Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.12.2013, Az. III R 52/11

3. Senat | REWIS RS 2013, 128

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Gegenstand

Kindergeld für einen polnischen selbständig Erwerbstätigen - Voraussetzungen einer Zurückverweisung wegen Änderungsbescheid im Revisionsverfahren


Leitsatz

1. NV: Ist der persönliche Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 eröffnet und Deutschland nach den Art. 13 ff. dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat, ist die Anwendung des Art. 10 der VO Nr. 574/72 nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger nicht die Voraussetzungen des Anhangs I Teil I Buchst. C (bzw. Buchst. D in der ab Mai 2005 geltenden Fassung) der VO Nr. 1408/71 erfüllt .

2. NV: Besteht aufgrund eines Kindergeldänderungsbescheids, der einen Teil des Streitzeitraums betrifft und der nach § 121 i.V.m. § 68 FGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist, auch nur die geringe Möglichkeit, dass sich für diesen Teil des Streitzeitraums tatsächliche Fragen stellen, die bisher nicht geklärt sind, so ist die Sache insoweit regelmäßig nach § 127 FGO an das FG zurückzuverweisen .

Tatbestand

1

I. Im Revisionsverfahren ist der Kindergeldanspruch des [X.] und Revisionsklägers (Kläger) für den [X.]raum Juni 2004 bis August 2006 streitig.

2

Der Kläger ist [X.] Staatsangehöriger. Er betrieb in der [X.] von Oktober 2004 bis März 2008 im Inland ein Gewerbe (Fliesenleger, Trockenbau). Eine Sozialversicherungspflicht in [X.] bestand nicht. In der [X.] von Juni 2004 bis Dezember 2004 war er in [X.] sozialversichert. In der [X.] von Januar 2005 bis August 2006 bestand hingegen auch in [X.] keine Sozialversicherungspflicht. Die Ehefrau des [X.] lebte mit den beiden gemeinsamen Kindern A, geboren im Februar 1994, und B, geboren im Februar 2005, in [X.]. Die Ehefrau war in [X.] vom 1. Juli 2004 bis 31. Dezember 2006 erwerbstätig und bezog in dieser [X.] [X.] Familienleistungen. Für die Folgezeit ab September 2006 hat die Ehefrau keinen neuen Antrag auf Familienleistungen in [X.] gestellt.

3

Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) lehnte den Antrag des [X.] vom 16. April 2008 auf Gewährung von Kindergeld ab. Der Einspruch blieb erfolglos.

4

Nachdem die Familienkasse im erstinstanzlichen Verfahren einen Abhilfebescheid für den [X.]raum September 2006 bis Dezember 2007 erlassen hatte, war vor dem Finanzgericht ([X.]) noch die Gewährung von Kindergeld für A und B für die [X.]räume Juni 2004 bis August 2006 und Januar 2008 bis März 2008 streitig. Die Klage hatte keinen Erfolg. Zur Begründung führte das [X.] im Wesentlichen aus, dass der Kläger für den [X.]raum Januar 2008 bis März 2008 nicht nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitzeiträume maßgeblichen Fassungen (EStG) anspruchsberechtigt gewesen sei. Für den [X.]raum Juni 2004 bis August 2006 habe zwar eine Anspruchsberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG bestanden. Dem Kläger stehe aber kein Kindergeld zu, weil sein Kindergeldanspruch entweder nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG oder bereits mangels Anwendbarkeit der [X.] Kindergeldvorschriften ausgeschlossen sei.

