Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.10.2018, Az. KRB 10/17

Kartellsenat | REWIS RS 2018, 3080

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Gegenstand

Bestimmung eines kartellbedingten Mehrerlöses


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Nebenbetroffenen wird das Urteil des 4. Kartellsenats des [X.] vom 13. Mai 2014 im Bußgeldausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Kartellsenat des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat gegen die [X.] wegen einer in dem Bußgeldbescheid des [X.] vom 12. Februar 2009 festgestellten Kartellordnungswidrigkeit eine Geldbuße in Höhe von sechs Millionen [X.]uro festgesetzt. Mit ihrer Rechtsbeschwerde rügt die [X.] die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat weitgehend [X.]rfolg und führt zur Aufhebung des [X.].

A.

2

Nach den Feststellungen des Bußgeldbescheids vom 12. Februar 2009, der sich unter anderem gegen die [X.] richtete, bestand im Tatzeitraum vom 1. Juli 1997 bis zum 1. Mai 2005 eine bundesweit wirkende [X.] zwischen den Mitgliedsunternehmen des [X.] (D. ) für die Belieferung von [X.]ndkunden mit Flüssiggas, das in Tankbehälter eingefüllt wurde.

3

Die Marktverhältnisse stellten sich zusammengefasst wie folgt dar: Die Versorgungsunternehmen bezogen Flüssiggas bei Raffinerien oder importierten es insbesondere aus den [X.] und [X.]. Flüssiggas für Haushalts- und Gewerbekunden wurde üblicherweise in oberirdische oder erdgedeckte Tanks mit einem Fassungsvermögen bis zu 2,9 Tonnen gefüllt. Die Belieferung erfolgte durch [X.]. Daneben vertrieben die Versorgungsunternehmen Flüssiggas auch abgefüllt in Pfand- oder [X.]igentumsflaschen für den mobilen [X.]insatz. Der [X.] bestand bis etwa Mitte der 1990er Jahre nahezu ausschließlich aus den im D.  organisierten Anbietern. [X.]rst seit etwa Mitte der 1990er Jahre fand ein "nennenswerter Außenwettbewerb" durch nicht im D.  organisierte Anbieter (freie Anbieter) statt. Zu dieser Zeit ging der Absatz von Flüssiggas infolge des Ausbaus der [X.] zurück. Anfang des Jahres 2005 betrug der Marktanteil der freien Anbieter schätzungsweise 15 Prozent. [X.]inige große, im D.  organisierte Versorgungsunternehmen wickelten ab dem [X.] über ihr Gemeinschaftsunternehmen [X.].   bundesweit den [X.]ansport von [X.] zu den [X.]ndkunden ab. Hierfür nutzte die [X.].   eigene Läger und Läger ihrer Gesellschafterinnen. Die [X.], die zu den führenden [X.]n zählt, und andere D. Mitglieder nutzten zum selben Zweck das 1995 gegründete gemeinschaftliche [X.]ansport- und Logistikunternehmen f. .

4

Die Wettbewerbsregeln des D. , zu deren [X.]inhaltung seine Mitglieder sich verpflichteten, sahen "lauteren Wettbewerb" vor und untersagten die Belieferung von [X.] unter vorsätzlicher Verleitung zum Vertragsbruch. Sie wurden spätestens seit [X.]nde der 1980er Jahre im [X.]geschäft von den Verbandsmitgliedern inklusive der [X.]n einvernehmlich in einer über ihren Wortlaut hinausgehenden Weise derart ausgelegt und praktiziert, dass Kunden anderer Verbandsmitglieder nicht aktiv abgeworben werden durften. Der Außendienst und der Vertrieb waren entsprechend zu instruieren. Weder wurden vertraglich gebundene Kunden auf Kündigungsmöglichkeiten hingewiesen, noch erhielten sie auf Anfrage günstige Angebotspreise. Statt dessen nannten die [X.] auf Anfrage entweder keinen Preis oder den weit überhöhten Listenpreis. Bei einem Verstoß gegen die Kartelldisziplin ("Wettbewerbsfall") war der bisherige Lieferant zu entschädigen, d.h. der Verlust war durch Überlassung eines Kunden mit vergleichbarem Verbrauch auszugleichen. Wurde der gewünschte Ausgleich auf [X.] nicht geleistet, wurde der Austausch durch "Gegenwettbewerb" herbeigeführt und/oder auf [X.] der Geschäftsführer geklärt.

