Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 23.07.2020, Az. I ZR 143/19

1. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1906

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Gegenstand

Vorabentscheidungsersuchen zur Lebensmittelinformationsverordnung: Ausschließliche Anwendbarkeit für zuzubereitende Lebensmittel mit Zubereitungsweise; Bezugsgröße von 100 Gramm - Knuspermüsli


Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem [X.] werden zur Auslegung von Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 und Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 1169/2011 des [X.] und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen ([X.]) Nr. 1924/2006 und ([X.]) Nr. 1925/2006 des [X.] und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der [X.], der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/[X.] der [X.], der Richtlinie 2000/13/[X.] des [X.] und des Rates, der [X.]/[X.] und 2008/5/[X.] der [X.] und der Verordnung ([X.]) Nr. 608/2004 der [X.] ([X.] L 304 vom 22. November 2011, S. 18; im Weiteren: Lebensmittelinformationsverordnung - [X.]) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 [X.] dahin auszulegen, dass diese Regelung allein für Lebensmittel gilt, bei denen eine Zubereitung erforderlich und die Zubereitungsweise vorgegeben ist?

2. Falls Frage 1 zu verneinen ist: Meint die Wortfolge "je 100 g" in Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] allein 100 Gramm des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs oder aber - zumindest auch - 100 Gramm des zubereiteten Lebensmittels?

Gründe

1

I. Die Beklagte stellt unter anderem das vorverpackte Lebensmittel "Dr. O.   Vitalis Knuspermüsli Schoko + Keks" her und vertreibt dieses auf dem [X.] Markt in einer quaderförmigen Kartonverpackung. Die seitliche Schmalseite der Verpackung enthält unter der Überschrift "Nährwertinformation" Angaben zum Brennwert und zu den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz, und zwar bezogen zum einen auf 100 Gramm des Produkts zum Zeitpunkt seines Verkaufs und zum anderen auf eine aus 40 Gramm dieses Produkts und 60 Milliliter Milch mit einem Fettgehalt von 1,5% bestehende Portion des zubereiteten Lebensmittels. Auf der Vorderseite der Verpackung als dem [X.] werden die Angaben zum Brennwert und zu den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz bezogen auf eine aus 40 Gramm des Produkts und 60 Milliliter Milch mit einem Fettgehalt von 1,5% bestehende 100-Gramm-Portion des zubereiteten Lebensmittels wiederholt.

2

Der Kläger ist der in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 [X.] eingetragene [X.] [X.] Nach seiner Auffassung verstößt die Aufmachung des Produkts der Beklagten dadurch gegen die Bestimmungen der Lebensmittelinformationsverordnung über die [X.] bei Angaben je Portion, dass auf der Schauseite der Verpackung der Brennwert nicht bezogen auf 100 Gramm des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs, sondern bezogen auf 100 Gramm des zubereiteten Lebensmittels angegeben ist.

3

Mit seiner nach erfolgloser Abmahnung erhobenen Klage hat der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Androhung von [X.] zu verurteilen, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen für "Vitalis [X.]" wie in der [nachstehend wiedergegebenen] Anlage K2 abgebildet mit Nährwertinformationen pro Portion zu werben bzw. werben zu lassen, ohne zusätzlich den Brennwert, bezogen auf 100 Gramm des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs, das heißt des nicht zubereiteten Produkts, anzugeben.

Abbildung

4

Darüber hinaus hat der Kläger den Ersatz pauschaler Kosten in Höhe von 214 € nebst Zinsen begehrt.

5

Das [X.] hat der Klage stattgegeben ([X.], [X.] 2018, 247 = [X.], 445). Die Berufung der Beklagten hat zur Abweisung der Klage geführt ([X.], [X.] 2019, 222 und 279 = [X.], 257). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

6

II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung von Art. 31 Abs. 3 und Art. 33 Abs. 2 [X.] ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] einzuholen.

7

1. Das Berufungsgericht hat die geltend gemachten Ansprüche als nicht aus § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] und § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG begründet angesehen und hierzu ausgeführt:

8

Die als Grundlage für eine Verpflichtung der Beklagten, auf der Vorderseite der Verpackung des Produkts außer den bereits vorhandenen Nährwertangaben zusätzlich dessen Brennwert zum Zeitpunkt des Verkaufs anzugeben, allein in Betracht kommende Regelung in Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] begründe nach dem systematischen Zusammenhang der einschlägigen Regelungen der Lebensmittelinformationsverordnung im Ergebnis keine solche Verpflichtung. Die - nicht streitgegenständlichen - Angaben auf der seitlichen Schmalseite der Verpackung des Produkts der Beklagten dienten der Erfüllung der in Art. 30 Abs. 1 [X.] geregelten verpflichtenden [X.]. Bei den Angaben auf der Vorderseite (Schauseite) der Verpackung handele es sich hingegen um wiederholende Angaben im Sinne von Art. 30 Abs. 3 Buchst. b [X.]. Insoweit müsse nach Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] für den Fall, dass die [X.]n und der Brennwert in diesen wiederholenden Angaben lediglich je Portion ausgedrückt seien, der Brennwert (zusätzlich) auch je 100 Gramm ausgedrückt werden. Die sich dabei stellende Frage, ob - wie der Kläger meine - mit der Wortfolge "je 100 Gramm" in Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] 100 Gramm des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs oder aber - wie die Beklagte meine - (auch) 100 Gramm des zubereiteten Lebensmittels gemeint seien, sei im letztgenannten Sinne zu beantworten.

9

Nach Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 [X.] dürfe sich die Brennwertangabe auch auf das zubereitete Lebensmittel beziehen, sofern - wie im vorliegenden Fall - ausreichend genaue Angaben über die Zubereitungsweise gemacht würden und die Informationen sich auf das verbrauchsfertige Lebensmittel bezögen. Für die Auffassung des [X.]s, unter "Zubereitung" in diesem Sinne seien nur "recht umfangreiche Arbeitsschritte" wie zum Beispiel Kochen oder Erhitzen zu verstehen, gebe es in der Lebensmittelinformationsverordnung keinen Anhaltspunkt. Die Bestimmung des Art. 32 Abs. 2 [X.], wonach der Brennwert und die [X.]n je 100 Gramm oder je 100 Milliliter anzugeben seien, sei im Zusammenhang mit Art. 31 Abs. 3 [X.] zu lesen, so dass der Brennwert nach ihr entweder in Bezug auf 100 Gramm des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs oder in Bezug auf 100 Gramm des en Lebensmittels anzugeben sei bzw. angegeben werden dürfe. Die Bestimmung des Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 1 [X.] als Ausnahmeregelung zu Art. 32 Abs. 2 [X.] sehe gerade für den hier gegebenen Fall des Art. 30 Abs. 3 Buchst. b [X.] vor, dass die [X.]n ausnahmsweise auch je Portion - deren Gewicht bzw. Volumen nicht zwingend 100 Gramm bzw. 100 Milliliter betrage - ausgedrückt werden dürften. Für diese Fälle verlange Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] sodann eine Brennwertangabe sowohl in Bezug auf die Portion als auch je 100 Gramm. Es bestehe kein Grund, die Angabe "je 100 Gramm" in Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] anders zu verstehen als in Art. 32 Abs. 2 [X.], wo auch eine Brennwertangabe in Bezug auf 100 Gramm des en Lebensmittels zugelassen sei.

2. Der Erfolg der Revision hängt davon ab, ob die Art. 31 Abs. 3 und Art. 33 Abs. 2 [X.] dahin auszulegen sind, dass es verboten ist, in einem Fall wie dem hier in Rede stehenden mit Nährwertinformationen pro Portion des en Lebensmittels zu werben, ohne zusätzlich den Brennwert je 100 g des Lebensmittels zum Zeitpunkt des Verkaufs anzugeben.

a) Nach Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 1 [X.] enthält die verpflichtende [X.] von Lebensmitteln, die - wie das Produkt der Beklagten - in den Anwendungsbereich des [X.] Abschnitt 3 dieser Verordnung fallen (vgl. Art. 29 [X.]), den Brennwert (Buchst. a) und die Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz (Buchst. b). Diese Angaben müssen nach Art. 34 Abs. 1 Satz 1 [X.] im selben Sichtfeld (Art. 2 Abs. 2 Buchst. k [X.]) erscheinen und sind nach Art. 34 Abs. 2 Satz 1 [X.], sofern - wie im Streitfall - genügend Platz vorhanden ist, in Tabellenform darzustellen, wobei die Zahlen untereinanderstehen müssen. Der Erfüllung dieser verpflichtenden [X.] dienen die - nicht streitgegenständlichen - Angaben auf der seitlichen Schmalseite der Verpackung des Produkts der Beklagten.

