Bundessozialgericht, Urteil vom 20.03.2013, Az. B 5 RS 3/12 R

5. Senat | REWIS RS 2013, 7194

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - fiktive Einbeziehung - sachliche und betriebliche Voraussetzung - Fachdirektor Ökonomie


Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 15. Dezember 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die [X.] bis zum 30.6.1990 als [X.] zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz ([X.]) einschließlich der dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

2

Der 1946 geborene Kläger erwarb an der [X.] den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" (Urkunde vom 31.3.1971). Ab dem 3.5.1971 arbeitete er bei verschiedenen Volkseigenen Betrieben (VEB), zuletzt vom 1.2. bis 30.6.1990 beim [X.]

3

Dort wirkte er als "Fachdirektor Ökonomie" wesentlich an der Umstrukturierung des VEB mit. Dieser produzierte im 1. Halbjahr 1990 mit 107 Arbeitnehmern Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten. Gleichzeitig beschäftigte der VEB in den Bereichen der Elektroinstallation 250, der Verwaltung 78, der Projektierung 20 und der Lagerwirtschaft 8 Mitarbeiter. Der Kläger erhielt keine Versorgungszusage, zahlte aber Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung; eine korrigierende Rehabilitierungsentscheidung wurde nicht getroffen.

4

Den Antrag des [X.], seine Zusatzversorgungsanwartschaften festzustellen und zu überführen, lehnte die Beklagte ab, weil er die sachliche Voraussetzung nicht erfülle. Denn als "Fachdirektor Ökonomie" sei er nicht entsprechend seiner Qualifikation ingenieurtechnisch beschäftigt gewesen (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 9.4.2003).

5

Das [X.] hat dem Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist gewährt und die Klage abgewiesen (Urteil des [X.] Halle vom [X.]). Die Berufung ist erfolglos geblieben (Urteil des L[X.] Sachsen-Anhalt vom 15.12.2011): Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung von [X.] zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 8 Abs 3 S 1 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 S 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes ([X.]) vom 25.7.1991 ([X.] 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 19.12.2007, [X.] 3024). Denn er falle nicht in den Geltungsbereich des § 1 Abs 1 S 1 [X.], weil er der [X.] weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung angehört habe. Ihm sei weder eine Versorgung zugesagt worden noch liege eine Rehabilitierungsentscheidung oder der rechtsstaatswidrige Entzug einer [X.] vor. Die Rechtsprechung des B[X.], wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem auch im Wege der Unterstellung erfolgen könne, lehne der Senat ab. Abgesehen davon lägen auch die vom B[X.] aufgestellten Voraussetzungen für eine fingierte [X.] nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als Ingenieur die persönliche und als "Fachdirektor Ökonomie" auch die sachliche Voraussetzung. Zum 30.6.1990 sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Fraglich sei schon, ob es am Stichtag überhaupt noch VEB gegeben habe, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der [X.] zugeordnet gewesen seien. Denn es sei zweifelhaft, ob es im Juni 1990 eine Planwirtschaft iS des Art 9 Abs 3 der [X.] überhaupt noch gegeben habe. Ungeachtet dessen sei der [X.] kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gewesen, weil der Schwerpunkt der Betriebstätigkeit nicht in der Produktion (Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten), sondern im Bereich der Elektroinstallation gelegen habe. Denn die Zahl der Beschäftigten in der Elektroinstallation (250) übersteige die Zahl der in der Produktion eingesetzten Mitarbeiter (107) deutlich. Soweit der Senat in dem Verfahren L 1 R 105/08 von nur zehn Mitarbeitern im Bereich der Elektroinstallation ausgegangen sei, könne daran nicht mehr festgehalten werden. Bei der Elektroinstallation würden keine neuen Produkte seriell hergestellt, sondern - ggf seriell hergestellte - Sachgüter verarbeitet, indem zB Leuchten und Kabel angebracht bzw verlegt würden. Insofern könnten Installation und Montage, die den Produktionsbegriff erfüllten, keinesfalls gleichgesetzt werden. Der Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit des VEB sei nicht anhand des Gewinns zu beurteilen, der in den einzelnen Bereichen erzielt worden sei. Dies gelte jedenfalls dann, wenn sich schon anhand der Verteilung der Arbeitskräfte der Schwerpunkt des Betriebes - wie hier - deutlich herauskristallisiere. Denn auf den Aufwand lasse sich nicht zuletzt durch den jeweiligen Mitarbeitereinsatz schließen. Hingegen sei der Gewinn oder die Bilanz als Gradmesser für den betrieblichen Schwerpunkt problematisch, weil dessen Ermittlung von den systembedingten Vorgaben abhänge und häufig nicht den tatsächlichen Aufwand und Umsatz bzw Ertrag abbilde. So sei in der [X.] nach den Bestimmungen der Rechnungsführung und Statistik ([X.]) bilanziert worden. Die durch die [X.] ermittelten Zahlen hätten der Leitung und Planung der Volkswirtschaft der [X.] (§ 2 Abs 1 und 2 der Verordnung über Rechnungsführung und Statistik vom 11.7.1985, GBl [X.] I 261) und damit einem anderen Zweck gedient als eine handelsrechtliche Bilanz. Das System der [X.] habe den Erfordernissen einer zentralgeleiteten Wirtschaft entsprochen, ein einheitliches Rechnungswesen in der gesamten Volkswirtschaft zu schaffen, das nicht nur die einzelnen Betriebe und Kombinate erfasse, sondern zugleich eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung darstelle. Eine Rechnungslegung nach den Grundsätzen der [X.] sei erforderlich gewesen, um ablesen zu können, ob ein Betrieb seine Planvorgaben erreicht habe.

