Bundessozialgericht, Urteil vom 25.11.2010, Az. B 3 KR 4/10 R

3. Senat | REWIS RS 2010, 1019

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Vergütung von Krankenhausleistungen nach dem DRG-System - Auswirkungen von Begleiterkrankungen nur bei der Erforderlichkeit zusätzlicher Leistungen und höherer Bewertung im Fallpauschalenkatalog


Leitsatz

Begleiterkrankungen wirken sich im DRG-System auf den Vergütungsanspruch des Krankenhauses nur aus, wenn sie zusätzliche Leistungen erforderlich machen und im Fallpauschalenkatalog bei entsprechenden Nebendiagnosen eine höhere Bewertung der Krankenhausleistung vorgesehen ist.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 10. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2118,76 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe des Vergütungsanspruchs für eine stationäre Krankenhausbehandlung nach dem Fallpauschalenkatalog 2004.

2

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 [X.]B V zugelassenes Krankenhaus, in dem vom 15.6. bis 3.7.2004 die bei der Beklagten versicherte [X.] (im Folgenden: Versicherte) wegen eines Lungenrundherdes und eines [X.] behandelt worden ist. Die Klägerin nahm eine [X.] vor, wobei operationsvorbereitend wegen eines alten [X.] an der linken Vena tibialis auch eine Phlebosonographie und eine Echokardiographie durchgeführt wurde. Im Entlassungsbericht war anschließend ua ein "Zustand nach [X.] links" sowie ein "Zustand nach [X.] links; Zustand nach [X.]" verzeichnet. Für diese Versorgung beanspruchte die Klägerin auf der Grundlage der Fallpauschale für die Diagnosis Related Group ([X.]) [X.] ("Große Eingriffe am Thorax mit äußerst schweren [X.]") eine Vergütung in Höhe von 8024,51 Euro. Die Beklagte erachtete hingegen nach Einholung einer Stellungnahme des [X.] die [X.] E01B als zutreffend ("Große Eingriffe am Thorax ohne äußerst schwere [X.]") und zahlte 5905,75 Euro. Die im Entlassungsbericht erfasste Diagnose "Zustand nach [X.] links; Zustand nach [X.]" hätte nicht als Nebendiagnose mit der [X.] I80.2 ("Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis sonstiger tiefer Gefäße der unteren Extremitäten") kodiert werden dürfen, denn offensichtlich habe es sich um ein älteres Geschehen ohne akute Behandlungsbedürftigkeit gehandelt. Ohne diese bzw mit einer anderen Nebendiagnose führe die Kodierung lediglich zu einem Vergütungsanspruch nach der [X.] E01B.

3

Die Zahlungsklage ist erfolglos geblieben (Urteile des [X.] vom 26.6.2008 und des L[X.] vom 10.12.2009): Weder eine normale noch eine schwere Begleiterkrankung sei ausreichend für eine Nebendiagnose iS der [X.] [X.], da diese Fallgruppe ihrer textlichen Beschreibung nach nur im Fall äußerst schwerer Komplikationen oder Komorbiditäten Anwendung finden dürfe. Zudem habe die Erhebung der Nebendiagnose keine spezifischen therapeutischen Maßnahmen nach sich gezogen.

4

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Für die Frage, ob eine Nebendiagnose zu Abrechnungszwecken kodiert werden dürfe, sei allein auf die [X.] abzustellen. Danach sei eine Diagnose als Nebendiagnose zu kodieren, wenn - wie hier in Form der Phlebosonographie und Echokardiographie - diagnostische Maßnahmen ergriffen worden seien. Auf den Schweregrad der Diagnose oder den Umfang der diagnostischen bzw therapeutischen Maßnahmen komme es nicht an.

5

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen L[X.] vom 10.12.2009 und des [X.] Lübeck vom 26.6.2008 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr 2118,76 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.7.2006 zu zahlen.

6

Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Urteile und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Im Ergebnis zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, dass ein weiterer Vergütungsanspruch nicht besteht. Die im Krankenhaus vor dem [X.] zu Recht durchgeführten Untersuchungen zur Abklärung von [X.] sind vorliegend mit der für diese [X.] vorgesehenen Standard-Vergütung nach [X.] vollständig abgegolten.

