Bundessozialgericht, Urteil vom 30.09.2010, Az. B 10 EG 6/09 R

10. Senat | REWIS RS 2010, 2852

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Erziehungsgeldanspruch - nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer - § 1 Abs 6 BErzGG idF vom 13.12.2006 - Aufenthaltserlaubnis - Beschäftigungserlaubnis - Erwerbsberechtigung - Erwerbstätigkeit - sozialgerichtliches Verfahren - Behörde - Beteiligtenfähigkeit - Prozessführungsbefugnis)


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 27. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Bundeserziehungsgeld ([X.]) für den [X.] vom 11.5.2007 bis [X.] des zweiten Lebensjahres seiner am 14.11.2005 geborenen [X.] und [X.] hat.

2

Der 1973 geborene Kläger ist [X.] Staatsangehöriger. Er reiste Anfang Dezember 2002 in die [X.] ein und beantragte am 2.12.2002 Asyl. Nachdem sein Asylantrag am [X.] bestandskräftig abgelehnt worden war, wurde sein Aufenthalt ab dem [X.] geduldet. Am 11.5.2007 wurde ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 [X.] ([X.]) erteilt mit dem Zusatz "Erwerbstätigkeit nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde gestattet". Dieser Zusatz wurde später dahin geändert, dass eine Beschäftigung jeder Art gestattet sei. Ab dem [X.] übte der Kläger eine geringfügige Beschäftigung aus.

3

Die Anträge des [X.] auf Gewährung von [X.] für das zweite Lebensjahr seiner am 14.11.2005 geborenen [X.] und [X.] wurden mit der Begründung abgelehnt, der Kläger besitze zwar eine Aufenthaltserlaubnis iS des § 1 Abs 6 [X.] (BErzGG), er erfülle jedoch nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs 6 [X.] und b BErzGG (Bescheide des [X.] vom [X.] in der Gestalt der Widerspruchsbescheide der Beklagten vom 26.11.2007).

4

Während des nachfolgenden Klageverfahrens wurde dem Kläger im Hinblick auf die ab [X.] ausgeübte geringfügige Beschäftigung von diesem Zeitpunkt an bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres der Zwillinge [X.] gewährt (Bescheide der Beklagten vom 6.5.2008). Die auf Gewährung von [X.] für den [X.] vom 11.5.2007 bis [X.] des zweiten Lebensjahres seiner beiden Kinder gerichteten Klagen hat das [X.] ([X.]) zunächst verbunden (Beschluss vom [X.]) und dann abgewiesen (Urteil vom 14.10.2008). Die dagegen eingelegte Berufung des [X.] hat das [X.] [X.] (L[X.]) zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Es hat ua ausgeführt:

5

Der Kläger erfülle in dem Zeitraum vom 11.5.2007 bis [X.] die Voraussetzungen des § 1 Abs 6 [X.] BErzGG (idF des [X.] ) schon deshalb nicht, weil ihm mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 11.5.2007 noch nicht die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt gewesen sei. Ausländer dürften nach § 4 Abs 3 Satz 1 [X.] eine Erwerbstätigkeit nur ausüben, wenn der Aufenthaltstitel sie dazu berechtige. Es bestehe ein gesetzliches Beschäftigungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt. Nach § 4 Abs 2 Satz 1 [X.] berechtige ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, sofern dies "nach diesem Gesetz" bestimmt sei oder der Aufenthaltstitel dies ausdrücklich erlaube. Aus dem Aufenthaltstitel müsse nach § 4 Abs 2 Satz 2 [X.] hervorgehen, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt sei.

6

Da eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 [X.] nicht schon kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige, habe der Kläger einer ausdrücklichen Erlaubnis bedurft. Eine solche sei ihm am 11.5.2007 nicht erteilt worden. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit sei zunächst nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde gestattet worden. Bis zur Erteilung der Zustimmung habe der Kläger nicht rechtmäßig erwerbstätig sein können. Dementsprechend habe der Kläger auch diese Nebenbestimmung ändern lassen, bevor er am [X.] tatsächlich eine Beschäftigung angetreten habe. Wann diese Änderung vorgenommen worden sei, sei nicht mehr feststellbar gewesen.