5

Nicht anders als die [X.].   -Gesellschafterinnen nutzten die Gesellschafterinnen der f. - unter anderem die [X.] - die Gemeinschaftsunternehmen nach deren Gründung, um die Vertriebsaktivitäten der [X.] zu kontrollieren und das Kartell zu stützen. Wie bei der [X.].   war auch bei der f. jeder Kunde über seine Behälternummer nur einem Lieferanten zugeordnet, so dass "[X.]" erkannt und gemeldet wurden. Zudem tauschten die Gesellschafterinnen als zusätzliches Instrument zur [X.]inhaltung der Kartelldisziplin Statistiken mit wettbewerbsrelevanten Vertriebsdaten aus, die die Markttransparenz weiter erhöhten.

6

Der vormals Betroffene O.      war seit dem [X.] als Prokurist in leitender Stellung im Flüssiggasgeschäft der [X.]n tätig. In dieser Funktion nahm er persönlich an der [X.] D.  aufbauenden [X.] im [X.]geschäft teil und sorgte für deren Umsetzung. [X.]r nahm etwa Kontakt mit der Leitungsperson eines anderen Kartellmitglieds zur Klärung von [X.]n auf und sorgte in einem anderen Fall für die Rücknahme eines Konkurrenzangebots. Das System der "Wettbewerbsmeldungen" der f. war ihm bekannt. [X.]r schlug darüber hinaus vor, die Daten der f. und der [X.].   miteinander zu vernetzen. Die [X.] vollzogen die [X.] mindestens bis zu den [X.] Durchsuchungen bei den Gesellschafterinnen der [X.].   am 3. Mai 2005.

7

Das [X.] hat die Verfolgung des Kartellvorwurfs auf den Zeitraum vom 1. Juli 1997 bis zum 1. Mai 2005 begrenzt. Dessen Beginn knüpft an das Inkrafttreten einer Organisationsrichtlinie der [X.].   an. Wegen der Zuwiderhandlung im [X.]geschäft setzte das [X.] gegen die [X.] eine zugleich die Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils bezweckende Geldbuße in Höhe von 18,5 Millionen [X.]uro fest. Für eine weitere Zuwiderhandlung gegen § 1 GWB im Tatzeitraum vom 1. Januar 1999 bis zum 1. Mai 2005 durch eine [X.] auch im [X.] setzte das [X.] zudem eine Geldbuße in Höhe von 250.000 [X.]uro gegen die [X.] fest.

8

Die [X.] hat in der Hauptverhandlung vor dem [X.] Düsseldorf, das mit Zustimmung der [X.] den [X.] eingestellt hat, im Rahmen einer Verfahrensabsprache ihren [X.]inspruch gegen den Bußgeldbescheid auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ([X.]). Das [X.] hat nunmehr gegen die [X.] eine reine Ahndungsgeldbuße in Höhe von sechs Millionen [X.]uro verhängt, die es dem [X.] des § 81 Abs. 2 GWB 1999 - der von ihm als das günstigste Recht angesehenen Gesetzesfassung (§ 4 Abs. 3 OWiG) - entnommen hat. Den Mehrerlös hat das [X.] geschätzt, indem es die Preise der [X.]n mit den - nach den Urteilsgründen nicht durch einen Preisschirmeffekt beeinflussten - Preisen freier Anbieter aus demselben Markt während desselben Zeitraums verglichen hat. In die Berechnungen der monatlichen Durchschnittspreise sind die zusammengeführten Preisdaten der Vergleichsunternehmen nach Maßgabe des Absatzes der [X.]n in den einzelnen Postleitregionen eingeflossen. Zudem hat das [X.] dabei nach Kunden mit eigenem Tank und Kunden mit gemietetem Tank unterschieden (vgl. [X.] ff.). Die so ermittelten monatlichen [X.] hat das [X.] mit dem monatlichen Absatz der [X.]n an ihre Bestandskunden multipliziert und die [X.]rgebnisse addiert. Die Differenz zwischen dieser Summe und dem [X.]rgebnis des gleichen Rechenvorgangs mit den realen monatlichen Durchschnittspreisen der [X.]n hat es bei den Kunden mit eigenem Tank - vermindert um einen Sicherheitsabschlag von zehn Prozent - als den kartellbedingten Mehrerlös angesehen (rund 3,66 Millionen [X.]uro). Bei den Kunden mit gemietetem Tank ergab sich hingegen ein "[X.]", den das [X.] für unbeachtlich gehalten hat. Ferner hat es eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung von "knapp vier Monaten" festgestellt.

