Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2011, Az. 3 StR 95/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 5949

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 95/11
vom
8. Juni
2011
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
gewerbsmäßiger Geldfälschung

-
2
-

Der 3. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 8. Juni 2011 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

1. Auf die Revisionen
der Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 24. August 2010

a) dahin ergänzt, dass die Angeklagten im Übrigen freigespro-chen werden,

b) im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz dahin [X.], dass einer Anordnung des Verfalls jeweils Ansprü-che Verletzter entgegenstehen; der Wert des [X.] beim Angeklagten L.

n-geklagten D.

,

c) in der Kostenentscheidung wie folgt neu gefasst:

Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens, soweit sie verurteilt worden sind. Im Umfang des Freispruchs fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
-
3
-

Gründe:

Das [X.] hat die Angeklagten wegen gewerbsmäßiger [X.] in vier Fällen jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Weiter hat es gegen den Angeklagten L.

in Hö-.

den Verfall von Wertersatz angeordnet. Die auf die [X.] der Verletzung for-mellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg.

1. Entgegen der Auffassung des [X.]s sind die Angeklagten im Übrigen freizusprechen. Der [X.] hat hierzu in seinen [X.] ausgeführt:

"Die Anklage ([X.], [X.]. 156 ff. d. A.) ging von 293 materiell-rechtlich selbständigen Taten aus und wurde ausweislich des [X.] vom 07.05.2010 ([X.], [X.]. 13 f.) unverändert zugelassen. Der Eröffnungsbeschluss enthielt lediglich einen rechtlichen Hinweis nach § 265 StPO, dass auch die Annahme von
nur vier rechtlich selb-ständigen Taten in Betracht kommt. Es hatte daher ein Teilfreispruch zu erfolgen, weil nur 210 der nach Anklage und Eröffnungsbeschluss 293 tatmehrheitlichen Taten zur Aburteilung gekommen sind ([X.] 53. Aufl. § 260 Rdnr. 13 m.w.N. aus der [X.].)."

Der Senat holt den danach gebotenen Teilfreispruch der Angeklagten
-
mit der Kostenfolge aus § 467 StPO -
gemäß § 354 Abs. 1 StPO nach.

2. Die Verfallsanordnung hält bezüglich beider Angeklagter rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Hierzu hat der [X.] bemerkt:

1
2
3
4
-
4
-
"Gleichviel, ob diese auf §§ 73, 73 a StGB oder §§ 73 d, 150 Abs. 1 StGB gestützt ist, stehen ihr nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB Ansprüche der Verletzten nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 146, 263 StGB und §
826 BGB entgegen, die diese aus dem Einsatz des [X.] haben. Allerdings ist nach §
111
i Abs. 2 StPO in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO durch das Revisionsgericht fest-rkannt wurde, weil Ansprüche der durch die Taten Verletzten entgegenstehen."

Der Senat ändert den Ausspruch deshalb wie aus der [X.] ersichtlich ab.

3. Die weitergehenden Rechtsmittel der Angeklagten sind aus den Grün-den der Antragsschrift des [X.]s unbegründet im Sinne von §
349 Abs. 2 StPO.

[X.] Erörterung bedarf lediglich die Rüge, das Urteil sei nicht inner-halb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO ergebenden Zeitraums vollständig zu den Akten gebracht worden (§ 338 Nr. 7 StPO).

a) Ihr liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:

Die Hauptverhandlung gegen die Angeklagten vor der 7. Strafkammer des [X.]s [X.] begann am 3. Juni 2010 und erstreckte sich über ins-gesamt dreizehn Verhandlungstage; das
Urteil wurde am 24. August 2010 ver-kündet. Zum 1. August 2010 wurde die als Beisitzerin teilnehmende [X.]in N.

an das Amtsgericht S.

versetzt und schied aus der 7. [X.] aus, soweit sie dort nicht durch laufende Verfahren gebunden war. Die [X.] wurde am 26. Oktober 2010, dem letzten Tag der sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO ergebenden Frist, zu den Akten gebracht. Sie war von Rich-terin N.

nicht unterschrieben und trug folgenden
Verhinderungsver-5
6
7
8
9
-
5
-
merk der

.

ist an eine andere Dienststelle versetzt worden und kann infolge Ortsabwesenheit nicht unterschreiben."

