Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.04.2013, Az. VI ZR 155/12

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6137

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]/12
Verkündet am:

30. April 2013

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 105 Abs. 1 Satz 1, § 106
Abs. 3 Fall 3, § 108 Abs. 2
a)
Die Aussetzung des Verfahrens gemäß §
108 Abs.
2 [X.] wegen unterlas-sener Beteiligung des Schädigers am Verwaltungsverfahren ist ausnahms-weise entbehrlich, wenn sie eine bloße [X.] wäre.
b)
Diente die Tätigkeit des Schädigers sowohl dem Interesse des Unfallbetriebs als auch dem seines eigenen bzw. seines Stammunternehmens, kann sie dem Unfallbetrieb nur dann im Sinne des §
105 Abs.
1 Satz 1 [X.] zuge-ordnet werden, wenn sie der Sache nach für diesen und nicht für das eigene Unternehmen geleistet wurde.
c)
Zum Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des §
106 Abs.
3 Fall 3 [X.].
[X.], Urteil vom 30. April 2013 -
VI [X.]/12 -
OLG [X.]

LG Landshut
-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
30.
April 2013
durch den Vorsitzenden [X.], die Richter [X.], Pauge, [X.] und die Richterin von Pentz
für Recht erkannt:
Auf die Revision
des [X.] wird das Urteil des 10.
Zivilsenats des [X.] vom 21.
März 2012 aufgeho-ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger nimmt die [X.] auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens aus einem Unfall in Anspruch.
Der Kläger ist bei der [X.] angestellt und arbeitet in deren Werk in [X.] Er wird an Arbeitstagen von einem sogenannten Werksbus der B.
AG von sei-nem Wohnort in E. abgeholt und an seine Arbeitsstelle gebracht. Mit der [X.] der Fahrten der [X.] beauftragte die B.
AG die Beklagte
zu
2, die hierfür u.a. den bei ihr als Busfahrer angestellten [X.] zu
1 einsetzte. 1
2
-

3

-

Am 22.
Juni 2009 gegen 4.10
Uhr holte der Beklagte zu
1 den Kläger mit einem Bus der [X.] zu
2, der bei der [X.] zu
3 haftpflichtversichert ist, in E. ab
und erreichte gegen
4.40
Uhr die
Ausstiegsstelle für den Werksbus der [X.] in [X.]
Der Kläger stieg an der hinteren Tür des Busses aus, kam dabei zu Fall und zog
sich eine distale Unterarmfraktur links mit [X.] zu. Die für die B.
AG zuständige Berufsgenossenschaft Holz und Metall erkannte den Unfall mit Bescheid vom 23.
September 2010 als Arbeitsunfall an.
Mit der Behauptung, der Beklagte zu 1 habe die hintere [X.] geschlos-sen, als er gerade im Begriff gewesen sei,
auszusteigen, begehrt der Kläger die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Ersatzverpflichtung der [X.] hinsichtlich zukünftiger materieller und [X.]. Die [X.] machen geltend, ihre Haftung sei gemäß §
105 Abs.
1 Satz 1 SGB
VII ausgeschlossen, weil der Beklagte zu
1 zum Unfallzeit-punkt in den
Betrieb der B.
AG
wie ein Beschäftigter im Sinne des §
2 Abs.
2 Satz
1 SGB
VII eingegliedert gewesen
sei.
Das [X.] hat die [X.] zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 9.000

Auslagenpauschale verurteilt und dem Feststellungsantrag des [X.]. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] das land-gerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Oberlan-desgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

3
4
-

4

-

Entscheidungsgründe:

I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Haftung der [X.] gemäß §
106 Abs.
3 Fall
3, §
105 Abs.
1 Satz
1 SGB
VII ausgeschlossen. Der Kläger als Geschädigter und der Beklagte zu
1 als Schädiger seien zwar Ar-beitnehmer verschiedener Unternehmen, so dass das Haftungsprivileg des §
105 Abs.
1 Satz
1 SGB
VII nicht unmittelbar eingreife. Der Unfall habe sich aber bei einer vorübergehenden Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des §
106 Abs.
3 Fall 3 SGB
VII ereignet. Zwischen dem Kläger und dem [X.] zu
1 habe eine wechselseitige Gefahrengemeinschaft [X.]. Während der Busfahrt einschließlich der Ein-
und Aussteigevorgänge habe nicht nur die Gefahr bestanden, dass der Busfahrer dem Fahrgast einen Scha-den zufüge. Vielmehr habe auch der Fahrgast Gefährdungen des Busfahrers vermeiden müssen, die dadurch entstehen könnten, dass der Fahrer während der Fahrt angesprochen und abgelenkt werde. Darüber hinaus könne der [X.] durch schleudernde Gegenstände oder Fahrgäste verletzt werden. Das Miteinander der Beteiligten stelle sich nicht nur als zufälliges Zusammentreffen dar, sondern habe gegenseitiger
Absprache und Ergänzung bedurft. Der Werksbusbetrieb sei in den Arbeitsablauf der [X.]
eingebunden gewesen, so dass konkrete Absprachen hätten getroffen werden müssen wie beispielsweise zur Frage, welche Haltestellen der Bus anfahre, wie lange die Fahrt dauere, wie zu fahren sei und ob ausreichend Platz im Bus vorhanden sei. Die Arbeitneh-mer der B.
AG hätten auch dafür sorgen müssen, rechtzeitig an den jeweiligen Haltestellen anwesend zu sein, damit der Fahrbetrieb so durchgeführt werden könne, dass der jeweilige Schichtbeginn eingehalten werden könne. Abgesehen davon ändere sich der Charakter der Betriebsstätte und damit auch der
ge-meinsamen Betriebsstätte im Sinne des §
106 Abs.
3 SGB
VII nicht dadurch, 5
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-

dass ein Unternehmer einzelne Arbeitsschritte nicht mehr von eigenen, sondern von fremden Arbeitnehmern oder anderen Unternehmen durchführen lasse. In diesen Fällen träfen die jeweiligen Arbeitnehmer der verschiedenen Unterneh-men nicht zufällig zusammen; vielmehr bleibe
die vorhandene Gefahrenge-meinschaft innerhalb des Werks bestehen mit dem einzigen Unterschied, dass dasselbe Werk nunmehr nicht nur von den eigenen Arbeitskräften, sondern auch von Arbeitnehmern anderer Unternehmen im eigenen Haus gefertigt [X.]. Entgegen der Auffassung des [X.]s liege auch kein Wegeunfall im Sinne des §
8 Abs.
2 SGB
VII vor. Der Kläger habe den Unfall vielmehr auf ei-nem
zur versicherten Tätigkeit zählenden Betriebsweg erlitten, da die Beförde-rung der Arbeitnehmer integraler Bestandteil der Organisation des Arbeitsbe-triebs der B.
AG gewesen sei. Der im Auftrag der B.
AG durchgeführte Fahrbe-trieb sei allein auf die Bedürfnisse und Notwendigkeiten der B.
AG und deren Arbeitnehmer abgestimmt gewesen.

