] als Normgeber die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben im Zeitpunkt der Beschlussfassung nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (vgl zuletzt BSG vom [X.] - B 3 [X.]R 3/20 R - [X.], 1 = [X.]-2500 § 130b [X.], Rd[X.]3, 50).

2. Nach diesen Maßstäben ist der Nutzenbewertungsbeschluss jedenfalls deshalb rechtswidrig und unwirksam, weil die Nutzenbewertung eine Zusatznutzenbewertung im Verhältnis zur vom [X.] bestimmten zweckmäßigen Vergleichstherapie ist (dazu 3.), weshalb über eine Nutzenbewertung nicht zu beschließen ist, wenn eine zweckmäßige Vergleichstherapie nicht bestimmt werden kann (dazu 4.). Gegenüber einem zulassungsrechtlichen Solisten ist der zulassungsüberschreitende Einsatz von [X.] keine zweckmäßige Vergleichstherapie (dazu 5.). Ausgehend hiervon hält die vorliegend vom Beigeladenen zu 2 vorgenommene Bestimmung der zweckmäßigen Vergleichstherapie einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand (dazu 6.). Danach kommt es auf weitere gegen die Rechtmäßigkeit des Beschlusses vorgebrachte Gründe nicht mehr an.

3. Die Nutzenbewertung ist allein eine Bewertung des medizinischen Zusatznutzens im Verhältnis zur vom [X.] bestimmten zweckmäßigen Vergleichstherapie.

Die Nutzenbewertung nach § 35a [X.] ist nach ihrer weiteren gesetzlichen und untergesetzlichen Ausformung als eine vergleichende Zusatznutzenbewertung im Verhältnis zur vom [X.] zu bestimmenden zweckmäßigen Vergleichstherapie angelegt (zur Ausnahme und ihren Grenzen bei [X.] für seltene Leiden s § 35a Abs 1 Satz 11 bis 13 [X.]). Mit ihr wird der medizinische Nutzen des zu bewertenden Arzneimittels mit dem medizinischen Nutzen der zweckmäßigen Vergleichstherapie verglichen und der medizinische Zusatznutzen des Arzneimittels im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie bewertet. Für eine Nutzenbewertung, die mangels einer heranziehbaren Vergleichstherapie im Anwendungsgebiet keine vergleichende Zusatznutzenbewertung in diesem Sinne ist, bietet § 35a [X.] in der Gesetz gewordenen Fassung im Regelungsgefüge des [X.] hingegen keine Rechtsgrundlage. Zwar bewertet der [X.] den Nutzen von erstattungsfähigen [X.] mit neuen Wirkstoffen (§ 35a Abs 1 Satz 1 [X.]) und gehört hierzu "insbesondere" die Bewertung des Zusatznutzens gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie (§ 35a Abs 1 Satz 2 [X.]). Auch wird mit dem Nutzenbewertungsbeschluss "insbesondere" der Zusatznutzen des Arzneimittels festgestellt (§ 35a Abs 3 Satz 3 [X.]). Doch ist zeitgleich mit diesen Regelungen durch das [X.] § 92 Abs 1 Satz 1 [X.] dahin geändert worden, dass der [X.] durch Richtlinien nicht mehr die Verordnung von [X.] einschränken oder ausschließen kann, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann seither nur noch die Verordnung von [X.] einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist (Art 1 [X.]3 Buchstabe a [X.]). Das Verfahren zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels regelt der mit dem [X.] eingefügte § 92 Abs 2a [X.] (Art 1 [X.]3 Buchstabe c [X.]).

Diese auf Arzneimittel bezogenen Änderungen des § 92 [X.] durch das [X.] gehen zurück auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des [X.] des [X.] (BT-Drucks 17/3698), während die Regelungen des § 35a Abs 1 Satz 1 und 2 sowie Abs 3 Satz 3 [X.] Bestandteil bereits des ursprünglichen Gesetzentwurfs der Fraktionen der [X.] und [X.] waren (BT-Drucks 17/2413). Diese Regelungen - abgesehen von der [X.]larstellung (auch) in § 35a Abs 1 Satz 2 [X.], dass es sich bei der Vergleichstherapie um eine zweckmäßige Therapie handeln muss (BT-Drucks 17/3698 [X.]) - blieben im weiteren Gesetzgebungsverfahren unverändert. Hingegen sind mit § 92 Abs 1 Satz 1 und Abs 2a [X.] Änderungen hinzugekommen, die den Regelungsinhalt des § 35a [X.] insoweit mitbestimmen, als sie eine von der Zusatznutzenbewertung eines Arzneimittels zu unterscheidende Nutzenbewertung nur noch in ihrem Rahmen ermöglichen.

