Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.10.2011, Az. VI ZR 46/10

6. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2536

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Gegenstand

Gewerblicher Kfz-Mietvertrag: Wirksamkeit eines in den Allgemeinen Vermietungsbedingungen vorgesehenen undifferenzierten Haftungsvorbehalts für den Fall grober Fahrlässigkeit


Leitsatz

1. Ist in einem gewerblichen KFZ-Mietvertrag eine Haftungsbefreiung oder eine Haftungsreduzierung nach Art der Vollkaskoversicherung vereinbart, ist ein in den Allgemeinen Vermietungsbedingungen vorgesehener undifferenzierter Haftungsvorbehalt für den Fall grober Fahrlässigkeit nach § 307 BGB unwirksam .

2. An die Stelle der unwirksamen Klausel über den Haftungsvorbehalt tritt der Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des § 81 Abs. 2 VVG .

3. Dies gilt hinsichtlich der Haftung des grob fahrlässig handelnden berechtigten Fahrers, der nicht Mieter ist, gleichermaßen jedenfalls dann, wenn dessen Haftungsfreistellung in den Allgemeinen Vermietungsbedingungen ausdrücklich vorgesehen ist .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] vom 13. Januar 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine gewerbliche Kraftfahrzeugvermieterin, nimmt den Beklagten auf Ersatz des Schadens in Anspruch, den er als Fahrer eines von seiner Arbeitgeberin angemieteten Kraftfahrzeugs verursacht hat.

2

Am 2. Juni 2008 vermietete die Klägerin einen Pkw an die Arbeitgeberin des Beklagten. Sie vereinbarten eine Haftungsfreistellung für selbstverschuldete Unfälle mit einer Selbstbeteiligung von 770 € pro Schadensfall. Dem Vertrag lagen die [X.] der Klägerin zugrunde, die unter anderem folgende Regelung enthielten:

"2. Dem Mieter steht es frei, die Haftung aus Unfällen für Schäden der Vermieterin durch Zahlung eines besonderen Entgelts auszuschließen = vertragliche Haftungsfreistellung. In diesem Fall haftet er für Schäden, abgesehen von der vereinbarten Selbstbeteiligung nur dann, wenn

- …

- er oder seine Erfüllungsgehilfen den Schaden durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt haben.

7. Diese Regelungen gelten neben dem Mieter auch für den berechtigten Fahrer, wobei die vertragliche Haftungsfreistellung nicht zugunsten unberechtigter Nutzer der Mietwagen gilt."

3

Am 4. Juni 2008 fuhr der Beklagte um 0.59 Uhr nach einem Streit mit seiner Ehefrau und einem Kneipenbesuch mit dem angemieteten Pkw mit überhöhter Geschwindigkeit, kam von der Fahrbahn ab und kollidierte mit einem Baum. Der Beklagte war erheblich alkoholisiert, eine bei ihm um 2.54 Uhr entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 2,96 Promille auf. Der Beklagte wurde rechtskräftig wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Geldstrafe verurteilt. Am Fahrzeug der Klägerin entstand infolge des Unfalls ein wirtschaftlicher Totalschaden in Höhe von 16.386,55 €.

4

Mit ihrer Klage hat die Klägerin den Fahrzeugschaden, Ersatz von Sachverständigenkosten, Wiederbeschaffungskosten und eine Kostenpauschale sowie Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten geltend gemacht. Das [X.] hat den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 16.533,45 € zuzüglich Zinsen und zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 807,80 € verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das [X.] der Klage lediglich in Höhe der vereinbarten Selbstbeteiligung von 770 € zuzüglich anteiliger vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

I.

5

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in [X.], 1193 veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Der [X.] hafte zwar dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 [X.]. Die Voraussetzungen für die Unzurechnungsfähigkeit des [X.]n gemäß § 827 Satz 1 [X.] könnten nicht festgestellt werden. Die Blutalkoholkonzentration von über 3 Promille reiche hierfür allein nicht aus. Weitere Indizien könnten nicht festgestellt werden. Die Haftung des [X.]n sei jedoch zu seinen Gunsten als berechtigtem Fahrer auf die vereinbarte Selbstbeteiligung von 770 € beschränkt. Die Vertragsbestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, die einen pauschalen und generellen [X.] für den Fall der groben Fahrlässigkeit vorsieht, verstoße gegen § 307 [X.] und sei deshalb unwirksam. Weil die Parteien des Mietvertrags eine Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art der Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung vereinbart hätten, dürfe der Mieter darauf vertrauen, dass die Reichweite des mietvertraglich vereinbarten Schutzes im Wesentlichen dem Schutz entspreche, den er als Eigentümer des Kraftfahrzeugs und als Versicherungsnehmer in der [X.] genießen würde. Dort wäre der pauschale [X.] für grobe Fahrlässigkeit nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] unwirksam, weil er mit wesentlichen Grundgedanken des seit 1. Januar 2008 geltenden § 81 Abs. 2 [X.] nicht zu vereinbaren sei. Um eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion zu vermeiden, müsse der Vorbehalt der Haftung für grobe Fahrlässigkeit insgesamt entfallen.

