Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.06.2013, Az. 6 AZR 842/11

6. Senat | REWIS RS 2013, 4883

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Gegenstand

Dienstfreier Tag iSd. Klangkörper-Tarifvertrags - Tarifvertragsauslegung - Begriff des Benehmens - Feststellungsinteresse


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. September 2011 - 15 [X.]/11 und (15 Sa 1059/11) - aufgehoben.

2. Das Urteil des [X.] vom 25. November 2010 - 2 Ca 9210/10 - wird teilweise abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

3. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu je einem Drittel zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, wann ein dienstfreier Tag im Sinne des von der Beklagten angewandten Tarifrechts vorliegt.

2

Die Kläger sind im [X.] (künftig: [X.]) als Sänger beschäftigt, der Kläger zu 1. seit dem 1. August 1989, der Kläger zu 2. seit dem 1. Februar 2008 und der Kläger zu 3. seit dem 1. August 2002. Die Beklagte ist Trägergesellschaft ua. des [X.].

3

Der Arbeitsvertrag des [X.] zu 1. vom 3. Juli 1989 ist ua. auf der Grundlage der Sonderregelungen für die Mitarbeiter der Klangkörper, Ziff. [X.] sowie der dazu ergehenden Ergänzungs- und [X.] geschlossen worden. In den befristet geschlossenen Arbeitsverträgen der Kläger zu 2. und zu 3. vom 15. Januar 2008 bzw. 16. Mai 2002 heißt es unter § 5 jeweils:

        

„Vorbehaltlich einer Neuregelung durch die [X.] gelten die Bestimmungen des Klangkörper-Tarifvertrages zwischen der [X.] und dem [X.] vom 2. Februar 1993, verlängert am 10. September 1993, für die Vertragsdauer, mit Ausnahme hiervon abweichender Regelungen in diesem Vertrag, entsprechend. Die Rechte und Pflichten des [X.] werden hierbei von der [X.] ([X.]) wahrgenommen. In der Folge wird hinsichtlich der Anlagen auf diesen Tarifvertrag Bezug genommen.

        

…“    

4

Unter § 11 dieser Verträge heißt es jeweils:

        

„Die Regelungen der Arbeitszeit richten sich nach den für die [X.] geltenden Bestimmungen, soweit sich aus der Anlage (6) des in § 5 genannten Tarifvertrages nichts anderes ergibt.“

5

In den unbefristeten Arbeitsverträgen des [X.] zu 2. vom 26. Januar 2009 und des [X.] zu 3. vom 21. Mai 2003 ist unter § 2 jeweils die unveränderte Fortgeltung der Bestimmungen des befristeten Arbeitsverhältnisses vereinbart.

6

Der [X.] zur befristeten Verpflichtung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des [X.] und des [X.] im Rahmen der Gewährleistung des [X.] zwischen der [X.] in der [X.] ([X.]) und dem [X.] (künftig: [X.]) ist am 2. Februar 1993 für die [X.] vom 1. August 1992 bis zum 31. Juli 1993 geschlossen worden. Die maßgeblichen Regelungen dieses Tarifvertrags lauten wie folgt:

        

Präambel          

        

Die Ministerpräsidenten der Länder sind mit Beschlüssen vom 04.07., 25.10.1991 und 12.03.1992 übereingekommen, das [X.]-Programm bis zur Schaffung einer Gemeinschaftseinrichtung von [X.]/[X.] zur Veranstaltung eines nationalen Hörfunks fortzuführen. ...

        

…       

        

§ 1 Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmer/-innen des [X.] und des [X.], die vorübergehend beim [X.] für das derzeitige [X.]-Programm nach Maßgabe eines nach § 4 TV gestalteten Arbeitsvertrags beschäftigt werden.

        

…       

        

§ 4 Arbeitsvertrag

        

Das als Anlage II beigefügte [X.] ist Bestandteil dieses Tarifvertrags.“

7

In der [X.] zum [X.] heißt es:

        

Arbeitsvertrag          

        

…       

        

§ 1     

        

Frau/Herr ….. wird für die [X.] vom 01. August 1992 bis zur staatsvertraglichen Gründung einer Gemeinschaftseinrichtung von [X.]/[X.] zur Veranstaltung eines nationalen Hörfunks als ….. im Bereich ….. im Rahmen der aufgabengerechten Programmveranstaltung von [X.] beschäftigt, längstens jedoch bis zum 31. Juli 1992.

