Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.12.2011, Az. V ZR 131/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 611

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V ZR
131/11
Verkündet am:

9. Dezember 2011

Lesniak

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 212 Abs. 1 Nr. 1; [X.] § 152
Abs. 1, §
155 Abs. 1, §
156 Abs. 1 Satz 2
a)
Zahlungen, die der Zwangsverwalter in Erfüllung der ihm durch §
152 Abs.
1 [X.] zugewiesenen Aufgaben an den Gläubiger leistet, muss der Schuldner mit der Wirkung des §
212 Abs.
1 Nr.
1 BGB gegen sich gelten lassen.
b)
Die Begleichung rückständiger Hausgelder oder rückständiger Sonderumlagen gehört nicht zum [X.] des [X.]. Solche Zahlungen können dem Schuldner daher nicht als Anerkenntnis im Sinne des §
212 Abs.1 Nr.
1 BGB zugerechnet werden.
[X.], Urteil vom 9. Dezember 2011 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 9.
Dezember
2011 durch [X.]
Dr.
Krüger, die Richterin Dr.
Stresemann, [X.]
Czub
und die Richterinnen Dr.
Brückner und [X.]

für Recht erkannt:

Auf die Rechtsmittel des [X.]n werden das Urteil der 29. Zivil-kammer des [X.] vom 5. Mai 2011 aufgehoben und das Urteil des [X.] vom 14. Oktober 2010 abge-ändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der [X.] ist Eigentümer von zwei Wohnungen in einer Wohnungsei-gentumsanlage. Die Klägerin ist die [X.] der Wohnungseigentümer. Der [X.] hatte mit der Verwalterin einen Sonderverwaltervertrag geschlos-sen, in dem er diese bevollmächtigte, etwaige Sonderumlagen aus den [X.] zu begleichen.

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Am 29. Juni 2005 beschlossen
die Wohnungseigentümer
die Erhebung einer im August fälligen Sonderumlage. Auf die Wohnungen des [X.]n ent-Verwalterin mit Schreiben vom 24. und 29. August 2005 mit, dass er auf die Sonderumlage keine Zahlungen leisten werde. Auf ihr Antwortschreiben vom 30. August 2005 reagierte der
[X.] nicht. In der Zeit von August
2006
bis November 2006 nahm die Verwalterin aus den Mieteinnahmen des [X.]n Teilzahlungen auf die Sonderumlage vor.

Ende 2006 wurde die Zwangsverwaltung für die Wohnungen des [X.] angeordnet. Der Zwangsverwalter zahlte im Oktober 2008 auf die [X.]

Wegen des restlichen Betrages hat die Klägerin den Erlass eines Mahn-bescheids
beantragt, der dem [X.]n am 14. Juli 2009 zugestellt worden ist. Nach dessen Widerspruch hat das Amtsgericht ihn zur Zahlung von 4.374,98

verurteilt. Seine Berufung hat
keinen Erfolg
gehabt. Mit der zugelassenen Revi-sion, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt der [X.] seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts greift die von dem
[X.]n erho-bene Einrede der Verjährung nicht durch. Mit der Teilzahlung des Zwangsver-walters im Oktober 2008, die sich der [X.] zurechnen lassen müsse, habe 2
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die Verjährung gemäß
§
212 Abs. 1 Nr. 1 BGB erneut begonnen. Dasselbe gel-te für die von der [X.] vorgenommenen Teilzahlungen. Diese habe mit [X.] des [X.]n gehandelt. Dem stünden die beiden Schreiben des [X.]n vom August 2005 nicht entgegen, da er dem [X.] der Verwalterin, in dem diese den Grund der Sonderumlage darge-legt habe,
nicht entgegengetreten sei.

II.

Die Revision ist zulässig und begründet.

1. Sie ist insbesondere statthaft, weil der Senat an die Revisionszulas-sung durch das Berufungsgericht gebunden ist, § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Es besteht allerdings Veranlassung zu dem Hinweis, dass es für die Zulassung der Revision auf das Vorliegen von [X.] nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO ankommt und deren Voraussetzungen von dem
Berufungsgericht sorgfäl-tig zu prüfen sind. Der hier angenommene Zulassungsgrund der grundsätzli-chen Bedeutung kommt nur in Betracht, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage entscheidungserheblich ist
(Senat, Beschluss vom 27. März 2003 -
V
ZR 291/02, [X.]Z 154, 288, 291). Dies ist zu verneinen, da das Berufungsgericht seine Entscheidung auf eine Alternativbegründung gestützt hat, für die die [X.], ob der Schuldner Zahlungen des [X.] mit der Wirkung des §
212 Abs. 1 Nr. 1 BGB gegen sich gelten lassen muss,
ohne Bedeutung
ist.

