Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2013, Az. IX ZB 197/11

9. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2068

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Gegenstand

Uneingeschränkte Aufhebung eines Zwangsverwaltungsverfahrens im Verlauf eines Insolvenzverfahrens: Erlöschen der Rechte von Grundpfandgläubigern an dem Erlösüberschuss; Zulässigkeit der Pfändung des Anspruchs der Insolvenzmasse gegen den vormaligen Zwangsverwalter auf Auskehrung des Erlösüberschusses


Leitsatz

1. Wird ein Zwangsverwaltungsverfahren uneingeschränkt aufgehoben, erlöschen die Rechte von Grundpfandgläubigern an dem Erlösüberschuss, der sich noch in der Hand des vormaligen Zwangsverwalters befindet.

2. Wird im Verlauf eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners ein Zwangsverwaltungsverfahren uneingeschränkt aufgehoben, so ist die Pfändung des Anspruchs der Insolvenzmasse gegen den vormaligen Zwangsverwalter auf Auskehrung des Erlösüberschusses auch für Grundpfandgläubiger unzulässig.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Schuldnerin zu 1 richtet. Auf die weitergehenden Rechtsmittel der Vollstreckungsgläubigerin werden der Beschluss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 27. Mai 2011 und der Beschluss des [X.] - [X.] - vom 10. August 2010 gegenüber der Schuldnerin zu 2 aufgehoben.

Die außergerichtlichen Kosten der Schuldnerin zu 1 sind von der Vollstreckungsgläubigerin zu erstatten. Von den gerichtlichen Kosten der Beschwerde und Rechtsbeschwerde fallen ihr 95 v.H. zur Last.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 77.382,44 € festgesetzt, wovon 73.513,32 € auf das [X.] gegenüber der Schuldnerin zu 1 entfallen.

Gründe

I.

1

[X.] ließ wegen einer Teilforderung von 100.000 € nebst Kosten und Zinsen durch Beschluss vom 7. Mai 2010 die Forderungen der [X.] zu 1 und 2 gegen den vormaligen Zwangsverwalter ihrer Grundstücke aus dem Verfahren 519 L 313/00 des [X.] pfänden. Dieses Verfahren war infolge der Antragsrücknahme der Vollstreckungsgläubigerin aufgehoben worden. Der Aufhebungsbeschluss war den Beteiligten am 4. und 5. Februar 2010 zugestellt worden.

2

Die Schuldnerin zu 1 ist die Verwalterin in dem am 14. März 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Grundstückseigentümerin M.    H.    . Auf ihre Erinnerung hob das Amtsgericht mit Wirkung ab Rechtskraft die angeordnete Pfändung insgesamt wieder auf. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Vollstreckungsgläubigerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Vollstreckungsgläubigerin ihren Antrag weiter, die Erinnerung zurückzuweisen.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Schuldnerin zu 1 richtet. Soweit die angeordnete Pfändung auch gegenüber der Schuldnerin zu 2 aufgehoben worden ist, muss die dagegen gerichtete Beschwerde Erfolg haben. Einwendungen der Schuldnerin zu 2 oder ihres Treuhänders gegen diese Pfändung gemäß § 89 Abs. 3 [X.], § 793 ZPO sind nicht erhoben worden. Eine § 357 StPO entsprechende Rechtsmittelerstreckung findet in Zwangsvollstreckungsverfahren gegen mehrere Schuldner nicht statt.

4

1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Pfändung des Anspruchs der Insolvenzmasse auf den Kassenbestand der aufgehobenen Zwangsverwaltung verstoße gegen § 89 Abs. 1 [X.]. [X.] könne sich bei dieser Pfändung nicht auf ihre Briefgrundschuld an dem vormals zwangsverwalteten Grundstück und die Verteilungsgrundsätze der Zwangsverwaltung stützen. Mit der Rücknahme des Antrags auf Zwangsverwaltung habe sich die Vollstreckungsgläubigerin gerade der Möglichkeit begeben, deren Erträge als abgesonderte Befriedigung gemäß § 49 [X.] zugeteilt zu erhalten. Die anderweit vertretene Ansicht, für einen absonderungsberechtigten Gläubiger könne auch der Anspruch des Insolvenzverwalters gegen den Zwangsverwalter auf Herausgabe des Überschusses nach Aufhebung des Verfahrens ohne Verstoß gegen § 89 Abs. 1 [X.] gepfändet werden, könne insbesondere dann nicht überzeugen, wenn, wie hier, ein anderer Gläubiger die Zwangsverwaltung betrieben habe.

5

2. Dieser Teil der Beschwerdeentscheidung hält rechtlicher Prüfung stand, obwohl die Annahme, ein anderer Gläubiger habe die Zwangsverwaltung betrieben, nicht zutrifft.

6

a) Die Zwangsverwaltung ist von der Rechtsvorgängerin der Vollstreckungsgläubigerin beantragt worden. Diese hat nach Abtretung der Ansprüche und Rechte als Zessionarin den Antrag auf Zwangsverwaltung wirksam zurückgenommen. Diese Antragsrücknahme war auch uneingeschränkt, wie das Beschwerdegericht seiner Entscheidung mit Recht zugrunde gelegt hat (vgl. zur Beschränkungsmöglichkeit der [X.], Beschluss vom 10. Juli 2008 - [X.], [X.], 218 Rn. 13 f). Insbesondere ist sie nicht nur mit Wirkung für die Zukunft und unter Vorbehalt aller Rechte an der restlichen Zwangsverwaltungsmasse erklärt worden. Der vormalige Zwangsverwalter und [X.] durfte daher die vorhandene Zwangsverwaltungsmasse nur noch abwickeln; öffentliche Lasten und Zahlungen an Berechtigte des [X.] waren nicht mehr zu leisten (vgl. [X.], Urteil vom 13. Oktober 2011 - [X.], Z[X.] 2012, 43 Rn. 18; anders zu den öffentlichen Lasten [X.]/Güthe, [X.], 7. Aufl., § 161 Rn. 11).