B.

9

I. Die Beschränkung des [X.]inspruchs gegen den Bußgeldbescheid vom 12. Februar 2009 auf den Rechtsfolgenausspruch ist - was der [X.] wegen zu prüfen hat (vgl. [X.], Beschluss vom 30. November 1976 - 1 [X.], [X.]St 27, 70, 72) - wirksam.

1. Die Feststellungen im Bußgeldbescheid zum Kartellvorwurf belegen die Tatbestandsvoraussetzungen von § 1 GWB und sind eine ausreichende Grundlage für die Rechtsfolgenbemessung (vgl. [X.], Urteil vom 4. November 1997 - 1 [X.], [X.]St 43, 293, 300), so dass die teilweise [X.]inspruchsrücknahme aus diesem Grund keinen Bedenken begegnet.

2. Der begrenzte Anfechtungswille (vgl. § 67 Abs. 2 OWiG) der [X.]n ist zudem mit den tatsächlichen Feststellungen des Bußgeldbescheids zur Tat zu vereinbaren. Die Wirksamkeit der [X.]inspruchsbeschränkung setzt zusätzlich voraus, dass der [X.] nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil rechtlich und tatsächlich unabhängig beurteilt werden kann, ohne eine Überprüfung im Übrigen erforderlich zu machen, und dass die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (vgl. nur [X.], Urteil vom 10. August 2017 - 3 StR 275/17, Rn. 8; [X.]/Gössel, [X.], 26. Aufl., § 318 Rn. 67; jeweils mwN). Dies ist hier für den Rechtsfolgenausspruch im Verhältnis zum nicht mehr angefochtenen Schuldspruch der Fall. Bei dem - weiter angefochtenen - kartellbedingten Mehrerlös geht es nicht um doppelrelevante, also zugleich für den Schuldspruch relevante Tatsachen. Die Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von § 1 GWB zielt auf das Verhalten der [X.] in ihrem Auftreten am Markt. Sie betrifft die Beschränkung der Handlungsfreiheit der Unternehmen im Widerspruch zum Selbständigkeitspostulat (Krauß in [X.]/Bunte, Kartellrecht, 13. Aufl., § 1 GWB Rn. 129 f. mwN; vgl. Art. 101 Abs. 1 A[X.]UV). [X.]in erzielter Mehrerlös zählt daher nicht zum Tatgeschehen und gibt dem geschichtlichen Vorgang der Tat auch nicht sein wesentliches Gepräge. Nicht anders als sonstige Tatfolgen (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juni 2014 - 3 [X.], [X.], 182, 183; Beschluss vom 29. September 2009 - 3 [X.], Rn. 4; Beschluss vom 27. Juni 2006 - 4 [X.], [X.], 23) sind kartellbedingte [X.] einzig der [X.] zuzuordnen. In deren Rahmen kennzeichnet die Höhe des erlangten [X.]s Ausmaß und Gewicht der Zuwiderhandlung (vgl. [X.], Beschluss vom 24. April 1991 - [X.], [X.]/[X.] [X.] 2718 - Bußgeldbemessung).

II. Die Rechtsbeschwerde hat [X.]rfolg, soweit sie sich mit der Sachrüge gegen den Bußgeldausspruch richtet. Auf die Verfahrensrügen, mit denen sich die Beschwerdeführerin ebenfalls gegen die Geldbuße wendet, kommt es daher nicht an.

1. Die [X.], die für die Bußgeldobergrenze nach § 81 Abs. 2 GWB 1999 entscheidend ist, wird den rechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Denn das [X.] hat die Geeignetheit seiner marktinternen Vergleichsanalyse in den Urteilsgründen nicht nachprüfbar dargelegt.

a) Unter Mehrerlös ist der Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen [X.]innahmen, die aufgrund des Wettbewerbsverstoßes erzielt werden, und den [X.]innahmen zu verstehen, die das durch die Kartellabsprachen bevorzugte Unternehmen ohne den Wettbewerbsverstoß erzielt hätte (vgl. [X.], Beschluss vom 24. April 1991 - [X.], [X.]/[X.] [X.] 2718, 2719 - Bußgeldbemessung; Beschluss vom 25. April 2005 - [X.], [X.]/[X.] D[X.]-R 1487, 1488 - steuerfreier Mehrerlös; Beschluss vom 28. Juni 2005 - [X.], [X.]/[X.] D[X.]-R 1567, 1569 - [X.] [X.]ansportbeton I; Beschluss vom 19. Juni 2007 - [X.], [X.]St 52, 1 Rn. 10 - [X.]).