2. Die Revision ist begründet. Entgegen der Rechtsauffassung des [X.] ist der Anspruch der Klägerin verjährt.

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a)
Rechtsfehlerhaft misst das Berufungsgericht der Teilzahlung des [X.] auf die Sonderumlage die Wirkung eines Anerkenntnisses des [X.]n bei, das gemäß §
212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu einem Neubeginn der Verjährung führt.

aa) Nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB beginnt die Verjährung erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszah-lung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt. Für ein verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis genügt ein tatsächliches Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein von dem
Bestehen der Forderung unzweideutig entnehmen lässt und angesichts dessen der
Gläubiger darauf vertrauen darf, dass sich der Schuldner nicht auf den Ablauf der Verjährung berufen wird ([X.], Urteil vom 1. März 2005 -
VI
ZR 101/04, NJW-RR 2005, 1044, 1047
mwN). Dem Anerkenntnis des Schuldners steht nach allgemeinen Regeln das eines anderen gleich, der aufgrund eines Rechtsgeschäfts oder kraft Gesetzes ermächtigt ist, für den Schuldner zu han-deln ([X.], Urteil vom 3.
Dezember 1968 -
III
ZR 2/68, [X.]Z 51, 125, 126).

bb) Der Vollstreckungsschuldner in der Zwangsverwaltung verliert mit
der Beschlagnahme das Recht, das beschlagnahmte Grundstück zu verwalten und es zu benutzen, §
148 Abs.
2 [X.]. Diese Befugnisse werden von dem
Zwangsverwalter ausgeübt, der insoweit als Träger der Rechte und Pflichten des Vollstreckungsschuldners an dessen
Stelle tritt. Nimmt der [X.] in Erfüllung der ihm durch § 152 Abs. 1 [X.] zugewiesenen Aufgaben [X.] an einen Gläubiger vor, wird der Schuldner so behandelt, als seien [X.] von ihm selbst geleistet worden. Solchen Zahlungen kommt daher nicht nur Erfüllungswirkung zugunsten des Schuldners zu, vielmehr muss er sie auch mit der Wirkung des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB gegen sich gelten lassen.
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cc) Allerdings
tritt der Zwangsverwalter
nur insoweit an die Stelle des Schuldners, als dies sich ausdrücklich aus seinem [X.] heraus ergibt ([X.]/[X.], Zwangsverwaltung, Rn. 45). Er hat gemäß §
152 Abs. 1 [X.] das Recht und die Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand
zu erhalten und ordnungsmäßig zu benutzen. Die Ausgaben, die zur ordnungsgemäßen [X.] der Zwangsverwaltung erforderlich sind, hat er gemäß § 155 Abs. 1 [X.] ohne Teilungsplan und Anordnung des Vollstreckungsgerichts aus den Nutzungen des Grundstücks vorweg zu bestreiten. Zu den Ausgaben der [X.] zählt bei der Vollstreckung in ein Wohnungseigentum auch das [X.] im Sinne des §
156 Abs. 1 Satz 2 [X.] (Senat, Beschluss vom 15.
Oktober 2009 -
V
ZB 43/09, [X.]Z 182, 361, 365 Rn. 11 ff.). Solche [X.] fallen in den durch § 152 Abs. 1 [X.] festgelegten [X.] des [X.].
Nicht zu den vorweg zu bestreitenden Ausgaben der [X.] gehören hingegen die vor der Beschlagnahme fällig gewordenen
rück-ständigen Hausgelder ([X.] in Bärmann, [X.], 11. Aufl., §
16 Rn. 191; [X.]/[X.]/Elzer, [X.], 3.
Aufl., § 16 Rn. 227; Jennißen in Jennißen, [X.], 2. Aufl., § 28 Rn. 244; [X.], § 152 [X.] Rn. 15; [X.]/
[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., §
152 Rn. 203, 213). Dies gilt auch für rück-ständige Sonderumlagen. Sie sind gemäß
§
155 Abs. 2 Satz 2 [X.] nur im [X.] Verteilungsverfahren zu berücksichtigen, wenn die [X.] wegen dieser Ansprüche die Zwangsverwaltung betreibt ([X.] in Bärmann, [X.], 11. Aufl., § 16 Rn. 191).