7

b) Entgegen der Ansicht, welche die Rechtsbeschwerde vertritt, würde nach uneingeschränkter Aufhebung der Zwangsverwaltung somit eine gleichwohl zulässige Pfändung des Anspruchs der Insolvenzverwalterin auf [X.] gegen den Zwangsverwalter die vom Beschwerdegericht richtig erkannte Gefahr heraufbeschwören, dass die Insolvenzmasse entgegen § 155 Abs. 1, § 156 Abs. 1 [X.] um die noch nicht berichtigten öffentlichen Lasten und laufenden Kosten des Grundstücks während der Zwangsverwaltungsdauer geschmälert würde, wie der [X.] in seinem Beschluss vom 13. Juli 2006 ([X.] 301/04, [X.]Z 168, 339 Rn. 9) dargelegt hat. Der [X.] sieht keinen Anlass, von dem Grundsatz abzurücken, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners die Pfändung mithaftender Mieten oder Pachten durch absonderungsberechtigte [X.] nicht mehr zulässig ist. Das gilt auch dann, wenn diese Erträge zuvor von einem Zwangsverwalter eingezogen worden sind, infolge Aufhebung der Zwangsverwaltung nunmehr uneingeschränkt der Insolvenzmasse zustehen und in diesen Herausgabeanspruch der Insolvenzverwalterin vollstreckt werden soll.

8

c) Mit dem Gesetz unvereinbar ist auch die im Schrifttum heute vorherrschende Ansicht, trotz Aufhebung der Zwangsverwaltung seien Grundstücksnutzungen weiter mit den dinglichen Rechten der [X.] behaftet, solange sie sich noch in der Hand des [X.] befinden. Die [X.] seien daher auch in der Insolvenz des vormaligen [X.] für den Herausgabeanspruch gegen den vormaligen Zwangsverwalter absonderungsberechtigt ([X.], [X.], 422; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 152 Rn. 254; [X.], [X.], 20. Aufl., § 152 [X.]. 17.1; [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 152 Rn. 64; [X.]/[X.], Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl., § 152 [X.] Rn. 185; zweifelnd [X.]/Güthe, [X.], 7. Aufl., § 155 Rn. 8 mit Nachweisen zur älteren Gegenmeinung). Das verkennt die entscheidende Wirkung der Beschlagnahme.

9

Wird Miete oder Pacht eingezogen, bevor sie zugunsten des [X.]s in Beschlag genommen worden ist, so ist die Verfügung ihm gegenüber nach § 1124 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam. Die Erstreckung des Grundpfandrechts auf die Miet- oder Pachtforderung gemäß § 1123 Abs. 1 BGB erlischt. Ist die Beschlagnahme bewirkt worden, setzt sich das nach § 1123 Abs. 1 BGB erstreckte Grundpfandrecht im Wege der [X.] an dem eingezogenen Erlös nach Maßgabe der §§ 155, 156 [X.] fort. Ist die Zwangsverwaltung infolge Antragsrücknahme indes vorbehaltlos aufgehoben worden, wird der noch vorhandene Erlösüberschuss für den Eigentümer des bisher zwangsverwalteten Grundbesitzes frei. Die hypothekarische Pfandhaft des Erlöses zugunsten der beteiligten [X.] erlischt ebenso wie ein Pfändungspfandrecht nach Aufhebung der Pfändungsanordnung. Der äußere Tatbestand, dass der vormalige Zwangsverwalter die eingezogenen Mieten zunächst noch in [X.] hat, ist rechtlich für die Stellung der Gläubiger ohne Bedeutung, wenn keine Verteilung dieser Masse nach den §§ 155, 156 [X.] vorbehalten und die Beschlagnahme insoweit aufrechterhalten geblieben ist.

Hiernach stand die Vollstreckungsgläubigerin zur [X.] ihrer Pfändung des Herausgabeanspruchs der Insolvenzverwalterin gegen den vormaligen Zwangsverwalter auf den Erlösüberschuss weder an diesem Anspruch selbst noch an dessen Gegenstand ein Recht zur abgesonderten Befriedigung gemäß § 49 [X.] zu. Die Forderungspfändung sollte ein solches Recht vielmehr erst begründen. Dem stand § 89 Abs. 1 [X.] entgegen.

[X.] hätte, um dieses Ergebnis zu vermeiden, die Zwangsverwaltung nur mit Wirkung für die Zukunft und unter Vorbehalt ihres durch die Beschlagnahme bereits entstandenen Erlöspfandrechts aufheben lassen dürfen.

[X.]                        Fischer

              Pape                           [X.]

Meta

IX ZB 197/11

10.10.2013

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Dresden, 27. Mai 2011, Az: 2 T 703/10

§ 1123 BGB, § 1124 BGB, § 152 ZVG, § 155 ZVG, § 161 ZVG, § 49 InsO, § 89 InsO, § 829 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2013, Az. IX ZB 197/11 (REWIS RS 2013, 2068)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2068

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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