Bundessozialgericht, Urteil vom 19.07.2011, Az. B 5 RS 7/10 R

5. Senat | REWIS RS 2011, 4675

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - betriebliche Voraussetzung - VEB Starkstromanlagenbau Magdeburg


Leitsatz

1. Zu den volkseigenen Produktionsbetrieben der Industrie und des Bauwesens gehören nur Produktionsdurchführungsbetriebe, die ihr Gepräge durch die Massenproduktion erhalten.

2. Stellt ein Montagebetrieb die von ihm montierten Bauteile im Wege industrieller Massenproduktion selbst her, kann auch der Zusammenbau dieser Teile zum fertigen Produkt Teil der industriellen Produktion einschließlich des Bauwesens sein.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 19. August 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der [X.] vom 15.7.1982 bis 30.6.1990 als [X.] der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz ([X.]) sowie der während dieser [X.] erzielten Arbeitsentgelte hat.

2

Der 1943 geborene Kläger ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom der Lebensmittelindustrie" zu führen (Zeugnis der Ingenieurschule der Lebensmittelindustrie G. vom 15.7.1982). Im [X.] an die Verleihung dieser Berechtigung war der Kläger bis 30.6.1990 beim [X.] in folgenden Funktionen tätig:

        

-       

16.7.1982 bis 28.2.1983

Gruppenleiter NS-Schaltgeräte

        

-       

1.3.1983 bis 14.10.1984

Abteilungsleiter Materialplanung und Organisation

        

-       

15.10.1984 bis 31.12.1985

Abteilungsleiter KM

        

-       

1.1.1986 bis 31.12.1988

Objektingenieur

        

-       

1.1.1989 bis 30.6.1990

Abteilungsleiter Objektüberwachung.

3

Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger zur [X.] der [X.] nicht. Seit dem 1.10.2003 bezieht er eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit.

4

Den Antrag des [X.] auf Feststellung von [X.] lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.7.2003 und Widerspruchsbescheid vom 27.11.2003).

5

Das [X.] hat die Beklagte mit Urteil vom 18.7.2007 verurteilt, die [X.] vom 15.7.1982 bis 30.6.1990 als [X.] der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz und die in diesem [X.]raum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] mit Urteil vom [X.] das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe gemäß § 8 Abs 3 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des [X.] (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz <[X.]> vom 25.7.1991, [X.] 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 19.12.2007, [X.] 3024) keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung von [X.] zu einem Zusatzversorgungssystem. Er unterfalle nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs 1 [X.], weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der [X.] angehört habe. Dem Kläger sei weder von Organen der [X.] eine Versorgung zugesagt noch sei er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch habe ein rechtsstaatswidriger Entzug einer [X.] in seinem Fall nicht stattgefunden. Der Rechtsprechung des [X.], nach der die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] ebenso im Wege der Unterstellung vorliegen könne, folge der [X.] nicht. Abgesehen davon lägen auch die vom [X.] aufgestellten Voraussetzungen für eine fingierte [X.] nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als Ingenieurökonom die persönliche Voraussetzung und sei auch entsprechend seiner erworbenen Qualifikation tätig gewesen. Zum Stichtag 30.6.1990 sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Der [X.] sei - wie der [X.] bereits entschieden habe - weder ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie noch ein gleichgestellter Betrieb. Der Begriff des Produktionsbetriebs erfasse nach der Rechtsprechung des [X.] nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell gefertigt hätten. Die industrielle Serienproduktion müsse dem Betrieb das Gepräge gegeben haben. Dies sei hier nicht der Fall. Hauptzweck des [X.] sei die Herstellung von Schaltschränken als Endprodukt gewesen. Der VEB habe pro Jahr über 10 000 Schaltschränke gefertigt. Nach den Einlassungen des [X.] im Verfahren L 1 R 400/06 habe deren Herstellung individuell nach den jeweils im Einzelfall vorgegebenen Unterlagen erfolgen müssen. Die Schaltschränke seien von ihrem Aufbau her auf die einzelne Anlage bezogen gewesen, deren Versorgung sie dienen sollten und seien deshalb "in hohem Maße den einzelnen Verhältnissen anzupassen" gewesen. Daneben habe der VEB Trafo- und Kabelkompaktstationen in geringer Stückzahl und serienmäßig Schaltschränke für den Waggonbau von ca 600 Einheiten produziert. Gehe man davon aus, dass die Produktion von Schaltanlagen für das [X.] sowie von Kompaktstationen und Schwerpunktlaststationen als Serienproduktion anzusehen seien, kämen maximal 300 Einheiten dazu. Die individualisierte Schaltschrankproduktion überwiege auch dann noch deutlich. Nichts anderes ergebe sich, wenn unterstellt werde, dass die Schaltanlagen für das [X.] seriell produziert worden seien. Denn diese Produktion habe einen jährlichen Warenwert von [X.] umfasst, also in jedem Fall weniger als 20 % des Gesamtwertes der Warenproduktion, die nach der Aussage des im Verfahren [X.] als Zeugen vernommenen Dr. K. Ende der 80er Jahre [X.] betragen habe. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem [X.] um einen gleichgestellten Betrieb gehandelt haben könnte, lägen nicht vor.