dd) Hier hat der Zwangsverwalter selbständig eine Teilzahlung auf die vor der Anordnung der Zwangsverwaltung von der [X.] beschlossene, rückständige Sonderumlage geleistet. Dies war von 12
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seinem [X.] gemäß § 152 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 156 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht erfasst. Seine Handlung
kann, da er hierzu gesetzlich nicht ermächtigt war, dem [X.]n nicht als Anerkenntnis im Sinne des §
212 Abs. 1 Nr.
1 BGB zugerechnet werden.

b)
Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Dessen Alternativbegründung, die Teilzahlungen der (Wohnungseigentums-) Verwalterin führten zu einem Neubeginn der [X.], ist nicht frei von [X.]. Auch deren Zahlungen können dem
[X.] nicht als Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr.
1 BGB zugerech-net werden.

aa) Das Berufungsgericht weist lediglich darauf hin, dass die Verwalterin in dem
Sonderverwaltervertrag vom 18. November 2002 bevollmächtigt worden sei, aus den verwalteten Mieteinnahmen Zahlungen auf [X.]. Es meint zwar, dass der [X.] "zu Recht"
auf seine beiden Schrei-ben vom August 2005 hinweise, in denen er der Verwalterin mitteilte, er werde auf die Sonderumlage keine Zahlungen leisten und auch die Verwalterin sei nicht bevollmächtigt. Mit der Frage, welche rechtliche Bedeutung den Schreiben zukommt, insbesondere ob sie als teilweiser Widerruf der erteilten [X.] (§
168 Satz 2 BGB) auszulegen sind, setzt es sich jedoch nicht auseinander. Der Senat kann die von dem Berufungsgericht unterlassene Auslegung selbst vornehmen, weil weitere tatsächliche Feststellungen nicht in Betracht kommen (vgl. [X.], Urteil vom 25. September 1975 -
VII
ZR 179/73, [X.]Z 65, 107, 112). Sie führt zu dem Ergebnis, dass der [X.] die der Verwalterin erteilte [X.] teilweise widerrufen hat. Der [X.] brachte in den Schreiben un-missverständlich zum Ausdruck, dass er die Sonderumlage nicht bezahlen [X.]. Seine Formulierung, "auch die Verwalterin sei nicht bevollmächtigt", kann in 14
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diesem Zusammenhang nur dahingehend verstanden werden, dass er der Ver-walterin untersagte, in seinem Namen Zahlungen auf die beschlossene [X.] zu leisten. Darin liegt, soweit es um die strittige Sonderumlage geht, ein teilweiser Widerruf der erteilten [X.].

bb) Das Schweigen des [X.]n auf das Antwortschreiben der Verwal-terin vom 30.
August 2005 stellt nicht einen Widerruf des [X.]swiderrufs dar. Das bloße Schweigen ist regelmäßig keine Willenserklärung ([X.], Urteil vom 24. September 1980 -
VIII
ZR 299/79, NJW 1981, 43, 44). Als Willenserklä-rung ist es
nur dann anzusehen, wenn ihm ausnahmsweise ein Erklärungswert zukommt (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 19. September 2002 -
V
ZB 37/02, [X.]Z
152, 63, 68). Dies ist hier zu verneinen. Die Verwalterin hatte in ihrem Antwortschreiben lediglich darauf hingewiesen, die Auffassung des [X.], Eigentum in einem sanierten Objekt erworben zu haben, sei nicht rich-tig. Ihrem etwaigen Willen, trotz teilweisen Widerrufs der [X.] die [X.] Mieteinnahmen des [X.]n zur Zahlung der strittigen Sonderumlage zu verwenden, hat sie hingegen nicht Ausdruck verliehen. Bereits deshalb kann aus Sicht der Verwalterin dem Schweigen des [X.]n auf ihr Antwortschrei-ben nicht der Erklärungswert beigemessen werden, er sei nun doch mit einer Begleichung der Sonderumlage durch die Verwalterin einverstanden.

c)
Da die Verjährungsfrist nach den Regelungen in den §
195, §
199 Abs.
1 BGB am 31. Dezember 2008 endete, vermochte die Zustellung des Mahnbescheids im Juli 2009 die Verjährung nicht zu hemmen.

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III.

Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur we-gen einer Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes erfolgt und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Die Klage ist abzuwei-sen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Krüger
Stresemann
Czub

Brückner
[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.10.2010 -
29a [X.]/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 05.05.2011 -
29 [X.] -

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Meta

V ZR 131/11

09.12.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.12.2011, Az. V ZR 131/11 (REWIS RS 2011, 611)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 611

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 131/11

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