Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.12.2011, Az. 5 StR 122/11

5. Strafsenat | REWIS RS 2011, 385

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Buchführungs- und Bilanzdelikte: Anwendung der Interessentheorie


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten E. wird das Urteil des [X.] vom 4. Oktober 2010, soweit es ihn betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben

a) in den Fällen III.3 a bis m ([X.]) sowie III. (Betrug zum Nachteil [X.]) mit den jeweils zugrundeliegenden Feststellungen,

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und

c) über das Berufsverbot.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten E. sowie die Revision des Angeklagten [X.] werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Der Angeklagte [X.] hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten E. , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten E. – unter Freisprechung im Übrigen – wegen Subventionsbetruges in Tateinheit mit Untreue in sechs Fällen, wegen Untreue in fünfzehn Fällen, wegen Betruges sowie wegen Verletzung der Buchführungspflicht in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt sowie für die Dauer von zwei Jahren die Ausübung eines Berufs als Rechtsanwalt verboten. Von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe hat es zur Kompensation überlanger Verfahrensdauer acht Monate als vollstreckt erklärt. Den Angeklagten [X.] hat das [X.] – unter Freisprechung im Übrigen – des Subventionsbetruges, des Betruges in vier tateinheitlichen Fällen, der Insolvenzverschleppung sowie der Verletzung der Buchführungspflicht in drei Fällen schuldig gesprochen und eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verhängt. Deren Vollstreckung hat es zur Bewährung ausgesetzt und zur Kompensation überlanger Verfahrensdauer zwei Monate als vollstreckt erklärt.

2

Der Revision des Angeklagten [X.] bleibt aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des [X.] der Erfolg versagt (§ 349 Abs. 2 StPO). Die auf Sach- und Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten E. hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

3

1. Soweit der Angeklagte E. unter [X.] a bis m der Urteilsgründe wegen Untreue in 13 Fällen verurteilt worden ist, hält dies sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die [X.] legt dem Beschwerdeführer jeweils zur Last, dass er als Rechtsanwalt gegenüber der von ihm als Mitgesellschafter gehaltenen [X.] GmbH Gebühren in Rechnung gestellt hat, jedoch dabei keine anwaltliche Tätigkeit, sondern „größtenteils … seine Tätigkeit als faktischer Geschäftsführer“ entlohnen wollte ([X.]). Das [X.] hat ferner eine Vielzahl einzelner Abrechnungen lediglich anhand ihres jeweiligen Aktenzeichens und des Vorgangsnamens nicht aber auch mit Beschreibungen der damit verbundenen Tätigkeit des Angeklagten dargestellt. Hierdurch bleibt dem Senat die revisionsgerichtliche Überprüfung der tatgerichtlichen Bewertung verschlossen, ob von sämtlichen Abrechnungsvorgängen keine anwaltliche Tätigkeit umfasst war. [X.] Darlegung der konkret in Rechnung gestellten Tätigkeit bedurfte es insbesondere deshalb, weil die [X.] selbst zugrunde gelegt hat, dass nur „größtenteils“ Tätigkeiten vergütet wurden ([X.]), die nicht Gegenstand anwaltlicher Tätigkeit waren. Überdies lassen die unzulänglichen Feststellungen besorgen, dass – wie etwa der mit 185,38 € berechneten Einspruchseinlegung beim Finanzamt [X.] ([X.] f., 42) – auch anwaltliche Tätigkeiten, naheliegend im Zuge eines zur [X.] GmbH bestehenden Mandatsverhältnisses, durch den Angeklagten abgerechnet wurden.

4

2. Auch die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Betruges zum Nachteil der [X.] ([X.]) begegnet bereits wegen unklarer Feststellungen zur Täuschungshandlung des Angeklagten durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken. Dass der Angeklagte „eine Abschlagszahlung in Höhe von 50.000 € veranlasste“, „um die [X.] zur Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit“, nämlich der Erbringung von Werkleistungen, „zu bewegen“, belegt – auch in der Zusammenschau der Urteilsgründe – keine nachvollziehbare Täuschungshandlung.