6

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 8 iVm § 1 Abs 1 [X.], die unvollständige Sachverhaltsermittlung des Berufungsgerichts und eine Divergenz zur Rechtsprechung des [X.]. Hierzu führt er im Wesentlichen aus:

7

Das [X.] habe keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen erhoben, um beurteilen zu können, ob der VEB ein Produktionsbetrieb im Sinne der Rechtsprechung des [X.] gewesen sei. Die vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Verfahren L 1 R 400/06 und [X.] enthielten widersprüchliche Sachverhalte. Im Verfahren [X.] sei festgestellt worden, dass im Betrieb Schienensysteme eingebaut gewesen seien, um die Produktion von Schaltschränken durchführen zu können. Die einzelnen Schaltanlagen seien an einer [X.] entlang bewegt und zum Schluss in eine [X.] geführt worden. Die Schaltschränke seien von außen immer gleich aufgebaut gewesen, die eingesetzten Module hätten sich aber nach den Anforderungen des Kunden gerichtet. Die Schaltschränke seien dann zu Einheiten von ca 20 Schaltanlagen zusammengesetzt worden. Solche [X.] seien zu ca 1000 Einheiten pro Monat hergestellt worden. Andererseits habe das [X.] festgestellt, dass nach der Aussage des [X.] im Verfahren L 1 R 400/06 die in [X.]n hergestellten Schaltschränke individuell nach den jeweils im Einzelfall vorgegebenen Unterlagen anzupassen gewesen seien. Es lasse sich nicht erkennen, welchen dieser sich widersprechenden Sachverhalte das [X.] festgestellt und ob es sich einen von diesen mit dem Überzeugungsgrad des [X.] zu eigen gemacht habe. Ferner habe das Berufungsgericht am Ende seiner Entscheidung festgestellt, dass die für die Herstellung der Schaltschränke erforderlichen und im Betrieb angefertigten Einzelteile den vom 4. [X.] des [X.] vorgegebenen Produktionsbegriff erfüllt hätten. Auch angesichts dessen hätte sich das Berufungsgericht zur weiteren Beweiserhebung gedrängt fühlen und dabei ermitteln müssen, wie sich die Herstellung von Einzelteilen und der einzelnen Schaltschränke in [X.]n in [X.]aufwand und Materialaufwand zu dem individuellen Zusammensetzen der Schaltschränke zur Auslieferung an den Kunden verhalten habe. Nur insoweit hätte sich der Hauptzweck des [X.] bzw seine Prägung feststellen lassen.