II.
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Den [X.] kommt kein Haftungsprivileg zugute.
1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass
die Haftung des [X.] zu 1 nicht gemäß §
105 Abs.
1 Satz
1 SGB
VII ausge-schlossen ist.
Nach dieser Bestimmung sind Personen, die durch eine betriebli-che Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs ver-ursachen, von der Haftung
für Personenschäden freigestellt,
wenn sie den [X.] weder vorsätzlich noch auf einem nach §
8 Abs.
2
Nr.
1 bis 4
[X.]
versi-cherten Weg herbeigeführt haben.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Beklagte zu 1 hat im Unfallzeitpunkt keine betriebliche Tätigkeit 6
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für den Betrieb erbracht, in
dem der Kläger versichert war
und dem der [X.] zuzurechnen ist.
a) Der Kläger hat den Unfall als Versicherter aufgrund seines Beschäfti-gungsverhältnisses
zur [X.] in deren Werk
in [X.]
erlitten (§
2 Abs.
1 Nr.
1 [X.]). Dies steht mit Bindungswirkung nach
§
108 Abs.
1 [X.] aufgrund des Bescheids vom 23.
September 2010 fest, mit dem die für die [X.] zuständige Berufsgenossenschaft Holz und Metall den Unfall des [X.] als Arbeitsunfall anerkannt hat.
aa) Gemäß §
108 Abs.
1 [X.]
ist der Zivilrichter an unanfechtbare
Entscheidungen
der
Unfallversicherungsträger
und der Sozialgerichte
hinsicht-lich der Frage gebunden, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, in welchem Umfang Leis-tungen zu
erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist. Die Bindungswirkung erstreckt sich auch auf die Entscheidung darüber, ob der Verletzte den Unfall als Versicherter aufgrund eines Beschäftigungsverhältnis-ses im Sinne des §
2 Abs.
1 Nr.
1 oder Abs.
2 Satz 1 [X.] erlitten hat
und welchem Betrieb der Unfall zuzurechnen ist (vgl. Senatsurteile vom 22. April 2008 -
VI
ZR 202/07, [X.], 820 Rn.
9, 13; vom 19. Mai 2009 -
VI
ZR 56/08,
[X.]Z 181, 160 Rn.
17, 21;
Horst/[X.], [X.], 165, 169
f.;
[X.]/[X.],
Arbeitsrecht, 13.
Aufl., §
108 [X.] Rn.
2;
jeweils mwN).
[X.])
Zwar ist dem Berufungsurteil nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob der Bescheid vom 23.
September 2010 auch den
[X.]
zu 1 und 2
gegenüber bestandskräftig geworden ist. Das Berufungsgericht hat insbesondere keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob
die [X.]
zu 1 und 2 gemäß §
12 Abs.
2 [X.] in der gebotenen Weise an dem Verfahren beteiligt worden sind
(vgl. zur grundsätzlichen Notwendigkeit tatsächlicher Feststellungen zu dieser Frage: Senatsurteile vom 22. April 2008 -
VI
ZR 202/07, [X.], 820 Rn.
9; 8
9
10
-

7

-

vom 19. Mai 2009 -
VI
ZR 56/08,
[X.]Z 181, 160 Rn.
22 ff.).
Dies ist jedoch ausnahmsweise unschädlich, da die im Fall einer unterlassenen Beteiligung des Schädigers an sich
gebotene
Aussetzung des Verfahrens gemäß §
108 Abs.
2 [X.] im Streitfall eine bloße [X.] wäre
und deshalb ausnahmsweise ent-behrlich ist.
Der
Bescheid der Berufsgenossenschaft Holz und Metall vom 23.
September 2010 ist den
[X.] insofern günstig, als durch die Anerken-nung des Unfalls als Versicherungsfall eine wesentliche Voraussetzung für die von ihnen
geltend gemachte Haftungsprivilegierung geschaffen worden ist.
Ihre
Rechtsstellung, deren Wahrung das Beteiligungserfordernis des §
12 Abs.
2 [X.] dient, könnte
nur dadurch nachteilig betroffen sein, dass der Unfall als Versicherungsfall für die [X.] anerkannt wurde und deshalb nicht mehr der [X.] zu 2 zugeordnet werden kann (vgl. Senatsurteile vom 22. April 2008 -
VI
ZR 202/07, aaO, Rn.
10; vom 19. Mai 2009 -
VI
ZR 56/08,
aaO Rn.
23). Eine fehlerhafte Zuordnung des Versicherungsfalls zum Unternehmen des Klä-gers -
etwa weil der Kläger nicht für die [X.], sondern als sog. "Wie-Beschäftigter"
nach §
2 Abs.
2 Satz
1 SGB
VII für die Beklagte zu 2 tätig gewe-sen sei,
-
machen
die [X.] aber gar nicht geltend. Hierfür bestehen auch nicht die geringsten Anhaltspunkte. Die [X.]
haben
sich im Gegenteil während des gesamten Verfahrens auf den Bescheid der für die [X.]
zustän-digen Berufsgenossenschaft Holz und Metall vom 23.
September 2010 sowie darauf berufen, dass der
Beklagte zu 1
zum Unfallzeitpunkt in den Betrieb der [X.] wie ein Beschäftigter im Sinne des §
2 Abs.
2 Satz
1 SGB
VII eingeglie-dert gewesen sei. Bei dieser Sachlage erfordern es die Interessen der
Beklag-ten ausnahmsweise nicht, wegen ihrer Nichtbeteiligung am Feststellungsverfah-ren der Berufsgenossenschaft den Rechtsstreit gemäß §
108 Abs.
2 Satz 1 [X.] auszusetzen und ihnen
Gelegenheit zu geben, auf eine Wiederholung des Verwaltungsverfahrens hinzuwirken. Dies wäre vielmehr eine bloße Förme-11
-

