Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.06.2019, Az. I ZR 159/18

1. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 6520

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Gegenstand

(Streitwert bei Eingrenzung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrags auf konkrete Verletzungsform)


Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 4. September 2018 wird auf Kosten der [X.] als unzulässig verworfen, weil der Wert der von der [X.] mit einer Revision geltend zu machenden Beschwer zwanzigtausend Euro nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO, §§ 544, 97 Abs. 1 ZPO).

Streitwert: 20.000 €

Gründe

1

[X.] Die Beklagte befasst sich mit der Herstellung und dem Vertrieb des Lebensmittels [X.]. Die Beklagte warb für ihr Produkt in einem als "Anzeige" gekennzeichneten werblichen Beitrag in der Ausgabe Nr. 16 der Zeitschrift "[X.]", welcher mit "Abnehmen mit [X.][X.]" überschrieben war und folgende Angabe enthielt:

Hochwertiges Soja und probiotischer Magermilchjoghurt versorgen den Körper - die Muskeln - mit wertvollem Eiweiß.

2

Das Berufungsgericht hat die Beklagte - soweit für das vorliegende Verfahren noch von Bedeutung - unter Androhung von [X.] verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

für das Erzeugnis "[X.]" mit der Angabe zu werben: "probiotischer", sofern dies geschieht wie folgt [Einblendung der Anzeige].

3

Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.

4

I[X.] [X.] ist unzulässig, weil der Wert der von der [X.] mit einer Revision geltend zu machenden Beschwer zwanzigtausend Euro nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO, §§ 544, 97 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht ist im Hinblick auf den in Rede stehenden Unterlassungsantrag von einem Streitwert von 20.000 € ausgegangen. Dieser Wert entspricht der mit der von der [X.] angestrebten Revision geltend zu machenden Beschwer.

5

1. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung des Urteils. Wendet sich - wie hier - die beklagte [X.] mit der Revision gegen die in den Vorinstanzen zu ihren Lasten titulierte [X.], so richtet sich der Wert der Beschwer nach ihrem gemäß § 3 ZPO grundsätzlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bemessenden Interesse an der Beseitigung dieser Verpflichtung. Der so zu bemessende Wert der Beschwer entspricht zwar nicht zwangsläufig, aber doch regelmäßig dem nach dem Interesse der klagenden [X.] an dieser Verurteilung zu bemessenden Streitwert. Denn das Interesse des [X.] an einer Unterlassung ist pauschalierend und unter Berücksichtigung von Bedeutung, Größe und Umsatz des Verletzers, Art, Umfang und Richtung der Verletzungshandlung sowie subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers, wie etwa dem Verschuldensgrad, zu bewerten. Auf eine höhere Beschwer im Fall der Verurteilung hat die beklagte [X.] deshalb schon in den Vorinstanzen hinzuweisen (vgl. [X.], Beschluss vom 29. März 2018 - [X.], [X.], 655 Rn. 8 f. mwN). Einer beklagten [X.], die weder die Streitwertfestsetzung in den Vorinstanzen beanstandet noch sonst glaubhaft gemacht hat, dass für die Festlegung des Streitwerts maßgebliche Umstände, die bereits dort vorgebracht worden sind, nicht hinreichend berücksichtigt worden sind, ist es regelmäßig versagt, sich erstmals im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde noch auf einen höheren, die erforderliche Rechtsmittelbeschwer erreichenden Wert zu berufen (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Mai 2012 - [X.], juris Rn. 4; Beschluss vom 9. Dezember 2014 - [X.], juris Rn. 7; Beschluss vom 5. März 2015 - I ZR 161/14, juris Rn. 5, jeweils mwN). Der Beschwerdeführer muss, um dem Revisionsgericht die Prüfung der in § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO geregelten Wertgrenze von 20.000 € zu ermöglichen, bereits innerhalb der laufenden Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (auch) darlegen und glaubhaft machen, dass er mit der beabsichtigten Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt, abändern lassen will ([X.], Beschluss vom 5. Februar 2019 - [X.], [X.], 662 Rn. 16 = [X.], 485 mwN).

6

2. Nach diesen Grundsätzen beträgt der [X.] für den noch in Rede stehenden Unterlassungsantrag 20.000 €.

7

a) [X.] macht geltend, im Streitfall sei unabhängig von der erst- und zweitinstanzlichen Streitwertfestsetzung jedenfalls das Interesse der [X.] an der Aufhebung ihrer Verurteilung mit weit mehr als 20.000 € zu bewerten. Die Beklagte vertreibe das Produkt "[X.]" in einer mit dem Produktnamen bedruckten und durch einen Deckel verschlossenen Dose. Unterhalb des Deckels befinde sich ein Beileger, in dessen Text bislang unter anderem das Wort "probiotisch" verwendet worden sei. Am 18. September 2018 hätten sich im Lager der [X.] mit diesem Beileger ausgestattete "[X.]"-Produkte im Gesamtwert von 10.202.000 € befunden. Allein das Entfernen dieser Einleger hätte Kosten in Höhe von 74.400 € verursacht. Weitere bereits gedruckte, aber noch nicht in die Dosen gepackte 300.000 Einleger seien bereits zu Kosten in Höhe von 11.500 € entsorgt worden. Zur Glaubhaftmachung der Richtigkeit dieser Angaben hat die Beschwerde die eidesstattliche Versicherung des bei der [X.] als "Chief Operating Officer" in leitender Funktion tätigen Mitarbeiters sowie ein Exemplar des den Dosen beigefügten Beilegers vorgelegt.