8

1. Die Revision der Klägerin ist zulässig. Insbesondere ist sie entgegen der Auffassung der Beklagten in der gesetzlichen Form des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG begründet worden. Hiernach muss die Revisionsbegründung neben einem bestimmten Antrag auch die verletzte Rechtsnorm (§ 162 SGG) bezeichnen. Dem hat die Klägerin durch Bezugnahme auf die bundesrechtlichen Regelungen der §§ 7 und 9 [X.] ([X.]) sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz ([X.]) Genüge getan. Auch liegen die von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen vor. Eines Vorverfahrens iS von § 78 SGG bedurfte es nicht, da die Klage zu Recht als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) erhoben wurde. Da sich Krankenhaus und Krankenkasse bei der Frage, wie die Behandlung eines gesetzlich gegen Krankheit Versicherten zu vergüten ist, im [X.] gegenüber stehen, kommt eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht (stRspr, vgl zB [X.], 1 f = [X.] 3-2500 § 112 [X.], 20; [X.], 164 = [X.] 4-2500 § 39 [X.], Rd[X.]0; [X.], 172 = [X.] 4-2500 § 109 [X.], RdNr 9).

9

2. Rechtsgrundlage des geltend gemachten weiteren Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 [X.] iVm § 7 Satz 1 [X.] und § 9 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] (jeweils idF des [X.] vom 17.7.2003, [X.] 1461) sowie § 17b [X.] (idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, [X.] 2190) und der Anlage 1 der Fallpauschalenverordnung (idF der Verordnung vom 13.10.2003 - [X.], [X.] 1995).

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den bei ihr versicherten Patienten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 [X.] erforderlich ist (vgl nur [X.]E 86, 166, 168 = [X.] 3-2500 § 112 [X.]; [X.], 1, 2 = [X.] 3-2500 § 112 [X.]; [X.]E 104, 15 = [X.] 4-2500 § 109 [X.], Rd[X.]5). Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser iS des § 109 Abs 4 Satz 2 [X.] steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des [X.], des [X.] und der Bundespflegesatzverordnung ([X.]) in der zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhausträger abzuschließenden Pflegesatzvereinbarung festgelegt wird (§ 109 Abs 4 Satz 3 [X.] idF des Fallpauschalengesetzes vom [X.], [X.] 1412). Die hier einschlägige Pflegesatzvereinbarung für das [X.] beruht auf den Regelungen des [X.] und des [X.] und nicht auf der [X.], weil das von der Klägerin betriebene Krankenhaus in das [X.] einbezogen ist (§ 1 Abs 1 [X.]).

b) Gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 [X.] werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, dort in den Nummern 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten [X.] (§ 7 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 9 [X.]). Der [X.] (bis 30.6.2008: die Spitzenverbände der Krankenkassen) und der [X.] gemeinsam haben nach § 9 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] mit der [X.] als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien (§ 11 [X.] iVm § 18 Abs 2 [X.]: Krankenhausträger und Sozialleistungsträger) einen [X.] einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge zu vereinbaren.

Die Grundlage dieser Regelungen des [X.] findet sich in § 17b [X.], auf den § 9 [X.] auch mehrfach Bezug nimmt. Nach § 17b Abs 1 Satz 1 [X.] ist für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem einzuführen. Dazu vereinbaren gemäß § 17b Abs 2 Satz 1 [X.] der [X.] (bis 30.6.2008: die Spitzenverbände der Krankenkassen) und der [X.] gemeinsam entsprechend den Vorgaben der Absätze 1 und 3 mit der [X.] ein Vergütungssystem, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage von [X.] orientiert, seine jährliche Weiterentwicklung und Anpassung, insbesondere an medizinische Entwicklungen, Kostenentwicklungen, [X.] und [X.] zu und von anderen Versorgungsbereichen, und die [X.], soweit diese nicht im [X.] vorgegeben werden. Gemäß § 17b Abs 6 Satz 1 [X.] wurde dieses Vergütungssystem für alle Krankenhäuser mit einer ersten Fassung eines [X.] [X.]s verbindlich zum 1.1.2004 eingeführt.

