Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.03.2010, Az. III ZR 233/09

3. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 8764

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Gegenstand

Haftung für Wildschäden: Schadensersatzanspruch für Schäden auf Grundstücken in einem befriedeten Bezirk


Leitsatz

1. § 29 BJagdG gewährt keinen Ersatzanspruch für Wildschäden, die auf solchen Grundflächen entstehen, die in einem so genannten befriedeten Bezirk (hier gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 6 NdsJagdG) liegen und auf denen gemäß § 6 BJagdG die Jagd ruht .

2. Dies gilt auch dann, wenn das einschlägige Landesjagdgesetz, wie in Niedersachsen - im Unterschied zu den meisten anderen Bundesländern -, keine ausdrückliche Regelung enthält, dass Wildschäden auf solchen Grundstücken nicht zu erstatten sind .

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] vom 4. August 2009 aufgehoben.

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 23. April 2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist in der [X.] Ortschaft [X.] Eigentümer eines Grundstücks, das nach seiner Darstellung Teil eines gemeinschaftlichen Jagdbezirks im Sinne des § 8 Abs. 1 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) ist. Die Beklagte ist [X.] in diesem Bezirk; in dem mit der [X.] geschlossenen Pachtvertrag übernahm sie die Verpflichtung, Wildschaden zu ersetzen.

2

Am 19. Oktober 2007 lief eine Rotte Wildschweine durch [X.] und verursachte an dem das Grundstück des Klägers umgebenden Zaun einen Schaden, der nach den Feststellungen eines Wildschadenschätzers etwa 1.200 € betrug. Einen Ausgleich dieses von ihm bei der [X.] am 23. Oktober 2007 angemeldeten Schadens lehnte diese mit Bescheid vom 27. November 2007 ab.

3

Der Kläger verlangt von der Beklagten Zahlung von 1.200 € nebst Zinsen sowie 78,90 € außergerichtliche Anwaltskosten. Das Amtsgericht hat seine Klage abgewiesen; auf seine Berufung hat das [X.] die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt sie weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen eines [X.] nach § 29 Abs. 1 Satz 1, 3 B[X.] als erfüllt angesehen, eine Haftung unter dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung dagegen mangels Verschuldens verneint. Es hat seiner Beurteilung zugrunde gelegt, dass das Grundstück des [X.] Teil eines gemeinschaftlichen [X.] im Sinne des § 8 Abs. 1 B[X.] sei. Dies habe das Amtsgericht als unstreitig festgestellt; die Beklagte habe sich dagegen nicht rechtzeitig gewandt. Darüber hinaus könne sie dem Anspruch des [X.] nicht mit Erfolg entgegen halten, dass sich sein Grundstück in einem befriedeten Bezirk befinde und dort die Jagd gemäß § 6 Satz 1 B[X.] ruhe. Ein Ersatzanspruch auch für [X.]schäden auf befriedeten Grundstücken sei weder in § 29 B[X.] noch - an[X.] als in zahlreichen anderen [X.]ländern - durch [X.] Landesrecht ausdrücklich ausgeschlossen worden; daraus folge im Umkehrschluss eine entsprechende Schadensersatzverpflichtung der [X.] beziehungsweise des [X.]. Mit der Zuerkennung eines derartigen Anspruchs werde zugleich ein Ausgleich dafür geschaffen, dass die Fläche des befriedeten Bezirks, auch wenn dort nicht gejagt werden dürfe, jedenfalls zum Wert des gemeinschaftlichen [X.] beitrage.

II.

5

Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

6

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen für einen [X.]anspruch nach § 29 Abs. 1 Satz 1, 3 B[X.] vorliegen, insbesondere das Grundstück des [X.] Teil eines gemeinschaftlichen [X.] im Sinne des § 8 Abs. 1 B[X.] ist. Auch bei Zugrundelegung dieses - erst in zweiter Instanz von der Beklagten bestrittenen - Umstands kann der Kläger sein Zahlungsbegehren nicht auf § 29 B[X.] stützen. Sein Hausgrundstück mit Garten unterfällt der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 6 des [X.] ([X.]) und stellt damit einen befriedeten Bezirk dar, in dem nach § 6 B[X.] die Jagd ruht und damit nicht ausgeübt werden darf. [X.]schäden, die in solchen Bezirken entstehen, unterfallen aber nicht dem Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 B[X.].