5

Mit der Revision wendet sich der Kläger gegen das klageabweisende Urteil, soweit es den [X.]raum Juni 2004 bis August 2006 betrifft. Er macht eine Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Verordnung ([X.]) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der [X.] zu- und abwandern, in der im Streitzeitraum maßgeblichen Fassung ([X.] 1408/71), verpflichte die Behörden des Beschäftigungsstaats, den dort tätigen Wanderarbeitnehmern Familienleistungen zu gewähren. Seien danach in [X.] als Beschäftigungsstaat die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch nach dem EStG gegeben, müsse [X.] Kindergeld zahlen. Diesen Zweck konterkariere jedoch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Diese Vorschrift sei daher gemeinschaftsrechtswidrig. Deren [X.]srechtswidrigkeit ergebe sich auch daraus, dass sie allein das Bestehen eines Anspruchs auf ausländische --dem [X.] Kindergeld vergleichbare-- Leistungen für einen vollständigen Ausschluss ausreichen lasse, obwohl der [X.] ([X.]) in der Rechtssache Schwemmer klargestellt habe, dass erst ein tatsächlicher Mittelzufluss zu einer relevanten Kollision führen könne. Ferner sei die genannte Norm verfassungswidrig. Jedenfalls hätte in der Vorinstanz eine Festsetzung von Kindergeld nach dem EStG unter Abzug der in [X.] bezogenen Familienleistungen ([X.]) erfolgen müssen.

6

Während des Revisionsverfahrens erließ die Familienkasse einen Teilabhilfebescheid und setzte [X.] für A für den [X.]raum Januar 2005 bis August 2006 in Höhe von 2.755,73 € und für B für den [X.]raum März 2005 bis August 2006 in Höhe von 941,54 € (insgesamt: 3.692,27 €) fest. Hierzu führt der Kläger aus, dass die Anrechnung insoweit rechtsfehlerhaft sei, als auch die in [X.] gewährten und den Betrag von 43 PLN pro Kind und Monat übersteigenden Zahlungen von dem [X.] Kindergeld zum Abzug gebracht worden seien. Diese Zahlungen stellten keine dem [X.] Kindergeld vergleichbaren Leistungen dar.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil, den Ablehnungsbescheid, die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung und den Teilabhilfebescheid vom 28. Februar 2012 aufzuheben, soweit die Kindergeldfestsetzung für die [X.] und B für den [X.]raum Juni 2004 bis August 2006 in Höhe von 154 € pro Kind abgelehnt wurde, und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für diese Kinder für den genannten [X.]raum in Höhe von 154 € pro Kind festzusetzen.

8

Die Familienkasse beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. [X.]ie [X.] der [X.] ist aufgrund eines Organisationsaktes ([X.]eschluss des Vorstands der [X.] Nr. 21/2013 vom 18. [X.]pril 2013 gemäß § 5 [X.]bs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, [X.]mtliche Nachrichten der [X.], [X.]usgabe Mai 2013, S. 6 ff.) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die [X.]eteiligtenstellung der [X.] eingetreten (vgl. Urteil des [X.] --[X.]FH-- vom 22. [X.]ugust 2007 [X.], [X.], 533, [X.], 109, unter II.1.).

III.

[X.]ie Revision hat keinen [X.]rfolg, soweit sie das Kindergeld für [X.] für den Zeitraum Juni 2004 bis Januar 2005 betrifft. Im Übrigen ist sie erfolgreich.

1. Kindergeld für [X.] für Juni 2004 bis Januar 2005

Soweit sich die Klage gegen die [X.]blehnung des Kindergeldes für [X.] für den Zeitraum Juni 2004 bis Januar 2005 richtet, ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 [X.]bs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Insoweit hat das [X.] im [X.]rgebnis zu Recht entschieden, dass dem Kläger kein [X.]nspruch auf Kindergeld nach den §§ 62 ff. [X.] zusteht (§ 126 [X.]bs. 4 [X.]O). [X.]ine [X.]erücksichtigung des [X.] für diesen Zeitraum scheidet aus, weil ein Kind erst ab dem Kalendermonat berücksichtigungsfähig ist, in dem es lebend geboren wird (§ 62 [X.]bs. 1, § 63 [X.]bs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 [X.]bs. 3 [X.]). Im Streitfall war dies der Monat Februar 2005.

