Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.12.2014, Az. I R 65/13

1. Senat | REWIS RS 2014, 488

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Gegenstand

(Körperschaftsteuererhöhung: Ausschüttungsunabhängige Nachbelastung des Endbestandes des EK 02; "Verschonungsregelung" des § 34 Abs. 16 KStG 2002 i.d.F. des JStG 2008; Beitrittsaufforderung)


Leitsatz

1. Das durch § 34 Abs. 16 KStG 2002 i.d.F. des JStG 2008 eingeräumte Recht, für die Anwendung des bisherigen Rechts zu optieren, und damit einer sofortigen, ausschüttungsunabhängigen Nachbelastung des Endbestandes des EK 02 zu entgehen, begründet eine Besserstellung steuerbefreiter Körperschaften sowie bestimmter Körperschaften aus dem Bereich der Wohnungswirtschaft .

2. Soweit sich diese Optionsmöglichkeit erstens nur auf in der Wohnungswirtschaft tätige Körperschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt sind, erstreckt und zweitens diese Beteiligung zu mindestens 50 v.H. mittelbar oder unmittelbar bestehen muss, ist unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG zu prüfen, ob es für diese unterschiedliche Behandlung innerhalb der Gruppe von Wohnungsunternehmen einen sachlichen Grund gibt .

3. Das BMF wird zum Beitritt aufgefordert und gebeten, Hinweise auf den Hintergrund der vom Gesetzgeber vorgenommenen Differenzierungen zu geben .

Tenor

Das [X.] wird zum Beitritt aufgefordert.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist in der Wohnungswirtschaft tätig; sie errichtet, vermietet, erwirbt und veräußert u.a. Wohnungen. Vor ihrer Privatisierung in den Jahren 1998 und 2001 war das Bundesland ... Anteilseigner der Klägerin gewesen.

2

Nach dem Wegfall der früheren persönlichen Steuerbefreiung für gemeinnützige Wohnungsunternehmen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 10 des Körperschaftsteuergesetzes ([X.]) 1984 durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 ([X.], 1093, [X.], 224) hatte die Klägerin in der letzten steuerlichen Schlussbilanz auf den 31. Dezember 1990 ihre Wohnungsbestände gemäß § 13 Abs. 2 und 3 [X.] 1984 auf die deutlich höheren [X.] aufgestockt. Der aus der Aufstockung erzielte Gewinn blieb steuerfrei. In der Gliederungsrechnung erfasste die Klägerin das hieraus resultierende steuerliche ([X.] als Teilbetrag i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 2 [X.] 1991 ([X.]) in Höhe von 4.559.859.758 DM. Durch steuerliche Verluste und Ausschüttungen bestand zum 31. Dezember 2001 ein [X.] in Höhe von 3.157.559.619 DM (= 1.614.434.598 €). Dieses fortgeschriebene [X.] betrug aufgrund einer im Jahr 2002 erfolgten Verschmelzung zum 31. Dezember 2006  1.879.691.326 €.

3

Die Klägerin beantragte im September 2008 unter Bezugnahme auf § 34 Abs. 16 Satz 1 [X.] 2002 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2008 ([X.] 2008) vom 20. Dezember 2007 ([X.], 3150, [X.], 218) --[X.] 2002 n.F.-- die Weiteranwendung der §§ 38, 40 [X.] 2002 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 ([X.], 2878, [X.], 28) --[X.] 2002 a.F.-- sowie des § 10 des Umwandlungssteuergesetzes 2006 i.d.[X.] über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der [X.] und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7. Dezember 2006 ([X.], 2782, [X.], 4). Mit dem Antrag sollte eine Feststellung des [X.] nach § 38 Abs. 5 und 6 [X.] 2002 n.F. mit der daran anschließenden (abgeltenden) Besteuerung in Höhe von 3/100 dieses Betrages verhindert werden.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) setzte den [X.] in Höhe von 56.390.739,78 € fest und lehnte zugleich den Antrag nach § 34 Abs. 16 Satz 1 [X.] 2002 n.F. ab, da die Klägerin nicht die gesetzlichen Voraussetzungen der Norm erfülle und ihr deren persönlicher Anwendungsbereich nicht eröffnet sei.

