Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.09.2012, Az. 10 AZR 416/11

10. Senat | REWIS RS 2012, 2860

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Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. März 2011 - 17 [X.] 1026/10 - aufgehoben.

2. Die [X.]che wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und einer hilfsweise ausgesprochenen Änderungskündigung.

2

Der 1964 geborene, ledige und in [X.] wohnende Kläger ist seit 1. November 1997 bei der [X.] zunächst als Flugbegleiter und danach als Purser mit einer zuletzt erzielten durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung von ca. 4.618,35 Euro beschäftigt.

3

Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 19. September 1997 lautet auszugsweise:

        

„1.     

Beginn, Art und Ort der Beschäftigung

                 

Der Mitarbeiter wird ab 01.11.1997 als Flugbegleiter/in in [X.]annover beschäftigt.

                 

[X.] kann den Mitarbeiter vorübergehend oder auf Dauer auf einem anderen Flugzeugmuster, einem anderen Ort sowie befristet auch bei einem anderen Unternehmen des [X.] einsetzen.

                          
        

2.    

Rechte und Pflichten

                 

Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Gesetz, den Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen der [X.] in ihrer jeweils geltenden Fassung sowie aus den Dienstvorschriften der [X.] und den Bestimmungen dieses Vertrages.“

4

Aus organisatorischen Gründen beginnt und endet der Einsatz der [X.]rews bei der [X.] nicht durchweg an ihrem [X.]. In den Fällen, in denen der Einsatz von anderen Flughäfen aus erfolgt und auch dort endet, hat die Beklagte nach den anwendbaren tarifvertraglichen Regelungen die erforderlichen Transporte zu gewährleisten und die Transportzeiten als Arbeitszeit zu bezahlen (Dead-[X.]ead-Kosten).

5

Für eine Geschäftsführersitzung der [X.] vom 26. September 2008 existiert eine Vorlage „Schließung Station [X.]AJ“, wonach die Geschäftsführung gebeten wird, einer dauerhaften Stationsschließung [X.]AJ für B753/763-[X.]rews aufgrund nicht vorhandenen Flugprogramms zuzustimmen. Nach dem Protokoll dieser Sitzung vom 26. September 2008 gehört diese Vorlage zu den Vorlagen und Informationen, die „von der [X.] freigegeben/zur Kenntnis genommen“ wurden.

6

Am 13. März 2009 schloss die Beklagte mit der nach § 117 Abs. 2 BetrVG eingerichteten Personalvertretung zunächst einen „[X.] über die Beendigung der Stationierung von [X.]ockpit- und Kabinenpersonal am Flughafen [X.]annover“, der den Einsatz von Kabinenmitarbeitern der [X.] bei der [X.] B ([X.]iB) unter Beibehaltung des [X.]s [X.]annover im Wege der Arbeitnehmerüberlassung beinhaltete. Dieser war verbunden mit verschlechterten tariflichen Bedingungen.

7

Am 7. Juli 2009 erfolgte eine „Vereinbarung über die Beendigung der Stationierung von [X.]ockpit - Kabinenpersonal in [X.]annover“. Die Präambel lautet:

        

„[X.] beabsichtigt, am Ende des Kalenderjahres 2009 den [X.] [X.]annover für das fliegende Personal aufzugeben. [X.]ierdurch fallen an diesem [X.] insgesamt 43 Arbeitsplätze für das fliegende Personal (5 Flugkapitäne, 1 [X.]opilot, 10 Purser, 27 Flugbegleiter) mit einem Vollzeitäquivalent von 33,9 Stellen weg. Dies ist im [X.]inblick auf die dauerhafte Streichung von regelmäßigen An- und Abflügen ex [X.]annover unumgänglich.“

8

Des Weiteren ist im Abschnitt II folgende Regelung enthalten:

        

„§ 6   

Erneute Stationierung [X.]AJ/Neubewerbung

        

Soweit [X.] eine erneute Stationierung für die Flugzeugmuster [X.]/B767 in [X.]annover schafft und hierzu neue Bordarbeitsplätze zu besetzen sind, werden interne Bewerbungen der von dieser Schließung unmittelbar betroffenen Mitarbeiter vorrangig berücksichtigt. Bei Mitarbeitern, die im Zusammenhang mit der Schließung ausgeschieden sind, gilt bei Neubewerbungen die übliche Altersgrenze für Neueinstellungen nicht.“

9

24 in [X.]annover stationierte Mitarbeiter/innen bewarben sich auf Aufforderung der [X.] erfolgreich auf freie Arbeitsplätze in [X.] und [X.]amburg.