2. Kindergeld für [X.] für Juni 2004 bis [X.]ezember 2004 und für [X.] für Februar 2005

[X.]as Urteil ist, soweit es das Kindergeld für [X.] für den Zeitraum Juni 2004 bis [X.]ezember 2004 und für [X.] für den Monat Februar 2005 betrifft, aufzuheben und mangels Spruchreife an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und [X.]ntscheidung zurückzuverweisen (§ 126 [X.]bs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O).

a) Kindergeld für [X.]

Hinsichtlich des vorstehend genannten Zeitraums kommt für [X.] die Gewährung von [X.]ifferenzkindergeld, für den Monat Juni 2004 ggf. sogar die Gewährung von Kindergeld in voller Höhe in [X.]etracht. [X.]llerdings reichen die vom [X.] getroffenen Feststellungen nicht aus, um abschließend zu beurteilen, ob ein solcher [X.]nspruch tatsächlich besteht.

aa) [X.]as [X.] ist davon ausgegangen, dass der nach § 62 [X.]bs. 1 Nr. 2 [X.]uchst. b [X.] anspruchsberechtigte Kläger als Selbständiger nicht die Voraussetzungen erfülle, die in [X.]rt. 2 [X.]bs. 1, [X.]rt. 1 [X.]uchst. a i.V.m. [X.]nhang I Teil I [X.]uchst. [X.] (entspricht ab Mai 2005 [X.]uchst. [X.], ab 2007 [X.]uchst. [X.]) in der im Streitzeitraum geltenden Fassung der [X.] 1408/71 geregelt seien. Zwar seien die hieraus zu ziehenden Schlüsse in der Rechtsprechung der [X.] umstritten. [X.]lle [X.]nsichten führten aber zu dem [X.]rgebnis, dass ein bestehender Kindergeldanspruch vollständig ausgeschlossen sei. Vor diesem Hintergrund hat das [X.] letztendlich offengelassen, ob der persönliche Geltungsbereich der [X.] 1408/71 eröffnet und [X.]eutschland gemäß [X.]rt. 13 ff. der [X.] 1408/71 der zuständige Mitgliedstaat ist.

bb) [X.]iese Fragen können jedoch --sollten die Voraussetzungen eines Kindergeldanspruchs nach § 62 [X.]bs. 1, § 63 [X.]bs. 1 [X.] [X.] nicht offenbleiben.

Ist der persönliche [X.]nwendungsbereich der [X.] 1408/71 eröffnet und [X.]eutschland nach den [X.]rt. 13 ff. dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat, ist die [X.]nwendung des [X.]rt. 10 der Verordnung ([X.]WG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die [X.]urchführung der Verordnung ([X.]WG) Nr. 1408/71 über die [X.]nwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf [X.]rbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der [X.] zu- und abwandern, in der im Streitzeitraum geltenden Fassung ([X.] 574/72) nicht auf jeden Fall deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger nicht die Voraussetzungen des [X.]nhangs I Teil I [X.]uchst. [X.] bzw. [X.]uchst. [X.] der [X.] 1408/71 erfüllt. [X.]er [X.] hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass diese [X.]ntikumulierungsvorschrift auch in einem Fall zur [X.]nwendung kommen kann, in dem der nach [X.] Recht Kindergeldberechtigte die Voraussetzungen des genannten [X.]nhangs nicht erfüllt. [X.]ies kann sich vor allem daraus ergeben, dass die Kinder des [X.]nspruchstellers als Familienangehörige des anderen [X.]lternteils in den persönlichen [X.]nwendungsbereich der [X.] 1408/71 fallen und parallele [X.]nsprüche auf Familienleistungen für denselben Zeitraum bestehen ([X.]surteile vom 19. [X.]pril 2012 III R 87/09, [X.]FH[X.] 237, 150, Rz 24 ff.; vom 16. Mai 2013 III R 8/11, [X.]FH[X.] 241, 511, [X.]St[X.]l II 2013, 1040, Rz 27).

