Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.08.2011, Az. 3 StR 228/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 3680

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 228/11
vom
30. August
2011
in der Strafsache
gegen

wegen
Betruges
u.a.

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Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu [X.] auf dessen Antrag
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am
30. August 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig beschlossen:
I.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22.
Februar 2011
1.
im Schuldspruch zu [X.] 3. der Urteilsgründe dahin geändert, dass der Angeklagte des Betruges in 18 Fällen sowie des versuchten Betruges in zwei Fällen schuldig ist,
2.
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a)
soweit der Angeklagte in den Fällen [X.] 4. bis [X.] 37. der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b)
im Ausspruch über die Einzelstrafe zu [X.] 3. der Urteils-gründe,
c)
im [X.].

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.].
[X.]
Die weitergehende Revision wird verworfen.
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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in drei Fällen so-wie wegen Untreue in 33 Fällen und wegen Bankrotts zu einer Gesamtfreiheits-strafe von fünf Jahren verurteilt. Weiter hat es ausgesprochen, dass von der verhängten Freiheitsstrafe neun Monate als vollstreckt gelten. Die Revision des Angeklagten hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang mit der Sachrüge Erfolg. Auf die schon nicht den Anforderungen
des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechende Verfahrensbeanstandung, die die Verurteilung in den Fällen [X.] 4. bis [X.] 22. der Urteilsgründe betrifft, kommt es -
unabhängig von der Frage, ob sie fristgerecht erhoben worden ist -
daher nicht an. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Das [X.] hat die Verurteilung des Angeklagten unter anderem auf folgende Feststellungen gestützt:
Die Ehefrau des Angeklagten war zunächst Mitgesellschafterin und seit Juni 2005 Alleingesellschafterin einer [X.] mit beschränkter Haftung, als deren faktischer Geschäftsführer der Angeklagte fungierte.
In den Jahren 2005 und 2006 -
dazu [X.] 3. der Urteilsgründe -
spiegelte der Angeklagte zahlreichen Interessenten, die er als Händler von Waren der [X.] zu gewinnen suchte, vor, er werde eine von den Interessenten geleistete Anzahlung zur Finanzierung von Leasingfahrzeugen an eine [X.] weiterleiten. In 18
vom [X.] im Einzelnen festgestellten Fällen leisteten die von ihm geworbenen Interessenten Anzahlungen zur [X.] eines Leasingfahrzeugs in Höhe von mehreren tausend Euro. In zwei weiteren Fällen zahlten die Interessenten nicht. Der Angeklagte verwendete die Anzahlungen seinem vorgefassten Tatentschluss entsprechend nicht wie ge-1
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genüber den Interessenten angekündigt, sondern für eigene und die Zwecke der [X.], wobei er sich eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen suchte.
Zwischen Mai 2005 und September 2006 -
Fälle [X.] 4. bis [X.] 36. der Ur-teilsgründe -
überwies der verfügungsbefugte Angeklagte verschiedene Beträge vom Geschäftskonto der [X.] an seine Tochter, seine mit ihm in eheli-cher Lebensgemeinschaft lebende Ehefrau und den Vermieter seiner [X.]. Diesen Leistungen standen adäquate Gegenleistungen zugunsten der [X.] nicht gegenüber.
Schließlich -
Fall [X.] 37. der Urteilsgründe -
unterließ es der Angeklagte, innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist eine Bilanz der [X.] für das Geschäftsjahr 2005 aufzustellen.
2. Diese Feststellungen tragen in den Fällen [X.] 3. bis [X.] 37. der Urteils-gründe den Schuldspruch nicht.
a) Soweit das [X.] den Angeklagten wegen eines Betruges -
[X.] 3. der Urteilsgründe -
verurteilt hat, ändert der Senat den Schuldspruch im Sinne einer tatmehrheitlichen Begehungsweise der vom [X.] im Einzelnen festgestellten Taten (§ 354 Abs. 1 StPO; vgl. [X.], Urteil vom 14. Februar 2001 -
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StR
461/00, [X.], 217, 218). § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den Vorwurf einer tatmehrheitlichen Begehung nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuld-spruchs führt zur Aufhebung der Einsatzstrafe von vier Jahren und neun Mona-ten.