c) Der [X.] ist nach Fallgruppen ([X.]) geordnet. Dabei erfolgt die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer [X.] in zwei Schritten: Zunächst wird die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom [X.] ([X.]) im Auftrag des [X.] herausgegebenen "[X.]en- und [X.] nach § 301 [X.]" ([X.]) verschlüsselt (§ 301 Abs 2 Satz 2 [X.]). Zur sachgerechten Durchführung dieser Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene "[X.]" beschlossen. Maßgebend für den vorliegenden Abrechnungsfall sind gemäß § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] die für den Tag der stationären Aufnahme geltenden Abrechnungsregeln, dh vorliegend die [X.] 2004 (vgl http://www.g-drg.de/cms/index.php/Archiv, recherchiert am 10.11.2010), der [X.] in der Fassung der Bekanntmachung vom [X.] und die [X.] in der Version 2004 (jeweils abrufbar über http://www.dimdi.de, recherchiert am 10.11.2010). In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten [X.] zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des [X.]s und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess der Fallgruppenzuordnung ([X.]-Zuordnung) liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde. Auf der Basis eines "Entscheidungsbaumes" wird anhand verschiedener Kriterien eine exakte [X.]-Zuordnung vorgenommen. Zur Einstufung in die jeweils abzurechnende [X.] werden Software-Programme ([X.]) eingesetzt, die vom [X.] ([X.]), einer Einrichtung der Selbstverwaltungspartner, zertifiziert sind. Grundlage hierfür ist ein entsprechendes Definitionshandbuch (hier in der Version 2004 mit Stand 28.11.2003; vgl http://www.g-drg.de/cms/index.php/Archiv, recherchiert am 10.11.2010), in dem für jede Fallpauschale die jeweils maßgebliche Entscheidungslogik in Form von Ablaufdiagrammen festgehalten ist.

3. Bedeutsam für diese Zuordnung eines Behandlungsfalles zu einer [X.] sind auch [X.], soweit ihnen die [X.] zur angemessenen Bewertung von Versorgungsbesonderheiten [X.] beigemessen haben. Für Begleiterkrankungen ist das nach den hier geltenden [X.] der Fall, wenn sie einen über die Hauptdiagnose hinausgehenden [X.] bedingen und nach der [X.]-Entscheidungslogik eine höhere Bewertung der erbrachten Leistungen nach sich ziehen. Fehlt es aber - wie hier (dazu unter 4.) - an einer dieser Voraussetzungen, ist mit der Fallpauschale für die Grunderkrankung auch der [X.] für etwaige Begleiterkrankungen vollständig mit abgegolten.

a) Relevant für den Vergütungsanspruch eines Krankenhauses sind Besonderheiten des Versorgungsgeschehens im [X.]-Fallpauschalensystem prinzipiell nur in dem Rahmen, der von den [X.] ausdrücklich vorgegeben ist. Maßgeblich für die Krankenhausvergütung ist hiernach nicht der tatsächlich angefallene und nach Selbstkostendeckungsprinzipien zu bewertende Krankenhausaufwand, sondern der [X.] und der zu dessen Versorgung nach der Wertung der Vertragspartner typischerweise erforderliche Aufwand. Demgemäß können die Krankenhäuser für die in das [X.]-System fallenden Versorgungen ausschließlich die [X.]-Fallpauschalen nach dem [X.]-Regelwerk und die weiteren Entgelte nach dem Katalog des § 7 Abs 1 Satz 1 [X.] abrechnen. Damit sind nach ausdrücklicher Regelung des § 7 Abs 1 Satz 2 [X.] "alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen" abgegolten. Das sind nach der Legaldefinition des § 2 Abs 2 [X.] alle Leistungen, die "im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind". Aufgabe der Selbstverwaltungspartner ist es deshalb, die Pauschalen "leistungsorientiert" auszugestalten (§ 17b Abs 1 Satz 1 [X.]) und demzufolge die Komplexität des Leistungsgeschehens in geeignete Fallpauschalen umzusetzen. Dabei haben sie Sorge dafür zu tragen, dass einerseits der Aufwand der Krankenhäuser leistungsgerecht vergütet wird und andererseits der [X.]-Katalog hinreichend praktikabel ist. Ausdrücklich ist ihnen vorgegeben: "Das Vergütungssystem hat Komplexitäten und Comorbiditäten abzubilden; sein Differenzierungsgrad soll praktikabel sein" (§ 17b Abs 1 Satz 2 [X.]). Begleiterkrankungen und andere Versorgungsbesonderheiten kommt danach im Fallpauschalensystem nur Bedeutung zu, soweit sie in das [X.]-Regelwerk eingegangen sind und in dessen System zu einer höher bewerteten [X.] führen. Dies ist dann der Fall, wenn die Nebenerkrankung erstens kodierfähig (dazu unter b) und zweitens [X.] (dazu unter c) ist.