5

Die nach vorheriger Abstimmung mit dem [X.] erhobene Sprungklage blieb erfolglos. Das Finanzgericht ([X.]) Berlin-Brandenburg wies die Klage mit Urteil vom 27. August 2013  8 K 8289/10 ab. Es hält die auf § 38 Abs. 5 und 6 [X.] 2002 n.F. beruhende Festsetzung eines [X.] und auch die Versagung des Antragsrechts bzw. Wahlrechts nach § 34 Abs. 16 [X.] 2002 n.F. nicht für verfassungswidrig.

6

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beruft sich u.a. auf einen Gleichheitsverstoß durch § 34 Abs. 16 [X.] 2002 n.F. Satz 1 dieser Vorschrift verletze Art. 3 Abs. l des Grundgesetzes (GG) insoweit, als nicht allen Wohnungsunternehmen, bei denen das [X.] auf eine ehemals gemeinnützige und steuerbefreite Vermögensbildung zurückzuführen sei, das Wahlrecht eingeräumt worden sei, das vorher geltende Recht weiterhin anzuwenden. Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des [X.] und den Bescheid über die Festsetzung des [X.] aufzuheben.

7

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Entscheidung über die Revision wird von der Beantwortung der nachfolgend erläuterten Fragen abhängen. Diese Fragen stellen sich vor folgendem Hintergrund:

9

1. a) Gemäß § 38 Abs. 5 Satz 1 [X.] 2002 n.F. beträgt der [X.] 3/100 des nach § 38 Abs. 4 Satz 1 [X.] 2002 n.F. festgestellten Endbetrages. Der [X.] ist gemäß § 38 Abs. 5 Satz 2 [X.] 2002 n.F. auf den Betrag begrenzt, der sich nach den Absätzen 1 bis 3 als Körperschaftsteuererhöhung ergeben würde, wenn die Körperschaft ihr am 31. Dezember 2006 bestehendes Eigenkapital laut Steuerbilanz für eine Ausschüttung verwenden würde. Der [X.] ist innerhalb des [X.] von 2008 bis 2017 in zehn gleichen Jahresbeträgen zu entrichten (§ 38 Abs. 6 Satz 1 [X.] 2002 n.F.) und wird für den gesamten [X.] festgesetzt (§ 38 Abs. 6 Satz 4 [X.] 2002 n.F.).

b) Der spiegelbildlich zu dem [X.] nach § 37 Abs. 4 [X.] 2002 i.d.[X.] über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der [X.] und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7. Dezember 2006 eingeführte § 38 Abs. 5 und 6 [X.] 2002 n.F. hat die in den bis dahin in den Absätzen 1 bis 3 enthaltene Regelung abgelöst. Danach führten Leistungen, für die das gemäß § 36 Abs. 7 [X.] 1999 i.d.[X.] zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23. Oktober 2000 ([X.], 1433, [X.], 1428) festgestellte und fortgeschriebene [X.] als verwendet galt, innerhalb des 15-, später 18-jährigen Übergangszeitraumes zu einer Körperschaftsteuererhöhung um 3/7 des Betrages (§ 38 Abs. 2 [X.] 2002 a.F.). Dadurch sollte die für diese Leistungen nach dem alten Recht (sog. körperschaftsteuerliches Anrechnungsverfahren) geltende Ausschüttungsbelastung von 30 v.H. erreicht werden.

c) Da dem Gesetzgeber die bisherige Regelung als zu aufwendig erschien, schuf er mit § 38 Abs. 5 Satz 1 und 2 [X.] 2002 n.F. eine Regelung, mittels derer die sonst während des Übergangszeitraumes eingetretene Körperschaftsteuererhöhung in Fällen, in denen das [X.] als verwendet galt, in pauschalierter Form abgegolten werden soll. Im Ergebnis wird ausschüttungsunabhängig ein Zehntel des am 31. Dezember 2006 vorhandenen Endbetrages an [X.] mit der zuletzt im körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahren geltenden Ausschüttungsbelastung von 30 v.H. besteuert. Der verbleibende restliche Bestand an [X.] entfällt und löst keine weitere Körperschaftsteuererhöhung aus.

d) § 34 Abs. 16 Satz l [X.] 2002 n.F. eröffnet bestimmten Körperschaften die Möglichkeit, zur Fortgeltung der vorherigen Rechtslage und damit zu einer ausschüttungsabhängigen Besteuerung des [X.]-Bestandes zu optieren.