5

3. Wegen des Wegfalls dieser Schuldsprüche, die vom [X.] für die angeordnete Maßregel eines Berufsverbots als „Symptomtaten“ ([X.]) bewertet wurden, hat auch die [X.] keinen Bestand.

6

4. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen tragen allerdings den Schuldspruch wegen (vorsätzlicher) Verletzung der Buchführungspflicht in drei Fällen gemäß § 283b Abs. 1 Nr. 1 und 3 lit. [X.]. Danach unterließen es die Beschwerdeführer E. (als faktischer Geschäftsführer) und [X.] (als bestellter Geschäftsführer) „willentlich“ ([X.]), die Handelsbücher der [X.] GmbH zu führen sowie die Eröffnungsbilanz aufzustellen und einen Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2003 zu erstellen. Mit Blick auf die ebenfalls festgestellte und ausgeurteilte zweckwidrige Verwendung gewährter Subventionsmittel sowie die von beiden Beschwerdeführern begangenen Untreuehandlungen zum Nachteil von [X.] GmbH verstand es sich hier allerdings nicht von selbst, dass die Angeklagten nicht ausschließlich aus eigennützigen Motiven heraus handelten.

7

a) Eine Strafbarkeit könnte angesichts dessen namentlich bei Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten [X.] zweifelhaft sein (vgl. hierzu nur [X.], Urteile vom 20. Mai 1981 – 3 [X.], [X.]St 30, 127, 128 f., vom 6. November 1986 – 1 [X.], [X.]St 34, 221, 223). Nach den Grundsätzen dieser – vom 3. Strafsenat im Rahmen eines Anfrageverfahrens jüngst in Frage gestellten (vgl. [X.], Beschluss vom 15. September 2011 – 3 [X.]; vgl. ferner [X.], Beschluss vom 1. September 2009 – 1 [X.], [X.]R StGB § 283 Abs. 1 Geschäftsführer 4) – Rechtsprechung ist für die Strafbarkeit des Vertreters einer juristischen Person nach § 283 StGB erforderlich, dass er zumindest auch im Interesse des Geschäftsherrn handelt (vgl. § 14 StGB); liegen hingegen beim Vertreter ausschließlich eigennützige Motive vor, so scheidet eine Bestrafung wegen Bankrotts neben einer möglichen Strafbarkeit wegen Untreue aus (vgl. [X.], StGB, 58. Aufl., § 283 Rn. [X.] mwN).

8

Die Rechtsprechung vermittelt zur Frage der Anwendung der [X.] auf Buchführungs- und Bilanzdelikte nach § 283 Abs. 1 Nr. 5 bis 8, § 283[X.] kein einheitliches Bild. Teilweise wird die Frage auch bei diesen Delikten bejaht (vgl. [X.], Urteil vom 24. März 1982 – 3 StR 68/82, [X.], 148, 149, Beschluss vom 14. Dezember 1999 – 5 [X.], [X.], 206, 207; vgl. ferner [X.], Urteil vom 11. Oktober 1960 – 5 [X.]), teilweise wird sie hingegen ausdrücklich (vgl. [X.], Beschluss vom 24. März 2009 – 5 [X.], [X.], 635, 636) oder stillschweigend (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Januar 1995 – 2 [X.], [X.], 146, 147) verneint.

