Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2017, Az. XII ZB 251/17

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 3368

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:251017BXIIZB251.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
[X.] 251/17

vom

25. Oktober 2017

in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 117 Abs. 1 Satz 3; ZPO § 233 D, Hb
Versäumt ein mittelloser Beteiligter die Frist zur Begründung der Beschwerde, so kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach der Entscheidung über die Verfahrenskostenhilfe nur in Betracht, wenn die Mittellosigkeit für die Fristversäumung kausal geworden ist. Ist der Beteiligte bei einer unbeschränk-ten Einlegung der Beschwerde
bereits anwaltlich vertreten und reicht sein Rechtsanwalt zur Begründung des Verfahrenskostenhilfegesuchs noch vor
Ablauf der [X.] eine vollständige, allerdings als "Ent-wurf" bezeichnete und nicht unterzeichnete Beschwerdebegründungsschrift ein, kann der mittellose Beteiligte dessen ungeachtet glaubhaft machen, dass der Anwalt nicht bereit war, die Beschwerde ohne Bewilligung von [X.] ordnungsgemäß und insbesondere fristgerecht zu begründen (im [X.] an [X.] Beschluss vom 29. März 2012

IV ZB 16/11

NJW 2012, 2041 und in Abgrenzung zu [X.] Beschluss vom 6. Mai 2008

[X.] 16/07

FamRZ 2008, 1520).
[X.], Beschluss vom 25. Oktober 2017 -
[X.] 251/17 -
OLG [X.] in [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 25. Oktober 2017
durch
den Vorsitzenden Richter Dose, [X.] [X.],
[X.] und [X.] und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Be-schluss des
5. Zivilsenats

[X.] für Familiensachen

des Ober-landesgerichts [X.]
vom 11. Januar 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Ober-landesgericht
zurückverwiesen.
[X.]: 30.754

Gründe:
I.
Das Familiengericht hat die Antragsgegnerin zur Zahlung eines Zuge-r-pflichtet. Gegen den ihr am 30. September 2016 zugestellten Beschluss hat sie
am 28. Oktober 2016
beim Ausgangsgericht fristgerecht Beschwerde eingelegt verbunden mit dem Antrag, die [X.] um einen Monat zu verlängern. Am 4. November 2016 hat sie

ebenfalls beim Ausgangs-
gericht

unter Beifügung des nicht unterschriebenen Entwurfs einer (an das [X.] adressierten) Beschwerdebegründung
Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens beantragt. Diese Schriftsätze 1
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sind mitsamt den Gerichtsakten am 10. November 2016 beim [X.] eingegangen.
Der [X.]svorsitzende am
[X.]
hat die [X.]sfrist nicht verlängert, sondern durch Verfügung vom 14. November 2016 mit [X.] vom 15. November 2016 folgenden Hinweis erteilt: "Die [X.] hat beantragt, die Frist zur Begründung der [X.] eingelegten Beschwerde um einen Monat zu verlängern. Der Entwurf [X.] liegt jedoch bereits vor. Die Begründungsfrist kann also [X.] gewahrt werden."
Dabei ist der letzte Satz aufgrund eines Schreibverse-hens der [X.] wie folgt an die Antragsgegnerin übermittelt
worden: "Die Begründungsfrist kann als rechtzeitig gewahrt werden."
Am 1. Dezember 2016 ist die auf den 30. November 2016 datierte, mit dem vorherigen Entwurf im Wesentlichen übereinstimmende
Beschwerdebegründung per Telefax beim [X.] eingegangen.
Am 2. Dezember 2016 hat die Antragsgegnerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.] [X.], mit der sie geltend macht, aus Sicht ihrer Verfahrensbevollmächtigten ha-be der mit dem [X.] eingereichte Entwurf
der [X.] noch überarbeitet werden müssen. Den Hinweis des [X.]s-vorsitzenden habe sie so verstanden, dass die Begründungsfrist als
gewahrt betrachtet werde. Sie habe darauf vertraut, dass andernfalls dem [X.] entsprochen worden wäre.
Das [X.] hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewie-sen und die Beschwerde verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbe-schwerde der Antragsgegnerin.

