Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2014, Az. VI ZR 483/12

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2727

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOL[X.]ES

URTEIL
VI [X.]
Verkündet am:

23. September 2014

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 325 Abs. 1; BGB § 407 Abs. 2, § 412; [X.] § 106 Abs. 3 Alt. 3
a)
Eine rechtskräftige Entscheidung entfaltet Bindungswirkung regelmäßig nur
gegenüber den Parteien des [X.].
b)
Für die [X.]enntnis von einem Forderungsübergang nach § 116 Abs. 1 [X.] reicht aus, dass der Schädiger tatsächliche Umstände kennt, von denen [X.] bekannt ist, dass sie versicherungspflichtig machen.
c)
Eine "gemeinsame" Betriebsstätte setzt eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigkeiten als solchen in der konkreten Unfallsituation voraus. Parallele Tätigkeiten, die sich beziehungslos nebeneinander vollziehen, genügen ebenso wenig wie eine bloße Arbeitsberührung.
[X.], Urteil vom 23. September 2014 -
VI [X.] -
OLG Düsseldorf

LG Wuppertal

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
23.
September 2014
durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die
Richterin
Diederichsen, den
Richter Offenloch
und die Richterin Dr. Oehler
für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.]lägerin wird das Urteil des 19.
Zivilsenats des [X.] vom 31.
Oktober 2012 aufge-hoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die [X.]lägerin, eine Berufsgenossenschaft, macht Ansprüche gegen die Beklagte aus gemäß § 116 Abs. 1 [X.] übergegangenem Recht für Aufwen-dungen geltend, die sie wegen unfallbedingter Verletzungen des bei ihr versi-cherten [X.] erbracht hat.
Am 2.
Januar 2008 gegen 11.00 Uhr befuhr [X.] mit dem L[X.]W
seiner Ar-beitgeberin, einer Transportfirma,
das Betriebsgelände der [X.], um dort [X.]alk zu laden. Da die Verladestation durch einen anderen L[X.]W besetzt war, verließ [X.] das Fahrzeug, um den [X.] seines L[X.]W's zu öffnen. Im Fol-1
2
-

3

-

genden stürzte [X.] auf einer Eisplatte.
Der Unfallhergang ist streitig und [X.]. Infolge des Sturzes zog sich [X.] erhebliche Verletzungen zu und war län-gere [X.] arbeitsunfähig. Der [X.]lägerin entstanden hierdurch Aufwendungen in Höhe von 34.371,83

macht unter Anrechnung eines
Mitverschuldens
des Versicherten von 30
% gegenüber der [X.] 70
% der Aufwendungen gel-tend.
Der Versicherte der [X.]lägerin ist
in einem Vorprozess gegen die Beklagte unterlegen. Die [X.]lageabweisung hat das [X.] auf die Haftungsprivilegie-rung der [X.] nach §
106 Abs. 3 Alt. 3, § 104 Abs. 1 Satz 1 [X.] ge-stützt. Das [X.] hat sich der Beurteilung des
[X.]s ange-schlossen und die Berufung des Versicherten [X.] mit Urteil vom 17. Februar 2010 zurückgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig geworden.

Im vorliegenden Rechtsstreit
hat sich das [X.]
an die rechtskräf-tige Entscheidung für gebunden
gehalten und die [X.]lage ebenfalls abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der [X.]lägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die [X.]lägerin ihr [X.]lage-begehren weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Es könne dahinstehen, ob die rechtskräftige Entscheidung des Landge-richts in dem zwischen dem Versicherten [X.] und der [X.] geführten [X.] für den vorliegenden Rechtsstreit zwischen der [X.]lägerin und der Be-3
4
5
6
-