7

1. Nach dem Wortlaut des § 29 Abs. 1 Satz 1 B[X.] ist Voraussetzung für einen [X.]anspruch lediglich, dass ein zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehörendes oder einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk angegliedertes Grundstück durch Schalenwild, [X.]kaninchen oder Fasane beschädigt wird; dagegen ist die [X.] in befriedeten Bezirken nicht ausdrücklich ausgeschlossen.

8

In Anlehnung an diesen Wortlaut wird von Teilen der Literatur die Auffassung vertreten, dass zumindest in den Ländern (wie [X.]), in denen der Ersatz von [X.]schäden in befriedeten Bezirken nicht durch das jeweilige Landesrecht ausgeschlossen ist, derartige Schäden zu ersetzen sind (vgl. [X.], [X.] [X.], 2. Aufl. 1981, § 29 B[X.], [X.] III, 1; [X.], Jagdrecht in [X.], 30. Aufl. 2008, § 6 B[X.] [X.] 4 und § 29 B[X.] [X.] 2, sowie [X.]., Jagdrecht in [X.], 2004, § 29 B[X.]/§ 32 L[X.], [X.] 2; [X.]/[X.], Kommentar zum [X.], 4. Aufl. 1982, § 29 Rn. 23, 24, an[X.] noch die [X.]. [X.]. 13; wohl auch [X.], [X.] [X.] [Stand 2005] § 6 B[X.] [X.] 3, der den Ausschluss der Ersatzpflicht durch das Landesjagdgesetz als "Erweiterung" ansieht; [X.], [X.] in befriedeten Bezirken, [X.] 1974, 225 f; unklar [X.], Das [X.] 1953, bejahend § 6 [X.]. 3, verneinend § 29 [X.]. 2).

9

Nach der Gegenmeinung sind [X.]schäden, die auf Grundflächen entstehen, die in einem befriedeten Bezirk liegen, nach § 29 Abs. 1 B[X.] nicht zu ersetzen (vgl. [X.], [X.], [X.]; [X.]/[X.], [X.], 2010, § 29 Rn. 9; [X.], Jagdrecht, [Stand 2009] § 29 B[X.] [X.] 2; [X.], [X.] [X.], 5. Aufl. [Stand 4.2001] § 29 [X.] , § 32 [X.], [X.] III; [X.]/[X.], [X.], Neubearbeitung 2008, § 835 Rn. 6; Kümmerle/Nagel, Jagdrecht in Baden-Württemberg, 9. Aufl. 2003, [X.] zu §§ 29, 30 B[X.], S. 179; [X.], in: [X.]/[X.]/Stöckel, Jagdrecht Fischereirecht, 3. Aufl. 1998, § 6 B[X.] Rn. 2; [X.], aaO, S. 11 f).

Der Senat schließt sich der letzteren Auffassung an.

2. Gegen das Normverständnis des Berufungsgerichts und der erstgenannten Literaturmeinung sprechen maßgeblich die für die Normierung einer verschuldensunabhängigen [X.] nach § 29 Abs. 1 B[X.] maßgeblichen Gesichtspunkte und deren Zweckrichtung sowie der erkennbar darauf beruhende gesetzgeberische Wille.

a) Der Anordnung der [X.] in dieser Bestimmung liegt die Erwägung zugrunde, dass der Grundeigentümer aufgrund des gesetzlich begründeten Wegfalls seiner Jagdbefugnis zugunsten des Jagdausübungsberechtigten bestimmte Beeinträchtigungen durch [X.] nicht durch Jagd abwehren kann und darf und dadurch entstehende Beschädigungen hinnehmen muss. Auf den [X.]bestand kann er keinen Einfluss nehmen. Dagegen ist es dem Jagdausübungsberechtigten eher möglich, durch geeignete Maßnahmen wie Bejagung und Fütterung [X.]schäden zu vermeiden. Die [X.] soll somit einen Ausgleich dafür darstellen, dass dem Grundeigentümer ausreichende Abwehrmöglichkeiten gegen das Schaden verursachende [X.] versagt sind (vgl. [X.]/[X.], aaO, § 835, Rn. 3 m.w.N.; [X.], [X.]- und Jagdschaden, 7. Aufl. 1993, S. 11; [X.]/[X.], aaO, § 29 Rn. 6; [X.], aaO, § 29 [X.]. 2). Diese Haftungszurechnung kommt dem [X.]n Aufopferungsgedanken zumindest sehr nahe (vgl. [X.]/[X.], aaO, § 29, Rn. 5; [X.], aaO.; MünchKomm[X.]/[X.], 5. Aufl. 2009, § 835, Rn. 10; [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl. 2008, § 835, Rn. 2).

