Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.10.2016, Az. B 2 U 45/16 B

2. Senat | REWIS RS 2016, 3215

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Kostenentscheidung - Voraussetzungen einer Kostenprivilegierung als Sonderrechtsnachfolger


Leitsatz

Eine Kostenprivilegierung im Sozialgerichtsprozess als Sonderrechtsnachfolger setzt voraus, dass fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen Streitgegenstand sind.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 9. Dezember 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer Lungenkrebserkrankung ihres verstorbenen Ehemannes (im Folgenden: Versicherter) als [X.]erufskrankheit ([X.]) [X.] (Erkrankungen durch [X.]alogenkohlenwasserstoffe) sowie der [X.] Nr 1310 (Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide) der Anlage 1 der [X.]erufskrankheitenverordnung.

2

Der Versicherte zeigte 2001 seine Lungenkrebserkrankung bei der [X.] an und führte diese auf seine [X.]eschäftigung bei der Firma [X.] in [X.] zurück. Die [X.]eklagte lehnte die Anerkennung der [X.]en 1302 und 1310 sowie der [X.] 4104 ab ([X.]escheide vom 7.8.2003 und [X.]; Widerspruchsbescheid vom 25.2.2004). Der Versicherte hat hiergegen Klage zum [X.] erhoben. Nach dem Tod des Versicherten am 29.11.2004 hat das [X.] das Verfahren ausgesetzt. Die Witwe des Versicherten (Klägerin) hat das Verfahren am 29.7.2008 aufgenommen. Die Klage blieb vor dem [X.] und L[X.] erfolglos (Urteil des [X.] vom 27.4.2010 und des L[X.] vom 14.5.2014). Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat das [X.][X.] das Urteil des L[X.] aufgehoben und die Sache gemäß § 160a Abs 5 [X.]G wegen [X.] an das L[X.] zurückverwiesen ([X.]eschluss vom 4.11.2014 - [X.] 2 U 144/14 [X.]).

3

Das L[X.] hat nunmehr durch Urteil vom 9.12.2015 die [X.]erufung zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde. Sie macht geltend, das Urteil des L[X.] beruhe auf [X.] iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G, insbesondere sei das L[X.] den zahlreichen in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen [X.]eweisanträgen ohne hinreichende [X.]egründung nicht nachgekommen.

4

II. Die [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des Schleswig-[X.]olsteinischen L[X.] ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 [X.]albs 2 iVm § 169 [X.]G). Die Klägerin hat den geltend gemachten Zulassungsgrund des [X.], auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), nicht in hinreichender Weise bezeichnet (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G). Die [X.]eschwerde ist daher ohne [X.]inzuziehung [X.] durch [X.]eschluss zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 [X.]G). Von einer weiteren [X.]egründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 [X.]albs 2 [X.]G; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Verfahrensweise vgl [X.]VerfG vom 8.12.2010 - 1 [X.]vR 1382/10 - NJW 2011, 1497).

5

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der [X.]eklagte zu den in § 183 [X.]G genannten Personen, werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Dies ist hier der Fall. Die Klägerin (und auch die [X.]eklagte) ist nicht gemäß § 183 [X.]G privilegiert. Nach § 183 Satz 1 [X.]G ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich [X.]interbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten [X.]uchs Sozialgesetzbuch ([X.][X.] I) kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder [X.]eklagte beteiligt sind. Die Klägerin ist nicht in ihrer Eigenschaft als Leistungsempfängerin am Rechtsstreit beteiligt. Die Klägerin macht in dem Rechtsstreit nämlich keinen Anspruch als Leistungsempfängerin oder [X.]interbliebenenleistungsempfängerin, sondern als Rechtsnachfolgerin des potentiellen Leistungsempfängers (des Versicherten) geltend, ohne dass ein Fall der Sonderrechtsnachfolge (§ 56 [X.][X.] I) vorliegt.