Antragsberechtigt sind Körperschaften, an denen unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 50 v.H. juristische Personen des öffentlichen Rechts aus Mitgliedstaaten der [X.] oder aus [X.], auf die das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, oder gemäß § 5 Abs. l Nr. 9 [X.] 2002 von der Körperschaftsteuer befreite Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen beteiligt sind, und Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. Weitere Voraussetzung ist, dass diese Körperschaften ihre Umsatzerlöse überwiegend durch Verwaltung und Nutzung eigenen zu Wohnzwecken dienenden Grundbesitzes, durch Betreuung von Wohnbauten oder durch die Errichtung und Veräußerung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen oder Eigentumswohnungen erzielen. [X.] Körperschaften werden unabhängig von weiteren Voraussetzungen (Rechtsform, Beteiligungsverhältnisse oder Unternehmensgegenstand) begünstigt.

Nicht antragsberechtigt sind damit Körperschaften, die --wie die [X.] zwar die sachlichen Voraussetzungen für die Antragsberechtigung erfüllen --die also unter den genannten Voraussetzungen Umsatzerlöse aus der [X.], an denen aber nicht zu mindestens 50 v.H. mittelbar oder unmittelbar juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt sind.

2. a) Die "Verschonungsregelung" des § 34 Abs. 16 [X.] 2002 n.F. führt zu einer Besserstellung der genannten Körperschaften gegenüber sonstigen Körperschaften, indem diesen Unternehmen das Recht eingeräumt wird, für die Anwendung des bisherigen Rechts zu optieren, um damit einer (sofortigen) ausschüttungsunabhängigen Nachbelastung von [X.]-Beständen zu entgehen. Es stellt sich dem Senat die Frage nach der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Besserstellung. Diese steht deshalb in Rede, weil sich die [X.] erstens nur auf in der Wohnungswirtschaft tätige Körperschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt sind, erstreckt und zweitens diese Beteiligung zu mindestens 50 v.H. mittelbar oder unmittelbar bestehen muss.

b) Es ist zu fragen, ob diese Benachteiligung der sonstigen ebenfalls in der Wohnungswirtschaft tätigen Körperschaften durch beachtliche Gründe gerechtfertigt ist. Dabei ist jeweils unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG zu prüfen, ob es insoweit einen hinreichenden sachlichen Grund gibt, Wohnungsunternehmen je nach ihren [X.] unterschiedlich zu besteuern.

aa) Der allgemeine Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber zwar bei der Ausgestaltung von Verschonungsregelungen im Ausgangspunkt erheblichen Spielraum, der allerdings mit Rücksicht auf betroffene Freiheitsrechte und auf das Ausmaß der Ungleichbehandlung Einschränkungen bis hin zu einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterliegen kann.

aaa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen ebenso wie für ungleiche Begünstigungen (vgl. zuletzt Urteil des [X.] vom 17. Dezember 2014  1 BvL 21/12, [X.], 50, m.w.N. aus der Rechtsprechung des [X.]). [X.] ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 21. Juni 2006  2 BvL 2/99, [X.]E 116, 164; vom 17. April 2008  2 BvL 4/05, [X.]E 121, 108; [X.]-Urteil vom 30. Juli 2008  1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08, [X.]E 121, 317; [X.]-Beschluss vom 21. Juli 2010  1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, [X.]E 126, 400).

bbb) Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden (vgl. [X.]-Urteil vom 5. November 2014  1 [X.], [X.], 1764, m.w.N. aus der Rechtsprechung des [X.]). Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des [X.] als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 4. Februar 2009  1 [X.], [X.]E 123, 1, [X.], 1035). Abweichungen von der mit der Wahl des [X.] einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich indessen ihrerseits am Gleichheitssatz messen lassen (Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen [X.], vgl. z.B. [X.]-Beschluss in [X.]E 126, 400, m.w.N. zu der Rechtsprechung des [X.]). Demgemäß bedürfen sie eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 18. Juli 2012  1 BvL 16/11, [X.]E 132, 179).

ccc) Führt ein Steuergesetz zu einer steuerlichen Verschonung, die einer gleichmäßigen Belastung der jeweiligen Steuergegenstände innerhalb einer Steuerart widerspricht, so kann eine solche Steuerentlastung vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber das Verhalten der Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will (ständige Rechtsprechung des [X.], z.B. [X.]-Beschluss vom 22. Juni 1995  2 BvL 37/91, [X.]E 93, 121, [X.] 1995, 1191).