II.

6

Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

7

1. Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht angenommen, dass der [X.] dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 [X.] zum Schadensersatz verpflichtet ist und die Voraussetzungen für die Unzurechnungsfähigkeit gemäß § 827 Satz 1 [X.], die zur Beweislast des Schädigers stehen (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - [X.], [X.], 103, 108; vom 1. Juli 1986 - [X.], [X.], 135, 136 ff.), nicht vorliegen.

8

2. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts scheitert die Haftung des [X.]n aber nicht ohne weiteres an der zwischen der Klägerin und der Arbeitgeberin des [X.]n vereinbarten vertraglichen Haftungsfreistellung.

9

a) Mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass bei einem gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrag mit Haftungsfreistellung nach Art der [X.] die Vertragsbestimmung, die die volle Haftung des Mieters oder seines berechtigten Fahrers bei grober Fahrlässigkeit vorsieht, gemäß § 307 [X.] unwirksam ist. Denn eine solche Klausel weicht von wesentlichen Grundgedanken der hier maßgeblichen gesetzlichen Regelung über die [X.] ab und ist mit dieser nicht zu vereinbaren.

aa) Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist der Vertragspartner im Zweifel nach § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.] unangemessen benachteiligt, wenn eine Vertragsbestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Von maßgeblicher Bedeutung ist insoweit, ob die dispositive gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern eine Ausprägung des [X.] darstellt. Dabei brauchen Grundgedanken eines Rechtsbereichs nicht in [X.] formuliert zu sein. Es reicht aus, dass sie in allgemeinen, am Gerechtigkeitsgedanken ausgerichteten und auf das betreffende Rechtsgebiet anwendbaren Grundsätzen ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. [X.], Urteile vom 9. Oktober 1985 - [X.], [X.]Z 96, 103, 109; vom 25. Juni 1991 - [X.], [X.]Z 115, 38, 42; vom 30. Mai 2001 - [X.], NJW 2001, 3480, 3482).

Dementsprechend wird, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgeht, der Umfang einer entgeltlichen Haftungsfreistellung in einem gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrag am Leitbild der Kraftfahrzeugvollversicherung beurteilt. Vereinbaren die Parteien eines Kraftfahrzeugmietvertrags eine entgeltliche Haftungsreduzierung für den Mieter nach Art einer Vollkaskoversicherung, so darf dieser - wie der Versicherungsnehmer - darauf vertrauen, dass die Reichweite des mietvertraglich vereinbarten Schutzes im Wesentlichen dem Schutz entspricht, den er als Eigentümer des Kraftfahrzeugs und als Versicherungsnehmer in der [X.] genießen würde. Nur bei Einräumung dieses Schutzes genügt der gewerbliche Vermieter von Kraftfahrzeugen seiner aus dem Grundsatz von Treu und Glauben erwachsenen Verpflichtung, schon bei der Festlegung seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Interessen künftiger Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen (vgl. [X.], Urteile vom 29. Oktober 1959 - [X.], [X.]Z 22, 109, 113 ff.; vom 20. Mai 2009 - [X.], [X.]Z 181, 179 Rn. 13; vom 17. Dezember 1980 - [X.], [X.], 349, 350; vom 16. Dezember 1981 - [X.], [X.], 359, 360; vom 19. Juni 1985 - [X.], [X.], 1066, 1067; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], AGB-Recht, 11. Aufl., [X.]. Vertragstypen, (22) Mietverträge Rn. 51; [X.], [X.], 1, 4).

bb) In der [X.] ist - wie auch sonst im Versicherungsvertragsrecht - eine Vertragsbestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach der Versicherungsnehmer voll haftet, wenn er den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt, regelmäßig gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] unwirksam (vgl. [X.] in [X.], [X.], 9. Aufl. § 81 Rn. 189, 191; Burmann/[X.]/Stahl, Versicherungsrecht im Straßenverkehr, 2. Aufl., Rn. 602; [X.] in [X.]/[X.], Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., § 81 [X.] Rn. 26; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 81 Rn. 114; MünchKomm[X.]/[X.], § 81 Rn. 140; [X.] in Festschrift [X.], 2009, S. 355, 366 f.; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 28. Aufl., § 81 Rn. 38; Rixecker, [X.], 15, 16; [X.] in [X.]/Pohlmann, [X.], 2010, § 81 Rn. 74; [X.] in [X.]/[X.], Das neue [X.], 4. Aufl., Rn. 561).