Nach Beteiligung der Personalvertretung, die sich nicht äußerte, versetzte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 17. September 2009 mit Wirkung zum 1. Januar 2010 unter Beibehaltung seiner bisherigen Funktion als Purser von [X.]annover nach [X.]. [X.]ilfsweise kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum nächstmöglichen Termin unter gleichzeitigem Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 1. April 2010 mit der Maßgabe, dass [X.] nunmehr [X.] sein solle. Dieses Angebot nahm der Kläger unter Vorbehalt an.

Der Kläger hat die Versetzung für unwirksam gehalten. Als Arbeitsort sei vertraglich [X.]annover vereinbart. Das Weisungsrecht der [X.] umfasse nicht die Befugnis, den Arbeitsort einseitig zu ändern; jedenfalls habe sich der Arbeitsort auf [X.]annover konkretisiert. Die Vertragsklausel, auf die sich die Beklagte stütze, verstoße gegen § 307 BGB und sei unwirksam. Die Änderungskündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte habe schon ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen nicht hinreichend dargelegt; ihre gesamte Darstellung der Kosten sei fehlerhaft. Die Beklagte führe weiter An- und Abflüge in [X.]annover mit in [X.]annover stationiertem Personal durch. Eine nachhaltige, dauerhafte Umsetzung ihrer behaupteten Entscheidung habe sie nicht dargelegt. Insbesondere habe die Beklagte nicht vorgetragen, dass sich der behauptete Einbruch in der Nachfrage nicht mehr erhole und sich an der Anzahl der Flüge von und nach [X.]annover in absehbarer Zeit nichts ändern werde. Auch sei nicht erkennbar, dass durch die Umstationierung Flugstunden eingespart würden oder der Einsatz der Mitarbeiter effektiver geplant werden könne. [X.] habe es vorher und nachher in gleicher [X.]öhe gegeben.

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 1. Januar 2010 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Purser mit [X.] [X.]annover zu beschäftigen,

        

2.    

festzustellen, dass die mit Schreiben vom 17. September 2009 ausgesprochene Versetzung unwirksam ist,

        

3.    

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 17. September 2009, dem Kläger am 22. September 2009 zugegangen, sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Als „Arbeitsort“ sei für den Kläger vertraglich nicht [X.]annover festgelegt. Die Beklagte hat behauptet, sie habe die Flüge von und nach [X.]annover seit Mitte 2008 aufgrund erheblicher Buchungsrückgänge nahezu vollständig gestrichen. Ab Mai 2008 habe es durchschnittlich nur noch zwei Legs (Flüge) von bzw. nach [X.]annover gegeben. Während die in [X.]annover stationierten Mitarbeiter bis Anfang 2008 weit überwiegend auch von [X.]annover aus eingesetzt worden seien, seien im Jahr 2009 90 % der Einsätze nach vorheriger Dead-[X.]ead-Anreise erfolgt. [X.]ierdurch seien monatliche Mehrkosten in [X.]öhe von [X.] Euro wegen zusätzlicher Dead-[X.]ead-Transporte, Übernachtungskosten und Bezahlung zusätzlicher Einsatztage entstanden. Die Ende des Jahres 2008 getroffene unternehmerische Entscheidung, die Station [X.]annover zu schließen, werde seit Januar 2010 auch umgesetzt. Flugzeuge seien dort nicht mehr stationiert und es begännen dort keine Flüge mehr mit einer von [X.]annover aus eingesetzten [X.]rew.

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen zu 2. und 3. stattgegeben und die Klage hinsichtlich des Antrags zu 1. abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Mit der vom [X.] gegebenen Begründung kann die Klage keinen Erfolg haben. Ob die von der [X.] ausgesprochene Versetzung wirksam ist, steht noch nicht fest. Das vertragliche Weisungsrecht der [X.] umfasst die Befugnis, dem Kläger einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen. Ob die [X.] von ihrem Weisungsrecht einen dem Gesetz entsprechenden, billiges Ermessen wahrenden Gebrauch gemacht hat, konnte der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht entscheiden. Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

A. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das [X.] nicht die Unwirksamkeit der von der [X.] ausgesprochenen Versetzung annehmen. Ob die Versetzung von [X.] nach [X.] wirksam ist, steht noch nicht fest.