6

Mit der Revision, die das L[X.] zugelassen hat, rügt der Kläger insbesondere die Verletzung materiellen Rechts: Soweit das L[X.] den Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit allein anhand der Mitarbeiterzahl pro Abteilung bestimme, verkenne es, dass es nach der Rechtsprechung des B[X.] allein auf die Anteile an Aufwand und Umsatz bzw Ertrag ankomme. Der [X.] habe schwerpunktmäßig Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten produziert. Im Bereich der Elektroinstallation seien nur 10 Mitarbeiter im Außeneinsatz tätig gewesen. Die anderen hätten beispielsweise in industrieller Art und Weise Schaltschrankbau betrieben, und zwar weitestgehend aufgrund gleich gerichteter Anforderungen. Außerdem hätten sie bei der Vorinstallation für Gleich- und Wechselrichter, die im Straßenbahnbau und bei der Montage von Zügen eingesetzt worden seien, vorgefertigte Bauteile im Wege der industriellen Massenproduktion zum fertigen Produkt verbaut. Ferner seien Installationseinrichtungen für den Einsatz in Industrieanlagen vorgefertigt worden, wobei eine ausschließlich spezifische Montage für besondere Anforderungen nur im Ausnahmefall erfolgt sei. Derartige Installationsarbeiten erfüllten - ebenso wie Montagetätigkeiten - den Produktionsbegriff. Entgegen der Ansicht des L[X.] hätten am 30.6.1990 auch noch der [X.] zuzuordnende VEB existiert. Jede andere Auslegung führe die verfassungsgerichtlich bestätigte Rechtsprechung des B[X.] zur Überführung fiktiver Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen ad absurdum.

7

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

        

das Urteil des [X.] vom 24. März 2005 und das Urteil des [X.] vom 15. Dezember 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die [X.] vom 3. Mai 1971 bis zum 30. Juni 1990 als [X.] der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem [X.]raum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Die betriebliche Voraussetzung sei nicht erfüllt. Der [X.] sei kein Produktionsdurchführungsbetrieb gewesen, dem eine industrielle Massenproduktion von Sachgütern in Gestalt von Antennen, Heizkörpern, Plastschweißgeräten und Leuchten das Gepräge gegeben habe. Denn der überwiegende Teil der Beschäftigten sei nicht in der Sachgüterproduktion, sondern mit der Installation von Elektroanlagen beschäftigt gewesen. [X.] seien immer den individuellen Gegebenheiten und Vorgaben der Kunden anzupassen, weil Leitungen und Verteiler verlegt und Elemente miteinander verbunden werden müssten, was nicht seriell erfolgen könne. Damit unterscheide sich diese Art der Installation auch von der (seriellen) Industriemontage, bei der massenhaft Einzelteile zu einem grundsätzlich gleichen, nur in Details unterschiedlichen neuen industriellen [X.] in hohen Stückzahlen zusammengesetzt würden.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 [X.] 2 [X.] [X.]G), weil weitere Tatsachenfeststellungen erforderlich sind.