7

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (B[X.]) sei die tatsächliche Erteilung des Aufenthaltstitels maßgebend, der bereits zu Beginn des [X.] vorliegen müsse. Nachdem nunmehr die Ausländerbehörde auch über die Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit entscheide, gälten diese Grundsätze auch für diese Erlaubnis. Die von § 1 Abs 6 [X.] BErzGG geforderte Aufenthaltserlaubnis besitze ein Ausländer deshalb erst, wenn tatsächlich in dem Aufenthaltstitel die Ausübung der Erwerbstätigkeit erlaubt werde.

8

Ohne Bedeutung sei, dass dem Kläger schon bei Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 9 Abs 1 [X.] Beschäftigungsverfahrensverordnung (BeschVerfV) eine von der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes unabhängige Zustimmung der [X.] ([X.]) hätte erteilt werden können und dass der zuständigen Ausländerbehörde von der [X.] eine Generalvollmacht erteilt worden sei, in diesen Fällen ohne Einschaltung der [X.] die Erlaubnis zu erteilen. Ebenso könne dahinstehen, ob die Ausländerbehörde verpflichtet gewesen wäre, eine Erlaubnis zu erteilen. Selbst wenn ein Fehlverhalten der Ausländerbehörde vorgelegen hätte, würde dies nicht zu einem Herstellungsanspruch führen, denn dieses Verhalten müsse sich die Erziehungsgeldbehörde nicht zurechnen lassen.

9

Entgegen der Auffassung des [X.] ergebe sich auch aus dem Beschluss des [X.] ([X.]) vom 6.7.2004 - 1 BvR 2515/95 - ([X.]-7833 § 1 [X.]) nicht, dass der Gesetzgeber gehalten gewesen wäre, auf den materiellen Anspruch auf eine Arbeitserlaubnis und nicht auf den tatsächlichen Besitz abzustellen.

Da der Kläger die objektive Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch auf [X.] trage, gehe die Nichterweislichkeit der anspruchsbegründenden Tatsachen zu seinen Lasten. Auf die verfassungsrechtliche Frage, ob der Gesetzgeber in § 1 Abs 6 [X.] Buchst c BErzGG zulässigerweise habe bestimmen dürfen, dass für die dort genannten Aufenthaltstitel die bloße Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht ausreiche und diese Titel nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs 6 [X.] BErzGG einen Anspruch auf [X.] begründen könnten, komme es somit nicht an.

Der Kläger hat die vom L[X.] zugelassene Revision eingelegt. Er trägt vor:

Entgegen der Darstellung des L[X.] knüpfe das [X.] in seiner Entscheidung vom 6.7.2004 - 1 BvR 2515/95 - nicht an den tatsächlichen Besitz der Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung an, sondern an die Frage, ob der Ausländer der Erwerbstätigkeit rein rechtlich nachgehen dürfe oder nicht. Angesichts des Sinnes und Zweckes des [X.], zugunsten des Kindes auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten, müsse die abstrakte rechtliche Möglichkeit eines Arbeitsmarktzugangs als Nachweis des Rechts auf Ausübung einer Beschäftigung ausreichen.

Damit bleibe die vom L[X.] offengelassene Frage zu klären, ob § 1 Abs 6 [X.] BErzGG verfassungsgemäß sei. Diese Vorschrift werde den Vorgaben des [X.] nicht gerecht. Es gebe keinen sachlichen Grund, den Anspruch auf [X.] für Inhaber der in § 1 Abs 6 [X.] Buchst c BErzGG aufgeführten Aufenthaltstitel von über den Zugang zum Arbeitsmarkt hinausgehenden, zusätzlichen Voraussetzungen abhängig zu machen. Durch die Einschränkungen in § 1 Abs 6 [X.] BErzGG würden große Gruppen mit humanitären Aufenthaltstiteln, die die Voraufenthaltszeiten erfüllten und einen Zugang zum Arbeitsmarkt hätten, in verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigender Weise von einem Anspruch auf [X.] ausgeschlossen.