Dieser Differenzbetrag kann nur durch Schätzung ermittelt werden, da der hypothetische Wettbewerbspreis nicht beobachtbar ist, sondern allein aufgrund von Anknüpfungstatsachen näherungsweise bestimmt werden kann. Die ökonomische Gültigkeit und rechtliche Brauchbarkeit der Annäherung hängt dabei zum einen von der Genauigkeit und Validität der Beobachtungen ab, die auf einem Vergleichsmarkt oder zu anderen tatsächlichen Umständen wie den Kosten der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen gemacht werden können, die nach der gewählten Methode die Grundlage der [X.]rmittlung des hypothetischen [X.] bilden sollen. Zum anderen hängen sie davon ab, wie genau und wie verlässlich die Unterschiede erfasst werden können, die zwischen dem beobachteten und dem hypothetischen Szenario bestehen.

Der kartellbedingte Mehrerlös kann danach zunächst anhand der Preisentwicklung auf kartellfreien Vergleichsmärkten bestimmt werden (vgl. [X.]St 52, 1 Rn. 13, 19 - [X.]; [X.], Beschluss vom 26. Februar 2013 - [X.], [X.]St 58, 158 Rn. 78 - [X.]). Soweit strukturelle Unterschiede der verglichenen Märkte dies erfordern, sind Korrekturzuschläge oder -abschläge vorzunehmen, die dazu dienen, den [X.]influss der strukturellen Unterschiede auf das [X.]rgebnis der Schätzung möglichst weitgehend auszugleichen (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Dezember 1976 - [X.] 2/76, [X.]Z 68, 23, 33 - Valium; Beschluss vom 6. November 1984 - [X.] 13/83, [X.]/[X.] [X.] 2103, 2104 - Favorit; ferner [X.], Urteil vom 7. Dezember 2010 - [X.], [X.]/[X.] D[X.]-R 3145 Rn. 18 - [X.]ntega II zu § 19 Abs. 4 Nr. 3 a.[X.]). [X.]in zwingender Vorrang kommt einem Vergleich mit den Preisen auf einem - zeitlich, räumlich oder sachlich - anderen, kartellfreien Markt gegenüber weiteren Schätzmethoden allerdings nicht zu (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Mai 2012 - [X.] 51/11, [X.]/[X.] D[X.]-R 3632 Rn. 14 - Wasserpreise [X.]; Beschluss vom 14. Juli 2015 - [X.] 77/13, [X.]Z 206, 229 Rn. 22 ff. - Wasserpreise [X.]I). Den Kartellbehörden und -gerichten ist es grundsätzlich unbenommen, stattdessen eine andere, zur Bestimmung des [X.]s ebenfalls geeignete Methode heranzuziehen. So können sie die [X.] auch durch einen kostenbasierten Vergleich anhand einer Überprüfung von Preisbildungsfaktoren bestimmen (vgl. [X.], [X.]/[X.] D[X.]-R 3632 Rn. 13 ff. - Wasserpreise [X.]; [X.]Z 206, 229 Rn. 22 ff. - Wasserpreise [X.]I; Urteil vom 24. Januar 2017 - [X.], [X.] 2017, 198 Rn. 27 f. - Kabelkanalanlagen; jeweils zu § 19 GWB). [X.]in anderes Vorgehen als eine Vergleichsmarktanalyse kann vor allem angezeigt sein, wenn - wie hier auch vom [X.] bejaht ([X.] ff.) - keine hinreichend ähnlichen Märkte mit wirksamem Wettbewerb existieren.