8

Im Übrigen habe das [X.] den Begriff "industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion (fordistisches Produktionsmodell) von Sachgütern" vollständig verkannt. Für die Qualifizierung eines Betriebs als Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung sei der Hauptzweck des Betriebs maßgeblich. Die industrielle, dh serienmäßige Produktion von Sachgütern oder Bauwerken müsse dem Betrieb das Gepräge gegeben haben. Nach den Entscheidungsgründen hätten die für die Herstellung der Schaltschränke erforderlichen und im Betrieb hergestellten Einzelteile den Produktionsbegriff in diesem Sinne erfüllt, das Endprodukt nach individueller Zusammenstellung der Schaltschränke aber nicht. Das [X.] vertrete offensichtlich die unzutreffende Ansicht, die Produktion der Schaltschränke selbst habe nur eine dienende Funktion gehabt gegenüber der Zusammenstellung der Schaltschränke (individueller Ansatz) zu einer auszuliefernden Anlage. Entscheidend für die Feststellung der betrieblichen Voraussetzung seien vielmehr Materialeinsatz und [X.]anteil der seriellen Produktion der Komponenten, die für sich gesehen ein Endprodukt darstellten, auch wenn sie je nach individuellem Bedarf zu einer Anlage zusammengeschoben und verkabelt worden seien.

9

Soweit das [X.] der Rechtsprechung des [X.] nicht folge, sei dem nicht zuzustimmen. Die Argumente, die das Berufungsgericht gegen die Rechtsprechung des [X.] einwende, griffen nicht durch.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 19. August 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 18. Juli 2007 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 [X.] 2 Satz 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der [X.] nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des [X.] erforderlich sind.

Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren (§ 165 Satz 1, § 153 [X.] 1, § 123 SGG), das Berufungsurteil aufzuheben und das Urteil des [X.] vom 18.7.2007 wieder herzustellen. Dieses Begehren hat Erfolg, wenn der Bescheid vom 25.7.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2003 aufzuheben und die Beklagte verpflichtet ist, die Beschäftigungszeit vom 15.7.1982 bis 30.6.1990 als [X.] zur [X.] (nebst der dabei erzielten Arbeitsentgelte) festzustellen.

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 [X.] 2, [X.] 3 Satz 1 und [X.] 4 [X.] in Betracht. Nach § 8 [X.] 3 Satz 1 [X.] hat die Beklagte als Versorgungsträger für die [X.] der Anlage 1 bis 27 (§ 8 [X.] 4 [X.]) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach [X.] 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl [X.]-8570 § 1 [X.]): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die [X.] sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 [X.]).

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das [X.] anwendbar ist ([X.]-8570 § 1 [X.] und [X.]). Den Anwendungsbereich des [X.], das am [X.] in [X.] getreten ist (Art 42 [X.] 8 des [X.] in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung vom [X.], [X.] 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 [X.] 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der [X.] und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 [X.] 3 [X.]V) erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2), sodass das [X.] auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

Aufgrund der Feststellungen des [X.] kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des [X.] erfasst ist, weil er am [X.] aus bundesrechtlicher Sicht eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur [X.] "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 [X.] 1 Satz 1 [X.] noch eine fiktive Anwartschaft gemäß Satz 2 aaO innehat.

A. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 [X.] anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der [X.], in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw [X.] ([X.]) erfüllt sind ([X.]-8570 § 1 [X.] und [X.] 54).

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 [X.] 1 Satz 1 [X.] erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am [X.] kein [X.] (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 [X.] 1 Satz 2 [X.] eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem [X.], weil der Kläger in der [X.] nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu [X.]-8570 § 1 [X.] und [X.] f; [X.] 4-8570 § 1 [X.] RdNr 8 f).

B. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 [X.] 1 Satz 1 [X.] erworben hat. Der erkennende [X.] hat die Rechtsprechung des 4. [X.]s des BSG (vgl [X.] 3-8570 § 1 [X.]) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom [X.] (vgl nur [X.], 160 = [X.] 4-8570 § 1 [X.]) ausdrücklich fortgeführt. Die Bedenken des [X.] geben keinen Anlass zu einer erneuten Prüfung. Der [X.] weist allerdings nochmals darauf hin, dass er § 1 [X.] 1 Satz 1 [X.] aus sich heraus weit auslegt, und - insofern in der Begründung anders als der 4. [X.] - insbesondere nicht Satz 2 der Vorschrift heranzieht. Die diesbezüglich vom Berufungsgericht geäußerten Bedenken beziehen sich daher auf eine überholte Rechtsprechung.