4

-

klagten Bindungswirkung entfalte, denn jedenfalls sei ein Anspruch der [X.]lägerin auf Ersatz bestehender und künftiger Schäden aufgrund der Haftungsprivilegie-rung
der [X.]
nach §
106 Abs.
3 Alt. 3, §
104 Abs.
1 Satz
1 [X.] aus-geschlossen. Die beiderseitigen Aktivitäten des Versicherten der [X.]lägerin und der Mitarbeiter der [X.] stellten
sich als ein aufeinander bezogenes Zu-sammenwirken dar. Es komme hierfür
nicht darauf an, ob sich der Unfall [X.] habe, als [X.], unmittelbar nachdem er den [X.] geöffnet habe, von seinem Fahrzeug heruntergeklettert sei
oder auf dem Rückweg von der auf dem Betriebsgelände befindlichen Toilette. Spätestens mit dem Öffnen des [X.]s seines eigenen L[X.]W's
habe die wechselseitige Gefährdungslage im konkreten Arbeitsvorgang begonnen. Eine andere Betrachtungsweise führe
zur Aufspaltung der Geschehnisse mit der Folge, dass ein Zusammenwirken auf einer gemeinsamen Betriebsstätte durch vom Unternehmer nicht zu beein-flussende Einzelereignisse, [X.]leinigkeiten und Zufälligkeiten unterbrochen wer-den könnte, was einen
ständigen Wechsel zwischen Anwendbarkeit und Unan-wendbarkeit des Haftungsprivilegs
zur Folge habe. Dies sei mit dem gesetzge-berischen Zweck der Haftungsprivilegierung des §
106 Abs.
3 Alt. 3 SGB
VII, wonach
das versicherungspflichtige Unternehmen durch die Haftungsfreistel-lung eine gewisse Entlastung als Ausgleich für die Beitragspflicht zur gesetzli-chen Unfallversicherung erfahren
solle, nicht vereinbar.

II.
Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen
Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen ist nicht ausge-schlossen, dass die [X.]lägerin aus übergegangenem Recht des Versicherten von der [X.] Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht 7
-

5

-

(§ 823 Abs. 1 BGB) beanspruchen kann. Ein solcher Anspruch ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht aufgrund einer Haftungsprivilegierung wegen des Zusammenwirkens auf einer gemeinsamen Betriebsstätte (§
106 Abs.
3 Alt. 3 SGB
VII) ausgeschlossen.
1. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung entfaltet
das rechtskräftige Urteil im Verfahren zwischen dem Versicherten [X.] und der [X.], durch das die [X.]lage wegen der Haftungsprivilegierung der [X.] abgewiesen worden ist, keine Bindungswirkung im vorliegenden Rechtsstreit
zu Gunsten der [X.].
a) Das Urteil
wirkt
Rechtskraft nur zwischen den damaligen Prozesspar-teien (vgl. [X.], Urteil vom 11.
November 1993 -
IX
ZR 35/93, [X.]Z 124, 86, 95; Beschluss vom 16.
Juni 1993 -
I
ZB 14/91, [X.]Z 123, 30, 33
f.; [X.]/
Vollkommer, ZPO,
30.
Aufl. §
325 Rn.
3). Hingegen erstreckt sich die [X.] nicht auf Dritte, die am Prozess nicht teilgenommen haben und deshalb auf die Entscheidungsfindung keinen Einfluss hatten. Einer der Fälle, in denen das Gesetz die
Rechtskraft auf Dritte erstreckt (§§
325
ff. ZPO), liegt offensicht-lich nicht vor (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 28.
Mai 1969 -
V
ZR 46/66, [X.]Z 52, 150, 151
ff.).
Für die Anwendung
der Regelung in §
325 Abs.
1 ZPO, wonach das rechtskräftige Urteil zugleich für und gegen die Personen wirkt, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind, fehlt, dass die Ansprüche des Versicherten
[X.] erst
nach Eintritt der [X.] auf die [X.]lägerin übergegangen sind. Der [X.] gemäß §
116 Abs. 1 [X.] lag zeitlich jedenfalls vor der Rechtshängigkeit des [X.].
Liegen die Voraussetzungen des §
116 Abs.
1 [X.] vor, so geht der Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger kraft Gesetzes, d.h. ohne 8
9
10
-

