Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2002, Az. XII ZR 314/00

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 2382

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] DES VOLKESURTEILXII ZR 314/00Verkündet am:10. Juli 2002Breskic,[X.] Geschäftsstellein dem [X.] 2 -Der XII. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch die Vorsitzende Richterin [X.] und die [X.], Prof. Dr. [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 17. [X.] [X.] München vom 4. September 2000 im Ko-stenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der [X.] erkannt worden ist.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlungund Entscheidung - auch über die Kosten des [X.] - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines gewerblichen Mietver-trages. Die Beklagte, eine Getränkefirma, vermietete durch schriftlichen Miet-vertrag vom 17. Juli 1989 ein Gaststättenanwesen einschließlich einer Garageund eines Pkw-Abstellplatzes, das sie von der Grundstückseigentümerin [X.] hatte, im Wege der Untervermietung an den Kläger. Als Nettomietzinswaren ursprünglich für die [X.] 5.100 DM monatlich vereinbartzuzüglich 50 DM für die Garage und 20 DM für den Stellplatz. Als weitere Ge-genleistung verpflichtete sich der Kläger, den erforderlichen Bedarf an Bier [X.] 3 -schließlich von der Beklagten zu beziehen und sich zu [X.], einen monat-lichen Umsatz von mindestens 18 hl zu erreichen. Bei einer Abnahme von [X.] als 10 hl im Monat sollte der [X.] verpflichtet sein, einen pauschaliertenSchadensersatz von 60 DM [X.] jeden nicht bezogenen Hektoliter zu zahlen.Dagegen sollte sich der [X.] jeden bezogenen Hektoliter um 60 DM er-mßigen, allerdings höchstens [X.] 18 hl monatlich. Das Mietverhltnis sollteerstmals zum 30. Juni 1994 kbar sein. Ab 1. Januar 1993 erhöhte sich dermonatliche [X.] die [X.] auf 5.200 DM netto.1994 versuchte der [X.], unmittelbar mit der Hauseigentmerin einenMietvertrber die Gaststtte abzuschließen und bot als monatlichen [X.] an. Zu einem entsprechenden Vertragsabschluß kam es [X.].Mit Anwaltsschreiben vom 22. Dezember 1995 ließ der [X.] das Miet-verhltnis zum 30. Juni 1996 kdigen. Ab 1. April 1996 nahm er von der [X.] kein Bier mehr ab, [X.] die Monate Mai und Juni 1996 bezahlte er auchkeinen [X.] mehr, nutzte die [X.] aber weiter.Mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmchtigten vom 29. April 1998 er-klrte der [X.] die Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Tu-schung. Außerdem vertritt er die Ansicht, der Mietvertrag sei als wuchernli-ches [X.] nichtig. Mit der Klage verlangt er die Rckzahlung des von ihmgezahlten [X.]es, soweit der vereinbarte [X.] den von ihm behauptetenortsblichen [X.] rsteigt. Außerdem verlangt er einen Teil der [X.] [X.] gezahlten [X.]. Er ist der Ansicht, daß auch insoferndie vereinbarten Preisbersetzt gewesen seien. Insgesamt hat der [X.] mitder Klage ursprnglich die Zahlung von 379.750 DM (zuzglich Zinsen) [X.] -Die Beklagte hat Widerklage erhoben, mit der sie den [X.] [X.] Mai und Juni 1996 (insgesamt 12.336,36 DM) sowie [X.] zu wenig bezogenes Bier (insgesamt 12.092,62 DM) geltend macht.Das [X.] hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen [X.] Widerklage stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat der [X.] die [X.] 10.000 DM (zuzglich Zinsen) zurckgenommen. Das Berufungsgericht,dessen Urteil in [X.] verffentlicht ist, hat die Entscheidung des[X.]s teilweise andert und die Beklagte verurteilt, an den [X.]265.200 DM (zuzglich Zinsen) zu zahlen. Die Entscheidung zur Widerklage [X.] dahin abdert, [X.] der [X.] lediglich 4.784 DM (zuzglich Zinsen) zuzahlen habe. Im rigen hat es die Widerklage abgewiesen und die [X.] zurckgewiesen.Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstin-stanzlichen Urteils.[X.]:Die Revision der Beklagten fhrt, soweit das Berufungsgericht zu ihremNachteil entschieden hat, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zurZurckverweisung der Sache an das Berufungsgericht.1. Das Berufungsgericht fhrt aus, der [X.] knne den [X.] nicht wegen Irrtums (§ 119 BGB) oder arglistiger Tschung (§ 123BGB) anfechten, weil er die Anfechtungs[X.]isten der §§ 121 Abs. 1 BGB bzw.124 Abs. 1 und Abs. 2 BGB nicht eingehalten habe. Der Vertrag sei aber als- 5 -wucherliches Geschft nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam. Aufgrund [X.] der sogenannten indirekten Vergleichswertmethode erstatteten Gutach-tens des Sachverstdigen [X.] stehe fest, [X.] der angemessene, marktb-liche [X.] das Gaststttenanwesen bei [X.] DM netto betragen habe. Da der vertraglich vereinbarte [X.] von5.100 DM netto mehr als 2 ½ mal so hoch sei, liege ein besonders grobes Miû-verhltnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, das eine verwerfliche Ge-sinnung der Beklagten indiziere. Da der Mietvertrag schon aus diesem [X.] sei, kffen bleiben, ob weitere Bestimmungen des [X.] zu beanstanden seien und bei einer Gesamtwrdigung den Vertrag als [X.] erscheinen lieûen.Da der Vertrag unwirksam sei, habe die Abrechnung nach den Regelnder ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 f. BGB) zu erfolgen. Die Nutzungs-vorteile, die der [X.] gehabt habe, seien entsprechend dem Sachversti-gengutachten mit 2.000 DM netto monatlich zu bewerten. Soweit er einen he-ren [X.] gezahlt habe, habe er gegen die Beklagte einen [X.] der Differenz. Allerdings seien die [X.] bis einschlieûlich Dezember 1991 verjrt. [X.] die Zeit von Ja-nuar 1992 bis April 1996 habe er insgesamt 269.200 DM gezahlt und knne165.200 DM zurckverlangen. Soweit der [X.] geltend mache, die von [X.] geforderten und von ihm - dem [X.] - gezahlten Getrkepreiseseien erteuert gewesen, sei die Klage jedoch unbegrdet. Der [X.] habenicht substantiiert dargelegt, [X.] die ihm in Rechnung gestellten [X.] unangemessen und nicht blich gewesen seien.Da der Mietvertrag unwirksam sei, sei die Widerklage nur insofern be-grt, als der [X.] [X.] die Monate Mai und Juni 1996 die von dem [X.] ermittelte angemessene Nutzungsentschdigung zu zahlen [X.] -Diese Ausfhrungen halten, wie die Revision zu Recht geltend macht,einer rechtlichen Überprfung nicht stand.2. Zutreffend ist zwar der Ausgangspunkt des [X.], [X.]ein Vertrag als wuchernliches [X.] nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist,wenn Leistung und Gegenleistung in einem aufflligen Miûverhltnis zueinan-der stehen und weitere sittenwidrige Umstinzukommen, z.B. eine ver-werfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begnstigten (st.Rspr., vgl.[X.], 257, 163 m.N.). Richtig ist ferner, [X.] die Rechtsprechung auch beigewerblichen Mietvertrgen ein aufflliges Miûverhltnis annimmt, wenn dievereinbarte Miete um knapp 100 % er oder niedriger ist als der objektiveMarktwert der Gebrauchsberlassung (Bub in Bub/[X.], Handbuch der [X.] und Wohnraummiete, 3. Aufl. II 715 a m.w.[X.] Revision macht aber zu Recht geltend, [X.] das Berufungsgerichtden objektiven Marktwert der Gebrauchserlassung unzulssig ermittelt hat.Marktwert ist der bliche Wert, der [X.] eine vergleichbare Leistung auf demMarkt zu zahlen ist. Bei Miet- und Pachtverhltnissen ist demnach der Markt-wert der Nutzungsrlassung [X.] anhand der Miete oder Pacht zu [X.], die [X.] vergleichbare Objekte erzielt wird. Das Berufungsgericht sttztseine Annahme, der objektive Marktwert sei lediglich 2.000 DM netto im [X.], ausschlieûlich auf das Gutachten des Sachverstndigen [X.], derdieses Gutachten nach der sogenannten indirekten [X.] hat. Diese indirekte Vergleichswertmethode ist jedoch aus [X.] nicht geeignet, den zum Vergleich heranzuziehenden objektiven Mietwertzu ermitteln (Senatsurteil vom 13. Juni 2001 - [X.] - [X.], 788 =NJW 2002, 55).- 7 -Das Berufungsgericht meint demr, der Sachverstdige habeausnahmsweise die von ihm entwickelte indirekte Vergleichswertmethode [X.], weil es ihm nicht gelungen sei, geeignete Vergleichsobjekteausfindig zu machen. Dem kann nicht gefolgt werden.Der Sachverstndige hat mitgeteilt, er habe an 38 Gastgewerbebetriebeeinen [X.]agebogen versandt, nur vier davon seien [X.] verwertbar zurckgesandt worden. [X.] habe er den Leiter [X.] Gastgewerbe im Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt M. gebeten, ihm mindestens zehn Vergleichsbetriebe zu benennen, habeaber keine Antwort erhalten. Daraus durfte das Berufungsgericht noch [X.], [X.] es in M. keine Vergleichsbetriebe gibt. Das [X.] hat keine Feststellungen getroffen, die die Annahme rechtfertigen kten,die vermieteten [X.] fielen in irgend einer Weise aus dem Rah-men des Üblichen und deshalb gebe es keine vergleichbaren Objekte. Bei die-ser Sachlage durfte das Berufungsgericht den Versuch, den objektiven Markt-wert anhand von Vergleichsobjekten durch einen Sachverstdigen ermitteln zulassen, noch nicht aufgeben. Notfalls [X.] es einen anderen Sachverstdigenbeauftragen mssen.Aber selbst wenn im konkreten Fall ausnahmsweise keine geeignetenVergleichsobjekte gefunden werden knnten, wre es nicht zulssig, zur [X.] die sogenannte indirekte Vergleichswertmethode - eine aus Rechts-gren hierzu ungeeignete Methode - heranzuziehen. In einem solchen Fall istes vielmehr angebracht, einen mit der konkreten Marktsituation vertrautenSachverstdigen - z.B. einen erfahrenen Makler (vgl. Senatsurteil vom 13. [X.] [X.]) - beurteilen zu lassen, welche Miete [X.] dieses besondereObjekt erzielt werden [X.] 8 -3. [X.] an das Berufungsgericht zurckverwiesen werden,damit es die marktliche Miete in zulssiger Weise ermitteln und anschlieûendtatrichterlich beurteilen kann, ob eine Gesamtwrdigung des Mietvertrages [X.] der Nebenabreden (insbesondere der [X.], [X.] dem Mietvertrag eine Auswirkung auf die zu zahlende Miete haben kann)ihn als wuchernliches [X.] im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB erscheinenlût.HahneGerber[X.]Bundesrichter [X.] ist urlaubs-bedingt verhindert zu unterschreiben.HahneVézina

Meta

XII ZR 314/00

10.07.2002

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2002, Az. XII ZR 314/00 (REWIS RS 2002, 2382)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 2382

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.