Die Klage war zulässig. Das [X.] hat zu Recht festgestellt, dass das [X.] verbindlich Wiedereinsetzung (§ 67 [X.] 1 und 4 [X.] [X.]G) in die versäumte Klagefrist (§ 87 [X.] 1 [X.] iVm [X.] 2 [X.]G) gewährt hat.

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 [X.] 2, [X.] und [X.] 4 [X.] in Betracht. Nach § 8 [X.] [X.] hat die Beklagte als Versorgungsträger für die [X.] der Anlage 1 [X.] bis 27 (§ 8 [X.] 4 [X.]) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach [X.] 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl B[X.] [X.] 3-8570 § 1 [X.]): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die [X.] sowie - jedenfalls bis zum Inkrafttreten des 2. [X.]-ÄndG zum 3.8.2001 (vgl hierzu [X.]surteil vom 14.12.2011 - [X.] R 2/10 R - [X.] 4-8570 § 7 [X.]) - alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 [X.]).

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das [X.] anwendbar ist (B[X.] [X.] 3-8570 § 1 [X.] und [X.]). Den Anwendungsbereich des [X.], das am [X.] in [X.] getreten ist (Art 42 [X.] 8 des [X.] in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung - Rentenüberleitungsgesetz - vom 25.7.1991, [X.] 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 [X.] 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anlage 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 [X.] 3 [X.]B IV) erworben worden sind ([X.]). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten ([X.]), sodass das [X.] auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

Auf Grund der Feststellungen des [X.] kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des [X.] erfasst ist, weil er am [X.] aus bundesrechtlicher Sicht eine "auf Grund der Zugehörigkeit" zur [X.] "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 [X.] 1 [X.] [X.] noch eine fiktive Anwartschaft gemäß [X.] aaO innehat.

Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 [X.]B I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der [X.], in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw [X.] ([X.]) erfüllt sind (B[X.] [X.] 3-8570 § 1 [X.] und [X.] 54).

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 [X.] 1 [X.] [X.] erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am [X.] kein [X.] (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 [X.] 1 [X.] [X.] eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem [X.], weil der Kläger in der [X.] nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu B[X.] [X.] 3-8570 § 1 Nr 2 [X.]5 und [X.] [X.]0 f; [X.] 4-8570 § 1 [X.] RdNr 8 f).

Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "auf Grund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 [X.] 1 [X.] [X.] erworben hat. Der erkennende [X.] hat die Rechtsprechung des 4. [X.]s des B[X.] (vgl [X.] 3-8570 § 1 [X.]) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom [X.] (vgl nur B[X.]E 106, 160 = [X.] 4-8570 § 1 [X.]7) ausdrücklich fortgeführt. Die weiterhin geäußerten Bedenken des [X.] geben keinen Anlass zur nochmaligen Prüfung (s dazu bereits [X.]surteil vom [X.] - [X.] RS 7/11 R - Juris).