Von wesentlicher Bedeutung für die Rechtsfehlerfreiheit der [X.] nach § 81 GWB ist - ebenso wie im Rahmen von § 19 GWB (vgl. [X.]Z 206, 229 Rn. 22 - Wasserpreise [X.]I) - die Beachtung derjenigen Faktoren, die die Preisbildung im Markt bestimmen oder jedenfalls beeinflussen können ("anerkannte ökonomische Theorien", vgl. BT-Drucks. 16/5847, [X.]). Die Schätzungsbefugnis räumt dem Tatrichter vor diesem Hintergrund einen erheblichen methodischen Spielraum ein (vgl. [X.]Z 206, 229 Rn. 25 - Wasserpreise [X.]I). Letztlich ist entscheidend, ob die von dem Tatgericht durchgeführte [X.] schlüssig ist und zu wirtschaftlich vernünftigen und möglichen [X.]rgebnissen führt (vgl. [X.]St 52, 1 Rn. 12 - [X.]; [X.], Beschluss vom 6. April 2016 - 1 StR 523/15, [X.], 728, 729; Beschluss vom 4. Februar 1992 - 5 [X.], [X.]R AO § 370 Abs. 1 Nr. 2 Steuerschätzung 5). Dabei hat der Tatrichter selbst zu entscheiden, welche Schätzungsmethode dem vorgegebenen Ziel, der Wirklichkeit durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen möglichst nahe zu kommen, am besten gerecht wird ([X.]St 52, 1 Rn. 12 - [X.]).

In den Urteilsgründen hat das Tatgericht für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbar darzulegen, warum es sich der gewählten Schätzungsmethode bedient hat und weshalb diese geeignet ist (vgl. [X.], Beschluss vom 10. November 2009 - 1 [X.], [X.], 635, 636). Stehen ihm unterschiedliche methodische Vorgehensweisen zur Verfügung, ist der Tatrichter zwar regelmäßig nicht zu einer umfassenden Darstellung sämtlicher Vor- und Nachteile der verschiedenen Methoden gehalten. Das Urteil muss jedoch erkennen lassen, aus welchen Gründen sich der Tatrichter für eine von mehreren möglichen Methoden entschieden hat und dass ihm dabei jedenfalls die wesentlichen Vor- oder Nachteile der in Betracht kommenden Alternativen bewusst waren. Zu diesen Vor- oder Nachteilen gehören insbesondere die mit einer bestimmten Vorgehensweise verbundenen Unsicherheiten, namentlich die Wahrscheinlichkeit und der Umfang systematischer Schätzfehler, die das [X.] in eine bestimmte oder auch in eine nicht bestimmbare Richtung verfälschen können. Darüber hinaus muss die Schätzung den strafprozessualen Vorgaben - etwa dem [X.] - genügen.

b) [X.], wie sie das [X.] unter Heranziehung der Preisdaten von Kartellaußenseitern bevorzugt hat, ist nach dem aufgezeigten (begrenzten) Prüfungsmaßstab nicht grundsätzlich zu verwerfen. [X.]ntscheidend ist - wie ausgeführt - allein, ob die gewählten [X.] im [X.]inzelfall eine sachgerechte Quantifizierbarkeit des [X.]s zulassen (vgl. auch [X.], Urteil vom 12. April 2016 - [X.], [X.] 2017, 371 Rn. 35 f., 39 f. - Gemeinschaftsprogramme). Bei einem Kundenschutzkartell ist es grundsätzlich nachvollziehbar, dass sich die Preise der [X.] ohne die Zuwiderhandlung den niedrigeren Preisen von Kartellaußenseitern angenähert hätten. Denn ohne die protektive Wirkung durch das Kartell hätte sich der Wettbewerbsdruck auf die [X.] erhöht, was für eine (hypothetische) Verringerung auch von deren Preisniveau spricht. Das [X.] hat jedoch nicht beachtet, dass diese [X.]rwägung noch keine Quantifizierung der hypothetischen Preisentwicklung erlaubt.