Motiv dafür, einen Verordnungsausschluss von [X.] durch den [X.] wegen fehlenden Nutzennachweises auszuschließen, war nach den Gesetzesmaterialien, dass bei [X.] - im Unterschied zu anderen medizinischen Methoden oder Produkten - die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bereits bei der arzneimittelrechtlichen Zulassung von den zuständigen Zulassungsbehörden geprüft würden. Diese [X.]riterien dürfe der [X.] unter dem Aspekt des medizinischen Nutzens eines Arzneimittels nicht abweichend von der Beurteilung der Zulassungsbehörde bewerten. Im Unterschied zu anderen medizinischen Methoden oder Produkten stelle bei [X.] die arzneimittelrechtliche Zulassung sicher, dass Arzneimittel grundsätzlich für die Behandlung der zugelassenen Indikationen geeignet seien. Der [X.] könne darüber hinaus den Zusatznutzen gegenüber Therapiealternativen bewerten. Dieser Aspekt werde bei der arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht geprüft. [X.] sich nicht nachweisen, dass ein Arzneimittel einen Zusatznutzen habe, es jedoch höhere [X.]osten verursache, könne der [X.] die Verordnungsfähigkeit einschränken oder ausschließen. Das gelte auch, wenn der [X.] nachweisen könne, dass ein Arzneimittel unzweckmäßig sei (BT-Drucks 17/3698 S 52).

Mit dieser Änderung des § 92 Abs 1 Satz 1 [X.] durch das [X.] und der hierdurch erfolgten Gleichstellung der arzneimittelrechtlich zu sichernden Wirksamkeit mit dem sozialversicherungsrechtlich zu gewährleistenden Nutzen sind Arzneimittel aus der Überprüfung eines nach patientenrelevanten Endpunkten gesicherten medizinischen Nutzens weitgehend herausgenommen (vgl hierzu - kritisch - [X.], [X.] 2011, 8, 14; vgl auch [X.] in [X.], § 35a [X.] RdNr 8, 22, 34, Stand Mai 2022). Vor diesem entstehungsgeschichtlichen Hintergrund beschränkt sich die Nutzenbewertung nach § 35a [X.] - mit begrenzter Ausnahme bei [X.] für seltene Leiden - auf eine Zusatznutzenbewertung des Arzneimittels im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie, die durch den [X.] bestimmt wird (vgl § 35a Abs 1 Satz 10 [X.]; vgl auch BT-Drucks 17/2413 [X.]). Soweit die Gesetzesmaterialien nahelegen, dass die Nutzenbewertung auch "Solisten" erfassen soll (vgl BT-Drucks 17/2413 [X.], 22), ist dem mit der im Rahmen der [X.] später vorgenommenen Änderung des § 92 Abs 1 Satz 1 [X.] die Grundlage entzogen worden.

4. [X.]ann eine zweckmäßige Vergleichstherapie nicht bestimmt werden, ist über eine Nutzenbewertung nicht zu beschließen und ein begonnenes Nutzenbewertungsverfahren zu beenden.