b) Nach Ansicht der Beschwerdeführer ist die Vorsitzende zu Unrecht von einem Verhinderungsfall ausgegangen. Der Vermerk lasse schon nicht er-kennen, ob die Vorsitzende eine tatsächliche oder eine rechtliche Verhinderung der [X.]in angenommen habe. Allein deren Versetzung an ein anderes [X.] habe nicht dazu geführt, dass sie das Urteil aus Rechtsgründen nicht mehr hätte unterschreiben dürfen. Sollte der Vermerk dagegen so zu verstehen sein, dass [X.]in N.

aus tatsächlichen Gründen daran gehindert gewe-sen sei, ihre Unterschrift zu leisten, so sei er inhaltlich unrichtig. Die [X.]in habe sich nicht in Urlaub befunden; auch werde nicht ersichtlich, dass ihrem Tätigwerden anderweitige, ihre Zeit voll beanspruchende Dienstgeschäfte ent-gegenstanden. Die Entfernung zwischen [X.] und S.

betrage lediglich 35 km, was mit dem Pkw in ca. 45 Minuten und mit der Bahn in ca. 75 Minuten zu bewältigen sei. Nötigenfalls hätte die [X.]in darauf hingewiesen werden müssen, dass sie sich am letzten Tage der Frist zur Unterzeichnung des Urteils bereitzuhalten habe. Auskünfte dazu, ob dies geschehen sei, habe das [X.] nicht erteilt.

c) Die Rüge bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

aa) Der Senat legt den oben wiedergegebenen Vermerk dahin aus, dass die Vorsitzende von einer Verhinderung der [X.]in nicht aus rechtlichen, sondern aus tatsächlichen Gründen ausgegangen ist, denn nach dem Wortlaut konnte diese das Urteil "infolge Ortsabwesenheit"
nicht unterschreiben. Der 10
11
12
-
6
-
Hinweis auf die Versetzung an eine andere Dienststelle diente vor diesem [X.] allein der näheren Erläuterung des Abwesenheitsgrundes.
-
7
-
bb) Bei der Beurteilung, ob ein [X.] aus tatsächlichen Gründen daran gehindert ist, das Urteil zu unterschreiben, steht dem Vorsitzenden ein Beurtei-lungsspielraum zu ([X.], Beschluss vom 27. Oktober 2010 -
2 StR 331/10, [X.], 358; Urteil vom 17. Oktober 2002 -
3 [X.]; Beschluss vom 10. Februar 1998 -
4 [X.], [X.], 46; Urteil vom 23. Oktober 1992 -
5 [X.], [X.], 96). Revisionsgerichtlicher Beanstandung
un-terliegt die Entscheidung des Vorsitzenden deshalb nur dann, wenn
sie auf sachfremden Erwägungen beruht oder den eingeräumten Beurteilungsspiel-raum in unvertretbarer Weise überschreitet, so dass sie
objektiv willkürlich [X.]. Die freibeweisliche Überprüfung des Sachverhalts durch den Senat ergibt, dass nach diesen Maßstäben die Annahme einer Verhinderung von [X.]in N.

aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist.

Ist der in einem Verhinderungsvermerk angegebene Umstand -
hier die Ortsabwesenheit infolge Tätigkeit bei einem anderen Gericht -
generell geeig-net, den [X.] von der Unterschrift abzuhalten, wird allerdings im [X.] grundsätzlich von vorneherein nicht mehr geprüft, ob er im Einzelfall vor-gelegen und ob er tatsächlich zu einer Verhinderung geführt hat ([X.], Urteil vom 18. Januar 1983 -
1 [X.], [X.]St 31, 212). Der Senat hat sich gleichwohl veranlasst gesehen, die Vorsitzende ebenso wie [X.]in N.

zu einer Äußerung dazu zu bitten, welche Maßnahmen ergriffen
wurden, um sicherzustellen, dass das Urteil von allen mitwirkenden [X.]n unter-schrieben werden konnte, und ob [X.]in N.

aus dienstlichen oder anderen Gründen zur Unterschrift tatsächlich außerstande war. Denn die [X.] haben -
in dem ihnen möglichen Umfang -
schlüssig dargelegt, dass der Verhinderungsvermerk auf sachfremden, objektiv willkürlichen Erwä-gungen beruhe (vgl. [X.] aaO). Zu Recht weisen sie darauf hin, dass der [X.] im Falle zulässiger Ausschöpfung der Frist des § 275 Abs. 1 StPO 13
14
-
8
-
verpflichtet ist, rechtzeitig organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, welche die Unterzeichnung des Urteils durch den Beisitzer sicherstellen ([X.], [X.] vom 27. Oktober 2010 -
2 StR 331/10, [X.], 358; Beschluss vom 26. April
2006 -
5 StR 21/06, [X.], 586; Beschluss vom 23. Januar 1991 -
3 StR 415/90, NStZ 1991, 297; Urteil vom 14. November 1978 -
1 [X.], [X.]St 28, 194).