I. Das vertragliche Weisungsrecht der [X.] umfasst - wovon das [X.] zu Recht ausgeht - die Befugnis, dem Kläger nach Maßgabe des § 106 [X.] einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen (vgl. [X.] 13. Juni 2012 - 10 [X.] -).

1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305 ff. [X.] beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen: [X.] 25. August 2010 - 10 [X.]/09 - Rn. 17 ff., [X.]E 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein gegebenenfalls vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat ([X.] 19. Januar 2011 - 10 [X.] - Rn. 12, AP [X.] § 307 Nr. 50 = EzA [X.] § 106 Nr. 7).

a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die [X.] des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der [X.]. Ist der Wortlaut eines Formularvertrags nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der [X.] verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss ([X.] [X.] 10. Dezember 2008 - 10 [X.] - Rn. 14, AP [X.] § 307 Nr. 40 = EzA [X.] 2002 § 307 Nr. 40). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten ([X.] 9. Juni 2010 - 5 [X.] - Rn. 36, AP [X.] § 611 Abhängigkeit Nr. 121 = EzA [X.] 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 18).

b) Bei der Auslegung der vertraglichen Bestimmungen ist zu beachten, dass die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindert ([X.] 19. Januar 2011 - 10 [X.] - Rn. 15, AP [X.] § 307 Nr. 50 = EzA [X.] § 106 Nr. 7; 13. April 2010 - 9 [X.] - Rn. 27, AP [X.] § 307 Nr. 45 = EzA [X.] 2002 § 307 Nr. 47; Preis/Genenger [X.], 969, 970). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 [X.] vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 [X.] gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.

c) Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 [X.]. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der [X.] gemäß § 106 Satz 1 [X.], § 315 Abs. 3 [X.].

2. Die Auslegung des Arbeitsvertrags des [X.] ergibt, dass sein Einsatzort nicht vertraglich festgelegt ist.

a) Nach den Feststellungen des [X.]s haben die Parteien einen Formularvertrag geschlossen, auf den die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 305 ff. [X.] zur Anwendung kommen. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung ([X.] 24. Oktober 2007 - 10 [X.] - Rn. 15, [X.]E 124, 259).

b) Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 19. September 1997 enthält keine Festlegung des [X.]. Es heißt dort, der Kläger werde „als Flugbegleiter/in in [X.] beschäftigt“, der Arbeitgeber könne den Kläger „auch vorübergehend oder auf Dauer … [an] einem anderen Ort … einsetzen“. Damit ist hinreichend klargestellt, dass die Bestimmung des Einsatzorts im Vertrag lediglich die damalige Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort darstellt. Daran konnte für die Beteiligten kein Zweifel bestehen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den im Bereich der Luftfahrt geltenden Regelungen über Flug-, Dienst- und Ruhezeiten. Nach § 20 [X.] iVm. § 5 Abs. 1 der [X.] zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (2. DV [X.]) bzw. nach Art. 1 iVm. Ziff. 3.1 des [X.]. [X.] 1.1090 der Verordnung ([X.]) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 ([X.]. [X.] L 254 vom 20. September 2008 S. 1, 223) ist die [X.] verpflichtet, für jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis anzugeben. Aus diesen Vorschriften ergibt sich aber nicht die Verpflichtung, die Heimatbasis arbeitsvertraglich so festzuschreiben, dass eine Änderung nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen könnte. Vielmehr schließen auch diese Vorschriften nicht aus, dass der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Regelungen im Wege des Direktionsrechts diese Heimatbasis verändert und gegenüber dem Besatzungsmitglied neu benennt. Eine solche Neubenennung ist durch die Versetzung vom 17. September 2009 erfolgt.

c) Der Arbeitsvertrag hat sich im Hinblick auf den Arbeitsort nicht dadurch auf [X.] konkretisiert, dass der Kläger seit November 1997 dort tätig gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht - insbesondere auch nicht stillschweigend - getroffen.

aa) Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass [X.] sich, ohne dass darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer [X.] auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren (vgl. [X.] 17. August 2011 - 10 [X.] - Rn. 19 mwN, EzA [X.] § 106 Nr. 9). Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren [X.]raum schafft aber regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahin gehend, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (vgl. [X.] 17. August 2011 - 10 [X.] - aaO).

bb) Derartige besondere Umstände hat der Kläger nicht vorgetragen. Die bloße Nichtausübung des Direktionsrechts seit dem Jahr 1997 konnte für sich genommen keinen Vertrauenstatbestand begründen und keine Konkretisierung der Arbeitspflicht auf den Stationierungsort [X.] bewirken. Der Arbeitsvertrag galt weiter unverändert.

