Bundesfinanzhof, Beschluss vom 02.02.2011, Az. VI R 15/10

6. Senat | REWIS RS 2011, 9865

STEUERRECHT EHE STEUERN BUNDESFINANZHOF (BFH)

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Gegenstand

Umgekehrte Familienheimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung


Leitsatz

Tritt der den doppelten Haushalt führende Ehegatte die wöchentliche Familienheimfahrt aus privaten Gründen nicht an, sind die Aufwendungen für die stattdessen durchgeführte Besuchsfahrt des anderen Ehegatten zum Beschäftigungsort keine Werbungskosten.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Werbungskosten auch dann vorliegen, wenn der am Familienwohnsitz lebende Ehegatte zu der im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung unterhaltenen Wohnung des anderen Ehegatten reist.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), Eheleute, leben in [X.] und wurden in den Streitjahren (2003 und 2004) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist in [X.] selbständig tätig. Die Klägerin, für die vom Versorgungsamt ein Grad der [X.]ehinderung von 50 festgestellt ist, war als leitende [X.]ngestellte bei der X-Versicherung in [X.] beschäftigt. Sie bewohnte in [X.] eine Eigentumswohnung. [X.]n den Wochenenden reiste die Klägerin entweder mit dem Kfz oder dem Flugzeug nach [X.]. Der Kläger besuchte die Klägerin ebenfalls mehrfach in [X.].

3

In den Streitjahren machte die Klägerin Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in [X.] geltend. Der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --F[X.]--) berücksichtigte die [X.]ufwendungen für Unterkunfts-, Fahrt- und Flugkosten der Klägerin. Es erkannte allerdings die als Werbungskosten geltend gemachten [X.]ufwendungen des [X.] für dessen Reisen nach [X.] nicht an. Der Einspruch blieb erfolglos.

4

Die dagegen erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) mit den in Entscheidungen der [X.]e 2010, 1683 veröffentlichten Gründen ab.

5

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

6

Sie beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 15. September 2006 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2007 und den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 2. November 2006 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2007 dergestalt zu ändern, dass weitere Werbungskosten für 2003 in Höhe von 5.438,79 € und für 2004 in Höhe von 1.094,33 € berücksichtigt werden.

7

Das F[X.] beantragt,

die Revision gegen das Urteil des [X.] Köln vom 27. Januar 2010  4 K 2882/07 zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Der Senat entscheidet gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) durch [X.]eschluss. Er hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die [X.]eteiligten sind vorher darüber unterrichtet worden; sie hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

9

Das [X.] hat zutreffend die [X.]esuchsfahrten des [X.] zum [X.]eschäftigungsort der Klägerin nicht als Werbungskosten zum Abzug zugelassen.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats sind Werbungskosten sämtliche Aufwendungen, die durch den [X.]eruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind (z.[X.]. Urteil vom 23. März 2001 [X.]/99, [X.], 225, [X.] 2001, 585, m.w.N.). Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem [X.]eruf besteht und wenn die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des [X.]erufs getätigt werden (Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2002 [X.]/01, [X.], 211, [X.] 2003, 407, m.w.N.). Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Aufwendungen für die Wege vom [X.]eschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstandes und zurück (Familienheimfahrten) können jeweils nur für eine Familienheimfahrt wöchentlich abgezogen werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG).

b) Nach diesen Grundsätzen ist das [X.] im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin keine Werbungskosten durch die [X.]esuche ihres Ehemannes in [X.] entstanden sind.

aa) [X.] [X.] sind keine Familienheimfahrten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG. [X.] erfasst nicht den Fall der [X.]esuchsreise des [X.] vom Familienwohnsitz an den [X.]eschäftigungsort der Klägerin.

bb) Die Aufwendungen des [X.] für Reisen nach [X.] sind auch keine Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Denn sie sind nicht beruflich veranlasst. Das [X.] hat festgestellt, dass die Klägerin die Familienheimfahrten aus privaten Gründen nicht angetreten hat. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 [X.]O). Aufgrund dessen kann der Senat dahinstehen lassen, ob dann, wenn der den zweiten Haushalt führende Ehegatte aus beruflichen Gründen die wöchentliche Familienheimfahrt nicht antreten kann, die Fahrtkosten des [X.]esuchenden beruflich veranlasste Aufwendungen des [X.]esuchten sind (vgl. bisherige Senatsurteile vom 28. Januar 1983 VI R 136/79, [X.]FHE 137, 496, [X.] 1983, 313; vom 3. November 1965 VI 14/65 U, [X.]FHE 84, 207, [X.]I 1966, 75; vom 21. August 1974 VI R 201/72, [X.]FHE 113, 444, [X.] 1975, 64).

cc) Etwas anders gebietet auch nicht der Schutz der Ehe aus Art. 6 des Grundgesetzes ([X.]). Danach hat der Gesetzgeber Regelungen zu unterlassen, die geeignet sind, in die freie Entscheidung der Ehegatten über ihre Aufgabenverteilung in der Ehe einzugreifen ([X.]eschluss des [X.]undesverfassungsgerichts --[X.]VerfG-- vom 10. Januar 1984  1 [X.]vL 5/83, [X.]VerfGE 66, 84). Art. 6 [X.] erfordert, Aufwendungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung bei der [X.]emessung der finanziellen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen, soweit es sich dabei um notwendigen Mehraufwand beiderseits berufstätiger Ehegatten handelt, der dadurch entsteht, dass ein gemeinsamer Wohnsitz an dem [X.]eschäftigungsort des einen Ehegatten besteht und daneben ein weiterer Wohnsitz wegen der [X.]erufstätigkeit des anderen Ehegatten unterhalten wird ([X.]VerfG-[X.]eschluss vom 4. Dezember 2002  2 [X.]vR 1735/00, [X.]VerfGE 107, 27, [X.] 2003, 534). Der Gesetzgeber darf daher notwendigem Mehraufwand nicht wegen einer privaten Mitveranlassung den Abzug versagen. Anders als reine private Aufwendungen sind derartige, durch die [X.]erufstätigkeit des Ehegatten veranlasste Aufwendungen für die Eheleute nicht frei disponibel ([X.]VerfG-[X.]eschluss in [X.]VerfGE 107, 27, [X.] 2003, 534).

Der Gesetzgeber hat dem Schutz der Ehe mit der bestehenden Regelung ausreichend Rechnung getragen. Seine Entscheidung, dass nur die Fahrten vom [X.]eschäftigungsort zum Lebensmittelpunkt (Familienheimfahrten) Werbungskosten sind, verletzt nicht Art. 6 [X.]. Denn es ist von [X.] wegen nicht zu beanstanden, wenn § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG nur die Fahrten zu diesem Lebensmittelpunkt, dem gemeinsamen Familienwohnsitz, als den beiderseits berufstätigen Ehegatten notwendig entstanden beurteilt. Eine Reise an den [X.]eschäftigungsort des Ehegatten ist ungeachtet der doppelten Haushaltsführung eine private Wochenendreise.

Meta

VI R 15/10

02.02.2011

Bundesfinanzhof 6. Senat

Beschluss

vorgehend FG Köln, 27. Januar 2010, Az: 4 K 2882/07, Urteil

Art 6 GG, § 9 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 9 Abs 1 S 3 Nr 5 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 02.02.2011, Az. VI R 15/10 (REWIS RS 2011, 9865)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9865

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