Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.01.2012, Az. IX ZB 15/11

9. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9757

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Gegenstand

Vereinfachtes Insolvenzverfahren: Erstrecken der Treuhänderbestellung auf die Restschuldbefreiung und Entlassung des Treuhänders aus wichtigem Grund


Tenor

Auf die Rechtsmittel des weiteren Beteiligten zu 1 werden der Beschluss der [X.] des [X.] vom 26. November 2010 und der Beschluss des [X.] vom 31. Juli 2009 insoweit, als der weitere Beteiligte zu 2 zum Treuhänder bestellt wurde, aufgehoben.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der weitere Beteiligte zu 1 wurde mit Eröffnung des [X.] über das Vermögen der Schuldnerin am 21. März 2006 zum Treuhänder bestellt. Nach Durchführung des [X.] hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 31. Juli 2009 der Schuldnerin die Erteilung der Restschuldbefreiung angekündigt und für die Wohlverhaltensphase den weiteren Beteiligten zu 2 zum Treuhänder bestellt. Die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wegen seiner Entlassung hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der weitere Beteiligte zu 1 mit der Rechtsbeschwerde.

II.

2

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 7, 6, 313 Abs. 1 Satz 3, § 59 Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. Art. 103 f EG[X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2, § 575 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen.

3

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Zwischen dem Treuhänder des vereinfachten Insolvenzverfahrens und demjenigen des [X.] müsse keine Personenidentität bestehen. Für das [X.] könne ohne weiteres und insbesondere ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ein neuer Treuhänder bestellt werden. Die Gegenansicht vermöge nicht zu erklären, welchen Sinn bei der von ihr vertretenen nur eingeschränkten Austauschbarkeit eines Treuhänders für das [X.] die Vorschrift des § 288 [X.] habe.

4

2. Diese Begründung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

5

a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats umfasst die Bestellung zum Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren auch das [X.], sofern die Bestellung im Eröffnungsbeschluss - wie hier - keine Einschränkung enthält ([X.], Beschluss vom 24. Juli 2003 - [X.] 458/02, [X.], 750; vom 17. Juni 2004 - [X.] 92/03, [X.] 2004, 544; vom 15. November 2007 - [X.] 237/06, [X.], 35 Rn. 8; vom 15. November 2007 - [X.] 8/07, juris Rn. 2). Dies folgt aus der gesetzlichen Regelung in § 313 Abs. 1 [X.], wonach im vereinfachten Insolvenzverfahren der Treuhänder (§ 292 [X.]) auch die Aufgaben des Insolvenzverwalters wahrnimmt und deshalb abweichend von § 291 Abs. 2 [X.] bereits bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestimmt wird. Es entspricht auch der Vorstellung des Gesetzgebers, der mit der Regelung in § 313 Abs. 1 [X.] gewährleisten wollte, dass bei [X.] nur eine Person für die Wahrnehmung der [X.] und Treuhänderaufgaben bestellt wird, weil dies zu einer Vereinfachung des Verfahrens und damit auch dazu führe, dass kostengünstiger abgewickelt werden könne (BT-Drucks. 12/7302, S. 193 zu § 357j RegE-[X.]).

6

b) Bestellt das Insolvenzgericht im vereinfachten Insolvenzverfahren für die Wohlverhaltensperiode einen neuen Treuhänder, liegt darin zugleich die schlüssige Entlassung des ursprünglich - mit Wirkung auch für die Wohlverhaltensphase - bestellten Treuhänders; denn es können für die Wohlverhaltensperiode nicht nebeneinander zwei Treuhänder bestellt sein, die unabhängig voneinander dieselben Aufgaben wahrzunehmen haben ([X.], Beschluss vom 15. November 2007 - [X.] 237/06, aaO Rn. 5; vom 15. November 2007 - [X.] 8/07, aaO).

7

c) Die Entlassung des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren setzt wie die Entlassung eines Insolvenzverwalters einen wichtigen, die Entlassung rechtfertigenden Grund voraus (§ 313 Abs. 1 Satz 3, § 59 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Die Ansicht des [X.], der Treuhänder könne zu Beginn der Wohlverhaltensperiode ohne sachlichen Grund ausgewechselt werden, trifft nicht zu. Sie kann insbesondere nicht auf die Regelung in § 288 [X.] gestützt werden, wonach der Schuldner und die Gläubiger dem Insolvenzgericht als Treuhänder eine geeignete Person vorschlagen können. Diese Norm erlangt Bedeutung vor allem im Regelinsolvenzverfahren, wenn mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens das Amt des Insolvenzverwalters endet und für die Laufzeit der Abtretungserklärung ein Treuhänder zu bestellen ist, der mit dem bisherigen Insolvenzverwalter nicht personenidentisch sein muss. Im vereinfachten Insolvenzverfahren wird der Treuhänder nach der den allgemeinen Vorschriften gemäß § 304 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorgehenden Norm des § 313 Abs. 1 Satz 2 [X.] bereits bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestimmt. Das Vorschlagsrecht des § 288 [X.] kann sich deshalb nur auf diesen Zeitpunkt beziehen.

8

3. Die angefochtenen Entscheidungen des [X.] und des Insolvenzgerichts sind daher aufzuheben (§ 577 Abs. 4 und 5 ZPO). Da die Auswechslung des Treuhänders auf eine bloße Anregung der Schuldnerin von Amts wegen erfolgte, kommt die Zurückweisung eines Antrags der Schuldnerin nicht in Betracht. Die vom Beschwerdegericht angesprochenen Vorgänge um das Fahrzeug der Schuldnerin ergeben auch bei Zugrundelegung des Vorbringens der Schuldnerin keinen wichtigen Grund im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 [X.], der die Entlassung des Treuhänders rechtfertigen würde.

III.

9

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Da dem [X.] keine Partei im zivilprozessrechtlichen Sinne gegenübersteht, scheidet eine Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten nach § 4 [X.] i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO trotz des Obsiegens im Verfahren aus (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Januar 2007 - [X.], [X.]Z 170, 378 Rn. 7; vom 22. September 2010 - [X.] 125/09, [X.], 2122, 2125 f). Gerichtsgebühren fallen aufgrund des erfolgreichen Rechtsmittels nicht an (vgl. Nr. 2362 - 2364 Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).

Kayser                                Gehrlein                                   Vill

                   Fischer                                   Grupp

Meta

IX ZB 15/11

26.01.2012

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Berlin, 26. November 2010, Az: 85 T 253/09

§ 59 Abs 1 S 1 InsO, § 288 InsO, § 291 Abs 2 InsO, § 292 ZPO, § 313 Abs 1 S 3 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.01.2012, Az. IX ZB 15/11 (REWIS RS 2012, 9757)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9757


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IX ZB 15/11

Bundesgerichtshof, IX ZB 15/11, 28.02.2012.

Bundesgerichtshof, IX ZB 15/11, 26.01.2012.


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Referenzen
Wird zitiert von

IX ZB 62/14

IX ZB 62/14

IX ZB 42/14

IX ZB 15/11

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