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am [X.] geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H [X.]chn [X.] des Vertrags zwischen der [X.] und der [X.] über die Herstellung der Einheit [X.] vom 31.8.1990 ([X.]I 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-[X.]) vom 17.8.1950 (GBl [X.] 844) und die 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben ([X.]) vom [X.] (GBl [X.] 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

Nach § 1 VO-[X.] und der dazu ergangenen [X.] hängt das Bestehen einer fingierten [X.] von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl B[X.] [X.] 3-8570 § 1 Nr 2 [X.]4, [X.], [X.] f, [X.] 60; [X.] 4-8570 § 1 [X.]), die kumulativ am Stichtag 30.6.1990 vorliegen müssen,

        

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

        

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

        

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 [X.] 1 der [X.]) oder in einem durch § 1 [X.] 2 der [X.] gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Der Kläger erfüllt die persönliche Voraussetzung, weil er nach den bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) berechtigt ist, den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" zu führen. Ob der Kläger auch die sachliche (nachfolgend a) und die betriebliche Voraussetzung (nachfolgend b) erfüllt, konnte der [X.] nicht abschließend entscheiden.

a) Nach der Rechtsprechung des früheren 4. [X.]s des B[X.] (Urteil vom [X.] - [X.] R[X.]/07 R - Juris Rd[X.]8; s auch Urteil vom 31.3.2004 - [X.] RA 31/03 R - Juris Rd[X.]9 f) und des erkennenden [X.]s (Urteile vom 9.10.2012 - [X.] RS 9/11 R - Juris Rd[X.]9 und vom [X.] - [X.] RS 7/11 R - Juris RdNr 24) erfüllen Ingenieure die sachliche Voraussetzung für eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nur dann, wenn der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit entsprechend ihrem Berufsbild im produktionsbezogenen ingenieurtechnischen Bereich lag und damit die Aufgabenerfüllung geprägt hat. Lag der Schwerpunkt dagegen in anderen Bereichen, zB im wirtschaftlichen bzw kaufmännischen Bereich, waren die Ingenieure nicht schwerpunktmäßig, dh überwiegend, entsprechend ihrem Berufsbild, sondern vielmehr berufsfremd eingesetzt. Nach der ständigen Rechtsprechung bedeutet "berufsfremd" die Ausübung einer Tätigkeit, die nicht schwerpunktmäßig durch die durchlaufene Ausbildung und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägt ist ([X.]surteile aaO).

Für die Prüfung der sachlichen Voraussetzung ist demnach von der erworbenen Berufsbezeichnung iS der [X.] auszugehen und zu ermitteln, welches Berufsbild dieser unter Berücksichtigung der Ausbildung und der im späteren Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen zu Grunde liegt. Im [X.] hieran ist festzustellen, welche Tätigkeit der Versicherte konkret ausgeübt hat und zu fragen, ob diese im Schwerpunkt dem der Berufsbezeichnung zu Grunde liegenden Berufsbild entspricht. Dies ist zu bejahen, wenn die ausgeübte Tätigkeit überwiegend durch die in der Ausbildung zu einem Beruf iS des § 1 [X.] 1 der [X.] gewonnenen Kenntnisse und Fertigkeiten und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägt ist ([X.]surteile vom 9.10.2012 - [X.] RS 9/11 R - Juris RdNr 20 und vom [X.] - [X.] RS 7/11 R - Juris RdNr 25; B[X.] Urteil vom 18.10.2007 - [X.] R[X.]7/07 R - [X.] 4-8570 § 1 [X.]4 Rd[X.]4 mwN).