6

Eine Kostenprivilegierung als Sonderrechtsnachfolger gemäß § 183 Satz 1 [X.]G setzt nach dem Wortlaut des ausdrücklich in [X.]ezug genommenen § 56 Abs 1 Satz 1 [X.][X.] I voraus, dass Streitgegenstand fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen sind. Dem genügt das zuletzt von der Klägerin geltend gemachte [X.]egehren auf "Verpflichtung zur Anerkennung einer Lungenkrebserkrankung als gesundheitliche Folge einer [X.]erufskrankheit" ohne weitergehende Verpflichtungs- oder Leistungsklage selbst dann nicht, wenn damit die eigenen Ansprüche als [X.]interbliebene vorbereitet würden. Denn die Vorbereitung möglicher Ansprüche durch mögliche Sonderrechtsnachfolger kann nicht der tatsächlichen Leistung auf der Grundlage eines fälligen Anspruchs gleichgesetzt werden. Die Sonderrechtsnachfolge beschränkt sich auf die Rechtsnachfolge in spezielle Einzelansprüche (vgl [X.], [X.] wegen in den §§ 56 ff Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil, 1987, [X.]). Das [X.] soll im Sinne einer Gewährleistung der mittelbaren unterhaltsrechtlichen Funktion des Sozialleistungsanspruchs die Lebensverhältnisse sicherstellen, die bestanden hätten, wenn die entsprechende Leistung rechtzeitig erbracht worden wäre. Mithin fehlt es an einer Rechtfertigung für eine kostenrechtliche Privilegierung, wenn - wie hier - lediglich die Feststellung eines Versicherungsfalls begehrt wird ([X.]erchtold/[X.], [X.] 2014, 241, 244). Auch die Entstehungsgeschichte des § 183 Satz 1 [X.]G zeigt, dass der vollständige Verweis auf § 56 [X.][X.] I, der in jener Norm zitiert wird, dem Willen des Gesetzgebers entsprach ([X.]erchtold/[X.], [X.] 2014, 241, 243 f; vgl [X.]T-Drucks 14/5943 [X.]; siehe auch bereits [X.][X.] vom 17.11.2015 - [X.] 2 U 119/15 [X.]). Soweit aus dem Ergebnis der Entscheidung des Senats vom [X.] ([X.] 2 U 21/08 R - [X.] 4-2700 § 63 [X.]) andere Schlüsse gezogen werden könnten (vgl auch L[X.] Niedersachsen-[X.]remen vom 25.8.2011 - L 14 U 199/08), wird hieran ausdrücklich nicht mehr festgehalten.

7

Schließlich liegt auch kein Fall des § 183 Satz 2 [X.]G vor. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger, wie hier die Klägerin, das Verfahren auf, bleibt das Verfahren (nur) in dem Rechtszug kostenfrei. Der Versicherte verstarb bereits 2004 während des erstinstanzlichen Verfahrens, sodass eine Privilegierung der Klägerin für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde auch insofern ausscheidet.

8

Die Festsetzung des Streitwerts auf 5000 Euro beruht auf § 197a Abs 1 [X.]G iVm § 47 Abs 1 Satz 1, Abs 3, § 52 Abs 1 und 2 iVm § 63 Abs 2 Satz 1 GKG. Nach § 52 Abs 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden [X.]edeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Streitgegenstand ist die Anerkennung einer Lungenkrebserkrankung des verstorbenen Ehemanns der Klägerin als [X.]. [X.]ei Anerkennung sind verschiedene Leistungen an die Klägerin denkbar, deren [X.]öhe derzeit nicht bezifferbar ist. [X.]ietet der Sach- und Streitstand für die [X.]estimmung des Streitwerts - wie hier - keine genügenden Anhaltspunkte, ist daher der [X.] i[X.]v 5000 Euro gemäß § 52 Abs 2 GKG maßgebend ([X.][X.] vom 8.9.2009 - [X.] 2 U 113/09 [X.] - Juris Rd[X.]; vgl bereits [X.][X.] vom 23.7.2015 - [X.] 2 U 78/15 [X.] - [X.] 4-1920 § 52 [X.] RdNr 13 mwN).

Meta

B 2 U 45/16 B

27.10.2016

Bundessozialgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: U

vorgehend SG Lübeck, 27. April 2010, Az: S 20 U 120/08, Urteil

§ 183 S 1 SGG, § 183 S 2 SGG, § 197a Abs 1 S 1 SGG, § 154 Abs 2 VwGO, § 56 Abs 1 S 1 SGB 1

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.10.2016, Az. B 2 U 45/16 B (REWIS RS 2016, 3215)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 3215

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1 BvR 1382/10

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