        

…       

        

…       

        

§ 3     

        

Der [X.] ergibt sich aus den Entscheidungen der Ministerpräsidenten, die ausdrücklich nur auf vorübergehende, bis zur Gründung der Gemeinschaftseinrichtung von [X.]/[X.] zur Veranstaltung eines nationalen Hörfunks, längstens bis zum 31.07.1992 befristete Maßnahmen beschränkt sind.

        

…“    

8

In der Anlage 6 zu diesem [X.] sind Arbeitszeitregelungen getroffen. Darin heißt es:

        

Ergänzende Regelungen zur Arbeitszeit          

        

1. Arbeitszeit

        

…       

        
        

(2)     

In begründeten Ausnahmefällen kann im Einvernehmen mit dem [X.] eine hiervon abweichende Dienstzeit vereinbart werden.

                 

…       

        

(3)     

Die tägliche Arbeitszeit im Chor beträgt bei zwei Diensten bis zu 4 Stunden; werden zwei Dienste zu einem großen Dienst zusammengezogen, soll dieser die Gesamtdauer von 3 ½ Stunden nicht überschreiten.

        

(4)     

In begründeten Ausnahmefällen kann im Einvernehmen mit dem [X.] eine hiervon abweichende Dienstzeit vereinbart werden.

                 

…       

        

(5)     

Jedes Klangkörpermitglied hat Anspruch auf so viele dienstfreie Tage in jedem Monat, wie dieser Sonnabende, Sonntage und gesetzliche Feiertage hat.

        

…       

        
        

(7)     

Bei auswärtigen Diensten wird die Arbeitszeit im Benehmen mit dem jeweiligen Vorstand von Fall zu Fall besonders geregelt.

        

…“    

        

9

Der [X.] ist durch [X.] vom 10. September 1993 bis zum 31. Dezember 1993, längstens jedoch bis zur Funktionsaufnahme der Geschäfte der K-GmbH, verlängert worden.

Konzerte des [X.] enden grundsätzlich vor 24:00 Uhr. Der Chor unternimmt regelmäßig Gastspielreisen. Auf einer solchen Reise im Juli 2009 in [X.] begannen vier Aufführungen der Oper „[X.]“ von [X.] am 4., 7., 10. und 13. Juli 2009 jeweils um 21:30 Uhr und endeten am Folgetag jeweils um 1:30 Uhr morgens. Am 6., 9., 12. und 15. Juli 2009 war jeweils um 19:50 Uhr wieder Dienst angesetzt. Für Juli 2009 waren im Dienstplan des [X.], 8., 11. und 14. Juli 2009 dienstfreie Tage eingetragen, darüber hinaus noch für den 19., 20., 25. und 26. Juli 2009.

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, dienstfreie Tage im Sinne der Anlage 6 zum [X.] in [X.] zum [X.] (künftig: Anlage 6 zum [X.]) lägen nur vor, wenn an einem Tag eine durchgehende Freistellung von 0:00 Uhr bis 24:00 Uhr erfolge. Ihnen seien darum im Juli 2009 nur vier freie Tage gewährt worden, nämlich der 19., 20., 25. und 26. Juli 2009. Ihnen hätten aber acht freie Tage gewährt werden müssen, weil es im Juli 2009 acht Samstage/Sonntage gab. Die geleistete Mehrarbeit müsse die Beklagte vergüten.

Die Kläger haben zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen,

                 

a)    

an den Kläger zu 1. einen Betrag von 251,28 Euro brutto,

                 

b)    

an den Kläger zu 2. einen Betrag von 247,26 Euro brutto,

                 

c)    

an den Kläger zu 3. einen Betrag von 251,28 Euro brutto

                 

nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Juni 2010 zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass ein dienstfreier Tag im Sinne der Anlage 6 Ziff. 1 (5) zum Klangkörper-Tarifvertrag ([X.]) vom 2. Februar 1993 nur dann gewährt ist, wenn die Freistellung an dem jeweiligen Kalendertag von 0:00 Uhr bis 24:00 Uhr erfolgt;