a) Die Zusatznutzenbewertung eines Arzneimittels nach § 35a [X.] ist dem [X.] übertragen gegenüber einer von ihm zu bestimmenden zweckmäßigen Vergleichstherapie. Zweckmäßige Vergleichstherapie ist diejenige Therapie, deren Nutzen mit dem Nutzen eines Arzneimittels mit neuen Wirkstoffen für die Nutzenbewertung nach § 35a [X.] verglichen wird (§ 2 Abs 5 [X.]; 5. [X.]apitel § 6 Abs 1 VerfO[X.]). Die zweckmäßige Vergleichstherapie ist regelhaft zu bestimmen nach Maßstäben, die sich aus den internationalen Standards der evidenzbasierten Medizin ergeben (§ 6 Abs 1 [X.]; 5. [X.]apitel § 6 Abs 2 VerfO[X.]). Sie muss eine nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zweckmäßige Therapie im Anwendungsgebiet sein (§ 12 [X.]), vorzugsweise eine Therapie, für die Endpunktstudien vorliegen und die sich in der praktischen Anwendung bewährt hat, soweit nicht Richtlinien nach § 92 Abs 1 [X.] oder das Wirtschaftlichkeitsgebot dagegen sprechen (§ 6 Abs 2 [X.]; 5. [X.]apitel § 6 Abs 3 Satz 1 VerfO[X.]). Die Bestimmung der zweckmäßigen Vergleichstherapie durch den [X.] ist danach eine normativ vorgeprägte einseitige Entscheidung bzw Feststellung (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 35a Rd[X.]2, Stand Januar 2023) und unabhängig von den Angaben des pharmazeutischen Unternehmers in seinem Dossier (vgl zur gesetzlichen [X.]onzeption [X.] in Fuhrmann/[X.]/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 3. Aufl 2020, § 45 Rd[X.]9 ff).

b) [X.]ann weder eine medikamentöse noch eine nichtmedikamentöse zweckmäßige Vergleichstherapie bestimmt werden, ist das zu bewertende Arzneimittel ein sog therapeutischer Solist (vgl zum Begriff des Solisten BT-Drucks 17/2413 [X.], 22; [X.] in [X.], § 35a [X.] Rd[X.]2, Stand Mai 2022: wirklicher Solist; [X.], [X.] 2016, 109, 110 f: therapeutischer Solist; vgl auch § 31 Abs 2a Satz 7 [X.] in der bis 31.12.2010 geltenden Fassung: Fehlen einer zweckmäßigen Therapiealternative). Für einen therapeutischen Solisten scheidet eine Zusatznutzenbewertung nach § 35a [X.] gegenüber einer zweckmäßigen Vergleichstherapie aus, weil eine solche nicht bestimmt werden kann. Diese Solisten werden - wie aufgezeigt - vom [X.] der §§ 35a, 130b [X.] nicht erfasst, auch wenn der Wortlaut nahelegen könnte, dass stets eine zweckmäßige Vergleichstherapie bestimmt werden kann.

c) Ein gleichwohl begonnenes Verfahren der Nutzenbewertung, in dem erst der Solistenstatus festgestellt worden ist, ist ohne Beschlussfassung über eine Nutzenbewertung zu beenden. Dem steht nicht entgegen, dass § 35a [X.] dies nicht vorsieht und § 35a [X.] auch sonst nicht erkennen lässt, dass der [X.] von der Nutzenbewertung bei einem erstattungsfähigen Arzneimittel mit neuem Wirkstoff als Vorstufe zum Erstattungsbetragsverfahren nach § 130b [X.] absehen kann (vgl BSG vom [X.] [X.]R 2/18 R - [X.], 288 = [X.]-2500 § 130b [X.], RdNr 24; vgl auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 35a Rd[X.]3, Stand Januar 2023; [X.], [X.] 2016, 109, 113; von [X.] in [X.] Sozialrecht, § 35a [X.] Rd[X.]1, Stand Dezember 2022; zu besonderen Ausnahmen s aber § 35a Abs 1a und 1b [X.]). Doch führt dies nicht dazu, dass es zu einem Erstattungsbetrag zu kommen hat, obwohl eine zweckmäßige Vergleichstherapie nicht rechtmäßig bestimmt und eine Zusatznutzenbewertung deshalb nicht durchgeführt werden kann. Das zweistufige System der [X.] für erstattungsfähige Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen ist nach geltendem Recht möglich und zwingend nur, wenn eine zweckmäßige Vergleichstherapie als Preisanker rechtmäßig bestimmt werden kann (vgl so bereits [X.], [X.] 2016, 109, 113 ff mit Regelungsvorschlägen de lege ferenda).