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b) Weiter hat die Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue in 33
Fäl-len -
[X.] 4. bis [X.] 36. der Urteilsgründe -
keinen Bestand.
[X.]) Das [X.] hat zunächst nicht berücksichtigt, dass Überwei-sungen zugunsten der Tochter nur in 17, nicht in 19
Fällen angeklagt und fest-gestellt sind.
[X.]) Das [X.] hat zwar im Grundsatz richtig gesehen, dass sich ein Missbrauch der Verfügungsmacht über das Konto der [X.] gegen einen anderen [X.] als die Betrugstaten richtete, so dass
Untreue-taten des Angeklagten als deren faktischer Geschäftsführer keine mitbestraften Nachtaten sind ([X.], Beschluss vom 20. September 2000 -
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StR
19/00, [X.], 195 f.). Es hat sich jedoch nicht
mit der Frage des Vorliegens und der Wirksamkeit eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses der [X.] bzw. der Alleingesellschafterin als [X.] befasst.
Da die Pflichtwidrigkeit des Handelns Merkmal des [X.] ist, schließt das Einverständnis des Inhabers des zu betreuenden Vermögens die Tatbestandsmäßigkeit aus ([X.], Urteil vom 21. Dezember 2005
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StR
470/04, [X.]St
50, 331, 342; Beschluss vom 31. Juli 2009 -
2 [X.], [X.]St 54, 52, 57; Urteil vom 27. August 2010 -
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StR
111/09, [X.]St 55, 266, 278). Bei juristischen Personen tritt an die Stelle des Vermögensinha-bers dessen oberstes Willensorgan für die Regelung der inneren Angelegen-heiten, bei der [X.] mit beschränkter Haftung die Gesamtheit ihrer Ge-sellschafter.
Aus dem Einverständnis der [X.]er folgt indessen nicht in jedem Fall der Ausschluss der Tatbestandsmäßigkeit. Zwar können der [X.] mit beschränkter Haftung mit Zustimmung ihrer [X.]er grundsätzlich 9
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Vermögenswerte entzogen werden, weil sie gegenüber ihren [X.]ern
keinen Anspruch auf ihren ungeschmälerten Bestand hat. Ein Einverständnis der [X.]er ist allerdings unwirksam und die Vermögensverfügung des Geschäftsführers deshalb missbräuchlich, wenn unter Verstoß gegen Gesell-schaftsrecht die wirtschaftliche Existenz der [X.] gefährdet wird, etwa durch Beeinträchtigung des Stammkapitals entgegen § 30 GmbHG, durch [X.] oder Vertiefung einer Überschuldung oder durch Gefährdung der Liquidität ([X.], Urteil vom 13. Mai 2004 -
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StR
73/03, [X.]St 49, 147, 157 ff.; Beschluss vom 10. Februar 2009 -
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StR
372/08, [X.], 2225, 2227; Be-schluss vom 31. Juli 2009 -
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StR
95/09, [X.]St 54, 52, 57 ff.). Dazu hat das [X.] ebenso wenig Feststellungen getroffen wie zum Einverständnis als solchem. Seine Ausführungen zum "Geschäftsmodell"
der [X.] legen einen Verstoß zwar nahe, ergeben ihn aber nicht mit einer die Verurteilung tra-genden hinreichenden Deutlichkeit.
c) Keinen Bestand hat schließlich die Verurteilung des Angeklagten we-gen Bankrotts ([X.] 37. der Urteilsgründe). Das [X.] hat nicht festgestellt, der Angeklagte habe das Aufstellen der Bilanz für das Geschäftsjahr 2005 bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der [X.] unterlassen.
Eine
Änderung des Schuldspruchs dahin, der Angeklagte sei der Verlet-zung der Buchführungspflicht nach § 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StGB schul-dig, kommt nicht in Betracht. Das [X.] hat keine hinreichenden Feststel-lungen zur objektiven Bedingung der Strafbarkeit nach § 283b Abs. 3, § 283 Abs.
6 StGB getroffen. Der Hinweis, der Geschäftsführer der [X.] habe einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, genügte hierfür 14
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ebenso wenig wie die Schilderung einer Vernehmung des Insolvenzverwalters der [X.] im Rahmen der Beweiswürdigung.
3. Im Umfang der Aufhebung entfallen die vom [X.] verhängten Einzelstrafen. Dies hat Auswirkung auf die Gesamtstrafe, über die das [X.] erneut zu befinden haben wird. Ohne Rücksicht auf ihre Angemessenheit bestehen bleibt hingegen die Anordnung des [X.]s, von der verhängten (Gesamt-) Freiheitsstrafe gelten neun Monate als vollstreckt. Zwar hat das [X.], das sich auf die Schilderung der äußeren Abläufe einzelner [X.] beschränkt hat, die Voraussetzungen der von ihm vorge-nommenen Kompensation nicht wie geboten dargelegt (dazu [X.], Urteil vom 21.
April 2011
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StR
50/11, NStZ-RR
2011, 239, 240). Die Aufhebung des Strafausspruchs auf eine allein vom Angeklagten eingelegte Revision erfasst indessen den Ausspruch über den Ausgleich einer bis dahin eingetretenen (vermeintlich) rechtsst[X.]tswidrigen Verfahrensverzögerung nicht ([X.], Urteil vom 27. August 2009
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StR
250/09, [X.]St 54, 135, 138). Vielmehr verbleibt es zugunsten des Angeklagten bei der vom [X.] getroffenen Anord-nung.
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Sollte das [X.] erneut zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue in (richtig) 17
Fällen wegen der zugunsten seiner Tochter vor-genommenen Überweisungen kommen, wird es seine Annahme, der [X.] habe auch insoweit gewerbsmäßig gehandelt, näher zu begründen haben.
b) Das [X.] wird sich im Zusammenhang mit den Überweisungen des Angeklagten an seine Tochter, seine Ehefrau und seinen Vermieter mit der Frage zu befassen haben, ob sich der Angeklagte jeweils tateinheitlich mit einer 16
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Untreue auch einer Insolvenzstraftat schuldig gemacht hat. Der Senat neigt weiter dazu, die Abgrenzung
zwischen den [X.] der §§ 283 ff. StGB und der Untreue nach § 266 StGB nicht mehr nach der Interessenformel vorzunehmen, sondern maßgeblich daran anzuknüpfen, ob der Vertreter im Sinne des § 14 StGB im [X.] tätig geworden ist ([X.], Beschluss vom 10. Februar 2009 -
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372/08, [X.], 2225, 2227
f.; Beschluss vom 1. September 2009 -
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StR
301/09, [X.]R StGB § 283 Abs.
1 Geschäftsführer 4). Nach dieser Maßgabe kommt auch eine Strafbarkeit nach §§
283 ff., 14 Abs. 3 StGB in Betracht.
[X.]Pfister Schäfer

Mayer Menges

Meta

3 StR 228/11

30.08.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.08.2011, Az. 3 StR 228/11 (REWIS RS 2011, 3680)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3680

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