Für den [X.] ist nicht nachprüfbar, ob eine solche Konstellation im Streitfall gegeben ist. [X.]a der Kläger im fraglichen Zeitraum in [X.] sozialversichert war, ist es nicht fernliegend, dass der persönliche Geltungsbereich der [X.] 1408/71 eröffnet ist (vgl. zu dieser Frage im [X.]inzelnen [X.]surteil vom 4. [X.]ugust 2011 III R 55/08, [X.]FH[X.] 234, 316, [X.]St[X.]l II 2013, 619, Rz 14 ff.). [X.]em [X.] ist auch keine Prüfung der [X.]rt. 13 ff. der [X.] 1408/71 möglich, weil hierbei (nur) an diejenigen Tätigkeiten anzuknüpfen ist, hinsichtlich derer die betreffende Person als [X.]rbeitnehmer oder Selbständiger i.S. des [X.]rt. 1 [X.]uchst. a der [X.] 1408/71 gilt (vgl. dazu [X.]surteile in [X.]FH[X.] 234, 316, [X.]St[X.]l II 2013, 619, Rz 27 ff.; vom 15. März 2012 III R 52/08, [X.]FH[X.] 237, 412, [X.]St[X.]l II 2013, 623, Rz 20 ff.; vom 5. Juli 2012 III R 76/10, [X.]FH[X.] 238, 87, [X.]St[X.]l II 2013, 1033, Rz 14 ff.). [X.]as [X.] hat jedoch nicht festgestellt, aufgrund welcher Tätigkeit der Kläger in [X.] sozialversichert war. In diesem Zusammenhang hat der [X.] bereits entschieden, dass die die Zuständigkeit [X.]eutschlands begründende Tätigkeit auch auf einer in einem anderen Mitgliedstaat bestehenden Versicherung beruhen kann (vgl. [X.]surteil in [X.]FH[X.] 238, 87, [X.]St[X.]l II 2013, 1033, Rz 16). Schließlich war die [X.]hefrau des [X.] in [X.] erwerbstätig, so dass für sie möglicherweise der persönliche Geltungsbereich der [X.] 1408/71 eröffnet war.

Sollten die vorstehend genannten Voraussetzungen vorliegen, wird § 65 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] von den unionsrechtlichen [X.]ntikumulierungsvorschriften verdrängt, und zwar im Streitfall von [X.]rt. 10 der [X.] 574/72, weil im [X.] ([X.]) der [X.]nspruch auf Familienleistungen nicht von der [X.]usübung einer [X.]rwerbstätigkeit abhängig ist. [X.]s würde [X.]rt. 10 [X.]bs. 1 [X.]uchst. b Ziff. i der [X.] 574/72 eingreifen, wenn im [X.] eine [X.]erufstätigkeit ausgeübt wird. [X.]anach ruht der [X.] Kindergeldanspruch bis zur Höhe der in dem [X.] ([X.]) vorgesehenen Familienleistungen. [X.]leiben daher die [X.] Familienleistungen der Höhe nach hinter dem [X.]n Kindergeld zurück, schuldet [X.]eutschland [X.]ifferenzkindergeld.

Zudem müsste für den Monat Juni 2004 noch gesondert der Umstand gewürdigt werden, dass die Nichtzahlung [X.] Familienleistungen auf einer fehlenden [X.]ntragstellung beruht (vgl. [X.]surteil vom 18. Juli 2013 III R 51/09, [X.]FH[X.] 242, 222, zu [X.]rt. 10 [X.]bs. 1 [X.]uchst. a der [X.] 574/72).