Die Benachteiligung der Inhaber einer Aufenthaltsbefugnis nach § 25 Abs 5 [X.] sei auch nicht im Hinblick auf eine zulässige Typisierung gerechtfertigt, da diese nur hinzunehmen sei, wenn die mit ihr verbundenen Härten nicht besonders schwer wögen und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären. Da das [X.] als Einkommen bei Sozialleistungen unberücksichtigt bleibe, falle der mit der Versagung des Anspruchs auf [X.] verbundene Nachteil in Höhe von monatlich mindestens 300 Euro in jedem Fall ins Gewicht.

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.]s [X.] vom 27. Februar 2009 und des [X.] vom 14. Oktober 2008 aufzuheben, die Bescheide des [X.] vom 7. August 2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide der Beklagten vom 26. November 2007 und der Bescheide der Beklagten vom 6. Mai 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm auch für den [X.] vom 11. Mai bis 30. Juni 2007 des zweiten Lebensjahres der am 14. November 2005 geborenen Kinder [X.] und [X.] Bundeserziehungsgeld in Höhe des Regelsatzes, insgesamt weitere 1000 Euro, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Revision, Berufung und kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen gegen die Bescheide vom [X.] in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26.11.2007 und der nach § 96 Abs 1 [X.] einbezogenen Bescheide vom 6.5.2008 sind statthaft und auch im Übrigen zulässig, soweit sie den noch streitigen Zeitraum vom 11.5.2007 bis [X.] betreffen. Die [X.] der Berufung folgt aus §§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 [X.] 1 [X.], da sich der [X.] aus einer Zusammenrechnung beider [X.] (vgl § 3 Abs 1 Satz 2 BErzGG) ergibt (§ 202 [X.] iVm § 5 ZPO).

Die Klagen richten sich jetzt zutreffend gegen die [X.]. Die Aufgaben nach dem BErzGG sind - anders als diejenigen nach dem [X.] ([X.]) - durch § 6 Gesetz zur Eingliederung der [X.] in die allgemeine Verwaltung des [X.] ([X.]; Art 1 Zweites Gesetz zur Straffung der Behördenstruktur in [X.] vom 30.10.2007, GVBl 482) mit Wirkung vom 1.1.2008 nicht auf kommunale Träger, sondern als landesweite Zuständigkeit auf die [X.] übertragen worden. Da es sich bei der [X.] um eine Behörde handelt, die nach § 70 [X.] [X.] iVm § 3 Gesetz zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes im Lande [X.] (AG-[X.] [X.]) fähig ist, am Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beteiligt zu sein (vgl dazu auch [X.]-1500 § 51 [X.] Rd[X.]1), kann sie selbst verklagt werden. Ob die Auffassung des 8. [X.]s des BSG (s zB Urteil vom [X.] - B 8 [X.] 19/08 R - Rd[X.] 14, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) zutrifft, dass eine Klage in diesem Fall zwingend gegen die Behörde und nicht den Rechtsträger zu richten ist, braucht hier nicht entschieden zu werden (zur Gegenansicht vgl BSG Urteil vom [X.] - B 9 SB 3/08 R - Rd[X.] 21; s auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl 2008, § 70 Rd[X.]). Denn der Kläger hat auf Anregung des [X.]svorsitzenden seine Klage im Revisionsverfahren - klarstellend - gegen die [X.] gerichtet.

Die Beklagte ist zur Führung des vorliegenden Prozesses befugt. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren ist zwischen der [X.] und der [X.] zu unterscheiden. Die [X.] ist das Recht, einen Prozess als richtige Partei im eigenen Namen zu führen (vgl Vollkommer in [X.], ZPO, 28. Aufl 2010, vor § 50 Rd[X.] 18), also als richtiger Kläger zu klagen (aktive [X.] [X.]/[X.], VwGO, 16. Aufl 2009, vor § 40 Rd[X.] 23) oder als richtiger Beklagter verklagt zu werden (passive [X.] [X.]/[X.], aaO, § 78 Rd[X.] 1). Die [X.] ist entgegen einer in der Literatur jüngst geäußerten Auffassung (Strassfeld, [X.] 2010, 520) unproblematisch, wenn die nach § 70 [X.] [X.] beteiligtenfähige Behörde eines Rechtsträgers an dessen Stelle verklagt wird und sich gegen Ansprüche der [X.]eite verteidigt. Denn es entspricht der Funktion einer durch organisationsrechtliche Rechtssätze gebildeten Behörde, im Rahmen ihrer Zuständigkeit für den Staat oder einen anderen Träger der öffentlichen Verwaltung dessen Aufgaben nach außen selbstständig wahrzunehmen (§ 1 Abs 2 [X.]; hierzu [X.] in von [X.], [X.], 7. Aufl 2010, § 1 Rd[X.] 9; hierzu auch § 1 Abs 4 [X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl 2008, § 1 Rd[X.] 241 mwN). Sie wird demnach - soweit sie beteiligtenfähig ist - auch in einem Rechtsstreit im eigenen Namen für den Träger der öffentlichen Verwaltung tätig.