5. Der zulassungsüberschreitende Einsatz von [X.] ist keine zweckmäßige Vergleichstherapie gegenüber einem zulassungsrechtlichen Solisten.

a) Ist für ein Anwendungsgebiet nur ein Arzneimittel arzneimittelrechtlich in [X.] zugelassen, ist dieses ein sog zulassungsrechtlicher Solist (vgl zum Begriff [X.] in [X.], § 35a [X.] Rd[X.]2, Stand Mai 2022). Im Anwendungsgebiet nicht zugelassene Arzneimittel können bei der derzeitigen gesetzlichen Ausgestaltung gegenüber zulassungsrechtlichen Solisten grundsätzlich keine zweckmäßige Alternative als Grundlage für eine auf eine Zusatznutzenbewertung gestützte [X.] sein.

Fertigarzneimittel - wie hier - sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1 [X.]) nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen [X.]rankenversicherung umfasst, wenn ihnen die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (vgl BSG vom 8.11.2011 - [X.] [X.]R 19/10 R - [X.], 211 = [X.]-2500 § 31 [X.]9, Rd[X.]1; [X.] [X.]R 25/11 R - [X.], 168 = [X.]-2500 § 31 [X.], Rd[X.]2; BSG vom 13.12.2016 - [X.] [X.]R 1/16 R - [X.], 170 = [X.]-2500 § 31 [X.], Rd[X.]1, 26; vgl zur Vorgreiflichkeit der Arzneimittelzulassung auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl 2022, § 31 RdNr 21 ff). Dass diese Sperre im Einzelfall eines Versicherten im Rahmen eines zulassungsüberschreitenden Einsatzes - sog Off-Label-Use - überwunden werden kann (vgl dazu BSG vom 8.11.2011 - [X.] [X.]R 19/10 R - aaO, Rd[X.]3 ff; [X.] [X.]R 25/11 - aaO, Rd[X.]4 ff; BSG vom 13.12.2016 - [X.] [X.]R 1/16 R - aaO, Rd[X.]2 ff; vgl auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl 2022, § 31 Rd[X.]4 ff), begründet den ausnahmsweisen [X.] des Versicherten, nicht aber die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des im Anwendungsgebiet nicht zugelassenen Arzneimittels. Dies korrespondiert mit der Bindung des [X.] an die arzneimittelrechtliche Zulassung eines Arzneimittels, die eine hiervon abweichende Nutzenbewertung ausschließt (dazu bereits oben RdNr 21 f).

b) [X.]ommt als Vergleichstherapie - wie hier - nur eine medikamentöse Therapie in Betracht, kann diese grundsätzlich nur dann eine zweckmäßige Vergleichstherapie sein, wenn das Vergleichsarzneimittel im Anwendungsgebiet über eine arzneimittelrechtliche Zulassung verfügt. Ein [X.] im Off-Label-Use kann grundsätzlich keine zweckmäßige Vergleichstherapie sein, weil dieser Einsatz nicht von den zuständigen Zulassungsbehörden auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit geprüft und gestützt hierauf zugelassen worden ist, weshalb dieser Einsatz auch krankenversicherungsrechtlich nicht zweckmäßig ist.

Damit harmonieren auch die Verfahrensregelungen des [X.] selbst. Bei der Bestimmung der zweckmäßigen Vergleichstherapie sind hiernach insbesondere folgende [X.]riterien zu berücksichtigen:

1. Sofern als Vergleichstherapie eine Arzneimittelanwendung in Betracht kommt, muss das Arzneimittel grundsätzlich eine Zulassung für das Anwendungsgebiet haben.

2. Sofern als Vergleichstherapie eine nichtmedikamentöse Behandlung in Betracht kommt, muss diese im Rahmen der gesetzlichen [X.]rankenversicherung [X.] sein.

3. Als Vergleichstherapie sollen bevorzugt Arzneimittelanwendungen oder nichtmedikamentöse Behandlungen herangezogen werden, deren patientenrelevanter Nutzen durch den [X.] bereits festgestellt ist.