In der Entscheidung darüber, welche Sachverhalte, Personen oder Unternehmen gefördert werden sollen, ist der Gesetzgeber weitgehend frei (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 20. April 2004  1 BvR 905/00, [X.]E 110, 274). Insbesondere verfügt er über einen großen Spielraum bei der Einschätzung, welche Ziele er für förderungswürdig hält. Allerdings bleibt er auch hier an den Gleichheitssatz gebunden. Das bedeutet zunächst aber nur, dass er seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen darf. [X.] Gesichtspunkte stehen ihm in weitem Umfang zu Gebote, solange die Regelung sich nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Umstände stützt und insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 110, 274).

bb) Im Schrifttum wird in der vom Gesetzgeber in § 34 Abs. 16 [X.] 2002 n.F. getroffenen Regelung eine Ungleichbehandlung gesehen, weil nicht allen betroffenen Unternehmen ein Wahlrecht in Bezug auf eine weitere Anwendung der bisherigen ausschüttungsabhängigen Besteuerung eingeräumt wird (Streck/ [X.], [X.], 8. Aufl., § 38 Rz 70; [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., 2009, § 38 Rz 116). Dem folgt der Senat in dieser Allgemeinheit nicht (vgl. Senatsurteil vom 10. Dezember 2014 I R 76/12, [X.], 303). Ob aber die Begünstigung nur jener von in der Wohnungswirtschaft tätigen Körperschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts zu mindestens 50 v.H. mittelbar oder unmittelbar beteiligt sind, von einem solchen sachlichen Grund getragen ist, hält der Senat für fraglich.

aaa) Ausweislich der Gesetzesmaterialien wollte der Gesetzgeber den Unternehmen ein Wahlrecht einräumen, die "regelmäßig einem öffentlichen oder gesetzlich festgelegten besonderen Zweck (dienen), der auch strukturelle Auswirkungen auf die Möglichkeit zur Ausschüttung und das [X.] hat" (vgl. BTDrucks 16/6290, S. 74). Die vorstehende Begründung bezog sich allerdings noch auf den ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung, wonach steuerbefreite Körperschaften und Wohnungsunternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen und an denen unmittelbar oder mittelbar ausschließlich juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt sind, begünstigt sein sollten.

Diese Gesetzesbegründung wurde im weiteren Gesetzgebungsverfahren beibehalten, obwohl die Entwurfsfassung (substantielle) Änderungen erfahren hatte. Ausweislich der weiteren Gesetzesmaterialien ging der Gesetzgeber davon aus, dass das Ziel der Regelung auch durch die Erweiterung des Anwendungsbereiches der Regelung auf Wohnungsgenossenschaften sowie auf Körperschaften, die ihre Umsatzerlöse überwiegend durch Verwaltung und Nutzung eigenen zu Wohnzwecken dienenden Grundbesitzes, durch Betreuung von Wohnbauten oder durch die Errichtung und Veräußerung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen oder Eigentumswohnungen erzielen und an denen unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 50 v.H. juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt sind, weiterhin erreicht wird (vgl. BTDrucks 16/7036, S. 21).

bbb) Durch die Verschonungsregelung des § 34 Abs. 16 [X.] 2002 n.F. sollen namentlich (bestimmte) Unternehmen der Wohnungswirtschaft die bisherige Übergangsregelung weiterhin in Anspruch nehmen können. Bei dem vom Gesetzgeber damit offensichtlich verfolgten Ziel der Wohnungsbauförderung handelt es sich um einen grundsätzlich förderungswürdigen Sachgrund. Die Schaffung von ausreichendem und angemessenen Wohnraum und damit einhergehend der Abbau von Engpässen auf dem Wohnungsmarkt und die angemessene Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum vermögen grundsätzlich eine Entlastung der Wohnungswirtschaft zu legitimieren (vgl. Senatsurteil vom 10. Dezember 2014 I R 76/12, [X.], 303). Die Zweifel des Senats beziehen sich im Speziellen auf die Begünstigung von Wohnungsunternehmen, an denen unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 50 v.H. juristische Personen des öffentlichen Rechts oder steuerbefreite Körperschaften beteiligt sind. Der Senat hat Zweifel, ob die Begünstigung dieser Unternehmen innerhalb der Gruppe der Wohnungsunternehmen einer sachlichen Rechtfertigung zugänglich ist.