II. Mit der vom [X.] gegebenen Begründung durfte es nicht davon ausgehen, dass die [X.] bei Ausübung ihres Weisungsrechts die Grenzen billigen Ermessens (§ 106 [X.], § 315 [X.]) überschritten hat. Ob die [X.] diese Grenzen eingehalten hat, kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht entscheiden.

Dabei kann dahinstehen, ob die Kontrolle der Ausübung des billigen Ermessens wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (vgl. dazu [X.] 14. Juli 2010 - 10 [X.] - Rn. 92 mwN, [X.]E 135, 128). Die landesarbeitsgerichtliche Entscheidung hält auch einer solchen eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht nicht stand.

1. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 [X.] verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem [X.] mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 [X.] die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat (vgl. [X.] 13. Juni 2012 - 10 [X.] - Rn. 28; [X.] 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, [X.]Z 174, 48).

2. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 [X.], § 315 [X.]) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit.

a) In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie [X.] Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen ([X.] 13. April 2010 - 9 [X.] - Rn. 40, AP [X.] § 307 Nr. 45 = EzA [X.] 2002 § 307 Nr. 47; 21. Juli 2009 - 9 [X.]/08 - Rn. 22, [X.] § 4 Luftfahrt Nr. 18; bereits auch: 28. November 1989 - 3 [X.] - zu II 1 a der Gründe, [X.]E 63, 267). Eine [X.] Auswahl wie im Falle des § 1 Abs. 3 [X.] findet nicht statt. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen [X.] ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 [X.], § 315 [X.] bei einer Versetzung abgeleitet werden (vgl. [X.] 17. August 2011 - 10 [X.] - Rn. 22, 25, EzA [X.] § 106 Nr. 9).

Die Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit der getroffenen Ermessensausübung liegt beim Arbeitgeber ([X.] 14. Juli 2010 - 10 [X.] - Rn. 90, [X.]E 135, 128).

b) Das [X.] hat in Anlehnung an die Rechtsprechung des [X.] zu betriebsbedingten Kündigungen in den Fällen, in denen die unternehmerische Entscheidung und die Kündigung praktisch deckungsgleich sind (vgl. grundlegend [X.] 17. Juni 1999 - 2 [X.] - [X.]E 92, 71), angenommen, auch bei Versetzungen müsse der Arbeitgeber zur Nachhaltigkeit der ihnen zugrunde liegenden unternehmerischen Entscheidung eingehend vortragen. Es hat weiter angenommen, die [X.] habe diese Anforderungen nicht erfüllt. Das [X.] berücksichtigt dabei aber nicht hinreichend die Unterschiede zwischen dem Ausspruch einer (Änderungs-)Kündigung einerseits und einer auf Ausübung des Direktionsrechts beruhenden Versetzung andererseits. Während der Arbeitgeber mit dem Ausspruch einer Änderungskündigung eine Vertragsänderung anstrebt und dabei eine Beendigung des Vertragsverhältnisses in Kauf nimmt, bewegt er sich bei der Ausübung des Direktionsrechts innerhalb der ihm vertraglich zustehenden Befugnisse. Die Kontrolle von Maßnahmen des Direktionsrechts bezieht sich deshalb lediglich darauf, ob der Arbeitgeber den ihm vertraglich zustehenden Spielraum nach den Grundsätzen der Billigkeit genutzt hat, nicht aber darauf, ob die vertraglichen Befugnisse zum Vorteil des Arbeitgebers gegen den Willen des Arbeitnehmers dauerhaft geändert werden dürfen. Allerdings ist eine umso sorgfältigere Abwägung zu verlangen, je einschneidender die Auswirkungen der Maßnahme für den Arbeitnehmer sind. Deshalb ist eine Versetzung, die, wie im Streitfall, für den Arbeitnehmer eine tiefgreifende Veränderung der Arbeitsumstände mit sich bringt, nur dann gerechtfertigt, wenn die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung die Versetzung auch angesichts der für den Arbeitnehmer entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt. Eine unternehmerische Entscheidung, die erkennbar nur für unerhebliche, leicht überbrückbare [X.]räume gelten soll oder deren Rücknahme erkennbar ist, kann ein Anhaltspunkt für eine willkürliche Ausübung des Direktionsrechts sein.