In der Sache ist die Revision unbegründet. Das Urteil des [X.] ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

Dem Kläger steht für den streitigen Zeitraum vom 11.5.2007 bis zum [X.] kein [X.] zu. Sein Anspruch beurteilt sich hier nach § 1 BErzGG idF des Art 3 Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss ([X.]) vom 13.12.2006 ([X.] 2915). Der [X.] lässt es dahingestellt, ob der Kläger in dem hier streitigen Zeitraum nach den für den [X.] bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] (vgl § 163 [X.]) die Grundvoraussetzungen für einen Anspruch auf [X.] nach § 1 Abs 1 Satz 1 BErzGG erfüllte, denn das [X.] hat rechtsfehlerfrei (§ 162 [X.]) entschieden, dass beim Kläger seinerzeit jedenfalls die besonderen Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung von nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern nach § 1 Abs 6 BErzGG nicht vorlagen.

§ 1 Abs 6 BErzGG idF des [X.] lautet:

                 

           

 (6)   

Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer ist nur anspruchsberechtigt, wenn er

1.    

eine Niederlassungserlaubnis besitzt,

2.    

eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde

        

a)    

nach § 16 oder § 17 [X.] erteilt,

        

b)    

nach § 18 Abs. 2 [X.] erteilt und die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit darf nach der Beschäftigungsverordnung nur für einen bestimmten Höchstzeitraum erteilt werden,

        

c)    

nach § 23 Abs. 1 [X.] wegen eines [X.] in seinem Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 [X.] erteilt oder

3.    

eine in [X.]. 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und

        

a)    

sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im [X.] aufhält und

        

b)    

im [X.] berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem [X.] bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt.

Nach den Feststellungen des [X.] besaß der Kläger die [X.] Staatsangehörigkeit und seit dem 11.5.2007 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 [X.], die mit dem Zusatz "Erwerbstätigkeit nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde gestattet" versehen war. Damit hatte er keine für ihn erforderliche Aufenthaltserlaubnis, die iS von § 1 Abs 6 [X.] BErzGG zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigte oder berechtigt hatte.

Wie der erkennende [X.] bereits in seinen Vorlagebeschlüssen vom 3.12.2009 ([X.] EG 5/08 R <= 1 BvL 3/10>, Rd[X.] 99 ff; [X.] EG 6/08 R <= 1 BvL 4/10>, Rd[X.] 94 ff; [X.] [X.] R <= 1 BvL 2/10>, Rd[X.] 95 ff) ausgeführt hat, ist § 1 Abs 6 BErzGG wie folgt zu verstehen:

Ausgangspunkt des § 1 Abs 6 BErzGG ist es, dass ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer nur dann einen Leistungsanspruch hat, wenn er eine Niederlassungserlaubnis besitzt (vgl § 9 [X.]) oder aber stattdessen Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis ist, die zur Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat. Diesen Grundsatz, dass jeder (ehemals) zur Arbeit berechtigte Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis Anspruch auf [X.] haben soll, hat der Gesetzgeber für konkret benannte Fallkonstellationen (vgl § 1 Abs 6 [X.] a bis c, letztere iVm [X.] BErzGG) wieder eingeschränkt. Durch § 1 Abs 6 [X.] a und b BErzGG gänzlich ausgeschlossen sind Ausländer mit Aufenthaltstiteln zum Studium bzw zur Ausbildung (§§ 16, 17 [X.]) sowie Ausländer, die eine Arbeitsberechtigung aufgrund der Gegebenheiten des [X.] Arbeitsmarktes von vornherein nur vorübergehend erhalten haben (§ 18 Abs 2 [X.]).