9

Unabhängig von den im Anfrageverfahren vom 3. Strafsenat angestellten grundsätzlichen Erwägungen (aaO) neigt der Senat dazu, die von der Rechtsprechung namentlich für Vermögensverschiebungen in der unternehmerischen Krise entwickelte [X.] jedenfalls auf Buchführungs- und Bilanzdelikte (§ 283 Abs. 1 Nr. 5 bis 8, § 283[X.]) nicht anzuwenden. Gegen eine Übernahme spricht – worauf auch der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist – der in diesen Konstellationen objektiv eindeutige Bezug zum übertragenen Aufgabenbereich. Diese gesetzlich vermittelte [X.] kann letztlich nicht unter dem Vorbehalt einer inneren Tendenz des Organs stehen. Für die Erfüllung von handelsrechtlichen Pflichten der juristischen Person durch ihre Organe erscheint es deshalb bedeutungslos, ob ein Handeln im Interesse des Vertretenen vorliegt (Perron in [X.]/[X.], StGB, 28. Aufl., § 14 Rn. 26; [X.] in [X.], 12. Aufl., Vor § 283 Rn. 84). Zudem schützen diese Strafvorschriften neben den Gläubigerinteressen die Sicherheit des Geschäftsverkehrs als solchen (vgl. [X.], Urteil vom 22. Februar 2001 – 4 [X.], [X.], 485, 486; [X.] aaO, § 283 Rn. 7; [X.], Vor § 283 Rn. 3; [X.]/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 283 Rn. 1).

b) Einer Entscheidung dieser Rechtsfrage bedarf es allerdings nicht. Denn das Fehlen ausdrücklicher Feststellungen zur Motivlage oder deren Erörterung in den Urteilsgründen stellt hier noch keinen durchgreifenden Rechtsmangel dar. Der Senat entnimmt nämlich dem Zusammenhang der Urteilsgründe, dass die Angeklagten mit ihrem vorsätzlichen Verstoß gegen die ihnen obliegenden Buchführungs- und [X.] zumindest nicht – ausschließlich – erstrebten, die zweckwidrigen und vermögensschädigenden Mittelverwendungen zu verschleiern ([X.] ff., 66 ff., 127 ff., 145 f.). Ersichtlich lag dem allein ein besonderes Maß an Gleichgültigkeit gegenüber den kaufmännischen Pflichten zugrunde.

5. In der rechtsfehlerhaften Annahme der [X.], der Beschwerdeführer habe in sämtlichen Fällen ausgeurteilter Untreue den Missbrauchstatbestand erfüllt (§ 266 Abs. 1 Variante 1 StGB), liegt keine Beschwer. Soweit in einigen Fällen als Tathandlung keine rechtsgeschäftlichen Verfügungen oder Verpflichtungen (vgl. [X.], § 266 Rn. 24), sondern eine tatsächliche Vermögensverfügung festgestellt wurde, haben die Angeklagten jedenfalls den [X.] (§ 266 Abs. 1 Variante 2 StGB) erfüllt. Die Tathandlungen des § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB (zweckwidrige Verwendung der Subvention) und des § 266 Abs. 1 StGB (Entzug der Mittel zu Lasten des durch die Subvention begünstigten Unternehmens) fallen dabei in einer Handlung zusammen. Beide Tatbestände stehen deshalb im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander.

6. Aufrechterhalten bleibt die Entscheidung über die Kompensation für die eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung; der neue Tatrichter ist nicht gehindert, gegebenenfalls weiter entstehende Verzögerungen zu berücksichtigen.

Raum                                 Brause                                [X.]

                    König                                  [X.]

Meta

5 StR 122/11

15.12.2011

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dresden, 4. Oktober 2010, Az: 5 KLs 109 Js 6866/05

§ 283 Abs 1 Nr 5 StGB, § 283 Abs 1 Nr 6 StGB, § 283 Abs 1 Nr 7 StGB, § 283 Abs 1 Nr 8 StGB, § 283b StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.12.2011, Az. 5 StR 122/11 (REWIS RS 2011, 385)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 385

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 122/11 (Bundesgerichtshof)


3 StR 118/11 (Bundesgerichtshof)


3 StR 118/11 (Bundesgerichtshof)

Strafbarkeit eines GmbH-Geschäftsführes wegen Bankrotts


3 StR 118/11 (Bundesgerichtshof)

Anfrage an die Strafsenate des BGH: Strafbarkeit wegen Bankrotts bei Beiseiteschaffen des Gesellschaftsvermögens ohne Handeln …


3 StR 118/11 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.