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am [X.] geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H [X.]chn [X.] des Vertrags zwischen der [X.] und der [X.] über die Herstellung der Einheit [X.] vom 31.8.1990 ([X.]I 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben ([X.]-[X.]) vom 17.8.1950 ([X.]) und die Zweite Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung ([X.]) vom [X.] (GBl [X.]), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

Nach § 1 [X.]-[X.] und der dazu ergangenen [X.] hängt das Bestehen einer fingierten [X.] von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl [X.]-8570 § 1 [X.], [X.], [X.] f, [X.] 60; [X.] 4-8570 § 1 [X.]), die kumulativ vorliegen müssen,

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 [X.] 1 [X.]) oder in einem durch § 1 [X.] 2 [X.] gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Nach den für den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) erfüllt der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung. Er ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" zu führen und ist am Stichtag entsprechend seiner Qualifikation tätig gewesen.

Ob der Kläger auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, konnte der [X.] nicht abschließend entscheiden. Aufgrund der bisherigen Feststellungen des [X.] lässt sich nicht beurteilen, ob der [X.] ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, die ihr Gepräge durch die Massenproduktion erhalten haben. Der erkennende [X.] hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. [X.]s (vgl etwa [X.]-8570 § 1 [X.] f sowie [X.] 4-8570 § 1 [X.] RdNr 21 und 23) fest. Die in der Literatur teilweise erhobenen Bedenken (vgl hierzu [X.], Die Rentenversicherung 2011, [X.] ff) gegen den hier vertretenen Begriff des Produktionsbetriebs teilt der erkennende [X.] nicht.

Das Verständnis der Vorschriften der [X.]-[X.] und der [X.] erschließt sich stets zunächst und soweit als möglich unmittelbar aus sich heraus. Nur soweit aus bundesrechtlicher Sicht der objektivierte Wortlaut - nicht also die [X.]-rechtliche Bewertung -, der interne Sinnzusammenhang und der historische Kontext noch Unklarheiten lassen, kann es zur Ergänzung der so gewonnenen Erkenntnisse und von ihnen ausgehend auf den sonstigen offiziellen Sprachgebrauch der [X.] am Stichtag 30.6.1990 ankommen, soweit er einen versorgungsrechtlichen Bezug aufweist. Entwicklungen des Sprachgebrauchs sind daher nur insofern von Bedeutung, als sie sich auf Umstände beziehen, die ihrer Art nach bereits ursprünglich von den Versorgungsordnungen erfasst waren oder durch spätere Änderungen zu deren Bestandteil gemacht wurden (versorgungsrechtlicher Sprachgebrauch). Dagegen sind Entwicklungen des Sprachgebrauchs in sonstigen Bereichen, insbesondere dem Wirtschaftsrecht, ohne Bedeutung ([X.]-8570 § 1 [X.] 67). Das bundesrechtliche Verständnis von einschlägigen Begriffen des Versorgungsrechts darf daher von vornherein nicht etwa in der Weise gewonnen werden, dass zunächst kontextunabhängig und ohne Beschränkung auf den versorgungsrechtlichen Zusammenhang nach einem offiziellen Sprachgebrauch der [X.] am 30.6.1990 geforscht wird, um dann das Ergebnis dieser Bemühungen mit dem "Wortlaut" der einschlägigen versorgungsrechtlichen Regelungen gleichzusetzen und deren spezifisch versorgungsrechtlichen Anwendungsbereich hiernach zu bestimmen. Von Belang sind vielmehr allein Entwicklungen des versorgungsrechtlich relevanten Sprachgebrauchs. Einzelne Stimmen im Schrifttum basieren auf diesem methodischen Irrtum und vermögen daher auch den auf sie gestützten Revisionen nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dies gilt umso mehr, soweit dort eine Ausdehnung des [X.] befürwortet wird, die die versorgungsrechtliche Gleichstellung von wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betrieben sowie wirtschaftsleitenden Organen im Ergebnis überflüssig machen würde.

