Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.04.2016, Az. 3 B 29/15

3. Senat | REWIS RS 2016, 13273

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Festsetzung eines Mindestabschussplans für Rotwild nach rheinland-pfälzischem Jagdrecht


Leitsatz

Hat ein Land von seiner Befugnis, vom Bundesjagdgesetz gemäß Art. 72 Abs. 3 GG abzuweichen, Gebrauch gemacht, ist kraft des Anwendungsvorrangs des späteren Landesrechts für einen Rückgriff auf das konkurrierende Bundesgesetz nur noch in dem Umfang Raum, den das Landesrecht eröffnet.

Gründe

1

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines [X.]s für Rotwild im Jagdbezirk des [X.], den der Beklagte für das Jagdjahr 2013/2014 festgesetzt hatte. Die Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der [X.] sei auf der Grundlage von § 31 Landesjagdgesetz [X.] ([X.] [X.]) in formeller und materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, zum Schutz vor drohenden forstwirtschaftlichen Schäden einen [X.] festzusetzen. Weitere Ermittlungen zum aktuellen Rotwildbestand im Jagdbezirk des [X.] seien nicht geboten gewesen. Da es sich bei Rotwild um [X.] handele, sei eine Bestandsschätzung ausreichend. Die Regelung in § 31 [X.] [X.] sei nicht wegen Unvereinbarkeit mit § 21 BJagdG unwirksam oder unanwendbar. Das Jagdrecht unterliege der konkurrierenden [X.]esgesetzgebung, von der die Länder abweichende Regelungen treffen könnten. Dabei habe die spätere Regelung des § 31 [X.] [X.] Vorrang vor dem [X.]esrecht. Im Übrigen weiche § 31 [X.] [X.] inhaltlich nicht von § 21 BJagdG ab. Die landesrechtliche Konkretisierung der Anforderungen an die behördliche Entscheidung über den [X.] sei von der Ermächtigung in § 21 Abs. 2 Satz 5 BJagdG gedeckt, das Nähere durch Landesgesetz zu bestimmen. Eine behördliche Abschussverpflichtung sei bereits im [X.]esrecht vorgesehen. Ein Widerspruch zu den materiellen Vorgaben für den Abschuss des Wildes nach § 21 Abs. 1 BJagdG bestehe nicht. Der Vorrang der waldbaulichen Ziele ergebe sich ebenso aus dieser Norm. Nur innerhalb dieser Grenzen soll die Abschussregelung zur Erhaltung eines gesunden Wildbestandes beitragen.

2

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

3

1. Die Beschwerde hält das Verhältnis von § 31 Abs. 6 und 7 [X.] [X.] zu § 21 Abs. 1 BJagdG für klärungsbedürftig und will wissen, welche Kriterien einer [X.]ung zugrunde zu legen sind und ob vor der Festsetzung eines [X.]s eine Bestandsermittlung des bewirtschafteten Wildes (§ 21 Abs. 2 BJagdG) durchzuführen ist. Hintergrund ist die Annahme der Beschwerde, dass die landesrechtliche Regelung, anders als es das Berufungsgericht angenommen hat, durch [X.]esrecht ergänzt werden müsse.

4

Die damit zusammenhängenden Fragen sind zum Teil schon deshalb nicht klärungsfähig, weil sie zu allgemein gehalten sind oder die Auslegung von nicht revisiblem Landesrecht erfordern, die allein dem Oberverwaltungsgericht vorbehalten ist (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Hingegen ist die Frage des Verhältnisses des [X.] zum [X.] Jagdgesetz ohne Weiteres aus dem Gesetz zu beantworten.

5

Das Jagdwesen gehört zur konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 28 GG. Der [X.] hat von seiner Gesetzgebungszuständigkeit zwar mit dem [X.]esjagdgesetz Gebrauch gemacht; die Länder sind jedoch gemäß Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GG befugt, hiervon nach freiem Ermessen abweichende Regelungen zu treffen, wobei im Verhältnis von [X.]es- und Landesrecht das jeweils spätere Gesetz vorgeht (Art. 72 Abs. 3 Satz 3 GG). Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass das Land [X.] hiervon Gebrauch gemacht habe und § 31 [X.] [X.] der entsprechenden Regelung in § 21 BJagdG als das spätere Gesetz vorgehe (Anwendungsvorrang, vgl. dazu [X.], in: [X.]/[X.], Grundgesetz, 13. Aufl. 2014, Art. 72 Rn. 102 f.; [X.]/[X.], Grundgesetz, Kommentar, 13. Aufl. 2014, Art. 72 Rn. 28 ff.). Dabei legt das Berufungsgericht offensichtlich zugrunde, dass die Vorschrift die [X.]ung abschließend regelt. Das stimmt damit überein, dass gemäß § 1 Satz 1 [X.] für das Land [X.] eine eigenständige Vollregelung besteht, worauf der Beklagte zu Recht hinweist. In dieser Vorschrift heißt es, das Jagdwesen (ohne das Recht der Jagdscheine) bestimme sich "abweichend vom [X.]esjagdgesetz [...] ausschließlich nach diesem Gesetz". Damit beantwortet sich das von der Beschwerde als klärungsbedürftig angesehene Verhältnis des einschlägigen [X.] Landesrechts zum [X.]esrecht. In Fällen der Abweichungsgesetzgebung nach Art. 72 Abs. 3 GG greift späteres Landesrecht in dem von ihm bestimmten Umfang. Ist, wie hier, eine Vollregelung getroffen, ist für einen Rückgriff auf [X.]esrecht grundsätzlich kein Raum mehr. Das kann im Einzelfall nur dann anders sein, wenn das Landesrecht den Rückgriff selbst eröffnet. Ob das der Fall ist, beantwortet sich nach nicht revisiblem Landesrecht, dessen Auslegung dem Berufungsgericht vorbehalten ist.