Nach dem hier einschlägigen § 1 Abs 6 [X.] c iVm [X.] BErzGG hat der Gesetzgeber für Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs 1 [X.] wegen eines [X.] in ihrem Heimatland oder nach §§ 23a, 24, 25 Abs 3 bis 5 [X.] zusätzliche, über die bloße (frühere) Berechtigung zur Erwerbstätigkeit hinausgehende Anforderungen gestellt. Ist ein Ausländer Inhaber eines Titels nach einer der dort genannten aufenthaltsrechtlichen Vorschriften, hat er einen Erziehungsgeldanspruch nach dem BErzGG nur dann, wenn er sich - erstens - seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im [X.] aufhält (§ 1 Abs 6 [X.] Buchst a BErzGG) und er zusätzlich - zweitens - im [X.] berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem [X.] bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt (§ 1 Abs 6 [X.] Buchst b BErzGG).

Zwar ließe sich mit dem Wortlaut des § 1 Abs 6 BErzGG auch eine Auslegung vereinbaren, die in der [X.] eine eigenständig neben den [X.] und 2 stehende Tatbestandsvariante sieht. Dann würde hier nicht vorab der Grundtatbestand des § 1 Abs 6 [X.] [X.] zu prüfen sein, vielmehr könnte unmittelbar bei der [X.] angesetzt werden. Mit einer solchen Vorgehensweise würde jedoch die Struktur des § 1 Abs 6 BErzGG vernachlässigt. Denn die [X.] bezieht sich erkennbar nur auf den von [X.] c erfassten Personenkreis, bei dem die Voraussetzungen des § 1 Abs 6 [X.] BErzGG vorliegen müssen. Im Übrigen kann die Voraussetzung des § 1 Abs 6 [X.] Buchst b BErzGG grundsätzlich nur erfüllen, wer eine Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit besitzt oder besessen hat. Dies gilt auch für den Bezug laufender Geldleistungen nach dem [X.] (vgl § 123 [X.]) und die Inanspruchnahme von Elternzeit (vgl §§ 15 ff BErzGG).

Indem § 1 Abs 6 [X.] BErzGG verlangt, dass der nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, bringt er deutlich zum Ausdruck, dass die betreffende Aufenthaltserlaubnis selbst zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben muss. Da nach § 4 Abs 2 Satz 2 [X.] jeder Aufenthaltstitel erkennen lassen muss, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt ist, ergibt sich die Erwerbsberechtigung entweder nach dem Gesetz aus der Art des Aufenthaltstitels selbst oder aus einer diesem ausdrücklich beigefügten Nebenbestimmung (vgl dazu [X.]/[X.], [X.], 743 f, 746 ff; [X.]/[X.], [X.], Stand Juni 2010, § 1 [X.] Rd[X.] 100, § 62 EStG Rd[X.] 51.3; HK-AuslR/[X.], 2008, § 4 [X.] Rd[X.] 20 ff; [X.]/[X.]/Häußer, [X.] Aufenthalts- und Ausländerrecht, 5. Aufl, Stand Juni 2010, § 4 [X.] Rd[X.] 54, 58 ff). Berechtigt der Aufenthaltstitel für sich genommen nicht bereits zu einer Erwerbstätigkeit, so muss der Ausländer mithin zu Beginn des [X.] im Besitz einer entsprechenden Nebenbestimmung sein.