c) Anhaltspunkte für eine willkürliche oder missbräuchliche Ausübung des Direktionsrechts sind nach dem Vortrag der [X.] nicht ersichtlich.

Die [X.] hat vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass aufgrund einer im September 2008 getroffenen Geschäftsführungsentscheidung zum 31. Dezember 2009 die Station in [X.] geschlossen werden sollte. Unstreitig kam es in der Folgezeit zu entsprechenden Regelungen mit der Personalvertretung. Darüber hinaus hat die [X.] zur Umsetzung der Entscheidung vorgetragen. Insbesondere hat sie behauptet, dass keine Flugzeuge mehr in [X.] stationiert sein werden und keine Flüge der [X.] mit in [X.] stationierten Crews mehr stattfinden werden. Die Anzahl der im Jahr 2009 überhaupt noch ab [X.] stattfindenden Flüge hat die [X.] konkret benannt („2 Legs“) und geschildert, was dies im Einzelnen bedeutet, sodass [X.] in der Nebensaison keine Flüge mehr von [X.] stattfanden. Ebenso hat sie im Einzelnen benannt, welche wirtschaftlichen Folgen sich aus der geringen Anzahl von Flügen ab [X.] für sie ergeben haben. Auf die Auflage des [X.]s vom 6. Dezember 2010 hat die [X.] außerdem detailliert dargelegt, an welchen anderen Stationen welche Flugzeuge stationiert sind und hat die Veränderungen in der Stationierung dargestellt.

Bei diesem Sachvortrag durfte das [X.] nicht davon ausgehen, die unternehmerische Entscheidung der [X.] sei nicht auf Dauer angelegt gewesen. Vielmehr hätte es - soweit der Sachvortrag der [X.] substanziiert bestritten war - Beweis über diesen Vortrag erheben müssen.

Maßgeblicher [X.]punkt für die [X.] ist der [X.]punkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat ([X.] 14. Juli 2010 - 10 [X.] - Rn. 89 mwN, [X.]E 135, 128). Dies war hier die Entscheidung über die dem Kläger mit Schreiben vom 17. September 2009 mitgeteilte Versetzung. Es gibt nach den bisherigen Feststellungen des [X.]s und auch unter Berücksichtigung des bisherigen Sachvortrags des [X.] in den Tatsacheninstanzen für diesen [X.]punkt keinerlei Anhaltspunkte, die dafür sprachen, dass die [X.] in absehbarer [X.] oder überhaupt wieder einmal Flüge in relevantem Umfang von [X.] beginnen lassen würde. Vielmehr hatte sich die [X.] nach ihrem Vortrag zur Schließung der Station in [X.] entschlossen und hat die entsprechenden Umsetzungsmaßnahmen dargelegt. Mit der zuständigen Personalvertretung sind am 13. März 2009 ein [X.] und am 7. Juli 2009 eine „Vereinbarung über die Beendigung der Stationierung von Cockpit - Kabinenpersonal in [X.]“ geschlossen worden. Die letztgenannte Vereinbarung beinhaltet umfangreiche Regelungen über die daraus folgenden personellen Maßnahmen und über die Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen für die Beschäftigten. Sie enthält auch in § 6 eine Regelung über die bevorzugte Wiedereinstellung für den Fall einer erneuten Stationierung von Flugzeugen in [X.]; dies impliziert die vorhergehende Schließung. Auch der Kläger hat in den Tatsacheninstanzen weder greifbare Anhaltspunkte dafür benannt, dass es sich nur um eine vorübergehende Maßnahme handelte noch dafür, dass ab [X.] erneut Flüge stattfinden würden und damit die zur Begründung der Versetzung herangezogenen wirtschaftlichen Umstände nur für einen vorübergehenden [X.]raum vorliegen würden. Bei den entsprechenden Ausführungen im Schriftsatz vom 29. August 2012 handelt es sich um neuen Sachvortrag, der in der Revisionsinstanz gemäß § 559 ZPO keine Beachtung mehr finden kann. Vielmehr spricht der Vortrag der [X.], „von den 36 in [X.] stationierten Mitarbeitern haben sich 24 Mitarbeiter auf freie Plätze in [X.] und [X.] beworben“, deutlich für die Dauerhaftigkeit der Maßnahme. Dass die [X.] nach klägerischer Auffassung „überhaupt nicht ausschließen“ könne, dass von [X.] aus keine Umläufe mehr stattfinden würden, genügt ebenso wenig für die Annahme der fehlenden Dauerhaftigkeit der unternehmerischen Entscheidung, wie der Hinweis des [X.] auf die „Unwägbarkeiten“ des Flugbetriebs.