Vorliegend könnten zwar die Überschrift der [X.]-[X.] vom 17.8.1950, deren Einleitung und ihr § 1 sowie § 1 [X.] 1 [X.] darauf hindeuten, dass deren Voraussetzungen generell durch die einschlägige Beschäftigung von Ingenieuren in allen volkseigenen Betrieben erfüllt werden. Indessen kann der [X.] an diesen Stellen für den betrieblichen Anwendungsbereich einzelner Teile nichts entnommen werden. Insbesondere zeigt der Wortlaut der [X.] in § 1 [X.] 2 [X.], dass generell nur volkseigene Produktionsbetriebe erfasst sind. Die "Rechtsfolge" der ausnahmsweisen Gleichstellung der dort im Einzelnen aufgeführten wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betriebe sowie wirtschaftsleitenden Organe bestimmt logisch notwendig Inhalt und Umfang des Grundtatbestands. Versorgungsrechtlich relevant ist damit nur die Beschäftigung in einer Teilmenge der volkseigenen Betriebe.

Die positiven [X.] der Teilmenge "Produktionsbetriebe" ergeben sich mit hinreichender Bestimmtheit zunächst aus dem sachlichen Zuständigkeitsbereich des [X.], auf dessen Einvernehmen es nach § 5 der [X.]-[X.] vom 17.8.1950 für den Erlass von Durchführungsbestimmungen durch das [X.] ua ankam. Die Beteiligung gerade dieses damals für [X.] in den industriellen Fertigungsbetrieben verantwortlichen Ministeriums (so auch in der Präambel der Ersten Durchführungsbestimmung zur [X.]-[X.] vom [X.], [X.]) gibt zu erkennen, dass versorgungsrechtlich grundsätzlich nur diesem Kriterium genügende VEB erfasst sein sollten. Dies wird zudem durch die historische Situation beim Aufbau einer zentralen Planwirtschaft durch das Interesse der Machthaber, qualifizierten Kräften gerade im Bereich der Industrie einen Beschäftigungsanreiz zu bieten, bestätigt. Die herausragende Bedeutung der Industrie, die auch in der [X.] im Sinne der Herstellung von Erzeugnissen auf der Basis industrieller Massenproduktion verstanden wurde (vgl hierzu Abelshauser, [X.] Wirtschaftsgeschichte seit 1945, 2004, 370 ff), ist unabhängig davon, ob hierfür der (Wort-)Begriff "fordistisches Pro-duktionsmodell" gebraucht wird. Hiervon wird - ungeachtet ihrer ursprünglichen formellen Zuordnung zum [X.] - der Sache nach bereits ursprünglich auch die Bauindustrie erfasst. Diese wurde in der [X.] zudem in der Folgezeit durchgehend zusammen mit der Industrie den beiden führenden Produktionsbereichen zugeordnet und gemeinsam gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen abgegrenzt. Dies gilt jeweils auch und gerade noch nach dem Sprachgebrauch der am 30.6.1990 maßgeblichen Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 8.11.1979 ([X.] 355).

Soweit der Rechtsprechung der Instanzgerichte neben dem damit primär maßgeblichen Umstand, dass die industrielle Fertigung dem VEB das Gepräge gegeben haben muss, konstitutiv auf die Frage der organisatorischen Zuordnung abstellt, ist darauf hinzuweisen, dass sich dies aus der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ergibt. Bereits im Urteil vom [X.] ([X.] RA 41/01 R - [X.] 3-8570 § 1 [X.] f) hatte der 4. [X.] des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 ([X.] RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran (vgl Beschluss vom 13.2.2008 - [X.] RS 133/07 B - Juris RdNr 11).

Entsprechendes gilt, wenn ein Betrieb (auch) Montagearbeiten verrichtet hat.

Dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend wurde auch in der [X.] unter Montage der planmäßige Zusammenbau von Bauteilen zu einem Endprodukt verstanden.

Fällt sie in einem Betrieb an, der die Bauteile im Wege industrieller Massenproduktion selbst herstellt, kann auch der Zusammenbau dieser Teile zum fertigen Produkt seinerseits Teil der industriellen Produktion einschließlich des Bauwesens (vgl BSG [X.] 4-8570 § 1 [X.] RdNr 20) sein. Dies wird stets dann der Fall sein, wenn diese Produkte ihrerseits massenhaft hergestellt werden und daher ihr Zusammenbau mehr oder weniger schematisch anfällt. Unter diesen Voraussetzungen ist insbesondere auch eine größere Produktpalette oder eine Vielzahl potenziell zu verbindender Einzelteile kein Hindernis, solange das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entspricht. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut (vgl BSG vom 24.4.2008 - [X.] RS 31/07 R - Juris) oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion. In diesem Fall ist zu prüfen, ob der Betrieb in dem gleichermaßen die industrielle Massenproduktion von Einzelteilen und der individualisierte Zusammenbau von Endprodukten anfallen, sein Gepräge durch den erstgenannten Bereich erhält.