        

           

b) Voraussetzung für die [X.] einer Nebenerkrankung ist zunächst, dass sie nach den [X.] (zusätzlich) kodierfähig ist und deshalb in die [X.]-Bestimmung dem Grunde nach (überhaupt) eingehen kann. Das ist nach den [X.] 2004 - und im Wesentlichen unverändert auch nach den Richtlinien für die nachfolgenden Jahre - dann der Fall, wenn die fragliche Nebendiagnose für das Versorgungsgeschehen tatsächlich bedeutsam geworden ist. Insoweit definieren die [X.] 2004 (Abschnitt [X.], [X.]) den Begriff [X.] als "eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt." Weiter heißt es:

        
        

"Für [X.] müssen [X.] als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist:

        
                 

·       

therapeutische Maßnahmen

                 

·       

diagnostische Maßnahmen

                 

·       

erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand

        

Krankheiten, die durch den Anästhesisten während der präoperativen Beurteilung dokumentiert wurden, werden nur kodiert, wenn sie den oben genannten Kriterien entsprechen. Sofern eine Begleitkrankheit das Standardvorgehen für eine spezielle Prozedur beeinflusst, wird diese Krankheit als Nebendiagnose kodiert.

        
        

Anamnestische Diagnosen, die das Patientenmanagement gemäß obiger Definition nicht beeinflusst haben, wie z.B. eine ausgeheilte Pneumonie vor 6 Monaten oder ein abgeheiltes Ulkus, werden nicht kodiert ..."

        

Zusätzlich zur Hauptdiagnose kodierfähig sind danach solche [X.], deren Versorgung weitere und in Bezug auf die Haupterkrankung nicht gebotene Leistungen des Krankenhauses ausgelöst haben. Hauptdiagnose in diesem Sinne ist nach den [X.] 2004 "die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist" (vgl Abschnitt [X.], [X.]). Sind gemessen an dem hieraus sich ergebenden Versorgungsbedarf wegen einer Nebenerkrankung zusätzliche Leistungen zu erbringen, so rechtfertigt dies die Kodierung der entsprechenden Nebendiagnose. Maßstab hierfür ist jedenfalls bei [X.]en - wie hier - nach den [X.] 2004 die "Abweichung von dem Standardvorgehen für eine spezielle Prozedur" (vgl Abschnitt [X.], [X.]). Erfordert also eine Begleiterkrankung besondere Leistungen der Diagnostik, der Therapie oder der Betreuung/Pflege und wirkt sie sich somit im "Patientenmanagement" aus, so ist das für die Kodierung bei operativ zu versorgenden [X.] beachtlich, wenn die Erbringung dieser Leistungen in der von der Fallpauschale für die [X.] abgedeckten Standardversorgung nicht vorgesehen ist.