[X.]ine marktinterne Vergleichsanalyse gilt vielmehr als mit hohen Schätzunsicherheiten behaftet (vgl. [X.]/[X.], [X.] 2016, 50, 57; siehe auch Stock, [X.], [X.]5 f.). So sind etwa [X.]inflüsse des [X.] auf die Preissetzung der Kartellaußenseiter zu erwarten (sog. umbrella effect, Preisschirmeffekt). Die Methode zählt denn auch nicht zu den ökonomisch allgemein anerkannten Schätzverfahren (vgl. etwa [X.]uropäische Kommission, Praktischer Leitfaden zur [X.]rmittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 oder 102 A[X.]UV vom 11. Juni 2013 - [X.] (2013) 205, Rn. 26 ff.; [X.], [X.], 2009, [X.] ff.; [X.]llger, [X.] 2011, 191, 202 ff.; Stock, [X.], [X.] ff.). In aller Regel wird daher die Betrachtung eines kartellfreien Vergleichsmarkts oder ein kostenbasierter Vergleich einer marktinternen Analyse vorzuziehen sein. Vor diesem Hintergrund wäre es erforderlich gewesen, dass das [X.] die Geeignetheit der - in der Rechtsprechung des [X.] bisher nicht anerkannten - Methode darlegt und dabei auch deren Schwachpunkte im konkreten Fall und den Korrekturbedarf wegen möglicher systematischer Schätzfehler eingehend analysiert und in den Urteilsgründen mitteilt.

c) Das [X.] hat jedoch schon ohne eine zureichende Begründung angenommen, dass die Preise der Vergleichsunternehmen nicht durch das Kartell beeinflusst waren ([X.], 37). Die bindenden Feststellungen des Bußgeldbescheids vom 12. Februar 2009 legen allerdings einen solchen Preisschirmeffekt (vgl. [X.]uGH, [X.]/[X.] [X.]U-R 3030 [X.]) nahe. Insbesondere ein hoher Grad der Marktabdeckung, eine längere Dauer der Zuwiderhandlung und eine Produkthomogenität sprechen dafür, dass sich auch die Preissetzung von Kartellaußenseitern - bewusst oder unbewusst - an den [X.] orientiert (vgl. [X.]/[X.], Schadensersatz bei [X.], [X.] ff.; [X.], [X.] 2017, 379; [X.]/[X.], [X.] 2013, 228, 230 ff.). Die [X.] Mitgliedsunternehmen des D.  verfügten über große Marktanteile und praktizierten die Kartellierung über eine lange Zeit. Daher reicht die in den Urteilsgründen allein zu findende bloße Annahme, die zum Vergleich herangezogenen Preise der freien Anbieter seien nicht durch das Kartell beeinflusst, nicht aus, um einen Preisschirmeffekt rechtsfehlerfrei zu verneinen. [X.] erörtert das [X.] diesen Gesichtspunkt nicht näher.

d) Darüber hinaus steht die [X.] nicht im [X.]inklang mit den marktimmanenten Umständen und möglichen Preissetzungsanreizen der [X.]n. Vielmehr fehlt es an nachprüfbar dargelegten, realistischen Anhaltspunkten für die der Schätzung zugrunde liegende Wahrscheinlichkeitsaussage, dass die Durchschnittspreise der [X.]n unter Wettbewerbsbedingungen jenen der Vergleichsunternehmen entsprochen hätten (vgl. zu den [X.]rfordernissen Bornkamm/[X.] in [X.]/Bunte, Kartellrecht, 13. Aufl., § 34 GWB Rn. 13; [X.]mmerich in [X.]/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., § 34 GWB Rn. 21). Die Annahmen des [X.]s, dass einerseits die freien Anbieter ihre Preise unabhängig von den Preisen der [X.] gesetzt, andererseits aber die [X.], hätte es das Kartell nicht gegeben, ihre Preise an den Preisen der freien Anbieter orientiert hätten, sind nicht ohne weiteres miteinander vereinbar. Denn in demselben Markt tätige, rational handelnde Unternehmen werden ihre Preise grundsätzlich nicht vollkommen unabhängig voneinander setzen. Der Ansatz des [X.]s lässt besorgen, dass es aus dem Blick verloren hat, die Preise zu ermitteln, die von der [X.]n wahrscheinlich gesetzt worden wären, hätte es das Kartell nicht gegeben, und statt dessen auf Preise gezielt hat, die die [X.] in einem idealen Markt nicht hätte überschreiten können. [X.]in solches Vorgehen ist jedoch mit der - nicht quantifizierbaren - Gefahr einer systematischen Fehleinschätzung [X.] verbunden.