6

-

weiteres Zutun des regressberechtigten Sozialleistungsträgers, auf diesen über (vgl. [X.], Handbuch der Sozialversicherung, 11.
Aufl., §
116 SGB
X S.
971 b; [X.] in [X.]/[X.], [X.]/2, [X.] §
116 Rn.
1 [Lfg. 1/07]; [X.]ater in [X.]asseler [X.]ommentar, §
116 [X.] Rn.
141a [Stand: Juni 2013]; [X.], SGB
X,
§
116
Rn.
13,
21
[Stand:
April
2014];
Gitter
in
SGB-SozVers-Ges[X.]omm; §
116 [X.] Anm. 9; Wannagat/Eichenhofer, SGB
X, §
116 Rn.
13, Stand: März 2001). Der Übergang auf einen Sozialversicherungs-träger erfolgt
dem Grunde nach bereits im Augenblick des schadenstiftenden Ereignisses, wenn eine Leistungspflicht des [X.] gegenüber dem Verletzten irgendwie in Betracht kommt, also nicht völlig unwahrscheinlich ist (vgl. Senatsurteile vom 20.
September
1994 -
VI
ZR 285/93, [X.]Z 127, 120, 125; vom 8. Juli 2003 -
VI [X.], [X.]Z 155, 342, 346; vom 12. April 2011
-
VI [X.], [X.]Z 189, 158 Rn. 8; vom 17.
April 1990 -
VI
ZR 276/89, VersR 1990,
1028, 1029; vom 17. Juni 2008 -
VI [X.], [X.],
1350
Rn. 12). Die
im Streit befindlichen Schadensersatzansprüche gingen danach zeitlich vor der Rechtshängigkeit des [X.] auf die [X.]lägerin über, da offensichtlich war, dass die [X.]lägerin als Sozialversicherungsträgerin für die [X.] des bei ihr Versicherten
[X.]
Leistungen zu erbringen haben würde. §
325 Abs.
1 ZPO
bietet mithin
keine Grundlage für
eine Erstreckung der Rechtskraft des Urteils, das zwischen dem Verletzten [X.] und der [X.] er-gangen ist, auf die [X.]lägerin.
Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung war das Berufungs-gericht nicht gehalten, aufgrund einer Bindungswirkung des rechtskräftigen Ur-teils zwischen dem Versicherten [X.] und der [X.] seinem Urteil zugrunde zu legen, dass die Beklagte gegenüber dem Versicherten [X.] haftungsprivilegiert ist und ein Schadensersatzanspruch deshalb gegen sie nicht gegeben ist. Ebenso wie die Rechtskraft wirkt
eine frühere Entscheidung nur gegenüber den Parteien des [X.]
bindend, nicht jedoch gegenüber nicht am Prozess 11
-

7

-

beteiligten [X.], da ansonsten der Anspruch auf rechtliches Gehör des nicht am Prozess beteiligten [X.] nicht hinreichend gewährleistet wäre (vgl. [X.], Urteil vom 16. Januar 2008 -
XII [X.], [X.], 1227 Rn. 19, 23).
b) Eine Rechtskrafterstreckung folgt auch nicht aus den
Regelungen in
§
407 Abs.
2, § 412
BGB. Danach muss der neue Gläubiger (hier die [X.]lägerin) ein Urteil gegen sich gelten lassen, das zwischen dem Schuldner einer abgetre-tenen bzw. übergegangenen Forderung (hier: die Beklagte) und dem bisherigen Gläubiger (hier: der Versicherte
[X.]) in einem nach dem Forderungsübergang anhängig gewordenen Rechtsstreit rechtskräftig über die Forderung ergangen ist (§
407 Abs.
2, 412 BGB). §
407 Abs.
2 BGB führt -
anders
als §
325 ZPO
-
zu einer Rechtskrafterstreckung nur gegen den Zessionar.
Diese Voraus-setzung wäre im Streitfall gegeben, da die [X.]lage des Versicherten
[X.]
gegen die Beklagte abgewiesen worden ist. Die Vorschrift des §
407 Abs.
2 BGB verwehrt es aber
dem Schuldner, sich auf eine rechtskräftig in einem Prozess zwischen ihm und dem früheren Gläubiger ergangene Entscheidung zu berufen, wenn dieser Rechtsstreit erst nach seiner [X.]enntnis vom [X.] rechts-hängig geworden ist. So liegt der Fall hier.
Dass die Beklagte den [X.] auf die [X.]lägerin bei Eintritt der Rechtshängigkeit des [X.] nicht kannte, kann aufgrund der [X.] Verletzungen des Versicherten nicht angenommen werden. An die [X.]enntnis vom Forderungsübergang werden, um den
Schutz der [X.] Leis-tungsträger nicht durch die Behauptung fehlenden Wissens vom [X.] unterlaufen zu können, von der Rechtsprechung im Rahmen des § 116 Abs. 1 [X.], wie schon zur [X.] der Geltung des § 1542 RVO (Senatsurteil vom 4. Oktober 1983 -
VI [X.], [X.], 35 juris Rn. 18), nur maßvolle Anforderungen gestellt. Für die [X.]enntnis des Schädigers von einem Forde-rungsübergang nach § 116 Abs. 1 [X.] genügt schon das Wissen, dass der 12
13
-