                 

hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern dienstfreie Tage im Sinne der Anlage 6 Ziff. 1 (5) zum Klangkörper-Tarifvertrag ([X.]) vom 2. Februar 1993 in der Art zu gewähren, dass die Freistellung an dem jeweiligen Kalendertag von 0:00 Uhr bis 24:00 Uhr erfolgt;

                 

höchst hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte den Klägern am 5., 8., 11. und 14. Juli 2009 keinen freien Tag im Sinne der Anlage 6 Ziff. 1 (5) zum Klangkörper-Tarifvertrag ([X.]) vom 2. Februar 1993 gewährt hat.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, ein dienstfreier Tag liege vor, wenn im direkten [X.] an die gesetzliche Ruhezeit von elf Stunden mindestens 24 Stunden zusammenhängend dienstfreie [X.] gewährt werde. [X.] zwischen zwei Diensten mindestens 35 Stunden zur freien Verfügung, sei dies ein dienstfreier Tag.

Das Arbeitsgericht hat für die streitbefangenen Tage den Klägern nicht, wie von diesen zunächst begehrt, je 1/30 einer Monatsvergütung zugesprochen, sondern für jeweils sechs Arbeitsstunden eine weitere Vergütung für die Kläger zu 1. und zu 3. von jeweils 251,28 Euro und für den Kläger zu 2. von 247,26 Euro brutto errechnet und insoweit dem [X.] stattgegeben. Dem bei ihm ausschließlich gestellten Haupt-Feststellungsantrag hat es ebenfalls stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat nur die Beklagte Berufung eingelegt. Das [X.] hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es nur dem ersten Hilfsantrag zum Feststellungsantrag stattgegeben hat.

Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Kläger haben weder Anspruch auf [X.] wegen der vier Auftritte, die während der [X.] des [X.] im Juli 2009 erst um 1:30 Uhr nachts geendet haben, noch auf die begehrte Feststellung.

I. Die Revision ist entgegen der Ansicht der Kläger zulässig. Auch wenn die Revision in weiten Teilen ihre bereits in der Berufungsinstanz äußerst ausführlichen Rechtsausführungen wiederholt, setzt sie sich doch mit der angegriffenen Entscheidung in einer den an eine Revision zu stellenden Anforderungen (vgl. dazu [X.] 15. Januar 2013 - 9 [X.] - Rn. 9) genügenden Weise auseinander. Die Begründung lässt erkennen, dass sie die Argumentation des [X.] zur Kenntnis genommen hat und dass und warum sie diese für rechtsfehlerhaft hält. Insbesondere greift sie die Erwägungen des [X.], ein Benehmen mit dem [X.] sei nicht hergestellt worden, substantiiert an. Für ein Benehmen bedürfe es weder eines Willens zur Schaffung einer besonderen Regelung noch eines offenen Hinweises, worauf jedoch das [X.] rechtsfehlerhaft abgestellt habe. Bereits diese Angriffe stellen das Urteil aus Sicht der Beklagten in Frage. Ob die erhobenen [X.] schlüssig oder auch nur vertretbar sind, ist für die Zulässigkeit der Revision ohne Belang.

II. Bei gebotener Auslegung des [X.] ist der Hilfsantrag zum Feststellungsantrag zulässig.

1. Die Kläger verfolgen nur noch den vom [X.] angeregten Hilfsantrag zum Feststellungsantrag sowie die höchst hilfsweise mit Schriftsatz vom 20. Juli 2011 beantragte Feststellung, dass die Beklagte den Klägern am 5., 8., 11. und 14. Juli 2009 keinen freien Tag im Sinne der Ziff. 1 Abs. 5 der Anlage 6 zum [X.] gewährt hat.

2. Das [X.] hat zwar das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse bejaht, sich dabei aber nur mit der Abgrenzung zwischen abstrakter Rechtsfrage und Rechtsbeziehung befasst. Es hat übersehen, dass zur Bejahung des Feststellungsinteresses auch ein schutzwürdiges Interesse der Kläger vorliegen muss, das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald feststellen zu lassen. Der [X.] kann diese Prüfung nachholen. Ein Feststellungsinteresse besteht nur, soweit die Kläger mit ihrem Hilfsantrag geklärt wissen wollen, wie die Regelung zur Gewährung dienstfreier Tage in Ziff. 1 Abs. 5 der Anlage 6 zum [X.] bei auswärtigen Auftritten und damit auswärtigen Diensten im Sinne von Ziff. 1 Abs. 7 der Anlage 6 zum [X.] zu verstehen ist.