Es fehlen hier bereits Feststellungen des [X.] zum Berufsbild des "[X.]" und zur Tätigkeit, die der Kläger am Stichtag konkret ausgeübt hat. Feststellungen zum Berufsbild und der verrichteten Tätigkeit sind stets auf der Grundlage von Ermittlungen zu treffen, die die individuelle Situation des jeweiligen Anspruchstellers aufklären. Zur Feststellung des Berufsbilds des [X.] ist daher insbesondere dessen absolvierte Ausbildung im Einzelnen zu ermitteln; um das Anforderungsprofil der Tätigkeit festzustellen, die er am Stichtag ausgeübt hat, sind vor allem der einschlägige [X.] heranzuziehen, soweit er noch vorhanden ist, und die dort aufgelisteten Aufgaben zu konkretisieren sowie die Aussagen des [X.] und etwaiger Zeugen auszuwerten. Die bisherigen Ausführungen des [X.] erschöpfen sich darin, "dass der Kläger während seiner Beschäftigung beim [X.] nach seinen glaubhaften Schilderungen im Berufungsverfahren nicht berufsfremd eingesetzt war". Dabei versäumt es das Berufungsgericht jedoch, das Ergebnis seiner Subsumtion unter den Rechtsbegriff "berufsfremd" mit konkreten Tatsachenangaben zu untermauern, die es ermöglichen könnten, den vorangegangenen Subsumtionsschluss (Syllogismus) nachzuvollziehen und zu überprüfen. Im Ansatz zutreffend weist das [X.] darauf hin, dass "nicht die Funktionsbezeichnung entscheidend ist, sondern der tatsächliche Tätigkeitsinhalt". Es hätte jedoch - ausgehend von einer detaillierten Stellenbeschreibung - möglichst genau darstellen müssen, welche (Haupt-)Aufgaben, fachlichen Anforderungen und konkreten Verrichtungen mit der Tätigkeit des "[X.]" tatsächlich verbunden waren und im Urteil nachvollziehbar angeben müssen, welche Tatumstände der Kläger im Berufungsverfahren geschildert hat, warum es ihn für glaubwürdig und seine Aussagen für glaubhaft hält (zu den Begriffen der Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit vgl [X.] Urteil vom 13.3.1991 - [X.] - NJW 1991, 3284). Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das [X.] daher im Rahmen der sachlichen Voraussetzung prüfen müssen, ob die am Stichtag tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als "Fachdirektor Ökonomie" mit ihrem Anforderungsprofil dem Berufsbild des [X.] schwerpunktmäßig entsprach.

b) Ferner lässt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des [X.] nicht beurteilen, ob der [X.] ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gibt. Der erkennende [X.] hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. [X.]s (vgl etwa B[X.] [X.] 3-8570 § 1 [X.] f sowie [X.] 4-8570 § 1 [X.]6 RdNr 21 und 23) fest, was er zuletzt in mehreren am 19.7.2011, 28.9.2011, [X.] und 9.10.2012 verkündeten Urteilen (ua B[X.]E 108, 300 = [X.] 4-8570 § 1 [X.]8, RdNr 24; [X.] RS 8/10 R - Juris Rd[X.]9; [X.] RS 8/11 R - Juris RdNr 21; [X.] RS 5/12 R - Juris RdNr 23) nochmals betont hat.

Für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzung ist unerheblich, ob es am Stichtag 30.6.1990 noch VEB gegeben hat, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der [X.]-Planwirtschaft zugeordnet waren (dazu und zum Folgenden: [X.]surteil vom 9.10.2012 - [X.] RS 5/12 R - Juris RdNr 24). Ob die betriebliche Voraussetzung iS der VO-[X.] iVm der [X.] erfüllt ist, bestimmt sich nach der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung allein danach, ob der Kläger am 30.6.1990 - abgesehen von den gleichgestellten Betrieben - in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt gewesen ist, dh einem VEB, dem die industrielle Fertigung das Gepräge gegeben hat. Hingegen ist entgegen der Auffassung des [X.] nicht auch konstitutiv auf seine organisatorische Zuordnung abgestellt worden (so schon Hinweis im [X.]surteil vom 19.7.2011 - [X.] RS 7/10 R - B[X.]E 108, 300 = [X.] 4-8570 § 1 [X.]8, RdNr 28). Bereits im Urteil vom [X.] ([X.] RA 41/01 R - [X.] 3-8570 § 1 [X.] f) hatte der 4. [X.] des B[X.] eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 ([X.] RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran (vgl B[X.] Beschluss vom 13.2.2008 - [X.] R[X.]33/07 B - Juris Rd[X.]1). Hat aber die Frage der organisatorischen Zuordnung keine konstitutive Bedeutung, ist unerheblich, ob es am Stichtag noch einen industriellen Produktionssektor der [X.]-Planwirtschaft gegeben hat. Vielmehr ist allein die Rechtsform des Betriebs als VEB sowie seine tatsächliche Produktionsweise entscheidungsrelevant ([X.]surteil vom 9.10.2012 - [X.] RS 5/12 R - Juris RdNr 24).