b) Enthält die Kennzeichnung eines vorverpackten Lebensmittels - wie im Streitfall - die verpflichtende [X.] gemäß Art. 30 Abs. 1 [X.], kann auf der Verpackung nach Art. 30 Abs. 3 Buchst. b [X.] der Brennwert zusammen mit den Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz wiederholt werden. Diese Angaben müssen nach Art. 34 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. a [X.] im [X.] (Art. 2 Abs. 2 Buchst. l [X.]) dargestellt werden, können aber nach Art. 34 Abs. 3 Unterabs. 2 [X.] auch in anderer als der in Art. 34 Abs. 2 [X.] bestimmten Form erscheinen. Bei den - streitgegenständlichen - Angaben auf der Vorderseite der Verpackung zu Energie, Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz handelt es sich um solche freiwilligen, wiederholenden Angaben.

c) Es ist fraglich, ob Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 [X.] dahin auszulegen ist, dass diese Regelung allein für Lebensmittel gilt, bei denen eine Zubereitung erforderlich und die Zubereitungsweise vorgegeben ist (Vorlagefrage 1).

aa) Nach Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 1 [X.] sind der Brennwert und die [X.]n gemäß Art. 30 Abs. 1 bis 5 [X.] diejenigen des Lebensmittels zum Zeitpunkt des Verkaufs. Nach Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 [X.] können sich diese Informationen gegebenenfalls auf das zubereitete Lebensmittel beziehen, sofern ausreichend genaue Angaben über die Zubereitungsweise gemacht werden und sich die Informationen auf das verbrauchsfertige Lebensmittel beziehen. Die Regelung des Art. 31 Abs. 3 [X.] gilt nicht nur für die verpflichtende [X.] (Art. 30 Unterabs. 1 [X.]), sondern auch im Falle einer freiwilligen wiederholenden [X.] (Art. 30 Abs. 3 [X.]).

bb) Die streitgegenständlichen Angaben auf der Vorderseite (im [X.]) der Verpackung zu Brennwert (Energie), Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz beziehen sich nicht auf das Lebensmittel zum Zeitpunkt des Verkaufs (Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 1 [X.]), sondern auf das zubereitete Lebensmittel (Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 [X.]), nämlich das mit Milch zubereitete [X.], wobei ausreichend genaue Angaben über die Zubereitungsweise gemacht werden (40 g [X.] werden 60 ml Milch mit einem Fettgehalt von 1,5% zugesetzt) und die Informationen sich auf das verbrauchsfertige Lebensmittel beziehen. Das Berufungsgericht hat nach Ansicht des Senats zutreffend angenommen, dass es für die Auffassung des [X.]s, unter "Zubereitung" im Sinne dieser Vorschrift seien nur "recht umfangreiche Arbeitsschritte" wie zum Beispiel Kochen oder Erhitzen zu verstehen, keinen Anhaltspunkt in der Lebensmittelinformationsverordnung gibt.

cc) Fraglich ist allerdings, ob Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 [X.], wie die Revision in der mündlichen Revisionsverhandlung geltend gemacht hat, allein für Lebensmittel gilt, bei denen - wie etwa bei [X.], Puddingpulver, löslichem Getränkepulver, Soßenpulver oder Backmischungen - eine Zubereitung erforderlich und zudem die Art der Zubereitung vorgegeben ist. Diese Frage ist entscheidungserheblich, weil die zuletzt genannte Voraussetzung im Streitfall nicht erfüllt ist. [X.] kann auf unterschiedliche Weise zubereitet werden. Es kann beispielsweise mit Milch oder mit Joghurt zubereitet werden, wobei die Milchprodukte einen unterschiedlichen Fettgehalt haben können; außerdem können ihm andere Zutaten wie etwa Obst oder Honig zugesetzt werden. Die Frage ist nicht zweifelsfrei zu beantworten.

(1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] verlangen die einheitliche Anwendung des [X.]srechts und der Gleichheitssatz, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Vorschrift, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten [X.] autonom und einheitlich auszulegen sind. Die Auslegung hat dabei unter Berücksichtigung nicht nur des Wortlauts der Bestimmung, sondern auch ihres [X.]s und des mit der Regelung verfolgten Zwecks zu erfolgen ([X.], Urteil vom 21. Juni 2018 - [X.]/17, NJW 2018, 2309 Rn. 33 - Oberle; Urteil vom 23. Mai 2019 - [X.]/17, NJW 2019, 2293 Rn. 50 - WB).