cc) In diesem Zusammenhang weist der [X.] ergänzend auf Folgendes hin: Sollte bei bestehender [X.]nspruchskonkurrenz der persönliche Geltungsbereich der [X.] 1408/71 eröffnet, [X.]eutschland aber nach den [X.]rt. 13 ff. der [X.] 1408/71 der unzuständige Mitgliedstaat sein, wäre die [X.]nwendung der [X.]n Kindergeldvorschriften (§§ 62 ff. [X.]) nicht bereits wegen des in [X.]rt. 13 [X.]bs. 1 Satz 1 der [X.] 1408/71 geregelten [X.]usschließlichkeitsprinzips ausgeschlossen. Insoweit verweist der [X.] auf sein Urteil in [X.]FH[X.] 241, 511, [X.]St[X.]l II 2013, 1040. [X.]benso hat der [X.] bereits darauf hingewiesen, dass eine Sperrwirkung bei eröffnetem persönlichen [X.]nwendungsbereich der [X.] 1408/71 auch dann ausscheidet, wenn die [X.]usübung der Niederlassungsfreiheit (Freizügigkeit der Selbständigen; [X.]rt. 49 des Vertrags über die [X.]rbeitsweise der [X.]uropäischen Union) in Rede steht ([X.]surteil vom 13. Juni 2013 III R 63/11, [X.]FH[X.] 242, 34, Rz 42 f.). Zu prüfen bliebe jedoch, ob § 65 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] auch dann, wenn nicht --wie in dem [X.]uGH-Urteil vom 12. Juni 2012 [X.]-611/10, [X.]-612/10, [X.] und [X.] (Zeitschrift für europäisches Sozial- und [X.]rbeitsrecht 2012, 475)-- die [X.]rbeitnehmerfreizügigkeit, sondern die Niederlassungsfreiheit betroffen ist, dahingehend europarechtskonform auszulegen ist, dass der [X.]nspruch auf Kindergeld nach dem [X.] nur in entsprechender Höhe gekürzt werden darf.

b) Kindergeld für [X.]

[X.]ie Feststellungen des [X.] reichen nicht aus, um abschließend zu beurteilen, ob dem Kläger für [X.] für den Monat Februar 2005 ein Kindergeldanspruch zusteht.

aa) Nach den [X.]usführungen des [X.] sei für diesen Monat § 65 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] anwendbar, weil der Kläger weder in [X.]eutschland noch in [X.] sozialversicherungspflichtig tätig gewesen ist.

Nach § 65 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] wird Kindergeld nicht für ein Kind gezahlt, für das Leistungen zu zahlen sind oder bei entsprechender [X.]ntragstellung zu zahlen wären, die im [X.]usland gewährt werden und dem Kindergeld oder einer der in § 65 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] genannten Leistungen vergleichbar sind. [X.]essen Tatbestand ist erfüllt, wenn entweder kindergeldähnliche Leistungen nach ausländischem Recht zu zahlen sind oder bei entsprechender [X.]ntragstellung zu zahlen wären. Wird im [X.]usland kein Kindergeld bezogen, ist es daher bereits kindergeldschädlich, wenn ein materiell-rechtlicher [X.]nspruch auf die entsprechende Leistung nach ausländischem Recht besteht. [X.]ei dieser Prüfung hat das [X.] im Grundsatz das maßgebende ausländische Recht gemäß § 155 [X.]O i.V.m. § 293 der Zivilprozessordnung (ZPO) von [X.]mts wegen zu ermitteln und festzustellen (vgl. [X.]surteil vom 13. Juni 2013 III R 10/11, [X.]FH[X.] 241, 562).

bb) [X.]iesen Rechtsgrundsätzen entspricht das [X.]-Urteil nicht. [X.]s hat zwar festgestellt, dass die [X.]hefrau des [X.] jedenfalls ab Juli 2004 [X.] Familienleistungen bezogen hat. [X.]iese Feststellung ist jedoch für den [X.] hinsichtlich des Monats Februar 2005 nicht bindend, weil aus der nur in [X.] Sprache vorliegenden [X.]escheinigung [X.] 411 jedenfalls erkennbar ist, dass für diesen Monat keine [X.] Familienleistungen gezahlt wurden. [X.]anach kann im Streitfall --selbst wenn man im [X.]inklang mit dem [X.] von einer [X.]nwendbarkeit des § 65 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] (und nicht des [X.]rt. 10 der [X.] 574/72) [X.] ein Kindergeldanspruch nur dann ausgeschlossen sein, wenn der [X.]hefrau des [X.] nach dem maßgeblichen Recht in [X.] für den Monat Februar 2005 ein [X.]nspruch auf Familienleistungen zusteht. Feststellungen hierzu fehlen.

