Bundesfinanzhof, Urteil vom 08.02.2018, Az. V R 42/15

5. Senat | REWIS RS 2018, 14218

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Gegenstand

(Abschläge pharmazeutischer Unternehmer nach § 1 AMRabG)


Leitsatz

Abschläge pharmazeutischer Unternehmer nach § 1 AMRabG mindern die Bemessungsgrundlage für die gelieferten Arzneimittel (Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG vom 20. Dezember 2017 C-462/16, EU:C:2017:1006) .

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. September 2015  6 K 1251/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist ein pharmazeutisches Unternehmen, das im Streitjahr 2011 Arzneimittel herstellte und sie steuerpflichtig über Großhändler an Apotheken lieferte.

2

Diese gaben die Arzneimittel an gesetzlich Krankenversicherte aufgrund eines Rahmenvertrages mit dem [X.] ab. Die Arzneimittel wurden an die Krankenkassen geliefert und von diesen ihren Versicherten zur Verfügung gestellt. Die Apotheken gewährten den Krankenkassen einen Abschlag auf den Arzneimittelpreis. Die Klägerin als pharmazeutisches Unternehmen musste den Apotheken oder --bei Einschaltung von [X.] den Großhändlern diesen Abschlag erstatten. Die Finanzverwaltung behandelte den Abschlag umsatzsteuerrechtlich als Entgeltminderung (vgl. Schreiben des [X.] --BMF-- vom 14. November 2012, [X.], 1170, unter I.1.).

3

Arzneimittel für privat Krankenversicherte gaben die Apotheken aufgrund von [X.] mit diesen Personen ab. Das Unternehmen der privaten Krankenversicherung war dabei nicht selbst Abnehmer der Arzneimittel, sondern erstattete lediglich die ihren Versicherten entstandenen Kosten. In diesem Fall musste die Klägerin dem Unternehmen der privaten Krankenversicherung einen Abschlag auf den Arzneimittelpreis gewähren. Dies beruhte auf § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel vom 22. Dezember 2010 ([X.]). Danach hatten die pharmazeutischen Unternehmer den Unternehmen der privaten Krankenversicherung und den Trägern der Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen nach beamtenrechtlichen Vorschriften für verschreibungspflichtige Arzneimittel, deren Kosten diese ganz oder teilweise erstattet haben, nach dem Anteil der Kostentragung Abschläge entsprechend § 130a Abs. 1, 1a, 2, 3, 3a und 3b des [X.] (SGB V) zu gewähren. Dies galt auch für sonstige Träger von Kosten in Krankheitsfällen, die diese im Rahmen einer Absicherung im Krankheitsfall tragen, durch die eine Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes und nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ausgeschlossen wurde.

4

Die Klägerin machte für diese Abschläge in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bei den von ihr an Arzneimittelhändler ausgeführten Arzneimittellieferungen geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) erließ aufgrund einer [X.] und in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben in [X.], 1170, unter I.2.) einen geänderten Umsatzsteuerbescheid, in dem die Abschläge nicht mehr entgeltmindernd berücksichtigt wurden. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

5

Die daraufhin erhobene Klage hatte vor dem Finanzgericht ([X.]) Erfolg. Das [X.] änderte mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2015, 2243 abgedruckten Urteil den Umsatzsteuerbescheid dahingehend, dass die Umsätze gemäß der [X.] angesetzt wurden. Gegen dieses Urteil wendet sich das [X.] mit der Revision, mit der es die Verletzung materiellen Rechts rügt.

6

Das [X.] beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Im Revisionsverfahren hat der erkennende Senat das Verfahren mit Beschluss vom 22. Juni 2016 ausgesetzt und ein Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] ([X.]) zur Auslegung von Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) gerichtet.

9

Dieser hat hierauf mit Urteil [X.] Pharma GmbH & Co. KG vom 20. Dezember 2017 [X.]/16 ([X.]:[X.]) wie folgt geantwortet:

      

"Im Licht der vom Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom 24. Oktober 1996, [X.] ([X.]/94, [X.]:C:1996:400, Rn. 28 und 31), aufgestellten Grundsätze zur Bestimmung der Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage und unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahin auszulegen, dass der Abschlag, den ein pharmazeutisches Unternehmen aufgrund einer nationalen Gesetzesregelung einem Unternehmen der privaten Krankenversicherung gewährt, im Sinne dieses Artikels zu einer Minderung der Steuerbemessungsgrundlage für dieses pharmazeutische Unternehmen führt, wenn es Arzneimittel über Großhändler an Apotheken liefert, die die Arzneimittel an privat Krankenversicherte liefern, denen von der privaten Krankenversicherung die Kosten für den Bezug der Arzneimittel erstattet werden."

Die Beteiligten hatten im Nachgang zu diesem Urteil Gelegenheit zur Stellungnahme und haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin zu einer Minderung nach § 17 Abs. 1 UStG berechtigt ist.

1. Ändert sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz, hat der Unternehmer, der den Umsatz ausgeführt hat, gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. [X.] beruht dies auf Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL. Danach wird im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes die Besteuerungsgrundlage (Steuerbemessungsgrundlage) unter von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert.

Der [X.] hatte hierzu bereits entschieden, dass, wenn ein Hersteller eines Erzeugnisses, der zwar nicht vertraglich mit dem Endverbraucher verbunden ist, aber das erste Glied einer zu diesem führenden Kette von Umsätzen bildet, dem Endverbraucher einen Preisnachlass gewährt, die Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer um diesen Nachlass vermindert werden muss ([X.]-Urteile Elida Gibbs vom 24. Oktober 1996 [X.]/94, [X.]:C:1996:400, Rz 28, 31; [X.] vom 16. Januar 2014 [X.], [X.]:[X.], [X.] --HFR-- 2014, 274, Rz 29). Der [X.] hat aber eine Minderung abgelehnt, wenn ein Reisebüro als Vermittler dem Endverbraucher aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten einen Nachlass auf den Preis der vermittelten Leistung gewährt, die von dem Reiseveranstalter erbracht wird ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.], [X.], 274, Rz 33). Dies beruht darauf, dass das Reisebüro außerhalb einer Leistungskette vom Reiseveranstalter zum Endverbraucher steht.

2. Mit dem nunmehr vorliegenden Urteil [X.] Pharma GmbH & Co. KG ([X.]:[X.]) hat der [X.] klargestellt, dass der Abschlag, den ein pharmazeutisches Unternehmen aufgrund einer nationalen Gesetzesregelung einem Unternehmen der privaten Krankenversicherung gewährt, zu einer Minderung der Steuerbemessungsgrundlage für dieses pharmazeutische Unternehmen führt, wenn es Arzneimittel über Großhändler an Apotheken liefert, die die Arzneimittel an privat Krankenversicherte liefern, denen von der privaten Krankenversicherung die Kosten für den Bezug der Arzneimittel erstattet werden. Dem schließt sich der erkennende Senat an.

3. Danach hat das [X.] zu Recht entschieden, dass die Klägerin für die Abschläge, die sie nach § 1 AMRabG gezahlt hat, in unionsrechtskonformer Auslegung des § 17 Abs. 1 UStG zur Minderung berechtigt ist.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V R 42/15

08.02.2018

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 24. September 2015, Az: 6 K 1251/14, Urteil

§ 17 Abs 1 S 1 UStG 2005, Art 90 Abs 1 EGRL 112/2006, § 1 AMRabG, UStG VZ 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 08.02.2018, Az. V R 42/15 (REWIS RS 2018, 14218)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14218

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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