 4. Die Vergleichstherapie soll nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zur zweckmäßigen Therapie im Anwendungsgebiet gehören (5. [X.]apitel § 6 Abs 3 Satz 2 VerfO[X.]; kritisch zur durch das "grundsätzlich" in [X.] zugelassenen Ausnahme eines Off-Label-Use als zweckmäßige Vergleichstherapie trotz Zulassung eines Arzneimittels Pflugmacher in von [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl 2022, § 35a [X.]).

c) Ausnahmsweise kann ein [X.] im Off-Label-Use als zweckmäßige Vergleichstherapie in Betracht kommen, wenn die Verordnungsfähigkeit des zugelassenen Arzneimittels im nicht zugelassenen Anwendungsgebiet als Off-Label-Use durch Beschluss des [X.] nach § 35c Abs 1 [X.] legitimiert worden ist (§ 30 [X.] und Anlage VI zum Abschnitt [X.] der [X.]) oder aus anderen Gründen ein Wettbewerb des zu bewertenden Arzneimittels mit ähnlichen [X.] als therapeutischen Alternativen im Anwendungsgebiet besteht und das zu bewertende Arzneimittel insoweit zwar ein zulassungsrechtlicher, aber kein therapeutischer Solist ist (vgl BT-Drucks 17/2413 [X.], 22).

6. Ausgehend hiervon hält die vorliegend vom Beigeladenen zu 2 vorgenommene Bestimmung der zweckmäßigen Vergleichstherapie einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand. Zwar hat der [X.] in seinem Nutzenbewertungsbeschluss keine konkrete Arzneimittelanwendung als zweckmäßige Vergleichstherapie bestimmt, sondern eine "pharmakologische Stressauslösung nach Maßgabe des Arztes". Ausweislich der Tragenden Gründe zum Nutzenbewertungsbeschluss zielte dies indes auf die Wirkstoffe [X.] und [X.] im Off-Label-Use. Das überschreitet den dem [X.] zustehenden Gestaltungsspielraum als Normgeber.

a) Der von der [X.]lägerin vertriebene Wirkstoff [X.] war im Anwendungsgebiet der FFR-Messung zum Zeitpunkt des [X.] des [X.] ein zulassungsrechtlicher Solist. Ein Einsatz von [X.] und [X.] in diesem Anwendungsgebiet war nicht nach Maßgabe des § 35c [X.] legitimiert. Andere Arzneimittel sind vom [X.] als therapeutische Alternativen nicht bezeichnet worden. Dass und warum [X.] und [X.] trotz fehlender arzneimittelrechtlicher Zulassung oder auch nur Anerkennung im Rahmen des § 35c [X.] auch noch nach der arzneimittelrechtlichen Zulassung von [X.] im neuen Anwendungsgebiet der FFR-Messung therapeutische Alternativen sein könnten, gegenüber denen sich [X.] in der Zusatznutzenbewertung behaupten müsste, kann weder dem Nutzenbewertungsbeschluss des [X.] noch den Tragenden Gründen hierzu entnommen werden. Für eine Bestimmung als zweckmäßige Vergleichstherapie oder sonst als [X.]omparatoren genügt es nicht, dass sie bis zur Zulassung von [X.] im neuen Anwendungsgebiet trotz Einsatzes im Off-Label-Use ein vorgängiger Versorgungsstandard gewesen sein mögen. Nach der Zulassungserweiterung von [X.] konnten sie künftig nicht mehr ohne Weiteres als aktueller medizinischer Versorgungsstandard und zweckmäßige Therapiealternative angesehen werden (zur [X.] von [X.] im Off-Label-Use nach Zulassung des zu bewertenden Arzneimittels Pflugmacher in von [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl 2022, § 35a [X.]; aA [X.] in [X.], § 35a [X.] Rd[X.]2, Stand Mai 2022: Zusatznutzenbewertung im Vergleich mit der bisher möglichen Behandlung mit der Folge, dass schon bei schwacher Evidenz Anhaltspunkte für einen geringen oder nicht quantifizierbaren Zusatznutzen bestehen können).