8

-

lei
(vgl. [X.], [X.] 2002, 127; Horst/[X.], [X.], 165
ff. Fn.
12 und 46; vgl. zu den Vorläuferbestimmungen in §
901 Abs.
2, §
638
RVO: [X.], Urteil vom 19.
Mai 1969 -
VII
ZR 9/67, [X.]Z 52, 115, 119).
b) Der Beklagte zu 1 hat im Unfallzeitpunkt keine betriebliche Tätigkeit für die [X.] erbracht. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung war er für sie insbesondere nicht wie ein Beschäftigter im Sinne des §
2 Abs.
2 Satz
1 SGB
VII
tätig. Vielmehr hat er die Aufgaben
seines Stammunterneh-mens,
der
[X.]
zu 2,
wahrgenommen.

aa) Entscheidend für das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit und das Eingreifen des Haftungsausschlusses im Sinne des §
105 Abs.
1 Satz 1 [X.] ist die Verursachung des Schadensereignisses durch eine Tätigkeit des Schädigers, die ihm von dem Betrieb oder für den Betrieb, in dem sich der [X.] ereignet hat, übertragen war oder die von ihm im [X.] erbracht wurde (vgl. [X.], 195, 201 f.
mwN; von [X.] in [X.], Kommentar zum Sozialrecht, 2.
Aufl., §
105 [X.] Rn.
3; [X.]/[X.], aaO, §
105 [X.] Rn.
3; [X.]/Ricke,
Sozialversicherungsrecht, 76. Ergän-zungslieferung 2012, §
105 [X.] Rn.
3a). Diente die Tätigkeit des [X.] sowohl dem Interesse des Unfallbetriebs als auch dem seines eigenen bzw. seines Stammunternehmens, kann sie dem Unfallbetrieb nur dann zuge-ordnet werden, wenn sie der Sache nach für diesen
und nicht für das eigene
Unternehmen
geleistet wurde. Für die unfallversicherungsrechtliche Zuordnung der Tätigkeit kommt es darauf an, ob ihr Aufgaben des fremden oder solche des eigenen Unternehmens das Gepräge gegeben haben. Auch unter der Geltung des §
105 Abs.
1 [X.] ist dabei davon auszugehen, dass derjenige, der Aufgaben wahrnimmt, die sowohl in den Aufgabenbereich seines Unterneh-mens als auch in denjenigen eines fremden Unternehmens fallen, allein zur Förderung der Interessen seines Unternehmens tätig wird. Erst wenn die Tätig-12
13
-

9

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keit nicht mehr als Wahrnehmung einer Aufgabe seines Unternehmens bewer-tet werden kann, kann sie dem fremden Unternehmen zugerechnet werden (vgl. Senatsurteil
vom
23. März 2004 -
VI
ZR 160/03, [X.], 1045, 1046 f.; [X.], 229 Rn.
27; [X.], r+s
2012, 103, jeweils mwN; [X.], r+s
2012, 259, 260).
[X.]) Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte zu 1 im Unfallzeitpunkt keine betriebliche Tätigkeit für die [X.] erbracht, sondern war für sein Stamm-unternehmen
tätig. Mit der
Durchführung der Busfahrten nahm er eine Aufgabe der [X.] zu 2 wahr. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die [X.] die Beklagte zu 2, eine selbständige Unternehmerin, mit der Beförde-rung der Arbeitnehmer der [X.] von deren Wohnort zum Werk und zurück beauftragt. Soweit der Fahrbetrieb den Bedürfnissen der [X.] angepasst [X.], beruhte dies auf den vertraglichen Absprachen der beteiligten Unterneh-men, ohne dass die Beklagte zu 2 dadurch ihre Selbständigkeit verlor und ihr Unternehmen in den Betrieb der [X.] integriert
wurde. Der Beklagte zu 1 er-füllte mit der Durchführung der Fahrten zum einen die ihm im Verhältnis zur
[X.] zu 2
obliegende Pflicht zur Erbringung seiner Arbeitsleistung und zum anderen die von dieser gegenüber der [X.] vertraglich übernommene Ver-pflichtung zum Transport ihrer Arbeitnehmer
(vgl. auch Senatsurteil vom
1.
Dezember 1981 -
VI
ZR 219/80, [X.], 270; [X.], [X.], 247, 248 f.; [X.] VersR 2000, 863; OLG
[X.], NJW-RR 2005, 536, 537).
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt dem Beklag-ten zu 1 auch nicht das unternehmensübergreifende Haftungsprivileg des §
106 Abs.
3 Fall 3 [X.] zugute.
Der Unfall, aus dem der Kläger seine Ansprüche herleitet,
hat sich nicht bei einer vorübergehenden betrieblichen Tätigkeit des [X.] und des [X.] zu 1 auf einer gemeinsamen Betriebsstätte ereignet.
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-