aaaa) Der Gesetzesbegründung ist dazu lediglich die Aussage zu entnehmen, dass die Beteiligung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts bzw. steuerbefreiten (insbesondere gemeinnützigen) Rechtsträgern an Wohnungsunternehmen Einfluss auf die Möglichkeit zur Ausschüttung und das [X.] dieser Unternehmen hat. Dem liegt möglicherweise die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass bei Vorliegen derartiger Beteiligungsstrukturen für den Regelfall die Gewinne der Wohnungsunternehmen (eher) thesauriert als ausgeschüttet werden. Unklar bleibt jedoch, woher diese Vorstellung herrührt und worauf sie beruht.

Bei der Beteiligung eines gemeinnützigen Rechtsträgers an einem Wohnungsunternehmen erscheint diese Annahme dem Senat auch nicht zwingend. Denn die Beteiligung einer von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft an einer Kapitalgesellschaft ist zwar grundsätzlich der Vermögensverwaltung zuzurechnen. Eine andere Beurteilung kann aber dann in Betracht kommen, wenn die Körperschaft entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft ausübt und damit durch sie unmittelbar selbst am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt (vgl. zuletzt Senatsurteile vom 25. August 2010 I R 97/09, [X.], 312, m.w.N.). Im Ergebnis würde damit bei einer Einflussnahme auf das [X.] ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (§ 14 der Abgabenordnung) bei der gemeinnützigen Körperschaft mit den entsprechenden steuerlichen Folgen entstehen. Dies spräche eher gegen die Annahme, dass ein Einfluss auf das [X.] ausgeübt wird.

bbbb) Es ist daher zu fragen, inwieweit im Gesetzgebungsverfahren --insbesondere von den einschlägigen Verbänden-- Erkenntnisse vorgetragen worden sind, die ein besonderes [X.] der in § 34 Abs. 16 [X.] 2002 n.F. genannten Wohnungsunternehmen aufgrund ihrer Tätigkeit und Gesellschafterstruktur nahelegen. Zudem ist zu fragen, ob es weitere sachliche Gründe gibt, warum Wohnungsunternehmen, die von privaten Anteilseignern gehalten werden, nicht in das Wahlrecht des § 34 Abs. 16 [X.] 2002 n.F. einbezogen werden sollten.

Schließlich bleibt unklar, aufgrund welcher Erkenntnisse auch bei Wohnungsunternehmen der öffentlichen Hand, an denen (lediglich) eine mittelbare Beteiligung von mindestens 50 v.H. besteht, von einem anderen [X.] auszugehen ist.

c) Es erscheint sachgerecht, dass das [X.] ([X.]) zu den damit angesprochenen Fragen Stellung nimmt. Es hat das Gesetzgebungsverfahren begleitet und kann deshalb möglicherweise Hinweise auf den Hintergrund der vom Gesetzgeber vorgenommenen Differenzierungen geben.

3. Um das [X.] in den Entscheidungsprozess einzubinden, wird dieses aufgefordert, gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Revisionsverfahren beizutreten und zu den genannten Fragen Stellung zu nehmen.

Meta

I R 65/13

10.12.2014

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 27. August 2013, Az: 8 K 8289/10, Urteil

§ 122 Abs 2 FGO, Art 3 Abs 1 GG, § 34 Abs 16 KStG 2002 vom 20.12.2007, § 38 Abs 5 KStG 2002 vom 20.12.2007, § 38 Abs 6 KStG 2002 vom 20.12.2007, KStG VZ 2007

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.12.2014, Az. I R 65/13 (REWIS RS 2014, 488)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 488


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I R 65/13

Bundesfinanzhof, I R 65/13, 28.10.2015.

Bundesfinanzhof, I R 65/13, 10.12.2014.


Az. 2 BvR 988/16

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 988/16, 07.12.2022.


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Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 988/16

Zitiert

1 BvL 8/05

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