Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.08.2011, Az. 3 StR 228/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 3684

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Gegenstand

Untreue des GmbH-Geschäftsführers: Missbrauch der Verfügungsmacht über ein Gesellschaftskonto trotz Einverständnis der Gesellschafter


Tenor

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Februar 2011

1. im Schuldspruch zu [X.] 3. der Urteilsgründe dahin geändert, dass der Angeklagte des Betruges in 18 Fällen sowie des versuchten Betruges in zwei Fällen schuldig ist,

2. mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte in den Fällen [X.] 4. bis [X.] 37. der Urteilsgründe verurteilt worden ist,

b) im Ausspruch über die Einzelstrafe zu [X.] 3. der Urteilsgründe,

c) im [X.].

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

[X.] Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in drei Fällen sowie wegen Untreue in 33 Fällen und wegen Bankrotts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Weiter hat es ausgesprochen, dass von der verhängten Freiheitsstrafe neun Monate als vollstreckt gelten. Die Revision des Angeklagten hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang mit der Sachrüge Erfolg. Auf die schon nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechende Verfahrensbeanstandung, die die Verurteilung in den Fällen [X.] bis II. 22. der Urteilsgründe betrifft, kommt es - unabhängig von der Frage, ob sie fristgerecht erhoben worden ist - daher nicht an. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Das [X.] hat die Verurteilung des Angeklagten unter anderem auf folgende Feststellungen gestützt:

3

Die Ehefrau des Angeklagten war zunächst Mitgesellschafterin und seit Juni 2005 Alleingesellschafterin einer [X.] mit beschränkter Haftung, als deren faktischer Geschäftsführer der Angeklagte fungierte.

4

In den Jahren 2005 und 2006 - dazu II. 3. der Urteilsgründe - spiegelte der Angeklagte zahlreichen Interessenten, die er als Händler von Waren der [X.] zu gewinnen suchte, vor, er werde eine von den Interessenten geleistete Anzahlung zur Finanzierung von Leasingfahrzeugen an eine Leasinggesellschaft weiterleiten. In 18 vom [X.] im Einzelnen festgestellten Fällen leisteten die von ihm geworbenen Interessenten Anzahlungen zur Finanzierung eines Leasingfahrzeugs in Höhe von mehreren tausend Euro. In zwei weiteren Fällen zahlten die Interessenten nicht. Der Angeklagte verwendete die Anzahlungen seinem vorgefassten Tatentschluss entsprechend nicht wie gegenüber den Interessenten angekündigt, sondern für eigene und die Zwecke der [X.], wobei er sich eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen suchte.

5

Zwischen Mai 2005 und September 2006 - Fälle [X.] bis II. 36. der Urteilsgründe - überwies der verfügungsbefugte Angeklagte verschiedene Beträge vom Geschäftskonto der [X.] an seine Tochter, seine mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebende Ehefrau und den Vermieter seiner Privatwohnung. Diesen Leistungen standen adäquate Gegenleistungen zugunsten der [X.] nicht gegenüber.

6

Schließlich - Fall II. 37. der Urteilsgründe - unterließ es der Angeklagte, innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist eine Bilanz der [X.] für das Geschäftsjahr 2005 aufzustellen.

7

2. Diese Feststellungen tragen in den Fällen II. 3. bis II. 37. der Urteilsgründe den Schuldspruch nicht.

8

a) Soweit das [X.] den Angeklagten wegen eines Betruges - II. 3. der Urteilsgründe - verurteilt hat, ändert der Senat den Schuldspruch im Sinne einer tatmehrheitlichen Begehungsweise der vom [X.] im Einzelnen festgestellten Taten (§ 354 Abs. 1 StPO; vgl. [X.], Urteil vom 14. Februar 2001 - 3 [X.], [X.], 217, 218). § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den Vorwurf einer tatmehrheitlichen Begehung nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der Einsatzstrafe von vier Jahren und neun Monaten.

9

b) Weiter hat die Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue in 33 Fällen - [X.] bis II. 36. der Urteilsgründe - keinen Bestand.

aa) Das [X.] hat zunächst nicht berücksichtigt, dass Überweisungen zugunsten der Tochter nur in 17, nicht in 19 Fällen angeklagt und festgestellt sind.

bb) Das [X.] hat zwar im Grundsatz richtig gesehen, dass sich ein Missbrauch der Verfügungsmacht über das Konto der [X.] gegen einen anderen [X.] als die Betrugstaten richtete, so dass Untreuetaten des Angeklagten als deren faktischer Geschäftsführer keine mitbestraften Nachtaten sind ([X.], Beschluss vom 20. September 2000 - 3 StR 19/00, [X.], 195 f.). Es hat sich jedoch nicht mit der Frage des Vorliegens und der Wirksamkeit eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses der [X.]er bzw. der Alleingesellschafterin als Vermögensinhaber befasst.

Da die Pflichtwidrigkeit des Handelns Merkmal des [X.] ist, schließt das Einverständnis des Inhabers des zu betreuenden Vermögens die Tatbestandsmäßigkeit aus ([X.], Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 [X.], [X.]St 50, 331, 342; Beschluss vom 31. Juli 2009 - 2 [X.], [X.]St 54, 52, 57; Urteil vom 27. August 2010 - 2 [X.], [X.]St 55, 266, 278). Bei juristischen Personen tritt an die Stelle des [X.] dessen oberstes Willensorgan für die Regelung der inneren Angelegenheiten, bei der [X.] mit beschränkter Haftung die Gesamtheit ihrer [X.]er.