Eine solche Konstellation besteht aber für befriedete Bezirke gerade nicht. Nach § 6 Satz 1 B[X.] ruht dort die Jagd; es besteht im [X.] nur die Möglichkeit, das [X.] von dem Grundstück abzuhalten oder es zu verscheuchen (vgl. § 26 B[X.]), wobei zu solchen Maßnahmen faktisch nur die jeweiligen Eigentümer und Besitzer der betroffenen Grundstücke in der Lage sind. Darüber hinaus ist diesem Personenkreis - sogar ohne Jagdschein - aufgrund landesrechtlicher Vorschriften eine (etwa auf bestimmte Tierarten wie Fuchs, Marder oder [X.]kaninchen, vgl. nur § 9 Abs. 5 [X.]) beschränkte Jagdausübung gestattet (vgl. § 6 Satz 2 B[X.]).

b) Des Weiteren ist Folge der Befriedung, dass der Eigentümer derartiger Grundstücke gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 B[X.] der [X.] nicht angehört. Er nimmt deshalb einerseits an der Verteilung des Reinertrags aus der [X.] nicht teil, weil diese gemäß § 10 Abs. 3 B[X.] auf den Kreis der Jagdgenossen beschränkt ist; andererseits ist er aber auch nicht verpflichtet, zu dem aus der Genossenschaftskasse geleisteten [X.] beizutragen (vgl. zu den Vor- und Nachteilen der Befriedung auch [X.], [X.], 133 f sowie die dazu ergangene Revisionsentscheidung [X.], [X.] Nr. 125 S. 23 f).

c) Ausgehend von dieser Sach- und Interessenlage ist kein Grund dafür ersichtlich, bei der Zuerkennung von [X.]ansprüchen zwischen Grundstücken, die zu keinem Jagdbezirk gehören und deren Eigentümer keine Ansprüche aus § 29 B[X.] herleiten können, und Grundstücken, die zwar einem Jagdbezirk angehören, jedoch in einem befriedeten Bezirk liegen, zu differenzieren. In beiden Fällen ruht die Jagd (§ 6 B[X.]) und eine Jagdausübung kommt nicht in Betracht; zudem sind die Eigentümer derartiger Flächen nicht Mitglieder der [X.] (§ 9 Abs. 1 B[X.]) mit den sich daraus gleichermaßen ergebenden Folgen.

Alle dagegen vorgebrachten Argumente sind nicht stichhaltig.

aa) Entgegen [X.]/[X.] (aaO, § 29 [X.] Rn. 24) kann keine Rede davon sein, dass der Eigentümer des in einem befriedeten Bezirk gelegenen Grundstücks gegenüber den zu den Jagdgenossen gehörenden Eigentümern in einem Ausmaß schlechter gestellt ist, dass der Ausschluss eines [X.] nicht zu rechtfertigen sei. Wie ausgeführt ist der Eigentümer von Grundstücken in befriedeten Bezirken im [X.] - in je nach Landesrecht unterschiedlichem Umfang - gegenüber einem Eigentümer, dessen Grundstück außerhalb eines befriedeten Bezirks liegt, im Hinblick auf die Bejagung von [X.] sogar besser gestellt (vgl. [X.], aaO, S. 11; [X.]/[X.], aaO, § 29 Rn. 9).

bb) Bei der Gewichtung der Vor- und Nachteile für die betroffenen Grundstückseigentümer einerseits sowie der Jagdgenossen und Jagdpächter andererseits ist des Weiteren nicht einzusehen, warum die Zugehörigkeit des befriedeten Bezirks zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk den Wert des Bezirks und damit den Wert der [X.] positiv beeinflussen soll (so aber [X.], Jagdrecht in [X.], aaO, § 6 B[X.] [X.] 4). Da auf diesen Grundflächen die Jagd ruht, sind sie für den Jagdausübungsberechtigten und die [X.] regelmäßig ebenso ohne Interesse wie die außerhalb des [X.] liegenden Grundflächen. Der Sonderfall, dass nur wegen des Einschlusses der befriedeten Bezirke ein der gesetzlichen Mindestgröße entsprechender Jagdbezirk gebildet werden kann, ist bei der gebotenen typisierenden Betrachtung der unterschiedlichen Interessen zu vernachlässigen.