(2) Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sind unter "zubereiteten Lebensmitteln" grundsätzlich alle essfertig gemachten Lebensmittel zu verstehen; sie sind abzugrenzen von solchen Lebensmitteln, die - wie etwa Obst - schon an sich verzehrfertig sind (vgl. [X.], Urteil vom 17. Oktober 2019 - [X.], [X.], 307 Rn. 29 = [X.], 314 - Sonntagsverkauf von Backwaren). Aus dem [X.] der Bestimmung des Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 [X.] ergibt sich gleichfalls, dass der Begriff "zubereitetes Lebensmittel" grundsätzlich alle verbrauchsfertigen Lebensmittel umfasst. Allerdings könnte das diese Bestimmung einleitende Wort "Gegebenenfalls" darauf hindeuten, dass die Vorschrift nicht sämtliche Fälle erfasst, in denen sich die Informationen auf ein zubereitetes Lebensmittel beziehen. Unter Berücksichtigung des Zwecks der Regelung erscheint es nicht ausgeschlossen, dass sie allein Lebensmittel erfasst, bei denen die Art der Zubereitung vorgegeben ist. Die Bestimmungen über die verpflichtende [X.] haben gemäß Erwägungsgrund 35 [X.] den Zweck, die Vergleichbarkeit von Produkten in unterschiedlichen Packungsgrößen zu ermöglichen. Um den Durchschnittsverbraucher anzusprechen und ihren Informationszweck zu erfüllen, sollen die Informationen zum Nährwert einfach und leicht verständlich sein (vgl. Erwägungsgrund 41 [X.]). Kann ein Lebensmittel auf unterschiedliche Weise zubereitet werden, lassen die auf den [X.] eines Herstellers bezogenen Angaben zum Brennwert und zu den [X.]n des zubereiteten Lebensmittels regelmäßig keinen Vergleich mit entsprechenden Lebensmitteln anderer Hersteller zu. Eine hinreichende Vergleichbarkeit des [X.] und der [X.]n ist in solchen Fällen möglicherweise nur gewährleistet, wenn die Informationen auf das Lebensmittel zum Zeitpunkt des Verkaufs bezogen sind. Dies könnte dafür sprechen, dass sich die Angaben zum Brennwert und zu den [X.]n in derartigen Fällen nicht auf das zubereitete Lebensmittel beziehen dürfen, sondern auf das Lebensmittel zum Zeitpunkt des Verkaufs beziehen müssen.

d) Für den Fall, dass die erste Vorlagefrage verneint wird, stellt sich die Frage, ob die Wortfolge "je 100 g" in Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] allein 100 Gramm des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs oder aber - zumindest auch - 100 Gramm des verbrauchsfertigen Lebensmittels meint (Vorlagefrage 2).

aa) Nach Art. 32 Abs. 2 [X.] sind der Brennwert und die [X.]n gemäß Art. 30 Abs. 1 bis 5 [X.] je 100 g oder je 100 ml anzugeben. Zusätzlich zu dieser Form der Angabe können nach Art. 33 Abs. 1 Buchst. a [X.] der Brennwert und die Mengen an Nährstoffen gemäß Art. 30 Abs. 1 bis 5 [X.] je Portion und/oder je Verzehreinheit in für Verbraucher leicht erkennbarer Weise ausgedrückt werden, sofern die zugrunde gelegte Portion bzw. Verzehreinheit auf dem Etikett quantifiziert wird und die Anzahl der in der Packung enthaltenen Portionen bzw. Verzehreinheiten angegeben ist. Abweichend von Art. 32 Abs. 2 [X.] dürfen nach Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 1 [X.] in den Fällen gemäß Art. 30 Abs. 3 Buchst. b [X.] die [X.]n und/oder der Prozentsatz der in Anhang XIII Teil B festgelegten Referenzmengen lediglich je Portion oder je Verzehreinheit ausgedrückt werden. In solchen Fällen wird nach Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] der Brennwert je 100 g oder je 100 ml und je Portion oder je Verzehreinheit ausgedrückt.

bb) Nach Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 1 [X.] durfte die Beklagte im hier in Rede stehenden Fall einer freiwilligen, wiederholenden Angabe des [X.] und der [X.]n gemäß Art. 30 Abs. 3 Buchst. b [X.] die [X.]n lediglich je Portion angeben. Sie durfte die [X.] ferner - wie geschehen - je Portion des zubereiteten Lebensmittels angeben, da Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 1 [X.] gleichermaßen für den Fall gilt, dass sich die Informationen auf das Lebensmittel zum Zeitpunkt des Verkaufs beziehen (Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 1 [X.]), wie auch für den - hier in Rede stehenden - Fall, in dem sich diese Informationen auf das zubereitete Lebensmittel beziehen (Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 [X.]). Die Beklagte hat die [X.] im Streitfall auch "lediglich" je Portion des zubereiteten Lebensmittels angegeben; dem steht nicht entgegen, dass sie die zugrunde gelegte Portion auf dem Etikett mit der Angabe "= 100 g" quantifiziert hat.