Eine Mindermeinung hält einen solchen Leistungsausschluss zwar für zulässig ([X.], r+s 2008, 133, 143). Dieser Ansicht ist aber nicht zu folgen. Die Abschaffung des [X.] durch § 81 Abs. 2 [X.] in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung war ein "zentraler Punkt" der Gesetzesreform (vgl. BT-Drucks. 16/3945, [X.]). Die formularmäßige Rückkehr zu § 61 [X.] a.F. wird daher in der Regel als unzulässig, weil einem wesentlichen Grundgedanken (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) des Versicherungsvertragsrechts widersprechend, beurteilt (vgl. [X.], Urteil vom 18. November 2009 - 5 [X.], [X.], 1490, 1491; [X.], Urteil vom 26. November 2009 - 3 [X.], [X.], 214, 215 mit insoweit zustimmender [X.]erkung Rixecker; [X.], Urteil vom 27. Januar 2010 - 8 O 10700/08, [X.], 145, 148; [X.], Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, juris Rn. 29 ff.; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2009, § 81 Rn. 114; [X.], [X.], 1, 5).

cc) Nach Ziff. 7 der [X.] wird dem berechtigten Fahrer der gleiche Umfang der Haftungsfreistellung gewährt wie dem Mieter, weshalb für die Beurteilung der Wirksamkeit der Klausel hier auch das Verhältnis des Vermieters zum Mieter maßgeblich ist. Die Erwartung einer der [X.] entsprechenden Vertragsgestaltung besteht bei [X.] mit entgeltlicher Haftungsreduzierung auch hinsichtlich des Verhaltens eines Fahrers, dem der Mieter berechtigterweise das Mietfahrzeug überlässt, so dass entgegenstehende Geschäftsbedingungen gemäß § 307 [X.] unwirksam sind (vgl. [X.], Urteile vom 16. Dezember 1981 - [X.], [X.], 359, 360; vom 20. Mai 2009 - [X.], [X.]Z 181, 179 Rn. 16, 21 ff.). Das gilt auch für nach dem 1. Januar 2008 geschlossene Kraftfahrzeugmietverträge, bei denen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen abweichend von § 81 Abs. 2 [X.] die volle Haftung des Mieters für vom berechtigten Fahrer grob fahrlässig herbeigeführte Schäden vorsehen (vgl. [X.]/Paffenholz, [X.], 290, 293).

b) Mit Erfolg rügt die Revision aber die Auffassung des Berufungsgerichts, der Vorbehalt der Haftung für grobe Fahrlässigkeit entfalle insgesamt, so dass der [X.] im Fall grober Fahrlässigkeit nicht einmal anteilig hafte.

Welche Rechtsfolgen die Unwirksamkeit der Klausel, die in einem gewerblichen Kraftfahrzeugmietvertrag mit entgeltlicher Haftungsreduzierung die volle Haftung für grob fahrlässig herbeigeführte Schäden vorsieht, nach sich zieht, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Teilweise wird, was das Berufungsgericht annimmt, ein ersatzloses Entfallen des [X.] für grobe Fahrlässigkeit befürwortet mit der Folge, dass der Vermieter bei grob fahrlässiger Schadensverursachung keinen Schadensersatz verlangen kann ([X.], Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, [X.], 264, 265; vgl. [X.], [X.], 1, 4 f. hinsichtlich eines Rückgriffs auf § 28 [X.] für unwirksame Klauseln über Obliegenheitsverletzungen). Eine andere Auffassung will im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung - ggf. unter Inkaufnahme einer geltungserhaltenden Reduktion - § 81 Abs. 2 [X.] entsprechend anwenden ([X.], Urteil vom 18. November 2009 - 5 [X.], [X.], 1490, 1491; so wohl auch [X.], Urteil vom 26. November 2009 - 3 [X.], juris Rn. 44). Nach zutreffender Ansicht tritt an die Stelle der unwirksamen Klausel über den [X.] bei grober Fahrlässigkeit gemäß § 306 Abs. 2 [X.] der Grundgedanke der gesetzlichen Regelung des § 81 Abs. 2 [X.] (vgl. [X.], [X.] 3/2010 [X.]. 2; vgl. ferner Nugel, [X.] 15/2010 [X.]. 4).

aa) Ist eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, sind vorrangig die gesetzlichen Vorschriften als eine konkrete Ersatzregelung in Betracht zu ziehen (vgl. § 306 Abs. 2 [X.]). Nur wenn solche nicht zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage, ob ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel eine sachgerechte Lösung darstellt. [X.] beide Möglichkeiten aus, ist zu prüfen, ob durch eine ergänzende Vertragsauslegung eine interessengerechte Lösung gefunden werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 12. Oktober 2005 - [X.], [X.], 1565 Rn. 37).

