Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.10.2014, Az. B 10 EG 15/14 B

10. Senat | REWIS RS 2014, 2443

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Gegenstand

(Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - Elterngeldanspruch - nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer - Aufenthaltstitel - Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit - Verfassungsrecht - Gleichheitssatz - Reichweite der Nichtigkeitserklärung von § 1 Abs 7 Nr 3 Buchst b BEEG durch das BVerfG)


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 24. Juni 2014 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Klägerin, ihr zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt [X.], [X.], beizuordnen, wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt die Gewährung von Elterngeld nach dem [X.] ([X.]) für die ersten 12 Lebensmonate ihres am [X.] geborenen [X.] Sie ist [X.] Staatsangehörige und hält sich seit dem [X.] in [X.] auf. In der [X.] vom [X.] bis 8.11.2009 war sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 [X.] ([X.]) mit der Bestimmung, dass die Erwerbstätigkeit nicht gestattet sei.

2

Mit Urteil vom 24.6.2014 hat das [X.] einen Leistungsanspruch der Klägerin verneint, weil sie die Voraussetzungen des § 1 Abs 7 [X.] nicht erfülle. Die Klägerin sei nicht im Besitz einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 1 Abs 7 [X.] [X.]. Da sie einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs 3 bis 5 [X.] besitze, lägen auch die Voraussetzungen des § 1 Abs 7 [X.] c [X.] nicht vor. Darüber hinaus erfülle die Klägerin aber auch nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs 7 [X.] [X.]. Zwar sei nach der Entscheidung des [X.] vom 10.7.2012 (1 BvL 2/10, 3/10, 4/10 und 3/11 - NVwZ-RR 2012, 825) nicht mehr erforderlich, dass die Klägerin gemäß § 1 Abs 7 [X.] [X.] berechtigt erwerbstätig gewesen sei, Geldleistungen nach dem [X.] bezogen habe oder in Elternzeit gewesen sei. Jedoch fehle bei ihr weiterhin die Voraussetzung einer zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigenden Aufenthaltserlaubnis. Dieses Ergebnis sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich und stehe im Einklang mit Art 3 Abs 1 GG. Die Gewährung einer Sozialleistung, die Eltern einen solchen Anreiz zum Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit geben wolle, verfehle ihr Ziel, wenn eine solche Erwerbstätigkeit demjenigen Elternteil, der zur Betreuung des Kindes bereit sei, rechtlich nicht erlaubt sei.

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim [X.] Beschwerde eingelegt, die sie mit dem Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] SGG) begründet unter Hinweis auf die Entscheidung des [X.] vom 10.7.2012 (1 BvL 2/10 bis 4/10 und 1 BvL 3/11). Für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde hat die Klägerin die Gewährung von Prozesskostenhilfe ([X.]) unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten beantragt.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden.

5

Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 [X.] SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl [X.] § 160 [X.]7; [X.], 158 = [X.] 1500 § 160a [X.]1; [X.] § 160a [X.] 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

6

Die Klägerin misst folgender Frage grundsätzliche Bedeutung bei:

        

"Ist die Berechtigung einer nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländerin zum Elterngeldbezug bei Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 1 Abs. 7 [X.]. 2 c) [X.] und eines dreijährigen rechtmäßigen, gestatteten oder geduldeten Aufenthalts im [X.] nach § 1 Abs. 7 [X.]. 3 a) [X.] gegeben, ohne dass es einer ausdrücklichen Nebenbestimmung im Aufenthaltstitel zur Erlaubnis einer Beschäftigung bedarf?"

7

Es fehlt an hinreichenden Ausführungen der Klägerin zur Klärungsbedürftigkeit der mit ihrer Frage angesprochenen rechtlichen Gegebenheiten. Insoweit wäre eine intensivere Auseinandersetzung mit der vorliegenden und auch von der Klägerin benannten höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlich gewesen, um darzulegen, inwiefern sich darin nicht bereits genügend Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Frage finden lassen (vgl dazu allgemein [X.] [X.] 3-1500 § 146 [X.] 2). Die Behauptung, die Rechtsfrage sei trotz der zitierten einschlägigen Rechtsprechung des [X.] weiterhin klärungsbedürftig unter anderem deshalb, weil diese Entscheidungen vor der grundlegenden Entscheidung des [X.] vom 10.7.2012 erfolgt seien, genügt den Darlegungserfordernissen nicht. Der [X.] hat insbesondere mit Teilurteil vom 30.9.2010 ([X.] EG 9/09 R - [X.]E 107, 1 = [X.] 4-7837 § 1 [X.] 2) ausgeführt, dass nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer nach § 1 Abs 7 [X.] 2 [X.] 1 [X.] erst von dem [X.]punkt an anspruchsberechtigt sind, in dem sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat. Ferner hat der [X.] in dieser Entscheidung ausgeführt, dass das [X.] mit dieser Vorschrift hinsichtlich der Anspruchsberechtigung nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer und Ausländerinnen im Wesentlichen die entsprechende Regelung im § 1 Abs 6 Bundeserziehungsgeldgesetz ([X.]) in der Fassung des Art 3 [X.] Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13.12.2006 ([X.] 2915) übernommen hat (vgl BT-Drucks 16/1889, [X.]). Die Bedeutung des § 1 Abs 7 [X.] kann deshalb nicht losgelöst von der im Wesentlichen gleichlautenden Regelung im [X.] beurteilt werden (vgl [X.], aaO, Rd[X.] 23). Insoweit hat das [X.] zu § 1 Abs 6 [X.] entschieden, dass die Entstehung eines Anspruchs auf Erziehungsgeld für einen Ausländer, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der [X.] oder eines Vertragsstaates des [X.] hat, an den "Besitz" bestimmter aufenthaltsrechtlicher Titel knüpft (s zu dem gesetzlichen Erfordernis des Besitzes eines der genannten Aufenthaltstitel [X.] [X.] 3-7833 § 1 [X.]2, 18). Besitz ist dabei nur die "tatsächliche Innehabung" des Aufenthaltstitels ([X.] aaO), nicht der bloße Anspruch darauf. Mit der Anspruchsvoraussetzung des Besitzes eines Aufenthaltstitels schließt es das Gesetz aus, aufenthaltsrechtliche Fragen im Rahmen des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens betreffend den Anspruch auf Erziehungsgeld zu klären ([X.] Teilurteil vom 3.12.2009 - [X.] EG 6/08 R - [X.]E 105, 70 = [X.] 4-7833 § 1 [X.]0, Rd[X.]3). Diese Rechtsprechung hat der [X.] auch für die Geltung des [X.] weiterhin aufrechterhalten, da es auch nach § 1 Abs 7 [X.] 2 [X.] 1 [X.] auf den Besitz einer entsprechenden Aufenthaltserlaubnis ankommt, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat (vgl [X.] Teilurteil vom [X.] EG 9/09 R - [X.]E 107, 1 = [X.] 4-7837 § 1 [X.] 2, Rd[X.] 24 ff). Diese Auslegung knüpft an die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zum Bundeserziehungsgeld und zum Kindergeld an und ist verfassungsrechtlich unbedenklich (s Darstellung in [X.], aaO, Rd[X.] 29 bis 32 sowie Rd[X.]6). Eine Auseinandersetzung mit dieser genannten Rechtsprechung hat die Klägerin unterlassen. Gleiches gilt hinsichtlich des von ihr benannten Beschlusses des [X.].