8

-

Verletzte sozialversichert ist; es reicht sogar aus, wenn er tatsächliche [X.] kennt, von denen allgemein bekannt ist, dass sie versicherungspflichtig ma-chen (ständige Rechtsprechung, so etwa Senatsurteile vom 12. Dezember 1995 -
VI
ZR 271/94, [X.]Z 131, 274, 286 und vom 20.
September 1994 -
VI
ZR 285/93, [X.]Z 127, 120, 127 f.). Für die Beklagte lag auf der Hand, dass [X.] als Mitarbeiter der Silotransportfirma gesetzlich versichert ist und die [X.]lägerin wegen der unfallbedingten Verletzungen des bei ihr gesetzlich [X.] [X.] Leistungen erbringen würde.
Mithin kann sie sich
nicht nach §
407 Abs.
2,
§
412 BGB auf das ihr günstige, die [X.]lage abweisende Urteil berufen.
2. Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass
auf der Grundlage der im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen eine Haftungsprivilegierung der [X.]
gemäß §
106 Abs.
3 Alt.
3 SGB
VII
schon deshalb nicht angenom-men werden kann, weil die Schädigung des Versicherten der [X.]lägerin nicht durch ein selbst auf der Betriebsstätte tätiges versichertes Organ der [X.] erfolgt ist. Nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats kommt das Haftungsprivileg nur dem versicherten Unternehmer zu [X.], der selbst auf einer gemeinsamen Betriebsstätte eine vorübergehende betriebliche Tätigkeit verrichtet und dabei den Versicherten eines anderen Unternehmens verletzt (vgl. Senatsurteile
vom 3.
Juli 2001 -
VI
ZR 198/00, [X.]Z 148, 209
und
VI
ZR 284/00, [X.]Z 148, 214; vom 14.
Juni 2005 -
VI
ZR 25/04, [X.], 1397, 1398 und vom 8.
Juni 2010 -
VI
ZR 147/09, [X.], 1190 Rn.
10 mwN). Das [X.] unterscheidet zwischen Unternehmer und den für einen Betrieb Tätigen (vgl. §§
104, 105, 106 Abs.
3 Alt.
3 [X.]).
Dass ein für die Beklagte handelndes Organ an dem Unfall beteiligt gewesen wäre, ist we-der vorgetragen noch sonst ersichtlich. Für eigenes
Tun oder Unterlassen be-steht eine Haftungsbefreiung der [X.] schon deshalb nicht.
14
-

9

-

3. Eine Haftungsprivilegierung
der [X.] kommt mithin nur nach den Grundsätzen des gestörten [X.]
(§§
831, 840 Abs.
2 BGB)
in Betracht. Dafür fehlt aber die Voraussetzung, dass sich der Unfall bei einer Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte zwischen dem [X.]läger und den Mitarbeitern der [X.] zugetragen hat