aa) Auch bei einer marktinternen Vergleichsanalyse sind zur Vermeidung systematischer Schätzfehler wettbewerbsimmanente Gründe für Preisunterschiede zwischen der [X.]n und den Vergleichsunternehmen korrigierend zu berücksichtigen (vgl. [X.]/[X.], [X.] 2016, 50, 56 f.). Denn trotz der notwendig identischen Gesamtstruktur des Marktes kann ein unterschiedliches Preisniveau der Unternehmen von marktimmanenten und demnach nicht kartellbedingten Preisdeterminanten abhängen. Dies hat das [X.] im Grundsatz auch erkannt. Denn als solche strukturellen [X.]lemente hat es zutreffend (etwa durch schwankende [X.]inkaufspreise verursachte) zeitliche und zudem regionale Preisunterschiede identifiziert und seine Schätzung entsprechend modifiziert.

bb) Als einen weiteren [X.] hat das [X.] zudem die verschiedenen "Tankmodelle" erkannt. [X.]inen kartellbedingten Mehrerlös hat es nur bei den Kunden mit eigenem Tank festgestellt. Indes hat es hierbei nicht erläutert, ob ein höherer Anteil an Stammkunden mit teureren Alttarifen bei der [X.]n zu einer systematischen Differenz in den Durchschnittspreisen der Anbieter geführt haben könnte (vgl. [X.]/[X.], [X.] 2016, 50, 57 [X.]. 62). Die Vergleichsunternehmen könnten anteilig über mehr "Wechselkunden" - denen sie aufgrund von Wechselkosten (Tankerwerb) besonders günstige Konditionen bieten mussten - verfügt haben als die [X.]. Hierfür sprechen die Feststellungen des Bußgeldbescheids, wonach erst seit etwa Mitte der 1990er Jahre ein "nennenswerter Außenwettbewerb" durch freie Anbieter mit steigenden Marktanteilen stattfand ([X.]). Zudem hat das [X.] die [X.]ansaktionsdaten von "[X.]", denen ebenfalls besonders attraktive Preise gewährt wurden, mit dem - wohl höheren - Anteil in die Vergleichsbetrachtung eingehen lassen, den diese Kunden am Absatz der Vergleichsunternehmen hatten (vgl. [X.]6 ff.). Dass die [X.] ohne die Zuwiderhandlung über einen vergleichbar hohen Anteil an preissensiblen Kunden mit günstigen Tarifen verfügt hätte, zeigen die Urteilsgründe nicht auf. Dass eine subjektive Kundenbindung auch bei den freien Anbietern vorzufinden sei ([X.]7), ist hierfür keine ausreichende Begründung.

cc) Rechtsfehlerhaft hat das [X.] zudem eine Kostenheterogenität der verglichenen [X.] nicht überprüft. Insbesondere [X.]ansportkosten in anderer Höhe zählen zu den objektiven [X.]en (vgl. [X.]/[X.], [X.] 2009, 30, 34 mwN), die kartellunabhängig das Preissetzungsverhalten beeinflussen und daher notwendige Abschläge von dem an sich ermittelten Mehrerlös bedingen können. [X.]s ist trotz der von der [X.]n genutzten Ausfuhrkooperation keineswegs ausgeschlossen, dass die als Vergleichsunternehmen herangezogenen freien Anbieter geringere Lieferkosten hatten. Denn sie waren den Urteilsgründen zufolge überwiegend mit regionalen Schwerpunkten tätig, was ebenfalls eine effiziente [X.]ansportkostenstruktur nahelegt. Auch der im [X.] errechnete "[X.]" der [X.]n - deren Preise also insoweit günstiger als die der freien Anbieter gewesen sein sollen - schließt einen [X.]ansportkostenvorteil der Vergleichsunternehmen nicht aus. Dieser "[X.]" ist schon deshalb nicht aussagekräftig, weil das [X.] die Mietpreise für den Tank und damit das "Leistungsbündel" (vgl. [X.], Beschluss vom 6. November 1984 - [X.] 13/83, [X.]/[X.] [X.] 2103, 2105 - Favorit) außer Betracht gelassen hat.