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-

a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats er-fasst der Begriff der "gemeinsamen Betriebsstätte" betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung still-schweigend durch [X.] erfolgt. Erforderlich ist ein bewusstes Miteinan-der im Betriebsablauf, das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezo-genes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt. Die Tä-tigkeit der Mitwirkenden muss im faktischen Miteinander der Beteiligten aufei-nander bezogen, miteinander verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet sein. §
106 Abs.
3 Fall 3 [X.] ist nicht schon dann anwendbar, wenn Versicherte zweier Unternehmen auf derselben
Be-triebsstätte aufeinander treffen. Eine "gemeinsame" Betriebsstätte ist nach all-gemeinem Verständnis mehr als "dieselbe" Betriebsstätte; das bloße Zusam-mentreffen von Risikosphären mehrerer Unternehmen erfüllt den Tatbestand der Norm nicht. Parallele Tätigkeiten, die sich beziehungslos nebeneinander vollziehen, genügen ebenso wenig wie eine bloße Arbeitsberührung. [X.] ist vielmehr eine gewisse Verbindung zwischen konkreten Arbeitsvorgän-gen
in
der konkreten Unfallsituation. Denn der Haftungsausschluss nach §
106 Abs.
3 Fall 3 [X.] ist nur im Hinblick auf die zwischen den Tätigen verschie-dener Unternehmen bestehende Gefahrengemeinschaft gerechtfertigt (vgl. Se-natsurteile
vom 22. Januar 2013 -
VI
ZR 175/11, [X.], 460
Rn.
10
f., 13; vom 11. Oktober 2011 -
VI
ZR 248/10, [X.], 1567 Rn.
9, jeweils mwN).
b) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
Ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken des [X.] mit dem [X.] zu 1 in der konkreten Unfallsituation ist nicht gegeben.
Es fehlt sowohl an einem be-wussten Miteinander im Betriebsablauf
als auch an dem erforderlichen wech-selseitigen Bezug betrieblicher Aktivitäten. Nach den Feststellungen des Beru-16
17
-