106 Abs.
3 Alt.
3 [X.]).
a) Nach
den
vom erkennenden Senat entwickelten Grundsätzen können in den Fällen, in denen zwischen mehreren [X.] ein Gesamtschuldver-hältnis besteht, Ansprüche des Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (Zweitschädiger) auf den Betrag beschränkt sein, der auf diesen im Innenver-hältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (Erstschädiger) endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach §
426 BGB nicht durch eine [X.] Haftungsprivilegierung des [X.] gestört wäre (st. Rspr. vgl. Senatsurteile vom 24.
Juni 2003 -
VI
ZR 434/01, [X.]Z 155, 205, 212
ff.; vom 11.
November 2003 -
VI
ZR 13/03, [X.]Z 157, 9, 14; vom 13.
März 2007 -
VI
ZR 178/05, [X.], 948 Rn.
19; vom 22.
Januar 2008 -
VI
ZR 17/07, [X.], 642 Rn.
11 und vom 8.
Juni 2010 -
VI
ZR 147/09, [X.], 1190 Rn.
12). In solchen Fällen hat der erkennende Senat den Zweit-schädiger in Höhe des [X.]s freigestellt, der auf den [X.] im Innenverhältnis entfiele, wenn man seine Haftungsprivilegierung hinweg denkt, wobei unter "[X.]"
die Zuständigkeit für die Schadensver-hütung und damit der Eigenanteil des betreffenden Schädigers an der [X.] zu verstehen ist (vgl. Senatsurteile vom 11.
November 2003
-
VI
ZR 13/03, aaO, 14 f.; vom 13.
März 2007 -
VI
ZR 178/05; vom
22.
Januar 2008 -
VI
ZR 17/07 und vom 8.
Juni 2010 -
VI
ZR 147/09,
jeweils aaO). In An-wendung dieser Grundsätze könnte im Streitfall eine Haftung aus dem Ge-sichtspunkt des gestörten [X.] nur entfallen, wenn sich der Unfall auf einer gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des §
106 Abs.
3 15
16
-

10

-

Alt.
3 [X.] zwischen dem Versicherten der [X.]lägerin und den Mitarbeitern der [X.] ereignet hätte.
b) Dies ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht der Fall.
aa) Nach gefestigter
Rechtsprechung des erkennenden Senats erfasst der Begriff der "gemeinsamen Betriebsstätte"
betriebliche Aktivitäten von [X.] mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen [X.] ineinander greifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder [X.], wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung still-schweigend durch [X.] erfolgt. Erforderlich ist aber ein bewusstes Mitei-nander im Betriebsablauf, das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt (vgl. Senatsurteile vom 17.
Oktober 2000 -
VI
ZR 67/00, [X.]Z 145, 331, 336; vom 24.
Juni 2003 -
VI
ZR 434/01, [X.]Z 155, 205, 207
f.; vom 16.
Dezember 2003 -
VI
ZR 103/03, [X.]Z 157, 213, 216
f.; vom 17.
Juni 2008 -
VI
ZR 257/06, [X.]Z 177, 97 Rn.
19; vom 1.
Februar 2011 -
VI
ZR 227/09, [X.], 500 Rn.
7
und vom 10.
Mai 2011 -
VI
ZR 152/10, [X.], 882 Rn.
12). §
106 Abs.
3 Alt.
3 SGB
VII ist nicht schon dann anwendbar, wenn Versicherte zweier
Unternehmen auf derselben Betriebsstätte aufeinander treffen. Eine "gemein-same"
Betriebsstätte ist nach allgemeinem Verständnis mehr als "dieselbe"
[X.]; das bloße Zusammentreffen von [X.] mehrerer Unter-nehmen erfüllt den Tatbestand der
Norm nicht. Parallele Tätigkeiten, die sich beziehungslos nebeneinander vollziehen, genügen ebenso wenig wie eine [X.]. Erforderlich ist vielmehr eine gewisse Verbindung zwi-schen den Tätigkeiten als solchen in der konkreten Unfallsituation, die eine Be-wertung als "gemeinsame"
Betriebsstätte rechtfertigt (vgl. Senatsurteile vom 23.
Januar 2001 -
VI
ZR 70/00, [X.], 372, 373; vom 14.
September 2004 -
VI
ZR 32/04, [X.], 1604
f.; vom 8.
Juni 2010 -
VI
ZR 147/09, 17
18
-