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II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. §
238 Abs. 2 Satz 1
ZPO
sowie
§ 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m.
§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die Si-cherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des [X.]. Das Beschwerdegericht hat durch seine Entschei-dung das Verfahrensgrundrecht der Antragstellerin auf Gewährung wirkungsvol-len Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet, den Beteiligten
den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren ([X.]sbeschlüsse vom 23.
März 2011

[X.]/11

FamRZ 2011, 881 Rn. 7 und vom 2. April 2008

[X.] 189/07

FamRZ 2008, 1338 Rn. 8 [X.]).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache
an das [X.].
a) Zutreffend ist das [X.] allerdings davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin die Frist zur Begründung der Beschwerde versäumt hat. Diese betrug zwei Monate, beginnend mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses (§ 117 Abs. 1 Satz 3
FamFG), und lief am 30. November 2016 ab. Sie
ist durch die erst am 1. Dezember 2016 eingegangene [X.] nicht gewahrt.
b)
Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht der Antragsgegnerin jedoch Wiedereinsetzung
in die versäumte Frist (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. §
233 Satz 1 ZPO) versagt
ohne zu prüfen, ob die Antragsgegnerin durch [X.] an der Einhaltung der Frist gehindert war.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist ein Rechtsmittelführer, der vor Ablauf der Rechtsmittelfrist die Bewilligung von [X.] beantragt hat, so lange als ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Vornahme einer Frist wahrenden Handlung

wie hier der [X.]

verhindert anzusehen, als er nach den gegebenen Um-ständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags rechnen musste, weil er sich für bedürftig im Sinne der §§ 114 ff. ZPO halten durfte und aus seiner Sicht alles Erforderliche getan hatte, damit aufgrund der von ihm eingereichten Unterlagen ohne Verzögerung über sein Verfahrenskostenhilfe-gesuch entschieden werden konnte. Deshalb kann ein unbemittelter Beteiligter, für den
ein Anwalt zwar formularmäßig Beschwerde eingelegt hat, ohne sie zu begründen, der
aber keinen Verfahrensbevollmächtigten hat, der gewillt ist, für ihn
weiter tätig zu werden, selbst am letzten Tag der Rechtsmittelbegründungs-frist noch ein Verfahrenskostenhilfegesuch einreichen. Die Beschwerde darf dann nicht mit dem Argument verworfen
werden, dass innerhalb der Begrün-dungsfrist noch keine Beschwerdebegründung eingereicht worden sei, sondern es ist grundsätzlich zunächst über das Verfahrenskostenhilfegesuch zu [X.] (vgl. [X.]sbeschluss vom 23. März 2011

[X.]/11

FamRZ 2011, 881 Rn. 9 f. [X.]).
bb) Die Mittellosigkeit eines
Beteiligten stellt allerdings nur dann einen [X.] im Sinne
von § 233 ZPO dar, wenn sie die Ursache für die Fristversäumung ist. Das ist dann der Fall, wenn sich der Beteiligte
infolge der Mittellosigkeit außerstande sieht, einen Rechtsanwalt mit der Einlegung und Begründung seines
Rechtsmittels zu beauftragen.
Ist

wie hier

der
bedürftige Beteiligte bereits anwaltlich vertreten und legt sein
Rechtsanwalt uneinge-schränkt Beschwerde
ein, muss er
glaubhaft machen, dass der Anwalt nicht bereit war, die wirksam eingelegte Beschwerde
im Weiteren ohne Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ordnungsgemäß und insbesondere fristgerecht zu 9
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begründen.
Das ist keine Rechts-, sondern eine Sachverhaltsfrage, die das [X.] im Wiedereinsetzungsverfahren aufgrund der für die Wahrscheinlichkeits-feststellung im Sinne
von § 236 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO gebotenen Prüfung der Fallumstände beantworten muss. Dabei wird im Regelfall vermutet, ein
Beteiligter sei bis zur Entscheidung über sein Verfah-renskostenhilfegesuch so lange als schuldlos an der Fristwahrung gehindert anzusehen, wie er
nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit einer die Verfahrenskostenhilfe ablehnenden Entscheidung rechnen muss.
[X.] besondere Fallumstände diese Vermutung, ist die vorgenannte [X.] damit noch nicht unwiderleglich beantwortet, sondern muss das [X.] prüfen, ob eine Kausalität der Mittellosigkeit für das Fristversäumnis an-derweitig glaubhaft gemacht ist. Selbst wenn dies misslingt, ist dem
Beteiligten
unter Umständen noch Gelegenheit zum Beweisantritt zu geben
(vgl. [X.] Be-schluss vom 29. März 2012