11

-

fungsgerichts ereignete sich der Unfall, als der Kläger durch die
geöffnete [X.] aussteigen wollte. Selbst wenn in dem Aussteigen eine be-triebliche Tätigkeit des [X.] im Sinne des §
106 Abs.
3 Fall 3 [X.] zu sehen wäre, war diese in keiner Weise auf die Tätigkeit des [X.] zu 1 be-zogen, mit
ihr verknüpft
oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bestand im [X.]zeitpunkt zwischen den Beteiligten auch
nicht die für eine gemeinsame Be-triebsstätte typische Gefahr, dass sich die
Beteiligten bei den versicherten Tä-tigkeiten "ablaufbedingt in die [X.]"
kommen. Allein der Kläger war dem nahe-liegenden Risiko ausgesetzt, durch ein Fehlverhalten des [X.] zu 1 zu Schaden zu kommen. Die Gefahr, dass der Kläger dem [X.] zu 1 beim Aussteigen aus dem
Bus Schaden zufügen könnte, ist rein theoretischer Natur
(vgl. auch
OLG [X.], NJW-RR 2005, 536 sowie zur Gefahrengemeinschaft: Senatsurteil vom 16. Dezember 2003 -
VI
ZR 103/03, [X.], 381, 382).
Soweit das Berufungsgericht die Voraussetzungen des §
106 Abs.
3 Fall
3 [X.] mit der Begründung bejaht hat, das
Haftungsprivileg
könne nicht davon abhängen, ob der Unternehmer betriebliche Aufgaben von eigenen [X.] erledigen lasse oder diese
rechtlich selbständigen Betrieben über-trage
("Outsourcing"), hat es übersehen, dass der Gesetzgeber die jeweiligen Fallkonstellationen unterschiedlichen Regelungen unterworfen hat, die in ihren Voraussetzungen und in ihrem Normzweck nicht übereinstimmen. Hätte die [X.] nicht die Beklagte zu 2 mit der Beförderung ihrer Arbeitnehmer beauftragt, sondern die Fahrten von eigenen Arbeitnehmern durchführen lassen, wäre die Frage einer Haftungsablösung nicht nach §
106 Abs.
3 Fall 3 [X.], sondern nach
§
105 Abs.
1 [X.]
zu beurteilen.
Auf das Vorliegen einer gemeinsa-men Betriebsstätte käme es dann nicht an. Vielmehr würde es nach dieser Be-stimmung genügen, dass der Schädiger im Unfallzeitpunkt für den Betrieb tätig war, in dem der Verletzte versichert war (vgl. die Ausführungen unter Ziff. 1).

18
-

12

-

Diese
unterschiedliche
Behandlung der beiden
Fallkonstellationen
trägt u.a. dem Umstand Rechnung, dass der unternehmensübergreifende [X.] nach §
106 Abs.
3 Fall 3 [X.] seine Rechtfertigung nur
in
der
zwischen den Tätigen verschiedener Unternehmen bestehenden
Gefahrenge-meinschaft findet, während die
in §
105 Abs.
1 [X.] enthaltene
Haftungspri-vilegierung, soweit sie sich auf
Angehörige desselben Betriebs bezieht, auf dem Gedanken der
Ersetzung der Haftung des Schädigers als Konsequenz der al-leinigen Finanzierung der Unfallversicherung durch die Unternehmer und dem
Betriebsfriedensprinzip
beruht (vgl. Senatsurteile vom 16. Dezember 2003 -
VI
ZR 103/03, [X.], 381, 382; vom 3. Juli 2001 -
VI
ZR 198/00, [X.]Z 148, 209, 212; vom
17. Juni 2008 -
VI
ZR 257/06, [X.]Z 177, 97, Rn.
13
f., 16 a.E.; [X.], Urteile
vom 27. Juni
2002 -
III
ZR 234/01, [X.]Z 151, 198,
202;
vom 8. März 2012 -
III
ZR 191/11, [X.], 724 Rn.
10; [X.], 229
Rn.
37;
110, 195 Rn.
20; [X.], [X.], 809
ff.;
HWK/[X.], Arbeitsrecht, 5.
Aufl., Vor 104-113
[X.], Rn.
3;
Waltermann, NJW 2008, 2895, 2896; [X.], Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden nach dem [X.], S.
44
ff.,131 f.; [X.] in jurisPK-[X.], §
105 [X.] Rn.
8).

3. Da zugunsten des [X.] zu 1 keine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung eingreift, scheidet auch eine Haftungsbefreiung der [X.] zu 2 und 3 nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhält-nisses
aus (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2010 -
VI
ZR 147/09, [X.], 1190 Rn.
11).
4. Das Berufungsurteil war aufzuheben und die Sache zu neuer [X.] an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 Satz 1 ZPO). Die Sache war nicht zur Endentscheidung reif, da sich
das Berufungsge-richt -
aus seiner Sicht konsequent
-
nicht mit den weiteren Einwendungen der [X.] gegen das landgerichtliche Urteil befasst hat (§
563 Abs.
3 ZPO).

19
20
21
-

13

-

Galke
[X.]
Pauge

[X.]
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 01.09.2011 -
74 O 1562/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 21.03.2012 -
10 U 3927/11 -

Meta

VI ZR 155/12

30.04.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.04.2013, Az. VI ZR 155/12 (REWIS RS 2013, 6137)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6137

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Referenzen
Wird zitiert von

9 U 140/15

9 U 53/15

Zitiert

VI ZR 155/12

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