11

-

[X.], 1190 Rn.
14; vom 1.
Februar 2011 -
VI
ZR 227/09 und vom 10.
Mai 2011 -
VI
ZR 152/10,
jeweils aaO).
Der Haftungsausschluss nach §
106 Abs.
3 Alt.
3 [X.] ist (nur) im Hinblick auf die zwischen den Tätigen ver-schiedener Unternehmen bestehende Gefahrengemeinschaft
gerechtfertigt (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Dezember 2003 -
VI
ZR 103/03 aaO,
S.
218 mwN). Eine Gefahrengemeinschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass typischerweise jeder der (in enger Berührung miteinander) Tätigen gleichermaßen zum [X.] und Geschädigten werden kann (vgl. Senatsurteil vom 3. Juli 2001 -
VI
ZR 284/00, [X.]Z 148, 214, 220; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1228 ff.; [X.], NZV 2002, 10, 14; [X.], [X.] 2002, 1859, 1860 f.). Der Haftungsausschluss knüpft daran an, dass eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigen bei kon-kreten Arbeitsvorgängen (vgl. Senatsurteil vom 1. Februar 2011 -
VI
ZR 227/09, aaO Rn. 7 und 9) in der konkreten Unfallsituation gegeben ist, die die "gemein-same"
Betriebsstätte entscheidend kennzeichnet (vgl. Senatsurteile vom 23.
Ja-nuar 2001 -
VI
ZR 70/00, [X.], 372, 373; vom 14.
September 2004
-
VI
ZR 32/04, [X.], 1604
f.; vom 8.
Juni 2010 -
VI
ZR 147/09, [X.], 1190 Rn.
14 und 16; vom 1.
Februar 2011 -
VI
ZR 227/09, [X.], 500 Rn.
7 und vom 10.
Mai 2011 -
VI
ZR 152/10, [X.], 882 Rn.
12 sowie vom 11.
Oktober
2011
-
VI
[X.], [X.], 1567 Rn.
9).
bb) Mit diesen Grundsätzen ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, im Unfallzeitpunkt habe zwischen den Mitarbeitern der [X.] und dem [X.] [X.] eine "gemeinsame Betriebsstätte"
vorgelegen, nicht zu vereinbaren. Das Berufungsgericht stützt die Haftungsprivilegierung allein auf den zeitlichen und örtlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit
des Versicherten [X.] und der
Anwesenheit
von Mitarbeitern
der [X.]
am Unfallort zur Ausführung des
in Aussicht genommenen [X.]s. Die Anwesenheit des Versicher-ten der [X.]lägerin auf dem Betriebsgelände der [X.] und das Abstellen des L[X.]W's, um diesen nach Freiwerden der Befüllstation
befüllen zu lassen, [X.]
-

12

-

gründet für sich gesehen noch keine Gefahrengemeinschaft, deren Risikoträch-tigkeit sich in dem Schadensfall verwirklicht hätte (vgl. hierzu Senatsurteil vom 11.
Oktober 2011 -
VI
[X.], [X.], 1567 Rn.
9 mwN). Es fehlte
zum
Unfallzeitpunkt ein betriebliches Zusammenwirken zwischen den Mitarbeitern der [X.] und [X.], bei dem die Tätigkeit der Mitwirkenden im faktischen Mit-einander der Beteiligten aufeinander bezogen, miteinander verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet war
und sich die [X.] bei den versicherten Tätigkeiten [X.] in die Quere
kommen konnten. Das Öffnen des [X.]s durch [X.] begründete nicht eine Gefah-rengemeinschaft
zwischen [X.] und den Mitarbeitern der [X.]. Zwar ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, dass das Öffnen des [X.]s erfor-derlich war, um den [X.] durchzuführen. Auch konnte der gesamte [X.] angesichts der Art der Transportfahrzeuge sowie des [X.] als solchem und der sich daraus ergebenden Gefahren nicht ohne Ab-sprache und Fachkenntnis der Beteiligten erfolgen. Doch hatte der Versicherte der [X.]lägerin den L[X.]W an die Befüllstation lediglich herangefahren und dort [X.], um das Freiwerden der Befüllstation abzuwarten. Ein Zusammenwirken mit den Mitarbeitern der [X.], das eine gegenseitige Gefahrensituation begründet hätte, war damit nicht verbunden. Zutreffend weist die Revision [X.] hin, dass für eine wechselseitige Gefährdungslage nicht ausreichend ist, dass für eine der Parteien eine nur theoretische Möglichkeit besteht, verletzt zu werden.
Sollte [X.]
erst
auf dem Rückweg von der Toilette zu seinem Fahrzeug [X.] sein, fehlen ebenso
die Voraussetzungen eines notwendigen Miteinan-ders
im Arbeitsablauf sowie des
wechselseitigen
Bezugs
der betrieblichen [X.] und damit die notwendige Verbindung zwischen den Tätigkeiten als sol-chen in der konkreten Unfallsituation (vgl. Senatsurteil vom 11. Oktober 2011 -
VI [X.], [X.], 1567 Rn. 9 aE).
[X.] war dem Risiko, auf dem [X.]
-