c) Solche kodierfähigen [X.] sind des Weiteren nur dann auch [X.], wenn sie nach der von den [X.] bestimmten Entscheidungslogik eine höher bewertete [X.] auslösen. Das ist immer und aber auch nur dann der Fall, wenn der zutreffend kodierten zusätzlichen Diagnose zusammen mit der Hauptdiagnose und etwaigen weiteren prägenden Faktoren im [X.]-Regelwerk eine andere Bewertungsrelation zukommt als der Hauptdiagnose für sich allein. Maßgebend dafür ist ausschließlich der dem [X.] zu Grunde liegende "Entscheidungsbaum" (vgl oben 2.c); auf die textliche Umschreibung der Fallpauschale kommt es entgegen der Auffassung des [X.] nicht an. Die Frage, ob eine (Neben-)Diagnose als erlösrelevant zu verschlüsseln ist, lässt sich nicht anhand der sprachlichen Fassung der in Frage kommenden [X.] beantworten. Der ausdifferenzierte Algorithmus, mit dem die verschlüsselten Prozeduren und Diagnosen in eine bestimmte [X.] "übersetzt" werden, ist einer wertenden Betrachtung im Einzelfall nicht zugänglich und wäre mit dem Ziel nicht vereinbar, Vergütungsregeln streng nach Wortlaut für die routinemäßige Anwendung in zahlreichen Behandlungsfällen handhabbar zu machen (vgl allg zur Funktion von Vergütungsregeln: [X.] [X.] 3-5565 § 14 [X.]; [X.] [X.] 3-5565 § 15 [X.] S 6; [X.] [X.] 4-2500 § 109 [X.]1 Rd[X.]8). Da das [X.]-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs 2 Satz 1 [X.]) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl dazu zuletzt zur Abrechnung von Sonderentgelten nach der [X.]: [X.] Urteil vom [X.] KR 4/09 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, Rd[X.]4 mwN).

4. Von diesen Grundsätzen ausgehend ist die hier im Streit stehende Versorgung zutreffend mit der Fallpauschale [X.] vergütet worden. Ein Anspruch nach [X.] E01A besteht nicht. Die zusätzlichen Untersuchungen zur Abklärung von [X.] vor dem [X.] bei der Versicherten waren zwar kodierfähig, aber nicht [X.].

a) Wie zu Recht auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht, hat die Klägerin durch die Versorgung der Versicherten jedenfalls einen Vergütungsanspruch auf der Grundlage der [X.] erworben. Diese [X.] wird nach den maßgeblichen Regeln ua dann angesteuert, wenn wie im vorliegenden Fall als Hauptdiagnose eine histologisch gesicherte Lungentuberkulose ([X.] A15.2) diagnostiziert wurde (vgl Definitionshandbuch Band 1, [X.]). Bei der von der Klägerin durchgeführten [X.] handelte es sich auch um einen großen Eingriff am Thorax, denn die vorgenommene Teilresektion der Lunge ([X.] 5-322.61) wird diesen Eingriffen zugeordnet (vgl [X.], [X.]).

b) Ebenfalls zutreffend hat die Klägerin den alten Thrombosebefund als jedenfalls dem Grunde nach kodierfähig angesehen. Wie das [X.] unangegriffen und damit für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt hat, ist deswegen vor der [X.] der Versicherten eine Phlebosonographie und eine Echokardiographie durchgeführt worden. Dies sind diagnostische Maßnahmen, die nach der ebenfalls nicht beanstandeten Feststellung des [X.] nicht zum [X.] bei einer Lungenoberlappenteilresektion gehören. Sie rechnen daher nicht zum Standardvorgehen aus Anlass der Hauptdiagnose, weshalb die zu Grunde liegende Nebendiagnose grundsätzlich auch kodierfähig ist. Ob diese Maßnahmen nur deshalb durchgeführt wurden, um Risiko bzw Durchführbarkeit der [X.] zu klären, ist für die Kodierrelevanz der Nebendiagnose - anders als das [X.] meint - nicht entscheidend. Denn der Wortlaut der [X.] enthält eine solche Einschränkung weder ausdrücklich noch ist das Gebot einer derartig einschränkenden Auslegung aus den in der [X.] 2004 genannten Beispielen abzuleiten.