Ist eine Allgemeine Versicherungsbedingung nicht Vertragsbestandteil geworden, so treten an ihre Stelle die Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes ([X.]/[X.], 5. Aufl., § 306 Rn. 21; vgl. [X.], Urteil vom 21. Dezember 1981 - [X.], NJW 1982, 824, 825). Das gilt entsprechend für die Haftungsfreistellung bei der gewerblichen Kraftfahrzeugvermietung, die sich am Leitbild der Fahrzeugversicherung zu orientieren hat (vgl. [X.], Urteile vom 10. Juni 2009 - [X.], [X.], 260 Rn. 18 f.; vom 2. Dezember 2009 - [X.], NJW-RR 2010, 480 Rn. 14).

bb) Weil sich der Umfang der vertraglichen Haftungsfreistellung am Leitbild der Kaskoversicherung orientiert, steht mit § 81 [X.] für die Frage des Maßes der Haftung eine Vorschrift des dispositiven Rechts zur Verfügung, die geeignet ist, die infolge der Unwirksamkeit der Klausel entstehende Lücke zu schließen. Im Fall einer ungültigen Allgemeinen Versicherungsbedingung über die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls käme nach § 306 Abs. 2 [X.] die Regelung des § 81 Abs. 2 [X.] zur Anwendung (vgl. [X.], [X.] 3/2010 [X.]. 2; a.A. [X.], Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, [X.], 264, 265). Da der Umfang der mietvertraglichen Haftungsfreistellung am Leitbild der Kaskoversicherung auszurichten ist, findet auch die Regelung des § 81 Abs. 2 [X.] entsprechende Anwendung. Im Fall einer mietvertraglichen Haftungsfreistellung ist der Vermieter, der eine unwirksame Klausel verwendet, dem Versicherer gleichzustellen. Die Regelung des § 81 Abs. 2 [X.] stellt auch für die mietvertragliche Haftungsfreistellung den vom Gesetzgeber bezweckten angemessenen Interessenausgleich zwischen den Parteien her.

cc) Die entsprechende Anwendung von § 81 Abs. 2 [X.] läuft entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts und anderer Instanzgerichte ([X.], Urteil vom 26. Januar 2011 - 4 O 184/10, [X.], 264, 265 f.; vgl. [X.], [X.], 1, 4 f. hinsichtlich eines Rückgriffs auf § 28 [X.] für unwirksame Klauseln über Obliegenheitsverletzungen) nicht auf eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion hinaus. Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion verlangt, dass eine gegen §§ 307 ff. [X.] verstoßende Vertragsbestimmung nicht durch andere im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelte Regelungen ersetzt wird, sondern insgesamt entfällt. Eine ergänzende Vertragsauslegung, die eine unwirksame Vertragsbestimmung auf den gerade noch zulässigen Inhalt reduziert, liefe dem Zweck der Regelungen über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zuwider. Sie würde es dem Verwender ermöglichen, risikolos die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einseitig in seinem Interesse auszugestalten. Der Zweck des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, den Vertragspartner des Verwenders vor ungültigen Klauseln zu schützen, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen freizuhalten und auf einen den Interessen beider Seiten gerecht werdenden Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen hinzuwirken, würde unterlaufen (Senatsurteil vom 24. September 1985 - [X.], [X.]Z 96, 18, 25 f.; [X.], Urteil vom 17. Mai 1982 - [X.], [X.]Z 84, 109, 114 ff.). Die Geltung des - hier entsprechend anzuwendenden - dispositiven Gesetzesrechts anstelle einer unwirksamen Klausel verstößt nicht gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, sondern entspricht vielmehr seiner Intention (vgl. Senatsurteil vom 24. September 1985 - [X.], [X.]Z 96, 18, 26).

III.

Der Senat kann nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die Entscheidung über den Umfang der [X.] entsprechend § 81 Abs. 2 [X.] bedarf einer umfassenden Abwägung der Umstände des Einzelfalls (vgl. [X.], Urteil vom 22. Juni 2011 - [X.], [X.], 1037, Rn. 33). Da das [X.] die streitgegenständliche Klausel als wirksam angesehen und das Berufungsgericht den Standpunkt vertreten hat, die streitgegenständliche Klausel sei unwirksam und werde nicht durch eine entsprechende Anwendung des § 81 Abs. 2 [X.] ersetzt, bestand für die Parteien bislang kein Anlass, zu den für die Abwägung relevanten Umständen näher vorzutragen.

[X.]                                         Zoll                                       [X.]

                     Pauge                                    von [X.]

Meta

VI ZR 46/10

11.10.2011

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 13. Januar 2010, Az: 11 U 159/09, Urteil

§ 307 BGB, § 81 Abs 2 VVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.10.2011, Az. VI ZR 46/10 (REWIS RS 2011, 2536)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2536

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