8

Das [X.] hat mit dem von der Klägerin vorgebrachten Beschluss vom 10.7.2012 (1 BvL 2/10, 3/10, 4/10 und 3/11 - NVwZ-RR 2012, 825) § 1 Abs 6 [X.] Buchst b [X.] und der Nachfolgevorschrift in § 1 Abs 7 [X.] Buchst b [X.] wegen Verstoßes gegen Art 3 Abs 1 und [X.] für nichtig erklärt, weil allein die in diesen Vorschriften vorausgesetzte formale Inhaberschaft einer der dort genannten Aufenthaltserlaubnis kein hinreichendes Indiz für das Fehlen einer dauerhaften Aufenthaltsperspektive sei ([X.], aaO, Rd[X.] 44 unter Hinweis auf [X.]E 111, 176, 185 und 111, 160, 174 f). Die übrigen Anspruchsvoraussetzungen allerdings, betreffend die Erwerbstätigkeitsberechtigung in § 1 Abs 7 [X.] 2, [X.] 1 [X.] und des mindestens dreijährigen Aufenthalts in § 1 Abs 7 [X.] Buchst a [X.] sind von der Nichtigkeitserklärung des [X.] nicht umfasst ([X.], aaO, Rd[X.] 76). Folglich hat sich das [X.] nach wie vor nicht dagegen ausgesprochen, dass es in dem auch hier in Rede stehenden Zusammenhang von Verfassungs wegen nicht auf den Besitz einer entsprechenden Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit abgestellt werden dürfe. Hierauf hat der [X.] auch in der Vergangenheit bereits im Hinblick auf die Entscheidung des [X.] vom 6.7.2004 ([X.]E 111, 176, 185 f = [X.] 4-7833 § 1 [X.] 4 Rd[X.]0) hingewiesen (Urteil vom [X.] EG 7/09 R - Juris Rd[X.]4). Auch fehlen Ausführungen der Klägerin dazu, dass der Anspruch von nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern auf Elterngeld nicht allein von deren aufenthaltsrechtliche Status abhängt, sondern dass auch eine Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit erforderlich ist (vgl hierzu insgesamt auch [X.]sbeschluss vom 27.12.2010 - [X.] [X.] B - Rd[X.] 7 ff und Beschluss vom 28.11.2012 - [X.] [X.] B - Juris Rd[X.] 8). Die Klägerin hat nichts dazu vorgetragen, inwiefern sie dieses Tatbestandsmerkmal für den streitigen [X.]raum erfüllen könnte oder warum in ihrem Fall auf dieses Erfordernis verzichtet werden müsse. Die Frage einer Nebenbestimmung im Aufenthaltstitel ist nicht Voraussetzung nach § 1 Abs 7 [X.] c [X.], sodass es in diesem Zusammenhang auch offen bleibt, ob es im vorliegenden Rechtsstreit überhaupt auf die aufgeworfene Rechtsfrage ankommt.

9

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung [X.] (§ 160a Abs 4 S 1 [X.] 2 iVm § 169 SGG).

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von [X.] ist abzulehnen. Gemäß § 73a Abs 1 SGG iVm § 114 ZPO kann [X.] nur bei hinreichender Erfolgsaussicht bewilligt werden. Das ist hier nicht der Fall. Da der Klägerin keine [X.] zusteht, kann sie auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 73a [X.] SGG iVm § 121 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meta

B 10 EG 15/14 B

06.10.2014

Bundessozialgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: EG

vorgehend SG Konstanz, 11. Juni 2013, Az: S 8 EG 2770/12, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, Art 3 Abs 3 S 1 GG, § 1 Abs 7 Nr 2 Halbs 1 BEEG vom 05.12.2006, § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst c BEEG vom 05.12.2006, § 1 Abs 7 Nr 3 Buchst a BEEG vom 05.12.2006, § 1 Abs 7 Nr 3 Buchst b BEEG vom 05.12.2006, § 25 Abs 5 AufenthG 2004, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.10.2014, Az. B 10 EG 15/14 B (REWIS RS 2014, 2443)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2443

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