a) Das Vorliegen des Feststellungsinteresses ist als (bedingte) Sachurteilsvoraussetzung in jedem Stadium des Rechtsstreits von Amts wegen zu prüfen und muss noch in der Revisionsinstanz gegeben sein ([X.] 14. Dezember 2011 - 4 [X.] - Rn. 23). Dabei obliegt auch dem Revisionsgericht die Ermittlung der notwendigen Tatsachen ([X.] 19. Januar 2011 - 3 [X.]/09 - Rn. 29 mwN).

b) Die Kläger haben zum Vorliegen ihres Feststellungsinteresses vorgetragen, es gehe darum, Rechtsfrieden für sämtliche Mitglieder des [X.] herzustellen, die ebenfalls zu wenig freie Tage auf der [X.] gewährt bekommen hätten und für die diese Klage stellvertretend erfolge. Sie führten als Mitglieder des [X.]es bzw. als Delegierter der [X.] quasi ein „Musterverfahren“. Aus diesem Vortrag ergibt sich nicht, dass und inwieweit den Rechten der Kläger selbst eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht, die durch das erstrebte Urteil beseitigt werden kann (vgl. [X.] 21. Juli 2009 - 9 [X.] - Rn. 29; [X.] 13. Januar 2010 - [X.]/08 - Rn. 12).

aa) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass im Regelfall die Konzerte des [X.] deutlich vor 24:00 Uhr enden. Soweit es in der Vergangenheit vereinzelt zu Auftritten nach 24:00 Uhr gekommen ist, handelte es sich dabei stets um Konzertreisen. Neben den streitbefangenen Auftritten anlässlich der [X.] im Juli 2009 ist es zu Tätigkeiten nach 24:00 Uhr nach dem Vortrag der Kläger nur im Zusammenhang mit einem Auftritt im [X.], der am 27. Mai 2007 um 6:00 Uhr morgens endete, sowie einer Reise, die am 15. Dezember 2009 um 0:19 Uhr abgeschlossen war, gekommen. Die Kläger machen nicht geltend, dass zwischenzeitlich erneut Streitfälle aufgetreten sind. Insbesondere machen sie nicht geltend, dass dies außerhalb von Konzertreisen oder anderen auswärtigen Tätigkeiten geschehen ist.

bb) Der Vortrag der Kläger, das vorliegende Verfahren werde als Musterprozess geführt, vermag ein Feststellungsinteresse ebenfalls nicht zu begründen. § 256 Abs. 1 ZPO lässt ein solches nur ideelles, zugunsten Dritter wirkendes Interesse nicht genügen ([X.] 5. Juni 2003 - 6 [X.] - zu I 2 c der Gründe). Das Begehren der Kläger zielt auf ein Rechtsgutachten. Zu der Erstattung eines solchen Rechtsgutachtens ist jedoch das [X.] auch in [X.] nicht berufen (vgl. allgemein zur Ablehnung von Rechtsgutachten [X.] 21. Juli 2009 - 9 [X.] - Rn. 28 f.).

cc) Der Umstand, dass auch die Beklagte ein deutliches Interesse an der begehrten Feststellung bekundet hat und das Fehlen des Feststellungsinteresses nicht rügt, führt ebenfalls nicht zur Begründung eines solchen Interesses. Das Vorliegen des Feststellungsinteresses ist keine verzichtbare Verfahrensvorschrift im Sinne des § 295 ZPO ([X.]/[X.] ZPO 22. Aufl. § 256 Rn. 85). § 295 ZPO greift nur bei [X.], die der Parteidisposition unterliegen (vgl. [X.] 24. Juni 2003 - VI ZR 309/02 -). Das Erfordernis eines Feststellungsinteresses soll die Gerichte davor schützen, Gutachter über abstrakte Rechtsfragen zu sein ([X.] Die Revisionsinstanz als Tatsacheninstanz S. 269; vgl. [X.]/[X.] ZPO 29. Aufl. § 256 Rn. 7). Es steht damit nicht zur Disposition der Parteien.

c) Dem hilfsweise zum Hilfsantrag gestellten Antrag fehlt das Feststellungsinteresse, weil die Frage, ob die Beklagte den Klägern an den genannten Tagen einen freien Tag im Sinne des [X.] gewährt hat, vom Leistungsantrag umfasst ist.