d) Das [X.] hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, die Entscheidung der [X.] nicht weitergehend auf die Einhaltung der Grenzen billigen Ermessens überprüft. Das wird es nachzuholen haben und dabei die nachfolgenden Maßgaben beachten müssen.

Zugunsten der [X.] wird die behauptete unternehmerische Entscheidung - so sie unstreitig oder nachgewiesen ist - zur Schließung des Standorts [X.] mit einem erheblichen Gewicht in die Abwägung einzubeziehen sein. Die [X.] hat hierfür wirtschaftliche Erwägungen von beträchtlicher Tragweite, so [X.] andernfalls eintretende finanzielle Mehrbelastungen in Höhe von nahezu 100.000,00 Euro monatlich geltend gemacht, die ihrer Maßnahme auch angesichts der für den Kläger damit verbundenen Nachteile ein ausreichendes Maß an Plausibilität verleihen und sie deshalb nicht als missbräuchlich oder willkürlich erscheinen lassen. Dass auch an anderen Stationen Dead-Head-Kosten entstehen, stünde einer solchen Plausibilität nur dann entgegen, wenn die getroffene unternehmerische Entscheidung keinerlei relevante finanzielle Vorteile für die [X.] hätte und deshalb als willkürlich gegenüber den Arbeitnehmern erschiene. Eine solche Annahme ist nach dem Sachvortrag der Parteien eher fernliegend.

Das [X.] wird sein Augenmerk ferner darauf richten müssen, dass die [X.] mit der Personalvertretung maßgebliche Abmilderungen der für die Arbeitnehmer entstehenden Mehraufwendungen an Freizeit und Fahrtkosten vereinbart hat. Andererseits ist festzustellen, welche konkreten Auswirkungen die Versetzung für den Kläger hat, insbesondere in welchem Umfang Fahrten nach und von [X.] anfallen. Dabei wird es zu beachten haben, dass die tariflich vorgesehene Übernahme der Dead-Head-Kosten durch die [X.] vor dem Hintergrund zu sehen ist, dass die Besatzungen im Regelfall die Arbeit am jeweils festgelegten Dienstort aufnehmen und die Bezahlung der Dead-Head-Kosten die Ausnahme bildet. Ob der [X.] eine Beschäftigung des [X.] an einem anderen, für den Kläger günstigeren Einsatzort möglich war und ob persönliche Verhältnisse auf Seiten des [X.] von Gewicht vorhanden sind, die die Entscheidung der [X.] als unbillig erscheinen lassen, ist bisher nicht ersichtlich.

B. Da noch nicht feststeht, ob die Versetzung des [X.] nach [X.] wirksam erfolgt ist, war die Entscheidung des [X.]s über die nur hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung ebenfalls aufzuheben. Auch über den Erfolg der [X.] wird das [X.] neu zu entscheiden haben (vgl. dazu [X.] 13. Juni 2012 - 10 [X.] -; 19. Juli 2012 - 2 [X.] - Rn. 20, [X.] 2012, 1038; 26. Januar 2012 - 2 [X.] - Rn. 13, EzA [X.] § 2 Nr. 84).

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    [X.]    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    R. Baschnagel    

        

    [X.]    

                 

Meta

10 AZR 416/11

26.09.2012

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Frankfurt, 25. Februar 2010, Az: 11 Ca 8696/09, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.09.2012, Az. 10 AZR 416/11 (REWIS RS 2012, 2860)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2860

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