cc) Sollte hingegen [X.]rt. 10 der [X.] 574/72 eingreifen, bleibt insbesondere der bereits unter III.2.a bb der Gründe dargestellte Gesichtspunkt zu beachten.

c) [X.]er [X.] weist für den zweiten Rechtsgang außerdem auf Folgendes hin:

aa) [X.]usgangspunkt für die Prüfung des Kindergeldanspruchs des [X.] ist die Frage, ob er nach § 62 [X.]bs. 1 [X.] anspruchsberechtigt ist. Wenn im Streitfall § 62 [X.]bs. 1 Nr. 1 [X.] nicht eingreift, muss das [X.] prüfen, ob eine [X.]nspruchsberechtigung nach § 62 [X.]bs. 1 Nr. 2 [X.]uchst. b [X.] besteht.

Für Kinder i.S. des § 63 [X.] hat nach § 62 [X.]bs. 1 Nr. 2 [X.]uchst. b [X.] [X.]nspruch auf Kindergeld, wer ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen [X.]ufenthalt im Inland nach § 1 [X.]bs. 3 [X.] als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird. Hierzu hat der erkennende [X.] entschieden, dass eine Kindergeldberechtigung nach § 62 [X.]bs. 1 Nr. 2 [X.]uchst. b [X.] voraussetzt, dass der [X.]nspruchsteller aufgrund eines entsprechenden [X.]ntrags vom zuständigen Finanzamt (F[X.]) nach § 1 [X.]bs. 3 [X.] als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird ([X.]surteil vom 24. Mai 2012 III R 14/10, [X.]FH[X.] 237, 239, [X.]St[X.]l II 2012, 897). Maßgeblich ist nicht die [X.]ntragstellung durch den Steuerpflichtigen, sondern wie er die hierauf erfolgende Reaktion des F[X.] in dem maßgeblichen [X.]inkommensteuerbescheid verstehen durfte (vgl. [X.]surteile in [X.]FH[X.] 241, 511, [X.]St[X.]l II 2013, 1040; vom 18. Juli 2013 III R 59/11, [X.]FH[X.] 242, 228).

[X.]as [X.]-Urteil enthält hierzu keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen. [X.]s hat zwar ausgeführt, dass der Kläger --wie auch die [X.]eteiligten zwischenzeitlich übereinstimmend annehmen würden-- für den gesamten Streitzeitraum (Juni 2004 bis [X.]ugust 2006) die Voraussetzungen des § 62 [X.]bs. 1 Nr. 2 [X.]uchst. b [X.] erfülle. Mit dieser pauschalen [X.]ussage sind aber nicht die Tatsachen festgestellt, die erforderlich sind, um eine [X.]ehandlung nach § 1 [X.]bs. 3 [X.] bejahen zu können. Im Übrigen lässt sich dem [X.]-Urteil nicht entnehmen, welchen übereinstimmenden rechtlichen Inhalt die [X.]eteiligten der in § 62 [X.]bs. 1 Nr. 2 [X.]uchst. b [X.] genannten Voraussetzung, wonach der [X.]ntragsteller "nach § 1 [X.]bs. 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt" werden muss, beigemessen haben sollen. [X.]amit bleibt unklar, welche Tatsachen dieser rechtlichen [X.]eurteilung zugrunde liegen sollen.

[X.]nzumerken bleibt, dass sich der bei den Streitakten befindlichen [X.]inkommensteuerakte nicht ohne weiteres entnehmen lässt, dass der Kläger mit [X.]bgabe der [X.]inkommensteuererklärung für 2004 einen [X.]ntrag nach § 1 [X.]bs. 3 [X.] gestellt hat. In der [X.]inkommensteuerakte befindet sich auch kein [X.]inkommensteuerbescheid für 2004. Im Übrigen lässt sich der vom F[X.] ausgestellten [X.]escheinigung lediglich entnehmen, dass das F[X.] den Kläger in den Jahren 2004 bis 2008 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Person geführt hat ([X.]l. 43 der [X.]-[X.]kte).