Aus dem Einverständnis der [X.]er folgt indessen nicht in jedem Fall der Ausschluss der Tatbestandsmäßigkeit. Zwar können der [X.] mit beschränkter Haftung mit Zustimmung ihrer [X.]er grundsätzlich Vermögenswerte entzogen werden, weil sie gegenüber ihren [X.]ern keinen Anspruch auf ihren ungeschmälerten Bestand hat. Ein Einverständnis der [X.]er ist allerdings unwirksam und die Vermögensverfügung des Geschäftsführers deshalb missbräuchlich, wenn unter Verstoß gegen [X.]srecht die wirtschaftliche Existenz der [X.] gefährdet wird, etwa durch Beeinträchtigung des Stammkapitals entgegen § 30 GmbHG, durch Herbeiführung oder Vertiefung einer Überschuldung oder durch Gefährdung der Liquidität ([X.], Urteil vom 13. Mai 2004 - 5 [X.], [X.]St 49, 147, 157 ff.; Beschluss vom 10. Februar 2009 - 3 [X.], [X.], 2225, 2227; Beschluss vom 31. Juli 2009 - 2 [X.], [X.]St 54, 52, 57 ff.). Dazu hat das [X.] ebenso wenig Feststellungen getroffen wie zum Einverständnis als solchem. Seine Ausführungen zum "Geschäftsmodell" der [X.] legen einen Verstoß zwar nahe, ergeben ihn aber nicht mit einer die Verurteilung tragenden hinreichenden Deutlichkeit.

c) Keinen Bestand hat schließlich die Verurteilung des Angeklagten wegen Bankrotts (II. 37. der Urteilsgründe). Das [X.] hat nicht festgestellt, der Angeklagte habe das Aufstellen der Bilanz für das Geschäftsjahr 2005 bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der [X.] unterlassen.

Eine Änderung des Schuldspruchs dahin, der Angeklagte sei der Verletzung der Buchführungspflicht nach § 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StGB schuldig, kommt nicht in Betracht. Das [X.] hat keine hinreichenden Feststellungen zur objektiven Bedingung der Strafbarkeit nach § 283b Abs. 3, § 283 Abs. 6 StGB getroffen. Der Hinweis, der Geschäftsführer der [X.] habe einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, genügte hierfür ebenso wenig wie die Schilderung einer Vernehmung des Insolvenzverwalters der [X.] im Rahmen der Beweiswürdigung.

3. Im Umfang der Aufhebung entfallen die vom [X.] verhängten Einzelstrafen. Dies hat Auswirkung auf die Gesamtstrafe, über die das [X.] erneut zu befinden haben wird. Ohne Rücksicht auf ihre Angemessenheit bestehen bleibt hingegen die Anordnung des [X.]s, von der verhängten (Gesamt-) Freiheitsstrafe gelten neun Monate als vollstreckt. Zwar hat das [X.], das sich auf die Schilderung der äußeren Abläufe einzelner [X.] beschränkt hat, die Voraussetzungen der von ihm vorgenommenen Kompensation nicht wie geboten dargelegt (dazu [X.], Urteil vom 21. April 2011 - 3 StR 50/11, [X.], 239, 240). Die Aufhebung des Strafausspruchs auf eine allein vom Angeklagten eingelegte Revision erfasst indessen den Ausspruch über den Ausgleich einer bis dahin eingetretenen (vermeintlich) rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht ([X.], Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, [X.]St 54, 135, 138). Vielmehr verbleibt es zugunsten des Angeklagten bei der vom [X.] getroffenen Anordnung.

4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Sollte das [X.] erneut zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue in (richtig) 17 Fällen wegen der zugunsten seiner Tochter vorgenommenen Überweisungen kommen, wird es seine Annahme, der Angeklagte habe auch insoweit gewerbsmäßig gehandelt, näher zu begründen haben.

b) Das [X.] wird sich im Zusammenhang mit den Überweisungen des Angeklagten an seine Tochter, seine Ehefrau und seinen Vermieter mit der Frage zu befassen haben, ob sich der Angeklagte jeweils tateinheitlich mit einer Untreue auch einer Insolvenzstraftat schuldig gemacht hat. Der Senat neigt weiter dazu, die Abgrenzung zwischen den [X.] der §§ 283 ff. StGB und der Untreue nach § 266 StGB nicht mehr nach der Interessenformel vorzunehmen, sondern maßgeblich daran anzuknüpfen, ob der Vertreter im Sinne des § 14 StGB im [X.] tätig geworden ist ([X.], Beschluss vom 10. Februar 2009 - 3 [X.], [X.], 2225, 2227 f.; Beschluss vom 1. September 2009 - 1 [X.], [X.]R StGB § 283 Abs. 1 Geschäftsführer 4). Nach dieser Maßgabe kommt auch eine Strafbarkeit nach §§ 283 ff., 14 Abs. 3 StGB in Betracht.

Becker                                     Pfister                                   Schäfer

                      Mayer                                      Menges

Meta

3 StR 228/11

30.08.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Düsseldorf, 22. Februar 2011, Az: 14 KLs 14/08 - 120 Js 760/07, Urteil

§ 52 StGB, § 53 StGB, § 266 StGB, § 283b Abs 1 Nr 3 Buchst b StGB, § 283b Abs 3 StGB, § 283b Abs 6 StGB, § 30 GmbHG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.08.2011, Az. 3 StR 228/11 (REWIS RS 2011, 3684)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3684

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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