13

-

lände der [X.]lägerin zu Schaden zu kommen, nicht anders ausgesetzt als
jeder andere, der dieses Gelände begangen hat.
Zum Unfallzeitpunkt war nach den getroffenen Feststellungen mithin
das für die "gemeinsame Betriebsstätte"
erforderliche
aufeinander bezogene be-triebliche Zusammenwirken des Verletzten mit den Mitarbeitern der [X.] (noch) nicht gegeben.
c) [X.], dass die Aufspaltung der [X.] einen
ständigen Wechsel zwischen Anwendbarkeit und Unanwend-barkeit des Haftungsprivilegs
zur Folge habe und dies
mit dem gesetzgeberi-schen Zweck der Haftungsprivilegierung des §
106 Abs.
3 SGB
VII, den versi-cherungspflichtigen Unternehmen durch die Haftungsfreistellung eine gewisse Entlastung als Ausgleich für die Beitragspflicht zur gesetzlichen Unfallversiche-rung zukommen zu lassen, nicht vereinbar sei, teilt der erkennende Senat nicht. Der Haftungsausschluss des §
106 Abs.
3 Alt.
3 SGB
VII beruht auf dem [X.] der sogenannten Gefahrengemeinschaft (vgl. Senatsurteil vom 16.
Dezember 2003 -
VI
ZR
103/03, [X.]Z 157, 213, 218). Andere Gesichts-punkte, die in den Fällen der §§
104, 105 SGB
VII eine Rolle spielen, so die
Wahrung des [X.] oder auch die Haftungsersetzung durch die an die Stelle des Schadensersatzes tretenden Leistungen der Unfallversicherung, die vom Unternehmer finanziert wird (vgl. [X.] 34, 118, 132), kommen da-gegen nicht zum Tragen und können deshalb den Haftungsausschluss nach §
106 Abs. 3 Alt. 3 [X.] auch nicht rechtfertigen (vgl. Senatsurteile vom 3.
Juli 2001 -
VI
ZR 198/00, [X.]Z 148, 209, 212 und VI
ZR 284/00, [X.]Z 148, 214, 220 und vom 16.
Dezember 2003 -
VI
ZR 103/03, aaO). Nur demjenigen, der als Schädiger von der Haftungsbeschränkung profitiert, kann es als
Ge-schädigtem zugemutet werden, den Nachteil hinzunehmen, dass er selbst bei einer Verletzung keine Schadensersatzansprüche wegen seiner Personen-21
22
-

14

-

schäden geltend machen kann (vgl. Senatsurteile
vom 3. Juli 2001 -
VI
ZR 198/00 und VI ZR 284/00
jeweils
aaO; [X.] 34, 118, 136; [X.], r+s
2002, 508).
d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Streitfall gut vergleichbar mit dem Sachverhalt, der dem Senatsurteil vom 11.
Oktober 2011 -
VI
[X.] zugrunde lag. Ein Zusammenwirken der Beteiligten
in einem konkreten Arbeitsvorgang zum [X.]punkt des Unfalls ist -
wie dort
-
auch im Streitfall nicht gegeben. Gleiches gilt für die Fallgestaltung, die dem Senatsurteil des [X.] vom 10.
Mai 2011 -
VI
ZR 152/10 zugrunde lag. Auch dort war
bezogen auf den Unfallzeitpunkt noch kein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen festzustellen.
4. Ist eine Haftung der [X.] weder nach §
106 Abs.
3 Alt.
3 SGB
VII noch nach den Grundsätzen des gestörten [X.] ausge-schlossen, fällt das Urteil der Aufhebung anheim. Die Sache
ist
an das [X.] zurückzuverweisen, um diesem die Prüfung zu ermöglichen, ob

23
24
-

15

-

und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Schadensersatzanspruch des [X.], der
auf die [X.]lägerin übergegangen ist, besteht.
Galke
[X.]
Diederichsen

Offenloch
Oehler

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.03.2012 -
3 O 419/11 -

OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 31.10.2012 -
I-19 [X.] -

Meta

VI ZR 483/12

23.09.2014

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2014, Az. VI ZR 483/12 (REWIS RS 2014, 2727)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2727

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

9 U 53/15

Zitiert

VI ZR 483/12

VI ZR 158/10

VI ZR 248/10

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