[X.]ie in der [X.]inkommensteuerakte befindliche [X.]inspruchsentscheidung vom 3. [X.]ezember 2008 wegen [X.]inkommensteuer 2006 gibt zudem Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob [X.] überhaupt in einem Kindschaftsverhältnis zum Kläger steht (vgl. § 63 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 [X.]bs. 1 [X.]).

bb) Wie das [X.] in der angegriffenen [X.]ntscheidung bereits zutreffend entschieden hat, kann eine Kindergeldberechtigung nach § 62 [X.]bs. 1 Nr. 2 [X.]uchst. b [X.] (nur) in den Monaten des betreffenden Kalenderjahres bestehen, in denen der [X.]nspruchsteller [X.]inkünfte i.S. des § 49 [X.] erzielt hat (vgl. dazu [X.]surteile in [X.]FH[X.] 241, 511, [X.]St[X.]l II 2013, 1040, m.w.N.; in [X.]FH[X.] 242, 228). [X.]emnach bliebe für den Fall, dass das F[X.] den Kläger nach § 1 [X.]bs. 3 [X.] behandelt hat, noch zu prüfen, in welchen Monaten der Kläger nach § 49 [X.]bs. 1 Nr. 2 [X.] inländische [X.]inkünfte erzielt hat.

3. Kindergeld für [X.] für Januar 2005 bis [X.]ugust 2006 und für [X.] für März 2005 bis [X.]ugust 2006

[X.]as Urteil ist, soweit es das Kindergeld für [X.] für den Zeitraum Januar 2005 bis [X.]ugust 2006 und das Kindergeld für [X.] für den Zeitraum März 2005 bis [X.]ugust 2006 betrifft, nach § 127 [X.]O aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und [X.]ntscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

a) [X.]er angegriffene [X.]blehnungsbescheid und die hierzu ergangene [X.]inspruchsentscheidung wurden für die vorstehend genannten Zeiträume durch den [X.]escheid vom 28. Februar 2012 (Festsetzung von [X.]ifferenzkindergeld) geändert. [X.]ieser Änderungsbescheid wurde nach § 121 i.V.m. § 68 [X.]O zum Gegenstand des Verfahrens. Somit ist die Vorentscheidung insoweit gegenstandslos geworden (vgl. dazu [X.]surteil vom 28. Juni 2012 III R 86/09, [X.]FH[X.] 238, 68, [X.]St[X.]l II 2013, 855).

b) [X.]er [X.] macht von der Möglichkeit des § 127 [X.]O Gebrauch.

aa) Ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, hängt im Wesentlichen von prozessökonomischen Gründen ab. So wird der [X.]FH regelmäßig in der Sache selbst entscheiden, wenn sie spruchreif ist. Hingegen wird er regelmäßig nach § 127 [X.]O vorgehen, wenn auch nur eine geringe Möglichkeit besteht, dass sich aufgrund des Änderungsbescheids tatsächliche Fragen stellen, die bisher noch nicht geklärt sind ([X.]ergkemper in [X.]/[X.]/[X.], § 127 [X.]O Rz 10).

bb) Im Streitfall führt der Änderungsbescheid --geht man mit der Familienkasse vom [X.]ingreifen des [X.]rt. 10 [X.]bs. 1 [X.]uchst. b Ziff. i der [X.] 574/72 [X.] nicht lediglich zu einer Reduzierung des Streitstoffs, sondern es kann ein neuer Streitpunkt auftreten, der weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich macht.