cc) Die Beklagte war danach gemäß Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] verpflichtet, den Brennwert je 100 g oder je 100 ml und je Portion oder je Verzehreinheit auszudrücken. Die Beklagte hat auch den Brennwert je Portion des zubereiteten Lebensmittels angegeben und die Größe dieser Portion mit der Angabe "= 100 g" quantifiziert. Es ist allerdings fraglich, ob die Beklagte mit dieser Angabe zugleich auch ihrer Verpflichtung genügt hat, den Brennwert "je 100 g" anzugeben. Dies wäre nur dann der Fall, wenn mit der Wortfolge "je 100 g" in Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] - wie die Beklagte meint - zumindest auch 100 Gramm des zubereiteten Lebensmittels und nicht allein - wie der Kläger meint - 100 Gramm des Lebensmittels zum Zeitpunkt des Verkaufs gemeint sind. Auch diese Frage lässt sich nicht zweifelsfrei beantworten.

dd) Eine Antwort auf diese Frage lässt sich weder dem Wortlaut noch dem [X.] der Vorschrift entnehmen. Die Frage kann daher nur im Blick auf den Zweck der [X.] beantwortet werden.

(1) Nach Erwägungsgrund 35 Satz 1 der Verordnung ist es aus Gründen der Vergleichbarkeit von Produkten in unterschiedlichen Packungsgrößen sinnvoll, weiterhin vorzuschreiben, dass sich die verpflichtende [X.] auf Mengen von 100 g oder 100 ml beziehen sollte, und gegebenenfalls zusätzliche Angaben auf [X.] zuzulassen. Um den Zweck einer Vergleichbarkeit von Produkten in unterschiedlichen Packungsgrößen zu ermöglichen, könnte es geboten sein, den Brennwert des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs und nicht den Brennwert einer nach bestimmter Rezeptur zubereiteten Portion des Lebensmittels anzugeben. Möglicherweise führt allein die Angabe des [X.] eines bestimmten Produkts zum Zeitpunkt seines Verkaufs zu der vom [X.]sgesetzgeber gewünschten Vergleichbarkeit mit den Produkten anderer Hersteller. Diese Produkte können wohl nicht anhand der Nährstoffangaben zu Portionen in zubereitetem Zustand miteinander verglichen werden, weil schon die Art der Zubereitung im Ermessen eines jeden einzelnen Herstellers steht. Es ist allerdings grundsätzlich nicht gewährleistet, dass die eine Vergleichbarkeit der Produkte verschiedener Hersteller ermöglichende, auf 100 g oder 100 ml des Lebensmittels zum Zeitpunkt des Verkaufs bezogene [X.] in den Pflichtangaben oder auf der Vorderseite der Verpackung erfolgt. Sowohl die verpflichtenden als auch die freiwilligen Nährwertangaben können sich sowohl auf das Lebensmittel zum Zeitpunkt des Verkaufs als auch auf das zubereitete Lebensmittel beziehen. Die verpflichtenden Angaben müssen zudem nicht im [X.], sondern können auch in einem anderen Sichtfeld stehen.

(2) Andererseits geht aus Erwägungsgrund 41 der Verordnung hervor, dass die Informationen zum Nährwert, um den [X.] anzusprechen und den Informationszweck zu erfüllen, einfach und verständlich sein sollten, damit sie den Verbraucher nicht verwirren. Daraus könnte sich ergeben, dass die verpflichtende [X.] nicht durch die möglicherweise verwirrende Wiedergabe weiterer zulässiger Angaben in anderen Sichtfeldern in den Hintergrund treten soll. Es könnte den Verbraucher verwirren, wenn neben dem Brennwert je Portion des zubereiteten Lebensmittels der Brennwert je 100 g des nicht zubereiteten Lebensmittels genannt würde (vgl. [X.], [X.] 2019, 427: "Ein solcher Wechsel der Bezugsgrößen in einer einzigen Auflistung von Angaben würde wohl niemandem und zumal nicht dem Verbraucher nützen.").

Koch     

        

Schaffert     

        

Feddersen

        

Pohl      

        

Schmaltz      

        

Meta

I ZR 143/19

23.07.2020

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 13. Juni 2019, Az: I-4 U 130/18, Urteil

Art 31 Abs 3 UAbs 2 EUV 1169/2011, Art 33 Abs 2 UAbs 2 EUV 1169/2011

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 23.07.2020, Az. I ZR 143/19 (REWIS RS 2020, 1906)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1906 MDR 2022, 1297-1298 REWIS RS 2020, 1906

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