Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20.06.2013, Az. IX S 12/13

9. Senat | REWIS RS 2013, 4819

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Richterablehnung; wiederholte Anhörungsrüge


Leitsatz

1. NV: Die pauschale Ablehnung aller Berufsrichter eines Spruchkörpers ohne Angabe ernstlicher Gründe in der Person des einzelnen Richters ist rechtsmissbräuchlich und mithin unzulässig, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte im Hinblick auf eine Kollegialentscheidung vorgebracht werden, die auf eine Befangenheit aller Mitglieder des Spruchkörpers deuten.

2. NV: Zu einem missbräuchlichen Ablehnungsgesuch sind dienstliche Äußerungen der betroffenen Richter nicht erforderlich; es darf in der geschäftsplanmäßigen Besetzung, d.h. unter Mitwirkung der abgelehnten Richter, über das Ablehnungsgesuch entschieden werden.

3. NV: Eine Anhörungsrüge nach § 133a FGO kann nicht gegen ein und dieselbe Entscheidung mehrfach mit dem gleichen Vorbringen erhoben werden, um das beschließende Gericht zu zwingen, sich mit diesem Vorbringen in einer von den Klägern für erforderlich gehaltenen Weise auseinanderzusetzen.

Gründe

1

Die Rechtsbehelfe der Kläger, Beschwerdeführer und Rügeführer (Kläger) haben keinen Erfolg.

2

1. Das Ablehnungsgesuch ist unzulässig.

3

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) i.V.m. § 42 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein [X.] wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände [X.]ass hat, an der Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Es müssen Anhaltspunkte für eine unsachliche Einstellung oder Willkür des [X.]s vorliegen (z.B. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 1. Juli 1992 X B 38/92, [X.] 1993, 110, m.w.N.). In dem Ablehnungsgesuch ist der Ablehnungsgrund darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 51 Abs. 1 [X.]O i.V.m. § 44 Abs. 2 ZPO). Das Ablehnungsgesuch muss sich grundsätzlich auf bestimmte [X.] beziehen. Eine pauschale Ablehnung aller Berufsrichter eines Spruchkörpers ohne Angabe ernstlicher Gründe in der Person des einzelnen [X.]s ist regelmäßig rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig (ständige Rechtsprechung des [X.]: z.B. Urteil vom 25. Oktober 1973 IV R 80/72, [X.]E 110, 479, [X.] 1974, 142; Beschlüsse vom 30. Juni 1989 VIII B 86/88, [X.] 1990, 175, und vom 30. Juli 1993 I B 55, 56/93, [X.] 1994, 325), es sei denn, es werden konkrete Anhaltspunkte im Hinblick auf eine Kollegialentscheidung vorgebracht, die auf eine Befangenheit aller Mitglieder des Spruchkörpers deuten ([X.]-Beschluss vom 16. April 1993 I B 155/92, [X.] 1994, 637, m.w.N. zur Rechtsprechung). Falsche Rechtsansichten und [X.] können allenfalls dann eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn sie auf einer unsachlichen Einstellung des [X.]s gegenüber dem Kläger oder auf Willkür beruhen. Die Fehlerhaftigkeit muss ohne weiteres feststellbar und schwerwiegend sein sowie auf unsachliche Erwägungen schließen lassen ([X.]-Beschluss vom 27. Juli 1992 VIII B 59/91, [X.] 1993, 112).

4

Nach diesen Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist das Ablehnungsgesuch der Kläger rechtsmissbräuchlich, da mit ihm pauschal die für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständigen [X.] abgelehnt werden. Konkrete Gründe, die eine Befangenheit einzelner [X.] befürchten ließen, wurden nicht vorgebracht. Dem Vortrag ist auch nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen die abgelehnten [X.] wissentlich eine Fehlentscheidung getroffen haben sollen.

5

Aus diesem Grund waren dienstliche Äußerungen der betroffenen [X.] zu dem missbräuchlichen Ablehnungsgesuch nicht einzuholen; ferner kann der Senat in der geschäftsplanmäßigen Besetzung, d.h. unter Mitwirkung der abgelehnten [X.], über das Ablehnungsgesuch entscheiden ([X.]-Entscheidungen vom 17. Juli 1974 VIII B 29/74, [X.]E 112, 457, [X.] 1974, 638; vom 13. April 1988 I R 284/82, [X.] 1989, 395; vom 8. Mai 1992 III B 123/92, [X.] 1993, 244).

6

2. Die Anhörungsrüge ist nicht statthaft.

7

Mit ihrer Anhörungsrüge rügen die Kläger im Wesentlichen, der Senat habe bei seinem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde vom 15. Februar 2013 IX B 111/12 ihr Vorbringen in erster Instanz zu einem unstreitigen, vom Finanzgericht ([X.]) indes nicht zur Kenntnis genommenen Sachverhalt nicht berücksichtigt. Da der Senat indes bereits durch Beschluss vom 22. April 2013 IX S 8/13 über den von den Klägern in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwurf einer Verletzung ihres Rechts auf Gehör entschieden hat, ist die erneute Anhörungsrüge --unbeschadet der hierzu vorgebrachten [X.] unstatthaft. Denn eine Anhörungsrüge nach § 133a [X.]O kann nicht gegen ein und dieselbe Entscheidung mehrfach mit dem gleichen Vorbringen erhoben werden, um das beschließende Gericht dadurch zu zwingen, sich mit diesem Vorbringen in einer von den Klägern für erforderlich gehaltenen Weise erneut auseinanderzusetzen. Abgesehen davon richten sich die Ausführungen der Kläger auch in seiner erneuten Anhörungsrüge lediglich gegen die Entscheidungsfindung des [X.] und dessen, wie die Kläger meinen, "schlampige Arbeit".

8

3. Für die Entscheidung über die Anhörungsrüge wird eine Gebühr in Höhe von 50 € erhoben (Nr. 6400 des [X.], [X.]. 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes).

Meta

IX S 12/13

20.06.2013

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend BFH, 22. April 2013, Az: IX S 8/13, Beschluss

§ 51 Abs 1 S 1 FGO, § 133a FGO, § 42 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20.06.2013, Az. IX S 12/13 (REWIS RS 2013, 4819)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4819


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IX S 12/13

Bundesfinanzhof, IX S 12/13, 20.06.2013.


Az. IX S 8/13

Bundesfinanzhof, IX S 8/13, 22.04.2013.


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