[X.]er Kläger betrachtet die erfolgte [X.]nrechnung der [X.] Familienleistungen zwar nur insoweit für rechtsfehlerhaft, als auch die den [X.]etrag von 43 PLN pro Kind und Monat übersteigenden Zahlungen vom [X.]n Kindergeld zum [X.]bzug gebracht worden sind. Feststellungen dazu, ob es sich bei diesen Zahlungen um dem Kindergeld vergleichbare Leistungen handelt, fehlen, da diese Frage erst durch den Änderungsbescheid entstanden ist. [X.]aneben würde sich aber ggf. auch die alle [X.]nrechnungsmonate betreffende Rechtsfrage stellen, anhand welchen Wechselkurses die [X.] Leistungen in [X.]uro-[X.]eträge umzurechnen sind. [X.]ei [X.]nwendung des [X.]rt. 10 der [X.] 574/72 kommen verschiedene Zeitpunkte zur [X.]rmittlung des Wechselkurses in [X.]etracht (vgl. dazu die [X.]uGH-Vorlage des [X.] [X.]aden-Württemberg vom 18. [X.]pril 2013  3 K 4100/12, [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte --[X.][X.]-- 2013, 1143). Feststellungen hierzu liegen ebenfalls nicht vor.

cc) [X.]er [X.] verkennt nicht, dass die vorbezeichnete Fragestellung nicht entscheidungserheblich ist, wenn für den Kläger, der weder in [X.]eutschland noch in [X.] sozialversichert war, § 65 [X.] mangels [X.]röffnung des persönlichen Geltungsbereichs der [X.] 1408/71 zur [X.]nwendung käme und eine europarechtskonforme [X.]uslegung dieser Vorschrift ausschiede, so dass kein Kindergeldanspruch des [X.] bestünde (so [X.] München, Urteil vom 27. September 2012  5 K 2428/12, [X.][X.] 2013, 460; [X.] [X.]erlin-[X.]randenburg, Urteil vom 20. [X.]ezember 2012  4 K 4176/06 [X.], juris, nicht rechtskräftig, [X.]z. des [X.]FH: III R 1/13; so u.U. auch [X.]FH-Urteil vom 5. September 2013 XI R 52/10, [X.]FH/NV 2014, 33; a.[X.]. u.U. [X.] Köln, Urteil vom 30. Januar 2013  15 K 47/09, [X.][X.] 2013, 797, nicht rechtskräftig, [X.]z. beim [X.]FH: XI R 10/13).

Im Streitfall ist jedoch zu beachten, dass die Familienkasse u.a. aufgrund der [X.]rwerbstätigkeit der [X.]hefrau in [X.] vom [X.]ingreifen des [X.]rt 10 [X.]bs. 1 [X.]uchst. b Ziff. i der [X.] 574/72 ausgegangen ist. [X.]er [X.] möchte daher möglichen tatsächlichen und rechtlichen Überlegungen nicht vorgreifen. [X.]ußerdem bleibt zu beachten, dass im Streitfall noch nicht hinreichend festgestellt ist, ob der Kläger überhaupt nach § 62 [X.]bs. 1 [X.] kindergeldberechtigt ist.

4. [X.]ie Kostenentscheidung wird dem [X.] für das gesamte Verfahren, auch soweit die Revision keinen [X.]rfolg hatte, gemäß § 143 [X.]bs. 2 [X.]O übertragen (vgl. [X.]FH-Urteil vom 6. November 2008 IV R 6/06, [X.]FH/NV 2009, 763, unter [X.]; [X.]randis in Tipke/ [X.], [X.]bgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 143 [X.]O Rz 15).

Meta

III R 52/11

18.12.2013

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 13. Juli 2011, Az: 15 K 2319/09 Kg, Urteil

§ 1 Abs 3 EStG 2002, § 62 EStG 2002, § 68 FGO, § 121 FGO, § 127 FGO, Art 1 Buchst a EWGV 1408/71, Art 2 Abs 1 EWGV 1408/71, Art 13 EWGV 1408/71, Art 10 EWGV 574/72, EStG VZ 2005, EStG VZ 2006, Art 13ff EWGV 1408/71, §§ 62ff EStG 2002, § 65 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002, § 62 Abs 1 EStG 2002, § 62 Abs 1 Nr 2 Buchst b EStG 2002 vom 13.12.2006, Art 49 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.12.2013, Az. III R 52/11 (REWIS RS 2013, 128)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 128

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