Diese Auslegung knüpft an die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zum [X.] und zum Kindergeld an (vgl dazu allgemein BSG [X.] 3-7833 § 1 [X.]; [X.], 197 = [X.] 3-7833 § 1 [X.] 7; BSG [X.] 3-7833 § 1 [X.] 12, 14, 18; BSG [X.] 3-5870 § 1 [X.] 6, 12; [X.] 1998, 696; [X.] 1998, 963; [X.], 562; [X.], 43; [X.] 2009, 922). Danach setzt der Besitz eines zum Bezug von [X.] berechtigenden ausländerrechtlichen Aufenthaltstitels einen für die Bezugszeit geltenden Verwaltungsakt der Ausländerbehörde voraus. Das Aufenthaltsrecht muss also durch die Ausländerbehörde bereits zu Beginn des [X.] förmlich festgestellt sein. Nicht ausreichend ist hingegen ein materiell-rechtlicher Anspruch auf einen entsprechenden Aufenthaltstitel. Es ist nämlich nicht Aufgabe der für die Bewilligung von [X.] zuständigen Behörden, darüber zu entscheiden, ob einem Ausländer ein zum Bezug des [X.] berechtigender Titel zusteht. Insoweit kommt der Entscheidung der Ausländerbehörde [X.] zu. Für den Anspruch auf [X.] entfaltet die Erteilung eines solchen Titels selbst dann [X.], wenn der Beginn der Geltungsdauer des Titels auf einen Zeitpunkt vor seiner tatsächlichen Erteilung zurückreicht (vgl BSG [X.] 3-1200 § 14 [X.] 24 [X.]0 f mwN). Was für den Aufenthaltstitel selbst gilt, muss im Hinblick auf § 4 Abs 2 Satz 2 [X.] auch für die Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit maßgebend sein.

           

Die Gesetzesmaterialien zum [X.] sprechen nicht gegen eine solche Auslegung. Sie enthalten zwar auch Formulierungen, die darauf hindeuten könnten, dass es der Gesetzgeber ausreichen lassen wollte, dass eine Erwerbstätigkeit erlaubt werden könnte (vgl BT-Drucks 16/1368 [X.], 12). Zur Änderung des BErzGG wird jedoch ausgeführt (BT-Drucks 16/1368 [X.]):

Durch die Anknüpfung an die Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung wird der Zweck des BErzGG, nämlich die Sicherung der Wahlfreiheit zwischen Familie und Erwerbstätigkeit, berücksichtigt. Dieses Ziel kann jedoch nur erreicht werden, wenn dem Elternteil, der das Kind betreut, eine Erwerbstätigkeit rechtlich erlaubt ist.

Noch deutlicher heißt es in der Gegenäußerung der Bundesregierung zu Vorschlägen des Bundesrates (BT-Drucks 16/1368 [X.]):

Demgegenüber stellt der Gesetzentwurf darauf ab, dass nicht allein an die Möglichkeit der Berechtigung zu einer Erwerbstätigkeit angeknüpft werden soll, sondern dass nur diejenigen Anspruch auf Familienleistungen haben sollen, die tatsächlich in Besitz dieser Berechtigung sind oder schon einmal waren.

Schließlich entspricht die vom erkennenden [X.] vertretene Auslegung des § 1 Abs 6 [X.] BErzGG auch dem Sinn und Zweck des [X.]. Das [X.] hat es in seiner Entscheidung vom 6.7.2004 ([X.]E 111, 176, 185 f = [X.] 4-7833 § 1 [X.] Rd[X.]0) als sachgerecht angesehen, diejenigen Ausländer vom [X.]-Bezug auszuschließen, die aus Rechtsgründen ohnehin einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen dürften. Die Gewährung einer Sozialleistung, die Eltern einen Anreiz zum Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit geben will, verfehlt ihr Ziel, wenn eine solche Erwerbstätigkeit demjenigen Elternteil, der zur Betreuung des Kindes bereit ist, rechtlich nicht erlaubt ist. Da der betreffende (nicht freizügigkeitsberechtigte) Ausländer eine Erwerbstätigkeit nur ausüben darf, wenn er im Besitz einer entsprechenden Berechtigung ist (vgl § 4 Abs 2 Satz 1 [X.]), ist es sinnvoll, darauf abzustellen, ob er einen entsprechenden Titel tatsächlich in der Hand hat. Der Zweck des [X.], Wahlfreiheit zwischen Kindererziehung und Berufstätigkeit zu sichern, kann nämlich nicht durch eine rückwirkend erteilte [X.] erreicht werden (vgl BSG [X.] 3-7833 § 1 [X.] 12 S 54). Ebenso wenig ist es sachgerecht, der für die Bewilligung von [X.] zuständigen Behörde die eigenständige Prüfung aufzuerlegen, ob der Ausländer - unabhängig von dem tatsächlich vorliegenden Aufenthaltstitel - zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt ist, dh ob er Anspruch auf einen entsprechenden Titel hat. Denn dabei sind nicht nur ausländerrechtliche Umstände zu prüfen, sondern ggf auch eine Zustimmung der [X.] ausschlaggebend (vgl dazu § 4 Abs 2 Satz 3, § 39 [X.]).