d) Im Zweifel sind [X.] dahin auszulegen, dass das gewollt ist, was aus Sicht der Prozesspartei nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht ([X.] 24. Februar 2011 - 6 [X.] - Rn. 12). Das Interesse der Kläger zielt darauf, die Beklagte zu verpflichten, ihnen bei auswärtigen Diensten im Sinne von Ziff. 1 Abs. 7 der Anlage 6 zum [X.] dienstfreie Tage im Sinne der Ziff. 1 Abs. 5 der Anlage 6 zum [X.] in der Art zu gewähren, dass die Freistellung an den jeweiligen Kalendertagen von 0:00 Uhr bis 24:00 Uhr erfolgt. In dieser Auslegung ist das erforderliche Feststellungsinteresse gegeben, weil der [X.] unstreitig immer wieder Gastspielreisen unternimmt, auf denen die streitbefangene Frage, wie bei Auftritten, die bis nach 24:00 Uhr andauern, freie Tage zu gewähren sind, wieder auftreten kann.

III. [X.] ist unbegründet. Ziff. 1 Abs. 5 der Anlage 6 zum [X.] regelt nicht die Frage, wie dienstfreie Tage auf auswärtigen Reisen zu gewähren sind.

1. Der [X.] findet entgegen der Feststellung des [X.] [X.] Anwendung auf das Arbeitsverhältnis. Die Beklagte ist weder Tarifvertragspartei noch Rechtsnachfolgerin des [X.]. Das Revisionsgericht ist an den vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt nicht nach § 559 Abs. 2 ZPO gebunden, soweit es selbst Tatsachen feststellen muss. Das ist nicht nur bei dem von Amts wegen zu prüfenden Vorliegen der Prozessvoraussetzungen der Fall (vgl. dazu [X.] 21. Juni 1976 - III ZR 22/75 - zu II 3 der Gründe), sondern auch bei der Prüfung der Geltung statutarischen Rechts im Sinne von § 293 ZPO. Das Gericht muss [X.] zu möglicherweise anwendbaren Tarifnormen deshalb von Amts wegen nachgehen, diese Normen ermitteln und sie daraufhin prüfen, ob sie das der Entscheidung unterliegende Arbeitsverhältnis betreffen ([X.] 24. Mai 2012 - 6 [X.] - Rn. 30). Dazu gehört auch die Frage der Tarifbindung.

2. Der [X.] findet jedoch aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis der Kläger zu 2. und zu 3. Anwendung. Zugunsten des [X.] zu 1. kann unterstellt werden, dass auch er eine solche Bezugnahme vereinbart hat. Der Wirksamkeit solcher Bezugnahmen stünde es nicht entgegen, wenn der [X.] im Zeitpunkt der [X.] nicht nachwirkte. Der [X.] ist spätestens am 31. Dezember 1993 außer [X.] getreten. Es spricht viel dafür, dass die Tarifvertragsparteien im Hinblick auf den Übergangscharakter des [X.], der die von ihm erfassten Arbeitsverhältnisse nur bis zur Gründung einer Trägergesellschaft für die erfassten Klangkörper, längstens bis zum 31. Dezember 1993, tariflich regeln sollte, dessen Nachwirkung konkludent ausgeschlossen haben. Ein solcher Ausschluss wäre wirksam ([X.] seit 3. September 1986 - 5 [X.] - [X.]E 53, 1; zuletzt 16. Mai 2012 - 4 [X.] - Rn. 33 ff.). Die Nachwirkung des [X.] kann jedoch dahinstehen. Arbeitsvertragsparteien sind grundsätzlich frei, ein kollektives Regelwerk in Bezug zu nehmen. Das gilt auch dann, wenn der in Bezug genommene Tarifvertrag keine normative Wirkung mehr entfaltet oder bei beiderseitiger Tarifbindung das Arbeitsverhältnis nicht erfassen würde (vgl. [X.] 14. Dezember 2011 - 4 [X.] - Rn. 43), es sei denn, es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien nur einen noch wirksamen oder bei Tarifbindung auf ihr Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag vereinbaren wollten (vgl. [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 35). An solchen Anhaltspunkten fehlt es vorliegend.