cc) Das Argument, dass die Möglichkeit einer beschränkten Jagdausübung nichts daran ändere, dass der Grundstückseigentümer, soweit die [X.]schadensgefährdung von dem [X.]bestand des angrenzenden [X.] ausgeht, diesen [X.]bestand nicht regulieren könne ([X.]/[X.], aaO), ist zwar richtig. Diese Regulierungsmöglichkeit fehlt aber gleichermaßen auch den Eigentümern, deren Grundstücke nicht zu dem betreffenden Jagdbezirk gehören. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass Eigentümer von in befriedeten Bezirken liegenden Grundstücken (wie Friedhöfen, Hausgärten etc. in oder am Rande geschlossener Ortschaften) regelmäßig die entsprechenden Flächen durch Einzäunung, Ummauerung etc. effektiver und mit weniger Aufwand schützen können als die Eigentümer von Grundflächen im Außenbereich.

3. Die Richtigkeit dieses Verständnisses des [X.] in § 29 Abs. 1 B[X.] wird weder durch die Entwicklung von [X.], [X.]- oder Landesgesetzgebung auf dem Gebiet des [X.] noch durch den Umstand, dass im Nie[X.]ächsischen Jagdgesetz die Haftung für [X.]schäden in befriedeten Grundstücken nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden ist, in Frage gestellt.

a) Unter der Geltung des Reichsjagdgesetzes ([X.]) vom 3. Juli 1934 ([X.]) war der Schaden an Grundstücken, auf denen die Jagd ruhte oder nicht ausgeübt werden durfte, nicht zu erstatten und die Eigentümer dieser Grundstücke waren auch nicht zur Tragung des [X.]schadens auf anderen Grundstücken heranzuziehen. Diese Rechtsfolge ergab sich allerdings nicht unmittelbar aus der den [X.] regelnden Gesetzesbestimmung (§ 44 [X.]) selbst, sondern aus § 44 Abs. 1 der Verordnung zur Ausführung des Reichsjagdgesetzes vom 27. März 1935 ([X.]). Da in befriedeten Bezirken gemäß § 7 [X.] die Jagd ruhte, wurde somit der dort entstehende [X.]schaden nicht ersetzt. Das [X.] vom 29. November 1952 ([X.]l. I S. 780) hat die [X.]pflicht in dem bis heute nicht geänderten § 29 normiert, die Regelung aus § 44 Abs. 1 der Ausführungsverordnung allerdings nicht übernommen. Für befriedete Bezirke bestimmt § 6 B[X.] lediglich, dass die Jagd dort ruht. Ausführungen zu der Frage, ob sich die Schadensersatzverpflichtung auf Grundstücke in befriedeten Bezirken erstrecken soll, sind auch der (insgesamt sehr knapp gehaltenen) Begründung des [X.] nicht zu entnehmen. Dafür, dass der [X.]gesetzgeber die Haftungsfrage an[X.] als der Reichsgesetzgeber entscheiden wollte, fehlt jedoch jeder Anhalt. Aber auch ein Wille des Gesetzgebers, bei diesen Grundflächen die Haftungsfrage bewusst offen zu lassen und einer Regelung des [X.] zu überantworten, lässt sich nicht erkennen. Dagegen spricht entscheidend, dass der Gesetzgeber die nach 1945 in den verschiedenen Ländern entstandene "[X.]" beseitigen und eine Rechtsvereinheitlichung herbeiführen wollte (BT-Drucks. 1/1813 S. 19).

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertigt der Umstand, dass im nie[X.]ächsischen Landesrecht im Unterschied zu vielen anderen [X.]ländern eine [X.]verpflichtung für befriedete Bezirke nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, nicht den Umkehrschluss, in [X.] bestehe eine derartige Schadensersatzpflicht. Dieser Umkehrschluss könnte nur gezogen werden, wenn § 29 B[X.] insoweit eine durch Landesrecht zu schließende Regelungslücke enthielte. Das ist jedoch nicht der Fall.

aa) Inhalt und Reichweite der jagdrechtlichen [X.]pflicht sind in §§ 29 ff B[X.] im Wesentlichen vollständig und abschließend geregelt (so auch [X.], Urteil vom 8. Mai 1957 - [X.] - [X.] 1957, 191, 192). Der den Ländern insoweit eröffnete [X.] ist durch § 29 Abs. 5 B[X.] dahin eingegrenzt worden, dass die Länder (nur) bestimmen können, dass die [X.]pflicht auch auf anderes [X.] ausgedehnt und eine [X.]schadensausgleichskasse geschaffen wird. Darüber hinaus können die Länder neben der Einführung eines behördlichen Vorverfahrens (§ 35 B[X.]) Sonderregelungen zu der Frage erlassen, inwieweit in bestimmten Kulturen der Ersatz von [X.]schäden vom Vorhandensein bestimmter Schutzvorrichtungen abhängig ist (§ 32 Abs. 2 B[X.]).