8

b) Damit hat die Beschwerde keinen Erfolg.

9

aa) [X.] hat ihren Vortrag bereits nicht - wie geboten (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Februar 2012 - I ZR 142/11, juris Rn. 6; Beschluss vom 17. Juli 2013 - [X.], juris Rn. 8; [X.], [X.], 655 Rn. 12) - hinreichend glaubhaft gemacht. Zwar hat die Beschwerde eine eidesstattliche Versicherung des "Chief Operating Officer" der [X.] zu den Akten gereicht. Dort wird aber lediglich pauschal behauptet, die noch nicht den Dosen beigefügten 300.000 Einleger seien zu Kosten in Höhe von 11.500 € entsorgt worden und das Entfernen der Einleger bei dem aktuellen Lagerbestand würde Kosten in Höhe von 74.000 € verursachen. Wie beide Beträge sich zusammensetzen, also welche Positionen zu welchem Preis eingesetzt wurden, ist jedoch nicht dargelegt worden. Die Behauptungen sind damit nicht einlassungsfähig und nicht nachvollziehbar.

bb) [X.] hat zudem nicht dargelegt, dass die Beklagte bereits in den Instanzen einen entsprechenden Vortrag gehalten hat. Sie hat vielmehr nach der Berufungsverhandlung mit anderer Begründung eine Erhöhung des Streitwerts für die nach teilweiser Klagerücknahme nur noch im Streit stehende Angabe "probiotisch" auf 25.000 € und damit auf einen weit niedrigeren Betrag beantragt.

cc) Zudem ist das zur Begründung einer Abänderung der Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts gehaltene Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde unergiebig.

Maßgeblich für die [X.] ist das Interesse des [X.] an der Beseitigung der in Rede stehenden Verpflichtung. Dafür ist nach den dargelegten Grundsätzen unter anderem Umfang und Richtung der Verletzungshandlung maßgebend. Der [X.] ist die Werbung für das Erzeugnis "[X.]" mit der Angabe "probiotischer" untersagt worden, sofern dies geschieht wie in der im Tenor des Berufungsurteils abgedruckten Anzeigenwerbung. [X.] macht jedoch eine Beschwer geltend, die sich nicht aus dem Verbot einer Anzeigenwerbung, sondern aus dem Verbot der Verwendung von bereits hergestellten Produktverpackungen ergibt. Das Verbot von Angaben auf Produktverpackungen verursacht jedoch für den [X.] regelmäßig einen ungleich größeren wirtschaftlichen Schaden als ein bloßes Werbeverbot in Anzeigen, weil nicht lediglich - schwer messbare - Umsatzverluste infolge erreichbarer, tatsächlich aber nicht erreichter Leserkontakte in Rede stehen, sondern bereits konkret getätigte verlorene Aufwendungen für die Produktion der Verpackung, Kosten für die Entsorgung dieser Altpackungen, neue Investitionen für Entwurf und Produktion geänderter Packungen sowie konkret messbare Umsatzausfälle für die Zwischenzeit. Der Angriff von Angaben auf Verpackungen kommt deshalb der Sache nach zumindest teilweise einem Vertriebsverbot gleich und verursacht mithin erheblich größere wirtschaftliche Belastungen als das Verbot einer Anzeigenwerbung. Nur Letzteres hat der Kläger jedoch begehrt, indem er nicht ein Schlechthinverbot der Angabe "probiotischer" beantragt hat, sondern das Verbot dieser Angabe "wie geschehen" in der dem Antrag konkret beigefügten Anzeige. Wegen der Eingrenzung des Klageantrags auf die konkrete Verletzungsform kann nicht davon ausgegangen werden, er habe sich generell gegen die beanstandete Angabe wenden und damit das Prozesskostenrisiko eingehen wollen, welches mit dem Verbot der Produktverpackung einhergeht.

Koch     

        

Schaffert     

        

Löffler

        

Schwonke     

        

Feddersen     

        

Meta

I ZR 159/18

06.06.2019

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 4. September 2018, Az: 13 U 37/18, Urteil

§ 26 Nr 8 ZPOEG, § 3 ZPO, § 97 Abs 1 ZPO, § 544 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.06.2019, Az. I ZR 159/18 (REWIS RS 2019, 6520)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6520

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