b) Den Anforderungen an die Bestimmung einer zweckmäßigen Vergleichstherapie durch den [X.] konnte hier nicht dadurch genügt werden, dass als zweckmäßige Vergleichstherapie im Nutzenbewertungsbeschluss keine konkrete Arzneimittelanwendung, sondern eine "pharmakologische Stressauslösung nach Maßgabe des Arztes" bestimmt worden ist, und [X.] und [X.] als geeignete [X.]omparatoren in den Tragenden Gründen zu diesem Beschluss bezeichnet worden sind. Dafür, sich so beholfen zu haben, kann sich der Beigeladene zu 2 nicht auf den ihm in seiner Funktion als Normgeber zustehenden Gestaltungsspielraum stützen, weil dieser nicht von der Beachtung der gesetzlichen Vorgaben befreit (vgl BSG vom [X.] - B 3 [X.]R 3/20 R - [X.], 1 = [X.]-2500 § 130b [X.], Rd[X.]3). Dem zulassungsrechtlichen Solistenstatus von [X.] im Anwendungsgebiet der FFR-Messung ist so im aufgezeigten [X.] des § 35a [X.] nicht hinreichend Rechnung getragen worden. Daran ändert nichts, dass es bei der frühen Nutzenbewertung von [X.] im Zusammenhang mit § 130b [X.] um die Senkung der [X.]osten für die gesetzliche [X.]rankenversicherung geht; auch das rechtfertigt nicht die vergleichende Heranziehung von [X.] im Off-Label-Use, wenn diese nicht mehr als medizinischer Versorgungsstandard angesehen werden können.

c) Die frühe Nutzenbewertung als Zusatznutzenbewertung kann auch bei zulassungsrechtlichem Solistenstatus des zu bewertenden Arzneimittels nur im Verhältnis zu einer konkreten, als zweckmäßig zu qualifizierenden Vergleichstherapie erfolgen, der deshalb auch Jahrestherapiekosten zugeordnet werden können, an die im Erstattungsbetragsverfahren angeknüpft werden kann (zu Jahrestherapiekosten s § 20 Abs 3 [X.] 5. [X.]apitel VerfO[X.]). Lässt sich bei zulassungsrechtlichem Solistenstatus des zu bewertenden Arzneimittels eine konkrete, als zweckmäßig zu qualifizierende Vergleichstherapie nicht bestimmen, scheidet eine frühe Nutzenbewertung durch den [X.] als Zusatznutzenbewertung im Verhältnis zu einer zweckmäßigen Vergleichstherapie aus. Das vorliegend vom [X.] eingeleitete Nutzenbewertungsverfahren hätte daher ohne Beschlussfassung über eine Nutzenbewertung eingestellt werden müssen.

d) Einer Freistellung des [X.] von der gesetzlich vorgesehenen Bestimmung einer konkreten zweckmäßigen Vergleichstherapie, die als Arzneimittelanwendung grundsätzlich ein im Anwendungsgebiet zugelassenes Arzneimittel erfordert, steht Verfassungsrecht entgegen. Die verfassungsrechtliche Legitimation der Normsetzungsbefugnis des [X.] erfordert eine durch das Gesetz vorgegebene hinreichend dichte Anleitung (vgl dazu [X.] vom 10.11.2015 - 1 BvR 2056/12 - [X.]E 140, 229 = [X.]-2500 § 92 [X.]8, Rd[X.]). Sind ausreichend bestimmte rechtliche Vorgaben festgelegt, sind diese einzuhalten, ohne dass dem der dem [X.] zuzubilligende Gestaltungsspielraum als Normgeber entgegensteht. Damit wird der verfassungsrechtlich durch Art 12 Abs 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit des pharmazeutischen Unternehmers, die durch die [X.] im Verfahren nach §§ 35a, 130b [X.] berührt wird, Rechnung getragen (vgl zu verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten BSG vom [X.] - B 3 [X.]R 3/20 R - [X.], 1 = [X.]-2500 § 130b [X.], Rd[X.]5 ff).

e) Die Rechtswidrigkeit der Bestimmung der zweckmäßigen Vergleichstherapie führt zur Unwirksamkeit dieser Bestimmung und damit zur Rechtswidrigkeit und Unwirksamkeit des angegriffenen [X.] des [X.] insgesamt von Anfang an, weil der Beschluss über die Nutzenbewertung nach § 35a [X.] als Zusatznutzenbewertung ohne rechtmäßig bestimmte zweckmäßige Vergleichstherapie unvereinbar mit höherrangigem Recht ist.