3. Ob die Regelungen des in Bezug genommenen [X.] einer Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen wären, wenn die Tarifvertragsparteien die Nachwirkung ausgeschlossen haben sollten (die Notwendigkeit einer Inhaltskontrolle ausdrücklich offenlassend [X.] 18. September 2012 - 9 [X.] - Rn. 24; sie bejahend [X.] in Clemenz/[X.]/[X.] AGB-Arbeitsrecht § 310 Rn. 71; wohl auch [X.]/Preis 13. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 14; Thüsing/[X.] 2002, 1361, 1363), kann ebenfalls dahinstehen. Die Kläger machen die Unangemessenheit der streitbefangenen Regelung in Ziff. 1 Abs. 5 der Anlage 6 zum [X.] gerade nicht geltend, sondern berufen sich auf diese sowie die übrigen Regelungen des [X.] und leiten den geltend gemachten Anspruch gerade aus diesen Normen ab.

4. Schließlich kommt es für die Entscheidung auch nicht darauf an, ob die in Bezug genommene Regelung zu den [X.] Tagen in Ziff. 1 Abs. 5 der Anlage 6 zum [X.] nach den Maßstäben für Tarifverträge oder als Allgemeine Geschäftsbedingung nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab (dazu [X.] 19. März 2009 - 6 [X.] - Rn. 21) auszulegen ist. Die streitbefangene Vorschrift regelt nach jedem denkbaren Prüfungsmaßstab die, wie unter Rn. 22 ff. ausgeführt, allein streitbefangene Frage, wie bei Auftritten, die bei auswärtigen Konzertreisen über 24:00 Uhr hinaus andauern, dienstfreie Tage zu gewähren sind, bewusst nicht. Gemäß Ziff. 1 Abs. 7 der Anlage 6 zum [X.] wird bei auswärtigen Diensten die Arbeitszeit im Benehmen mit dem jeweiligen Vorstand von Fall zu Fall besonders geregelt. Diese Regelung ist für auswärtige Dienste abschließend und erfasst auch die Festlegung dienstfreier Tage.

a) Das [X.] hat zutreffend angenommen, dass die Bestimmung in Ziff. 1 Abs. 7 der Anlage 6 zum [X.] nicht nur die Arbeitszeit im engeren Sinne umfasst, sondern eine Sonderregelung zu Ziff. 1 Abs. 1 bis Abs. 6 der Anlage 6 zum [X.] darstellt. Es hat weiter zu Recht angenommen, dass zu den auswärtigen Diensten im Sinne der Vorschrift auch Konzertreisen wie die hier streitbefangene gehören und die Beklagte nach Ziff. 1 Abs. 7 der Anlage 6 zum [X.] bei solchen Reisen im Einvernehmen mit dem [X.] - bzw. bei Scheitern der [X.] einseitig - dienstfreie Tage abweichend von Ziff. 1 Abs. 5 der Anlage 6 zum [X.] festlegen kann. Die Kläger erheben keine Gegenrügen gegen diese Auslegung, die Rechtsfehler nicht erkennen lässt.

aa) Die Regelung zu den [X.] Tagen ist eine der zur Arbeitszeit unter Ziff. 1 der Anlage 6 zum [X.] getroffenen Bestimmungen. Nach ihrer systematischen Stellung im [X.] an die Regelungen in Ziff. 1 Abs. 1 bis Abs. 6 der Anlage 6 zum [X.] stellt die Bestimmung des Abs. 7 eindeutig eine Sonderregelung zu allen vorherigen Absätzen der Ziff. 1 der Anlage 6 zum [X.] dar.