e) Durch die aufgezeigten [X.] ist die Beschwerdeführerin im [X.]rgebnis beschwert. Das [X.] hätte den kartellbedingten Mehrerlös allerdings lediglich unterschätzt, sollte es einen positiven, zu einer Preissteigerung der Kartellaußenseiter führenden Preisschirmeffekt außer Acht gelassen haben. [X.]inen negativen Preisschirmeffekt (vgl. dazu [X.]/[X.], [X.] 2016, 50, 55; [X.]/[X.]/[X.], [X.] 2014, 1043, 1047 [X.]. 10) legen die sonstigen Feststellungen nicht nahe. Indes ist die [X.] durch die weiteren (möglichen) Schätzfehler beschwert, denn diese könnten einzeln wie gemeinsam dazu geführt haben, dass das [X.] den Mehrerlös zu hoch festgesetzt hat. Dass ein übersehener positiver Preisschirmeffekt diese Schätzunsicherheiten jedenfalls kompensiert, vermag der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Grundlagen in den Urteilsgründen nicht sicher festzustellen. Da der systematische Schätzfehler nicht quantifizierbar ist, kann daran auch der vom [X.] vorgenommene Sicherheitsabschlag nichts ändern.

f) Nicht zu entscheiden braucht der Senat, ob die [X.] - die weitaus meisten Vergleichspreise stammen nur von der H.     - und die Datendichte den rechtlichen Anforderungen gerecht werden. [X.]benso wenig kommt es darauf an, ob ein (rechtsfehlerfrei festgestellter) "[X.]" im [X.] den kartellbedingten Mehrerlös schmälern könnte.

2. Die rechtsfehlerhafte [X.], auf der der Bußgeldausspruch beruht (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 337 [X.]), nötigt zu dessen Aufhebung mit den zugehörigen Feststellungen. Auch die Feststellungen zu den Gesamtumsätzen der [X.]n nach § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB 2005/2007 haben keinen Bestand. Das neue Tatgericht wird - soweit wie für den Günstigkeitsvergleich erforderlich - die Gesamtumsätze der [X.]n in dem seiner (neuen) [X.]ntscheidung vorausgehenden Geschäftsjahr festzustellen haben (§ 81 Abs. 4 Satz 2 GWB 2005; vgl. [X.]St 58, 158 Rn. 65, 73 - [X.]). Um dem neuen Tatgericht eine insgesamt widerspruchsfreie Beurteilung der wirtschaftlichen [X.]inheiten zu ermöglichen, hat der Senat die Feststellungen ebenfalls aufgehoben, die den Gesamtumsätzen des Jahres 2008 (und des nunmehr bedeutungslosen Jahres 2013) zugrunde liegen.

3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin: Aufgrund der komplexen Marktverhältnisse empfiehlt sich die [X.]inschaltung eines Sachverständigen, um den kartellbedingten Mehrerlös der [X.]n bestimmen zu können. Angesichts (und trotz) des weiteren Zeitablaufs seit der Verkündung des angefochtenen Urteils wird sich dabei die Frage neu stellen, ob eine zeitliche Vergleichsmarktanalyse die vorzugswürdige Schätzmethode ist. Auch kann als kostenbasiertes Verfahren die "gesamtwirtschaftliche Analyse" (vgl. dazu [X.]St 52, 1 Rn. 19 - [X.]) in Betracht zu ziehen sein.

III. Von der Aufhebung des [X.] unberührt bleibt die [X.]ntscheidung des [X.]s, eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung von "knapp vier Monaten" zugunsten der [X.]n festzustellen ([X.]). Wie ihr auf die Rechtsfolgen bezogener Aufhebungsantrag ([X.]) belegt, wendet sich die Rechtsbeschwerde mit der Sachrüge auch hiergegen. Insoweit bleibt das Rechtsmittel erfolglos. Die [X.] weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der [X.]n auf, auch wenn sich die pauschalen Feststellungen der rechtlichen Überprüfung entziehen. Mehr als die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] kam aufgrund der kurzen Dauer der Verzögerung ohnehin nicht in Betracht. [X.]ine weitergehende rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung drängt sich nach den Urteilsgründen nicht auf.

[X.]     

        

Meier-Beck     

        

Raum   

        

Sunder     

        

Hohoff     

        

Meta

KRB 10/17

09.10.2018

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 13. Mai 2014, Az: VI-4 Kart 8/10 (OWi)

§ 67 Abs 2 OWiG, § 1 GWB, § 19 GWB, § 81 Abs 2 GWB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.10.2018, Az. KRB 10/17 (REWIS RS 2018, 3080)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3080

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VI-Kart 3/05 (OWi) (Oberlandesgericht Düsseldorf)


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3 StR 275/17

3 StR 139/14

1 StR 523/15

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