Diese Regelung stand bei ihrem [X.]ass in Einklang mit den Gesetzgebungskompetenzvorschriften des Grundgesetzes. Nach Art. 75 Nr. 3 GG a.F. konnte der [X.] für das Jagdwesen erlassen. Nach Art. 74 Nr. 1 GG a.F. (jetzt: Abs. 1 Nr. 1) erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung des [X.] (unter anderem) auf das bürgerliche Recht. Es spricht Vieles dafür, das materielle Recht über die Verpflichtung des [X.] gegenüber geschädigten Grundstückseigentümern oder -pächtern zum Ersatz des [X.]- und Jagdschadens als Teil des bürgerlichen Rechts anzusehen und damit insoweit eine "Vollkompetenz" des [X.] zu bejahen, zumal bis zum [X.]ass des Reichsjagdgesetzes der [X.] unmittelbar im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 835 [X.]) geregelt war (vgl. [X.]/[X.], aaO, § 835 Rn. 1, [X.] aaO [X.]). Allerdings gab es in der Literatur Tendenzen, den Begriff des [X.] in dem Sinne weit zu verstehen, dass dieser Kompetenztitel alle Fragen erfasse, die traditionell im Zusammenhang mit der Jagd stehen, und insoweit Art. 74 GG, soweit dieser - wie hier: [X.] - Aspekte des [X.] betrifft, restriktiv auszulegen sei (so insbesondere [X.], in: [X.]/[X.], GG, [Stand: Mai 1986] Art. 75 Rn. 120).

Ob sich die Kompetenz des [X.] zum [X.]ass von § 29 B[X.] aus Art. 74 Nr. 1 GG a.F. oder aus Art. 75 Nr. 3 GG a.F. ergab, kann indes dahinstehen. Denn in der Rechtsprechung des [X.]verfassungsgerichts war anerkannt, dass auch im Bereich der Rahmengesetzgebung der [X.] ungeachtet des Umstands, dass das Gesetzeswerk als Ganzes gesehen der Ausfüllung durch Landesgesetze fähig und ihrer bedürftig sein musste, unmittelbar geltende Rechtssätze sowie partielle Vollregelungen schaffen konnte (vgl. nur [X.] 43, 291, 343 m.w.N.).

bb) Da vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des [X.]verfassungsgerichts der [X.] seine Rahmengesetzgebungskompetenz häufig sehr intensiv wahrgenommen hatte, stärkte der Verfassungsgesetzgeber durch das Gesetz vom 27. Oktober 1994 ([X.]l. I S. 3146) die [X.] der Länder durch Einfügung eines neuen Absatzes 2 in Art. 75 GG, wonach Rahmenvorschriften des [X.] nur noch in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten durften (vgl. BT-Drucks. 12/6633 S. 9).

Der Frage, ob es auch nach dieser Grundgesetzänderung noch möglich gewesen wäre, § 29 B[X.] mit gleichem Inhalt (als Rahmenvorschrift) neu zu schaffen, kann indes dahinstehen, da nach der durch das Gesetz vom 27. Oktober 1994 in das Grundgesetz eingefügten Übergangsbestimmung des Art. 125a Abs. 1 GG auch solches als [X.]recht erlassenes Recht als [X.]recht fort galt, das infolge der Änderung des Art. 75 GG nicht mehr als [X.]recht hätte erlassen werden können.

cc) Einer Auslegung der §§ 29 ff B[X.] dahin, dass sie den Bereich des [X.]es mit den in § 29 Abs. 5 B[X.] enthaltenen Ausnahmen vollständig und abschließend regeln, steht erst recht nicht der Umstand entgegen, dass durch Gesetz vom 28. August 2006 ([X.]l. I S. 2034), der so genannten Föderalismusreform, die Rahmenkompetenz des [X.] ganz abgeschafft und das Jagdwesen der konkurrierenden Gesetzgebung unterstellt wurde (Art. 74 Abs. 1 Nr. 28 GG n.F.). Insoweit besteht für den Bereich des [X.] lediglich die Besonderheit, dass die Länder von [X.]recht abweichende Regelungen erlassen können, wenn der [X.] von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 n.F.).

