Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.02.2014, Az. B 1 KR 30/13 B

1. Senat | REWIS RS 2014, 7985

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Gegenstand

Keine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung bei Fragen tatsächlicher Art - Therapiemöglichkeit für ein einzelnes Leiden


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 7. Februar 2013 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren auf Freistellung von den Kosten einer ambulanten Liposuktion mit vier Behandlungseinheiten im Verwaltungsverfahren und auf Kostenerstattung der 2011 durchgeführten Behandlungen in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das [X.] hat zur Begründung ausgeführt, die Klage sei unzulässig, soweit die Klägerin Kostenerstattung für die Liposuktion der Arme geltend mache, weil es insoweit an einer Entscheidung der Beklagten fehle. Im Übrigen sei die Liposuktion der Beine nicht Gegenstand einer Sachleistung, weil eine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses ([X.]) fehle. Ein Systemversagen liege nicht vor. Die gegenüber dem [X.] antragsberechtigten Stellen hätten nicht willkürlich oder aufgrund sachfremder Erwägungen von einem Antrag abgesehen. Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erlaubten die vorliegenden Studien keine verlässliche Nutzen-Risiko-Abwägung; die vorhandenen medizinischen Leitlinien seien nicht evidenzbasiert. Ein Anspruch nach Maßgabe der grundrechtsorientierten Leistungsauslegung komme hier nicht in Betracht. Aus dem Lipödem erwachsende psychische Beschwerden seien psychotherapeutisch zu behandeln. Den im Schriftsatz der Klägerin vom [X.] enthaltenen Beweisanträgen könne mangels eines weiteren Ermittlungsbedarfs nicht entsprochen werden (Urteil vom [X.]).

2

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im [X.]-Urteil.

3

II. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 [X.] SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 [X.] SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfahrensfehlers.

4

1. Die Klägerin legt die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.]) notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB [X.]-1500 § 160a [X.]1 [X.]8; [X.]-4100 § 111 [X.] f; [X.]-2500 § 240 [X.] f mwN).

5

Die Klägerin formuliert zwar folgende Frage:

        

"Stellt es ein Systemversagen dar, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss bei der Behandlungsmethode 'Liposuktion bei Lipödemen' ein Verfahren zur Anerkennung als Behandlungsmethode im gesetzlichen Leistungssystem nicht oder nicht rechtzeitig durchführt, wenn diese Methode anerkannte Behandlungsmethode ist?"

6

Der Senat lässt offen, ob die Klägerin damit eine Rechtsfrage hinreichend klar formuliert hat. Jedenfalls legt sie deren Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dar. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt ist" (vgl [X.] Beschluss vom 21.10.2010 - [X.] [X.]/10 B - Rd[X.] 7 mwN). Die Klägerin verweist selbst auf Entscheidungen des erkennenden Senats ([X.]-2500 § 138 [X.]; [X.], 132 = [X.]-2500 § 31 [X.] 3; s ferner auch [X.] [X.]-2500 § 27 [X.] 10 Rd[X.]4 - neuropsychologische Therapie; [X.], 190 = [X.]-2500 § 27 [X.] 12, Rd[X.] 18 - [X.]) und speziell zur Liposuktion auf seinen Beschluss vom 10.5.2012 ([X.] [X.]-2500 § 140f [X.] 1). Sie legt nicht hinreichend dar, wieso danach in rechtlicher Hinsicht noch Klärungsbedarf verblieben ist. Unerheblich ist insoweit, dass ggf neuere tatsächliche Erkenntnisse im Fall einer bestimmten Behandlungsmethode zur Annahme eines Systemversagens führen können. Die Frage nach dem Vorliegen solcher neuerer Erkenntnisse wirft keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Fragen tatsächlicher Art können nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache führen, wenn lediglich die Klärungsbedürftigkeit konkret-individueller oder so genannter allgemeiner (genereller) Tatsachen von nicht normativer Qualität betroffen ist.

7

Die Klägerin legt auch nicht hinreichend dar, wieso die speziell auf die Liposuktion bei [X.] ausgerichtete Fragestellung über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Sie setzt sich nicht mit der Rechtsprechung auseinander, wonach die Frage nach den Therapiemöglichkeiten für ein einzelnes Leiden und dem darauf bezogenen krankenversicherungsrechtlichen Behandlungsanspruch regelmäßig keine Rechtsfrage von "grundsätzlicher" Bedeutung ist (vgl [X.] [X.]-1500 § 160a [X.] 9 Rd[X.] 5 ff; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 16/07 B - Juris Rd[X.] 6).

8

2. Die Klägerin bezeichnet auch einen Verfahrensmangel nicht ausreichend. Nach § 160 Abs 2 [X.] 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf stützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbs 1 SGG), muss die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert darlegen, um den Verfahrensmangel zu bezeichnen (§ 160a Abs 2 [X.] SGG; vgl hierzu [X.] SozR 1500 § 160a [X.] 14, 24, 36).

9

Die Klägerin rügt zwar die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG), legt aber die erforderlichen Umstände einer Pflichtverletzung nicht dar. Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag (zur ausreichenden Wiedergabe nicht protokollierter Beweisanträge in den Urteilsgründen vgl [X.] Beschluss vom 23.7.2013 - [X.] KR 84/12 B - Rd[X.] 5 mwN) bezeichnen, die Rechtsauffassung des [X.] wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl [X.] Beschluss vom 20.7.2010 - [X.] KR 29/10 B - Rd[X.] 5 mwN; [X.] Beschluss vom 1.3.2011 - [X.] KR 112/10 B - Juris Rd[X.] 3 mwN). Die Klägerin gibt nicht hinreichend die Rechtsauffassung des [X.] wieder, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, die von Beweisanträgen umfasst sind. Dies betrifft die von ihr gestellten Beweisanträge mit dem Ziel der Feststellungen, dass ihre bisherige konservative Behandlung erfolglos gewesen sei und auch erfolglos bleiben müsse, dass daneben - abgesehen von der Liposuktion - keine weitere Therapiealternative bestehe und dass das Lipödem bei ihr zu Persönlichkeitsveränderungen mit suizidalen Tendenzen geführt habe. Soweit sie einen vom [X.] abweichenden materiell-rechtlichen Standpunkt einnimmt, vernachlässigt sie, dass die Rechtsauffassung des [X.] maßgebend ist. Indem die Klägerin rügt, das [X.] habe ihrem Beweisantrag nicht entsprochen, dass die Liposuktion eine mittlerweile anerkannte Therapiealternative sei, greift sie lediglich die Beweiswürdigung des [X.] an. Eine auf (behauptete) fehlerhafte Beweiswürdigung gestützte Rüge ist jedoch ausdrücklich nach § 160 Abs 2 [X.] 3 SGG ohne Belang. Hiervon ausgehend legt die Klägerin auch nicht hinreichend dar, wieso sich das [X.] ausgehend von seiner Rechtsauffassung hätte gedrängt fühlen müssen, bei dem Vorsitzenden des [X.] nach dem Verfahrensstand über die Prüfung der Liposuktion als neue Behandlungsmethode des Lipödem nachzufragen.

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

4. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meta

B 1 KR 30/13 B

12.02.2014

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Mainz, 5. Dezember 2011, Az: S 14 KR 69/11, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 27 Abs 1 S 1 SGB 5, § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 5, § 92 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 5, § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB 5, § 135 Abs 1 S 1 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.02.2014, Az. B 1 KR 30/13 B (REWIS RS 2014, 7985)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7985

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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