Ob der [X.] nach diesen Maßgaben sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, lässt sich den Feststellungen des [X.] nicht entnehmen. Das [X.] bestimmt den Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit nach der ([X.] der Mitarbeiter in den Tätigkeitsbereichen "Produktion" und "Elektroinstallation". Damit hat es einen einheitlichen und grundsätzlich geeigneten Maßstab für die Beurteilung der Frage gewählt, ob der [X.] sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, wobei allerdings einschränkend zu bemerken ist, dass von der bloßen Kopfzahl der Beschäftigten nicht stets automatisch auf ein entsprechendes Arbeitsvolumen und einen entsprechenden Anteil an der Wertschöpfung geschlossen werden darf. Den Feststellungen des [X.] lässt sich jedoch - was gleichzeitig unabdingbar erforderlich ist - insbesondere nicht entnehmen, womit konkret der Bereich "Elektroinstallation" (250 Mitarbeiter) befasst war, obwohl es unter anderem wegen der Frage, "ob auch die Installation (wie die Montage) den Produktionsbegriff erfüllen kann", die Revision zugelassen hat. Es unterlegt dem Begriff der "Elektroinstallation" ohne jeden Fallbezug bestenfalls aus sich heraus eine Bedeutung, wenn es ausführt: "Bei der Installation werden keine neuen Produkte seriell hergestellt, sondern es werden - ggf seriell hergestellte - Sachgüter verarbeitet, in dem zB Leuchten und Kabel angebracht bzw verlegt werden". Stattdessen hätte das Berufungsgericht konkret ermitteln und feststellen müssen, welche Aufgaben beim [X.] im Bereich der "Elektroinstallation" genau anfielen, welche Komponenten wo (innerhalb des VEB oder außerhalb beim Kunden?) verarbeitet ("installiert", "angebracht", "verlegt" oder eingebaut) wurden und ob es sich dabei um eher handwerklich geprägte Individualarbeiten oder industriell geprägte Serienfertigung (ggf unter entsprechendem Maschineneinsatz) handelte. Soweit im Rahmen der Elektroinstallation - ggf seriell hergestellte - Komponenten (wie zB Leuchten und Kabel) angebracht, verlegt oder miteinander verbunden wurden, wird das [X.] die Fertigungsart ermitteln und feststellen müssen, ob diese Aggregate mehr oder weniger schematisch nach einem im vorhinein festgelegten Plan standardisiert (zB in Fertigungsstraßen) oder nach bestimmten Kundenwünschen individuell verarbeitet wurden. Unter diesen Voraussetzungen ist insbesondere auch eine größere Produktpalette oder eine Vielzahl potenziell zu verbindender Einzelteile kein Hindernis, solange das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entspricht. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut (vgl B[X.] Urteil vom 24.4.2008 - [X.] RS 31/07 R - Juris Rd[X.]8) oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion (vgl [X.]surteile vom 19.7.2011 - [X.] RS 7/10 R - B[X.]E 108, 300 = [X.] 4-8570 § 1 [X.]8, Rd[X.]1 und vom 9.10.2012 - [X.] RS 5/11 R - Juris RdNr 24).

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des [X.] vorbehalten.

Meta

B 5 RS 3/12 R

20.03.2013

Bundessozialgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: RS

vorgehend SG Halle (Saale), 24. März 2005, Az: S 6 RA 516/03, Urteil

§ 1 Abs 1 AAÜG, § 8 Abs 2 AAÜG, § 8 Abs 3 S 1 AAÜG, § 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG, Anl 1 Nr 1 AAÜG, § 1 ZAVtIV, § 1 Abs 1 ZAVtIVDBest 2, § 1 Abs 2 ZAVtIVDBest 2, Anlage II Kap VIII H III Nr 9 EinigVtr, Anlage II Kap VIII H EinigVtr

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 20.03.2013, Az. B 5 RS 3/12 R (REWIS RS 2013, 7194)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7194

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