f) Die rechtswidrige Bestimmung der zweckmäßigen Vergleichstherapie durch den Beigeladenen zu 2 ist nicht deshalb unbeachtlich geworden, weil die [X.]lägerin ein nach Maßgabe von § 35a Abs 1 Satz 3 [X.] unvollständiges Dossier vorgelegt hat, weshalb nach § 35a Abs 1 Satz 5 [X.] ein Zusatznutzen als nicht belegt gilt. Auf einen [X.] durch ein Dossier des pharmazeutischen Unternehmers kommt es nicht an, wenn über eine Zusatznutzenbewertung nicht zu beschließen ist, weil gegenüber einem zulassungsrechtlichen Solisten keine zweckmäßige Vergleichstherapie rechtmäßig bestimmt werden kann. Im Verhältnis zu einer vom [X.] rechtswidrig bestimmten zweckmäßigen Vergleichstherapie kann eine Zusatznutzenbewertung durch den [X.] nicht erfolgen. Die Rechtswidrigkeit der Bestimmung führt deshalb auch bei formal unvollständigem Dossier des pharmazeutischen Unternehmers zur Unwirksamkeit des [X.] des [X.].

g) Ob eine zweckmäßige Vergleichstherapie hier rechtmäßig vom [X.] hätte bestimmt werden können, ist vom Senat nicht zu entscheiden, der nur den von der [X.]lägerin angegriffenen Nutzenbewertungsbeschluss als Norm zu überprüfen hat, aber nicht selbst eine Norm geben kann.

C. Der Schiedsspruch der Beklagten ist rechtswidrig und aufzuheben schon deshalb, weil er auf der Grundlage eines [X.] des [X.] ergangen ist, der nach den Vorgaben des § 35a [X.] rechtswidrig und unwirksam ist und somit für das Erstattungsbetragsverfahren nach § 130b [X.] keine rechtlich tragfähige Grundlage sein kann. Neben der Aufhebung des Schiedsspruchs ist vorliegend keine Verpflichtung der Schiedsstelle zur neuen Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats auszusprechen, weil es mangels eines [X.] des [X.] an einer Grundlage für eine Erstattungsbetragsfestsetzung fehlt. Ein Erstattungsbetragsverfahren ohne einen zugrunde liegenden Nutzenbewertungsbeschluss sieht § 130b [X.] nicht vor. Eine am Zusatznutzen orientierte [X.] - sei es durch Vereinbarung zwischen pharmazeutischem Unternehmer und G[X.]V-Spitzenverband oder durch Festsetzung der Schiedsstelle - scheidet ohne eine Zusatznutzenbewertung gegenüber einer zweckmäßigen Vergleichstherapie als Preisanker aus.

Die [X.]ostenentscheidung zulasten des Beigeladenen zu 2 beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 3, § 155 Abs 1 Satz 3 und § 162 VwGO. Die Beklagte war trotz Aufhebung ihres Schiedsspruchs nicht an der [X.]ostentragung zu beteiligen, weil die Aufhebung hier allein auf der Unwirksamkeit des [X.] des Beigeladenen zu 2 beruht, auf dessen Grundlage der Schiedsspruch ergangen war. [X.]osten des Beigeladenen zu 1 waren dem Beigeladenen zu 2 nicht aufzuerlegen, weil beide die angefochtene Entscheidung verteidigten; der Beigeladene zu 1 war an der [X.]ostentragung nicht zu beteiligen, weil die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung durch die Unwirksamkeit des [X.] des Beigeladenen zu 2 veranlasst war.

 Schütze

[X.]norr 

Flint 

Meta

B 3 KR 14/21 R

22.02.2023

Bundessozialgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 24. September 2021, Az: L 28 KR 329/20 KL, Urteil

§ 35a Abs 1 S 1 SGB 5, § 35a Abs 1 S 2 SGB 5, § 35a Abs 1 S 3 Nr 3 SGB 5, § 35a Abs 1 S 10 SGB 5, § 35a Abs 3 S 3 SGB 5, § 92 Abs 1 S 1 SGB 5, § 92 Abs 2a SGB 5, § 130b SGB 5, § 2 Abs 5 AM-NutzenV, § 6 Abs 1 AM-NutzenV, § 6 Abs 2 AM-NutzenV, AMNOG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 22.02.2023, Az. B 3 KR 14/21 R (REWIS RS 2023, 1059)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1059

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