6

Weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde auch mit Blick auf das Urteil des [X.] für das [X.] vom 1. August 2014 - 16 A 805/13 - ([X.], 59) und das von der Beschwerde vergleichend herangezogene [X.] Recht nicht auf. Im Unterschied zum [X.] Landesjagdgesetz lautet § 1 des Landesjagdgesetzes [X.]: „In diesem Gesetz werden Regelungen getroffen, die das [X.]esjagdgesetz [...] ergänzen oder von diesem [...] abweichen“. Damit verfolgt der [X.] Gesetzgeber das Konzept einer kombinierten Regelung, was von vornherein die grundsätzliche Anwendbarkeit des [X.] voraussetzt. Folgerungen für die hier fraglichen Regelungen lassen sich daraus nicht ziehen.

7

2. Aus dem unter 1.) Ausgeführten beantwortet sich auch die Frage,

ob eine automatische Erhöhung des Abschusses nach § 31 Abs. 7 Satz 2 [X.] [X.] in Übereinstimmung sowohl mit § 1 Abs. 2 Satz 1 BJagdG als auch mit § 1 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG steht.

8

Da das Land zur Abweichungsgesetzgebung befugt ist und hiervon Gebrauch gemacht hat, ist für jedweden bundesrechtlich veranlassten Rückgriff auf das [X.]esjagdgesetz kein Raum. Das gilt für die Auffüllung landesrechtlicher Regelungen durch [X.]esrecht ebenso wie für eine Maßstabsfunktion von [X.]esrecht. Die Frage, ob das Landesrecht mit dem [X.]esrecht übereinstimmt oder es korrekt umsetzt, kann sich daher nicht stellen.

9

Soweit die Beschwerde die Übereinstimmung mit § 1 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG zur Prüfung stellt und geklärt wissen will, ob auch die darin vorgegebenen Kriterien einer Abschussfestsetzung zugrunde zu legen sind, legt sie nicht hinreichend dar, inwiefern dies in Betracht kommen und entscheidungserheblich sein sollte. Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG bleiben die Vorschriften des [X.] von den Vorschriften des [X.]esnaturschutzgesetzes zum Artenschutz unberührt. Nach rheinland-pfälzischem Jagdrecht ist der Abschuss so zu regeln, dass unter anderem die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege gewahrt bleiben (§ 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] [X.]). Im Übrigen soll die Abschussregelung auch dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand in angemessener Zahl erhalten bleibt (§ 31 Abs. 1 Satz 3 [X.] [X.]). Einen weitergehenden Klärungsbedarf lässt die Beschwerde nicht hervortreten.

3. Die Beschwerde legt auch nicht dar, inwieweit es in fallübergreifender Weise klärungsfähig sein könnte, ob die Verpflichtung zu einem Mindestabschuss mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG vereinbar ist. Insofern hätte es nicht nur der Formulierung einer hinreichend konkreten bundesrechtlichen Rechtsfrage bedurft, sondern auch einer Auseinandersetzung damit, dass [X.] nach [X.]es- wie Landesrecht einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Belangen der Land- und Forstwirtschaft zum Schutz gegen Wildschäden einerseits und des Naturschutzes und der Landschaftspflege und der Jagd andererseits bezwecken (vgl. § 21 Abs. 1 BJagdG und entsprechend § 31 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 [X.] [X.]). Was das Eigentumsgrundrecht angeht, zeigt die Beschwerde mit Blick auf die von ihr zitierte Rechtsprechung des [X.]esverfassungsgerichts ([X.], Nichtannahmebeschluss vom 13. Dezember 2006 - 1 BvR 2084/05 - DVBl. 2007, 248) nicht auf, dass die streitigen Regelungen des [X.] Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen, mit denen die [X.] unverhältnismäßig beeinträchtigt werden könnten, weil der gesetzlich beabsichtigte Ausgleich verfehlt wäre.

4. Soweit die Beschwerde meint, das Revisionsverfahren werde Gelegenheit bieten, Art und Umfang der nach § 31 Abs. 7 [X.] [X.] gebotenen Sachverhaltsaufklärung vor Festlegung einer Mindestabschussverpflichtung zu definieren, geht sie daran vorbei, dass es sich um Anforderungen des irrevisiblen Landesrechts handelt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

3 B 29/15

11.04.2016

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 11. Februar 2015, Az: 8 A 10875/14, Urteil

Art 72 Abs 3 GG, § 31 Abs 1 S 1 JagdG RP 2010, § 31 Abs 6 S 1 JagdG RP 2010, § 31 Abs 7 S 2 JagdG RP 2010, § 1 Abs 2 Nr 1 BNatSchG, § 21 Abs 1 BJagdG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.04.2016, Az. 3 B 29/15 (REWIS RS 2016, 13273)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13273

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

III ZR 233/09 (Bundesgerichtshof)

Haftung für Wildschäden: Schadensersatzanspruch für Schäden auf Grundstücken in einem befriedeten Bezirk


III ZR 233/09 (Bundesgerichtshof)


19 BV 15.1021 (VGH München)

Anspruch auf Erhöhung des Rotwildabschusses im Abschussplan des benachbarten Eigenjagdreviers


3 B 9/20 (Bundesverwaltungsgericht)

Zum Verhältnis von Tierschutzrecht und Jagdrecht bei der Festsetzung eines Abschussplans für Muffelwild


3 B 12/15 (Bundesverwaltungsgericht)

Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde


Referenzen
Wird zitiert von

19 ZB 19.2107

19 ZB 19.2109

19 ZB 17.1601

19 ZB 17.1602

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.