Ob der [X.] nach diesen Maßgaben sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, lässt sich den Feststellungen des [X.] nicht entnehmen.

Nach diesen ist schon unklar, welche Produktion dem VEB das Gepräge gegeben hat. Denn das [X.] wechselt bei seiner Bewertung der einzelnen Tätigkeitsbereiche die Maßstäbe, sodass deren jeweilige Bedeutung für den Betrieb nicht beurteilbar ist. Während Schaltschränke, [X.], Schaltschränke für den Waggonbau, Schaltanlagen für das [X.], Kompaktstationen und Schwerpunktlaststationen nach Stückzahlen aufgelistet werden, erfolgt eine Betrachtung der Produktion von Schaltanlagen für das [X.] unter Berücksichtigung des jährlichen Warenwerts.

Des Weiteren lässt sich nicht entscheiden, ob die Herstellung der Schaltschränke als Endprodukt individuell erfolgt ist. Der [X.] ist insoweit an die Feststellungen des [X.] nicht nach § 163 SGG gebunden. Das angefochtene Urteil gibt den Sachverhalt diesbezüglich nur undeutlich an; insbesondere wird die pauschale Aussage, die Schaltschränke seien "in hohem Maße den einzelnen Verhältnissen anzupassen" gewesen, nicht mit konkreten Tatsachenangaben untermauert, die eine Überprüfung des Ergebnisses des [X.] ermöglichen (vgl BSG [X.] [X.] zu § 163).

Das [X.] wird nunmehr zunächst die Tätigkeitsbereiche des [X.] am Stichtag festzustellen haben. Diese müssen anschließend nach jeweils einheitlichen Maßstäben bewertet und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Insofern bietet sich ein lediglich zahlenmäßiger Vergleich der angefallenen Vorgänge nicht an. Aussagekräftiger dürfte ein Vergleich der jeweiligen Anteile an Aufwand und Umsatz bzw Ertrag sein. Nach diesen Maßstäben wird das [X.] auch die Bedeutung der Montagearbeiten zu würdigen haben. Dabei wird das [X.] konkret angeben müssen, wie sich der Zusammenbau der Schaltschränke gestaltet hat, insbesondere, ob sie aus standardisierten oder individuell konzipierten Bestandteilen im oben dargelegten Sinne gefertigt worden sind.

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung durch das [X.] vorbehalten.

Meta

B 5 RS 7/10 R

19.07.2011

Bundessozialgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: RS

vorgehend SG Magdeburg, 18. Juli 2007, Az: S 2 RA 672/03, Urteil

§ 1 Abs 1 S 1 AAÜG, § 1 Abs 1 S 2 AAÜG, § 5 Abs 1 AAÜG, § 8 Abs 2 AAÜG, § 8 Abs 3 S 1 AAÜG, § 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG, Anl 1 Nr 1 AAÜG, § 1 ZAVtIV, § 1 Abs 1 ZAVtIVDBest 2, § 1 Abs 2 ZAVtIVDBest 2, Art 19 EinigVtr

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 19.07.2011, Az. B 5 RS 7/10 R (REWIS RS 2011, 4675)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4675

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 5 RS 8/11 R (Bundessozialgericht)

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - betriebliche Voraussetzung - VEB Schiffselektronik Rostock


B 5 RS 1/11 R (Bundessozialgericht)

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - fiktive Einbeziehung - betriebliche Voraussetzung - VEB …


B 5 RS 5/11 R (Bundessozialgericht)

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - fiktive Einbeziehung - betriebliche Voraussetzung - VEB …


B 5 RS 5/12 R (Bundessozialgericht)

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - fiktive Einbeziehung - betriebliche Voraussetzung - DDR-Planwirtschaft …


B 5 RS 4/10 R (Bundessozialgericht)

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - betriebliche Voraussetzung - VEB Ingenieurbüro für Melioration …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.