IV ZB 16/11

NJW
2012, 2041 Rn. 15 ff. [X.]).
cc) Eine Prüfung dieser Voraussetzungen hat das [X.] zu Unrecht unterlassen. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass das [X.] die [X.] berücksichtigt hat, dass ein Beteiligter bis zur Entschei-dung über sein Verfahrenskostenhilfegesuch so lange als schuldlos an der Fristwahrung gehindert anzusehen ist, wie er
nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit einer die Verfahrenskostenhilfe ablehnenden Ent-scheidung rechnen muss, weil er aus seiner Sicht alles Erforderliche getan hat, damit aufgrund der von ihm eingereichten Unterlagen ohne Verzögerung über sein Verfahrenskostenhilfegesuch entschieden werden kann.
c) Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der [X.] kann, auch über das Wiedereinsetzungsgesuch, nicht abschließend [X.], da über die Ursachen der Fristversäumung noch Feststellungen zu treffen sind.
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d) Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin:
Nach § 114
Abs. 1 FamFG benötigen die Ehegatten
in den dort genann-ten Verfahren vor den
Familiengerichten und den [X.]en einen Rechtsanwalt, um ihre ordnungsgemäße Vertretung zu gewährleisten. Zu sei-nen Aufgaben zählt nicht allein die Anfertigung von Schriftsätzen, er muss auch die Verantwortung für deren Inhalt durch seine Unterschrift übernehmen und die so dokumentierten Erklärungen dem Gericht gegenüber wirksam abgeben. Im Übrigen hat er daneben die gesamte Verfahrensführung für den Beteiligten
zu übernehmen.
Von einer Wahrnehmung all dieser Aufgaben kann keine Rede sein, wenn
der Rechtsanwalt sich mit Blick auf das Verfahrenskostenhilfege-such ausdrücklich darauf beschränkt, dem Gericht einen nicht unterzeichneten Schriftsatzentwurf zur Erläuterung des allein ordnungsgemäß gestellten Antra-ges auf Verfahrenskostenhilfe zur Verfügung zu stellen. Damit zeigt der Rechtsanwalt, dass er bis zur Entscheidung über das Verfahrenskostenhilfege-such nicht mehr bereit ist, anderweitige Verfahrenshandlungen zur Förderung des Beschwerdeverfahrens vorzunehmen.
Es besteht Einigkeit, dass in solchen Fällen eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung nicht vorliegt. Deshalb ist der Umstand, dass die Verfahrensbevollmächtige
der Antragsgegnerin
eine Beschwerdebegründung entworfen hat, nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit des-sen
zu erschüttern, sie sei ohne Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht bereit gewesen, die Antragsgegnerin in der Beschwerdeinstanz weitergehend zu vertreten. Das Verhalten der
Rechtsanwältin
belegt vielmehr objektiv, dass sie ihre
Tätigkeit im [X.] allein auf die
Einlegung des Rechtsmittels und die Stellung des Verfahrenskostenhilfegesuchs beschränken wollte (vgl. [X.] Beschluss vom 29. März 2012

IV ZB 16/11

NJW 2012, 2041 Rn. 20 ff. [X.],
in Abgrenzung zu [X.] Beschluss vom 6. Mai 2008

[X.] 16/07

FamRZ 2008, 1520).
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Auch die Erklärung der Verfahrensbevollmächtigten, der Entwurf der [X.] habe vor der Reinschrift noch überarbeitet oder mit der Beteiligten abgestimmt werden müssen, kann nicht als bedeutungslos angese-hen
werden. Sie
ist vielmehr im Zusammenhang damit zu würdigen, ob die feh-lende anwaltliche Bereitschaft, auch diese Tätigkeiten noch zu erledigen, um die Beschwerde
ohne Vorschusszahlung zu begründen, glaubhaft gemacht ist.
Dose
[X.]
Nedden-Boeger

[X.]
Krüger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.09.2016 -
3 [X.]/16 -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 11.01.2017 -
5 UF 216/16 -

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Meta

XII ZB 251/17

25.10.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2017, Az. XII ZB 251/17 (REWIS RS 2017, 3368)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3368

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 251/17

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