Die nach dem Inhalt der dienstlichen Äußerungen zur Annahme eines Verhinderungsfalles führenden Erwägungen der Vorsitzenden waren indes nicht sachfremd.

Wie die Vorsitzende ausführt, ging ihr der von der weiteren Beisitzerin und Berichterstatterin verfasste [X.] um die Mittagszeit des [X.] zu. Sie nahm an, diesen spätestens am Vormittag des 25. Oktober 2010 ihrerseits unterzeichnen zu können. Noch zuvor setzte sie sich mit Richte-rin N.

wegen deren Unterschriftsleistung fernmündlich in Verbindung. Dabei erfuhr sie, dass [X.]in N.

für den 25., 26. und 27. Oktober 2010 Sitzungen beim Amtsgericht S.

anberaumt hatte. In der Absicht, den Entwurf vorab per Telefax zu übermitteln, kündigte die Vorsitzende an, sich [X.] der weiteren Vorgehensweise nach eigener Durchsicht des Entwurfs wie-der zu melden. In der Folge stellte sich indes die Notwendigkeit umfangreicher Änderungen heraus, an denen die Vorsitzende und die Berichterstatterin noch bis zum späteren Nachmittag des 26. Oktober 2010 arbeiteten. Eine erneute telefonische Unterredung mit [X.]in N.

um diese Zeit ergab, dass diese noch mit der erforderlichen Vorbereitung ihrer Sitzung am [X.] war. Da [X.]in N.

anschließend mangels eigenen Pkws mit der Bahn anzureisen und sodann das Urteil zunächst durchzusehen hätte, ging die Vorsitzende davon aus, dass sich die Unterschriftsleistung bis in die späten 15
16
-
9
-
Abendstunden hinein verzögern würde. Sie hielt deshalb die Feststellung einer Verhinderung für vertretbar. [X.]in N.

hat hierzu ergänzend darge-legt, dass sie nicht vor 19.50 Uhr, unter Umständen aber auch erst gegen 20.50 Uhr beim [X.] [X.] hätte eintreffen können.

Danach hat die Vorsitzende die ihr möglichen Bemühungen unternom-men, um eine Unterzeichnung des Urteils durch [X.]in N.

sicher-zustellen. Dass es zu deren Unterschrift letztlich nicht kam, lag nicht an [X.] organisatorischen Vorkehrungen, sondern daran, dass sich die Fertig-stellung des Entwurfs unvorhergesehen bis zum späten Nachmittag des letzten Tages der Frist verzögerte. Soweit die Vorsitzende zu diesem Zeitpunkt schließlich deshalb von einem Verhinderungsfall ausging, weil [X.]in
N.

zunächst noch mit anderen Dienstgeschäften befasst war und ihre Unterschrift voraussichtlich erst in den späten Abendstunden hätte leisten [X.], ist dies nach den oben dargestellten Maßstäben nicht zu beanstanden.

17
-
10
-
4. Angesichts des nur geringen Teilerfolgs der Revisionen
ist es nicht unbillig, die Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten ihrer Rechtsmittel und den ihnen dadurch entstandenen Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).

Becker [X.]

Schäfer

Mayer Menges
18

Meta

3 StR 95/11

08.06.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.06.2011, Az. 3 StR 95/11 (REWIS RS 2011, 5949)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5949

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 271/13 (Bundesgerichtshof)

Persönliche Unterzeichnung des Strafurteils durch die mitwirkenden Richter: Anforderungen an die Verhinderung eines Richters wegen …


2 StR 271/13 (Bundesgerichtshof)


2 StR 294/06 (Bundesgerichtshof)


1 StR 352/15 (Bundesgerichtshof)

Verhinderungsvermerk des Vorsitzenden bei Ersetzung der Unterschrift eines am Strafurteil beteiligten Richters: Spielraum des Vorsitzenden …


5 OLG 15 Ss 89/18 (OLG München)

Urteilsaufhebung wegen gänzlich fehlender Richterunterschrift


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 StR 331/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.