c) Bei einer den gesundheitlichen Zustand der Versicherten zutreffend widerspiegelnden, [X.] konformen Kodierung der Nebendiagnose beschränkt sich der Vergütungsanspruch der Klägerin dennoch auf eine Vergütung nach der [X.]. Denn die Nebendiagnose durfte nicht mit [X.] I80.2, sondern allenfalls mit einem Kode versehen werden, der eine Vergütung nach [X.] E01A nicht begründet. Die Entscheidungslogik der [X.]-Groupierung - also das konkrete Ansteuern einer bestimmten [X.] - differenziert zwischen gewichtigen und unbedeutenden bzw einander ähnlichen [X.] (Tuschen/Trefz, [X.], [X.] 2010, [X.]), weswegen bei identischer Basis-[X.] den [X.] bzw ihrer Kombination entscheidender Einfluß auf die angesteuerte [X.] und damit auf die Höhe des Vergütungsanspruchs zukommt. [X.] ist eine Nebendiagnose deshalb nur, soweit sich dies bei zutreffender Verschlüsselung nach dem [X.] aus der Entscheidungslogik des [X.]-[X.]s so ergibt.

Dem ist die Abrechnung der Klägerin nicht gerecht geworden. Der bei der Versicherten diagnostizierte "Zustand nach [X.] links, Zustand nach [X.] links" durfte nicht mit der Nebendiagnose "Thrombose, Phlebitis und Thrombophlebitis sonstiger tiefer Gefäße der unteren Extremitäten" nach [X.] I80.2 kodiert werden. Denn nach den bindenden Feststellungen des [X.] litt die Versicherte nicht an einer akuten Thrombose, sondern an einem Altzustand nach Thrombose in Folge der im April 2004 erfolgten Hüftoperation. Der bloße Verdacht einer Thrombose vor Durchführung der diagnostischen Maßnahmen rechtfertigt eine Kodierung nach [X.] I80.2 nicht, denn für sie kommt es nach ihrer textlichen und damit für ihre Auslegung maßgeblichen Fassung nur auf den tatsächlich aktuellen Zustand des Patienten und nicht auf einen etwa auszuräumenden Verdacht an.

Der Gesundheitszustand der Versicherten konnte auch nicht mit einem anderen [X.]-Kode verschlüsselt werden, der einen Anspruch auf Vergütung nach [X.] E01A begründet hätte. Die einer Verdachtsdiagnose zugrundeliegenden Befunde und Symptome sind zwar auch dann, wenn eine definitive Diagnose nicht existiert, zu Abrechnungszwecken kodierfähig ([X.] 2004 Abschnitt 1801a, [X.]). Gleiches gilt für nicht mehr aktive Folgezustände einer Krankheit, wenn der Folgezustand als solcher in den [X.] mit einer spezifischen Schlüsselnummer versehen wurde ([X.] 2004 Abschnitt [X.], [X.]), was in Bezug auf einen etwaigen "Folgezustand nach Thrombose" aber nicht der Fall ist. Statt der von der Klägerin zu Unrecht kodierten [X.] I80.2 hätte hier möglicherweise eine Kodierung der [X.] [X.] (postthrombotisches Syndrom) oder der [X.] R60.9 (Ödem, nicht näher bezeichnet) erfolgen können, was ohne weitergehende medizinische Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden kann. Einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] bedurfte es gleichwohl nicht, denn die anderweitig in Betracht kommenden Kodierungen führen - bei im Übrigen unveränderten [X.] - nicht zu einer Vergütung nach [X.] E01A, sondern nur nach [X.] (recherchiert am 10.11.2010 über den zertifizierten [X.] der [X.] Research Group des [X.], [X.]). Anhaltspunkte dafür, dass statt dieser Alternativen eine andere [X.]-Kodierung rechtmäßig gewesen wäre und zur Vergütung auf Grundlage von [X.] E01A geführt hätte, sind nicht ersichtlich und wurden auch von der Klägerin nicht vorgebracht.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 3 KR 4/10 R

25.11.2010

Bundessozialgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Lübeck, 26. Juni 2008, Az: S 3 KR 582/06, Urteil

§ 109 Abs 4 S 3 SGB 5 vom 23.04.2002, § 7 S 1 Nr 1 KHEntgG vom 17.07.2003, § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG vom 17.07.2003, § 17b Abs 1 S 1 KHG vom 14.11.2003, § 17b Abs 2 S 1 KHG vom 14.11.2003, § 17b Abs 6 S 1 KHG vom 14.11.2003, Anl 1 KFPV 2004

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 25.11.2010, Az. B 3 KR 4/10 R (REWIS RS 2010, 1019)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1019

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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