Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.02.2017, Az. V ZR 204/16

5. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 15489

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Gegenstand

Beschlussanfechtungsklage: Auslegung der Anfechtung der „Beschlüsse der Eigentümerversammlung“ als Vorratsanfechtung


Tenor

Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss der 55. Zivilkammer des [X.] vom 8. Juli 2016 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 176.861,41 €.

Gründe

I.

1

Der Kläger hat beim Amtsgericht eine Klage erhoben, die sich „gegen Beschlüsse der Eigentümerversammlung“ der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 25. November 2014 richtet. Zugleich kündigte er an, er werde mit der Klagebegründung mitteilen, „auf welche Beschlüsse sich die Klage beschränkt“. In der nach Ablauf der Anfechtungsfrist eingereichten Klagebegründung erklärte er, dass die Beschlüsse zu [X.] 1 bis 4 Gegenstand der Anfechtungsklage sein sollen.

2

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde will er die Zulassung der Revision erreichen.

II.

3

Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat der Kläger die Anfechtungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 [X.] wegen fehlender Bestimmtheit des Klageantrags versäumt. Die Formulierung in der Klageschrift sei dahingehend zu verstehen, dass er den [X.] in der Klage noch nicht konkret festgelegt habe, sondern sein Begehren erst später habe konkretisieren wollen.

III.

4

1. Die nach § 522 Abs. 3, § 544 Abs. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 544 Abs. 2 ZPO) Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache wirft keine entscheidungserheblichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entscheidung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO). Insbesondere verletzt die Auslegung des Klageantrags durch die Vorinstanzen nicht das Gebot effektiven Rechtsschutzes.

5

a) Allerdings darf auch bei einer Beschlussanfechtungsklage die Auslegung nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der [X.] zu erforschen; dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. Senat, Urteil vom 12. Dezember 2014 - [X.], NJW-RR 2015, 583 Rn. 9). Dies steht in aller Regel einer Auslegung des Klageantrags entgegen, die zu einer Unwirksamkeit der Prozesshandlung (hier: wegen Unbestimmtheit des Klageantrags) und in der Folge zu der Versäumung einer Ausschlussfrist führt (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - [X.] 132/13, juris Rn. 3; für Rechtsgeschäfte auch Senat, Urteil vom 6. November 2015 - [X.], [X.], 349 Rn. 18).

6

b) Bei einer Klage nach § 46 [X.], die - wie hier - nur als sog. Vorratsanfechtung (vgl. dazu [X.] in Bärmann, [X.], 13. Aufl., § 46 Rn. 9) zulässig wäre, kann jedoch ausnahmsweise auch eine solche Auslegung der wohlverstandenen Interessenlage der [X.] entsprechen. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass eine Vorratsanfechtung, also eine Anfechtung aller in der Wohnungseigentümerversammlung gefassten Beschlüsse, deutlich mehr Kosten verursacht als die Anfechtung nur einzelner Beschlüsse. Diese zusätzlichen Kosten können, auch wenn die Klage später auf einzelne Beschlüsse beschränkt und im Übrigen zurückgenommen wird, erheblich sein. Gibt ein Wohnungseigentümer in einer Beschlussanfechtungsklage - wie hier - zu erkennen, dass er die Klage auf einen (noch unbestimmten) Teil der in einer Wohnungseigentümerversammlung gefassten Beschlüsse beschränken will, versteht es sich daher nicht von selbst, dass nur eine Auslegung der Klage als Vorratsanfechtung in Betracht kommt. Denkbar ist auch, dass dies wegen der damit verbundenen Kosten nicht dem Willen des [X.] entspricht, er vielmehr - vor die Wahl gestellt - die Versäumung der Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 [X.] (als Folge der unklaren Fassung seiner Klage) als das geringere Übel ansehen würde, zumal es ihm dann immer noch möglich ist, die Nichtigkeit der ihm missfallenden Beschlüsse geltend zu machen (vgl. Senat, Urteil vom 2. Oktober 2009 - [X.], [X.], 307 Rn. 19).

7

c) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist im konkreten Fall nicht deshalb eine andere Beurteilung geboten, weil der Kläger die Anfechtung später auf die Beschlüsse beschränkt hat, die zu einem hohen Streitwert (über 175.000 €) der Anfechtungsklage führen, während die Teilrücknahme kostenmäßig kaum ins Gewicht gefallen sein soll. Auf das spätere Verhalten des [X.] kann es nicht ankommen; welche Beschlüsse angefochten werden, muss vielmehr bei Ablauf der Anfechtungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 [X.] erkennbar sein. Zu diesem Zeitpunkt war aber nicht zweifelsfrei, ob eine Auslegung der Klageschrift, die zu einer hohen Kostenschuld geführt hätte, dem Willen des [X.] entsprach.

8

2. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

9

Der Gegenstandswert ist nach den Grundsätzen festgesetzt worden, die der Senat in seinem Beschluss vom 9. Februar 2017 - [X.] (zur [X.] bestimmt) aufgestellt hat.

Stresemann     

       

Brückner     

       

Weinland

       

Kazele     

       

Hamdorf     

       

Meta

V ZR 204/16

16.02.2017

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Berlin, 8. Juli 2016, Az: 55 S 188/15 WEG

§ 46 Abs 1 S 2 Halbs 1 WoEigG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.02.2017, Az. V ZR 204/16 (REWIS RS 2017, 15489)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 2918 REWIS RS 2017, 15489

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Referenzen
Wird zitiert von

V ZR 204/16

Zitiert

V ZR 78/14

V ZR 53/14

V ZR 188/16

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