Als [X.]r Staatsangehöriger gehörte der Kläger zu den nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern. Die ihm am 11.5.2007 erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 [X.] berechtigte ihn für sich genommen ihrer Art nach nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit (vgl dazu [X.][X.], 2008, § 4 [X.] Rd[X.] 22). Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 25 Abs 1 Satz 4 und Abs 2 Satz 2 [X.]. Ein entsprechender Verweis auf § 25 Abs 1 Satz 4 [X.] fehlt in § 25 Abs 5 [X.] (zur Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 3 [X.] vgl VG Osnabrück, Beschluss vom 5.11.2009 - 5 A 154/09 mit zustimmender [X.], juris [X.] 5/2010 [X.] 3).

Kommt es demnach auf die dem Aufenthaltstitel beigefügte Nebenbestimmung an, so reicht der beim Kläger vorliegende Zusatz "Erwerbstätigkeit nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde gestattet" nicht aus. Denn es wird darin ausdrücklich eine gesonderte Zustimmungsentscheidung vorbehalten, an der [X.] ggf auch die [X.] mitzuwirken hat (vgl § 4 Abs 2 Satz 3, § 39 [X.]). Zwar ist das [X.] davon ausgegangen, dass die zunächst gegebene Nebenbestimmung vor Aufnahme der Erwerbstätigkeit des [X.] geändert worden ist. Es hat jedoch nicht festzustellen vermocht, wann diese Änderung erfolgt ist. Da der Kläger für das Vorliegen einer Erwerbsberechtigung die objektive Beweislast trägt, wirkt sich der fehlende Nachweis zu seinen Ungunsten aus. Dementsprechend kann auch der erkennende [X.] nicht feststellen, dass der Kläger für Zeiten vor dem [X.] die Voraussetzungen des § 1 Abs 6 BErzGG erfüllt.

Dieses Ergebnis hält der erkennende [X.] für verfassungsrechtlich unbedenklich, zumal er mit seiner Auslegung des § 1 Abs 6 [X.] BErzGG eine jahrzehntelange Rechtsprechung des BSG und des [X.] fortführt, die vom [X.] bislang nicht beanstandet worden ist. Zwar trifft es zu, dass das [X.] in seiner Entscheidung vom 6.7.2004 ([X.]E 111, 176, 185 f = [X.] 4-7833 § 1 [X.] Rd[X.]0) nicht ausdrücklich an den Besitz einer Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit angeknüpft, sondern es allgemein für zulässig gehalten hat, solche Ausländer vom Bezug von [X.] auszuschließen, die aus Rechtsgründen einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen dürften. Andererseits hat sich das [X.] nicht dahin geäußert, dass in diesem Zusammenhang von Verfassungs wegen nicht auf den Besitz einer entsprechenden Erlaubnis abgestellt werden dürfe. Entgegen der Auffassung des [X.] ist es demnach dem Gesetzgeber vom [X.] nicht untersagt worden, für die Anspruchsberechtigung nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer an den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, anzuknüpfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 10 EG 6/09 R

30.09.2010

Bundessozialgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: EG

vorgehend SG Aachen, 14. Oktober 2008, Az: S 13 EG 1/08, Urteil

§ 1 Abs 1 BErzGG vom 13.12.2006, § 1 Abs 6 Nr 2 Halbs 1 BErzGG vom 13.12.2006, § 1 Abs 6 Nr 2 Buchst c BErzGG vom 13.12.2006, § 1 Abs 6 Nr 3 BErzGG vom 13.12.2006, § 4 Abs 2 S 1 AufenthG 2004, § 4 Abs 2 S 2 AufenthG 2004, § 4 Abs 3 AufenthG 2004, § 25 Abs 1 S 4 AufenthG 2004, § 25 Abs 2 S 2 AufenthG 2004, § 25 Abs 5 AufenthG 2004, § 70 Nr 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 30.09.2010, Az. B 10 EG 6/09 R (REWIS RS 2010, 2852)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2852

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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