b) Die in Einklang mit den Gesetzgebungskompetenzvorschriften des Grundgesetzes stehende Auslegung des § 29 B[X.] wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, die große Mehrzahl der [X.]länder ([X.], Art. 45 Satz 1 [X.]; [X.], § 37 Abs. 1 Satz 1 L[X.] [X.]; [X.] § 44 Abs. 1 Satz 1 [X.]; [X.], § 24 Abs. 1 Satz 1 [X.]; [X.] § 33 Satz 1 H[X.], [X.], § 28 Abs. 2 Satz 1 L[X.] [X.]; [X.] § 32 Satz 1 [X.]; [X.] § 41 Abs. 1 Satz 1 SJG; [X.], § 47 Satz 1 SächsL[X.]; [X.] § 30 Abs. 2 Satz 1 L[X.] und [X.], § 45 Abs. 1 Satz 1 ThJG) in ihren Landesjagdgesetzen ausdrücklich geregelt hat, dass generell [X.]schäden an Grundstücken, auf denen die Jagd ruht oder nicht ausgeübt werden darf, nicht erstattet werden. Die Materialien dieser Gesetze, die alle vor dem Inkrafttreten der Grundgesetzänderung durch das Gesetz vom 28. August 2006 ergangen sind, gehen nicht näher darauf ein, wie sich diese landesrechtlichen Regelungen zu § 29 B[X.] verhalten. Insbesondere wurde nicht der Frage nachgegangen, ob § 29 Abs. 1 B[X.], bezogen auf den Kreis der von der [X.]schadensregelung erfassten Grundstücke, eine bewusst unvollständige, einer näheren Modifizierung durch Landesrecht zugängliche Regelung enthielt. Diese Zurückhaltung lässt sich naheliegenderweise dadurch erklären, dass diese landesrechtlichen Regelungen nur das wiedergeben wollen, was ohnehin dem tradierten Verständnis (schon) des Reichsjagdgesetzes entsprach (so ganz beson[X.] deutlich die Begründung zu § 29 des [X.] Landesgesetzes zur Ausführung des [X.]es vom 16. November 1954, [X.]. II/894, [X.], die auf die Ausführungsverordnung zum Reichsjagdgesetz Bezug nimmt). Mit den entsprechenden Landesgesetzen sollte also lediglich das zum Ausdruck gebracht werden, was in § 29 Abs. 1 B[X.] ohnehin angelegt ist, sodass ein wirklicher Wi[X.]pruch zwischen [X.]- und Landesrecht nicht zu befürchten war (vgl. auch die Begründung zu § 24 Abs. 1 des [X.]ischen Jagdgesetzes [in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 27. August 1997], wo von dem klarstellenden Charakter der Vorschrift die Rede ist, Drucks. 15/7296 S. 6).

c) Ob nach Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 28. August 2006 wegen Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GG n.F. von den Regelungen der §§ 29 ff B[X.] abweichendes Landesrecht geschaffen werden könnte, oder ob es insoweit wegen der [X.]n Natur des [X.] (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) mit der bundesrechtlichen Regelung sein Bewenden haben muss, kann offen bleiben. Derartiges Landesrecht ist, jedenfalls was die hier zu entscheidende Frage angeht, nicht geschaffen worden, insbesondere auch nicht in [X.].

4. Danach konnte das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Da die Vorinstanzen, ohne dass dies einen Rechtsfehler erkennen ließe, einen Schadenersatzanspruch wegen unerlaubter Handlung verneint haben und der Revisionsbeklagte dem auch nicht entgegengetreten ist, konnte der Senat in der Sache entscheiden und die Berufung des [X.] zurückweisen.

Schlick     

        

Herrmann     

        

Wöstmann

        

Hucke     

        

Seiters     

        

Meta

III ZR 233/09

04.03.2010

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Stade, 4. August 2009, Az: 3 S 22/08, Urteil

§ 6 BJagdG, § 29 Abs 1 BJagdG, § 9 Abs 1 Nr 2 JagdG ND, § 9 Abs 1 Nr 6 JagdG ND

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.03.2010, Az. III ZR 233/09 (REWIS RS 2010, 8764)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8764

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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