bb) Ziff. 1 Abs. 7 der Anlage 6 zum [X.] ist eine abschließende Spezialregelung zu Ziff. 1 Abs. 5 der Anlage 6 zum [X.]. Wenn es in Abs. 7 heißt, „bei auswärtigen Diensten wird die Arbeitszeit … von Fall zu Fall geregelt“, so kann das - unabhängig davon, nach welchem Maßstab man diese Vorschrift auslegt - nur so verstanden werden, dass bei derartigen Diensten Abs. 5 gerade keine Anwendung finden soll. „Wird“ ist in Abs. 7 im Sinne von „muss“ bzw. „ist“ zu lesen. Dies folgt insbesondere aus einem Vergleich mit Abs. 2 und Abs. 4 der Ziff. 1 der Anlage 6 zum [X.], in denen es heißt, dass in begründeten Ausnahmefällen eine hiervon abweichende Dienstzeit vereinbart werden „kann“, und mit Abs. 3, wonach die tägliche Inanspruchnahme eine bestimmte Stundenzahl nicht überschreiten „soll“. Auf diese Weise sollten offensichtlich gerade Streitigkeiten wie die vorliegende verhindert werden und Besonderheiten des jeweiligen „Falles“ berücksichtigt werden können. Dies macht deutlich, dass Ziff. 1 Abs. 5 der Anlage 6 zum [X.] bei auswärtigen Diensten keine Regelung über dienstfreie Tage treffen will, sondern dies dem Arbeitgeber im Benehmen mit dem [X.] überlässt.

cc) Im Gegensatz zu der von den Klägern im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem [X.] vertretenen Auffassung führt ein solches Verständnis des Abs. 7 der Ziff. 1 der Anlage 6 zum [X.] nicht dazu, dass der Arbeitgeber bei auswärtigen Diensten letztlich nach Belieben über die Arbeitszeit bestimmen kann. Die Tarifvertragsparteien haben insoweit die Mitwirkungsform des Benehmens vorgesehen. Diese Beteiligungsform ist für Maßnahmen vorgesehen, die für eine volle Mitbestimmung nicht in Betracht kommen, wegen ihrer Bedeutung für die Beschäftigten jedoch nicht völlig ohne personalvertretungsrechtliche Beteiligung bleiben sollen ( [X.]/[X.]/Sellmann Personalvertretung [X.] Stand Juni 2007 § 75 Rn. 1). Das Benehmen bedarf zwar keiner Willensübereinstimmung. Verlangt wird jedoch eine Fühlungnahme, die von dem Willen getragen wird, auch die Belange der anderen Seite zu berücksichtigen und sich mit ihr zu verständigen. Es muss zumindest der Versuch einer Einigung erfolgen. Erhebliche Einwände oder Bedenken des anderen Beteiligten dürfen nicht einfach übergangen werden, sondern es ist auf den Ausgleich aufgetretener Differenzen hinzuwirken. Verbleiben dennoch Meinungsunterschiede, ist allerdings der Wille des Regelungsbefugten ausschlaggebend ([X.] 13. März 2003 - 6 [X.] - zu I 3 b der Gründe; 25. Juni 1987 - 6 [X.] - zu II 2 b aa der Gründe, [X.]E 55, 393). Der Arbeitgeber muss also auch bei auswärtigen Diensten zunächst die vom [X.] geltend gemachten Interessen der Chormitglieder in seine Entscheidungsfindung einbeziehen. Gelingt die [X.] nicht, kann er die Arbeitszeit und insbesondere die [X.] trotzdem nicht nach seinem Belieben frei festlegen, sondern hat die gesetzlichen Bestimmungen des [X.] sowie ggf. des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats zu beachten. Die Tarifvertragsparteien waren offensichtlich der Auffassung, dass damit der Schutz der Arbeitnehmer auch hinsichtlich der [X.] Tage bei auswärtigen Reisen, bei denen die uneingeschränkte Gewährung von Freizeit ohnehin nicht möglich ist, ausreichend gewährleistet ist.

b) Die Kläger machen nicht geltend, dass im Wege des Benehmens im Sinne von Ziff. 1 Abs. 7 der Anlage 6 zum [X.] eine Regelung getroffen worden ist, aus der sich die von ihnen eingeklagten Ansprüche ergäben.

5. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die begehrte Vergütung wegen etwaiger Verstöße der Beklagten gegen das [X.]. Das Arbeitszeitrecht sieht bei Verstößen gegen seine Regelungen keine finanziellen ([X.] vor. Es betrifft nur den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz, der durch Ausgleichsruhezeiten gewährleistet wird (st. Rspr., zuletzt [X.] 16. Mai 2013 - 6 [X.] - Rn. 38).

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Oye    

        

    Jerchel    

                 

Meta

6 AZR 842/11

20.06.2013

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 25. November 2010, Az: 2 Ca 9210/10, Urteil

§ 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.06.2013, Az. 6 AZR 842/11 (REWIS RS 2013, 4883)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4883

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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