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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Zulässigkeit einer Vorlage im völkerrechtlichen Qualifikationsverfahren (Entwicklung von Atomwaffen
L e i t s a t z
zum [X.] des [X.] vom 2. Februar 1999
- 2 [X.] -
Zur Zulssigkeit von Vorlagen nach Art. 100 Abs. 2 GG.
[X.]
- 2 [X.] -
ob - | die Politik der atomaren Abschreckung, |
- | die Entwicklung und Produktion von Kernwaffen, |
- | die Drohung mit und der Einsatz von Nuklearwaffen, |
- | die Lagerung und Stationierung von Atomwaffen auf dem Gebiet der [X.], |
- | die NATO-Strategie des nuklearen Ersteinsatzes, |
- | die Mitwirkung der Bundesregierung beim Einsatz und der Einsatzplanung von Atomwaffen |
mit den Regeln des Vlkerrechts, insbesondere
a) | dem Verbot, im [X.] unntige Leiden zuzufgen, |
b) | dem Prinzip der Verhltnismigkeit und dem Grundsatz der [X.], |
c) | dem Gebot der Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten und der notwendigen Differenzierung zwischen zivilen und militrischen Zielen, |
d) | dem Verbot des Vlkermordes und von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, |
e) | dem Verbot, der Umwelt dauernde und schwere Schden zuzufgen, |
f) | dem Gebot, die Menschenrechte zu achten, |
g) | dem Verbot des Einsatzes von Gift und giftigen Waffen, |
h) | dem Verbot, unbeteiligte und neutrale [X.] bei einem Waffeneinsatz in Mitleidenschaft zu ziehen |
zu vereinbaren sind.
- [X.] und [X.] des [X.]
vom 5. Mai 1998 ([X.] Cs 5 Js 70009/97) -
hat das [X.] - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
[X.],
Kirchhof,
Winter,
[X.],
[X.],
[X.],
[X.],
Osterloh
am 2. Februar 1999 gem 24 [X.] beschlossen:
Die Vorlage ist unzulssig.
Die Vorlage betrifft die Frage, ob und inwieweit die Entwicklung und Produktion, Lagerung und Stationierung von Atomwaffen sowie die Drohung mit ihrem Einsatz mit geltendem Vlkergewohnheitsrecht vereinbar sind.
Der Vorlage liegt ein Strafverfahren wegen Sachbeschdigung und [X.]sbruchs zugrunde. Der Angeklagte des Ausgangsverfahrens gelangte zusammen mit anderen Personen nach Durchtrennung der Umzunung auf ein Militrgelnde in [X.] und [X.] dort an die Auenfassade des [X.] die Parolen '[X.]' und 'We love your face, but not your base'. Das zustndige Gericht hat das Strafverfahren ausgesetzt und dem [X.] die aus dem Rubrum ersichtlichen vlkerrechtlichen Fragen zur Entscheidung vorgelegt.
1. Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, da die vlkerrechtliche Zulssigkeit der Stationierung und Drohung mit dem Einsatz von Nuklearwaffen [X.] das Strafverfahren gegen den Angeklagten entscheidungserheblich sei. Seien diese Waffen vlkerrechtswidrig, dann sei der politische Kampf des Angeklagten nicht nur gegen die Risiken der Nuklearwaffen und deren moralische Unvertretbarkeit gerichtet, sondern gleichzeitig gegen massive Verletzungen des Vlkerrechts durch die politisch Verantwortlichen. In diesem Falle sei die Schuld des Angeklagten "kaum geeignet", die Notwendigkeit seiner Bestrafung zu begrnden.
2. Die Beantwortung der vlkerrechtlichen Fragen msse in das Zentrum der Rechtswidrigkeitsprfung gerckt werden. Es sei "nicht ausgeschlossen", da das regelverletzende Verhalten des Angeklagten unter dem Gesichtspunkt des Notstandes, der notstandshnlichen oder notstandsgleichen Situation oder aufgrund der Art. 4, 5 und 8 GG gerechtfertigt sei.
a) Die [X.] einen rechtfertigenden Notstand nach 34 StGB vorausgesetzte Gefahrenlage beurteile sich im Falle der vlkerrechtlichen Unvertrglichkeit der Politik der atomaren Abschreckung nicht nur nach dem besonders hohen Gefhrdungspotential der Nuklearwaffen, sondern in erster Linie nach ihrer bereinstimmung mit den allgemein anerkannten Prinzipien des humanitren [X.]svlkerrechts. Die rechtliche Beurteilung der Gefahrenlage msse die vom Angeklagten behauptete [X.] und ihre Folgen [X.] das Zusammenleben der Vlker und den [X.] einbeziehen.
b) Der Angeklagte habe in einer notstandshnlichen oder notstandsgleichen Situation gehandelt. Die besondere Natur und die verheerenden Wirkungen der Nuklearwaffen auf alle Bereiche des menschlichen Lebens, der Zivilisation, der Natur und der Umwelt gebten es, eine Rechtfertigung des Angeklagten im Wege der notstandshnlichen oder notstandsgleichen Situation anzuerkennen.
c) Schlielich sei die rechtliche Qualifikation der durch die Atomwaffen begrndeten Gefahrenlage auch [X.] die Strafzumessung bedeutsam.
3. In seinem Gutachten vom 8. Juli 1996 habe der [X.] in [X.] die Zweifel an der Vlkerrechtsvertrglichkeit der Nuklearwaffen und der Strategie der atomaren Abschreckung bestrkt ([X.], [X.], [X.], [X.], 1996, 226ff.). Das Gutachten besttige die Auffassung des Angeklagten, da Entwicklung und Produktion, Einsatz und Einsatzplanung sowie Lagerung und Stationierung von Atomwaffen ebenso vlkerrechtlich unzulssig seien wie die NATO-Strategie des nuklearen Ersteinsatzes. Die hierdurch aufgeworfenen Zweifel an der Tragweite der betreffenden allgemeinen Regeln des Vlkerrechts begrndeten [X.] das entscheidende Gericht eine Pflicht zur Vorlage gem Art. 100 Abs. 2 GG an das [X.], da andernfalls das Gericht gegen den Verfassungsgrundsatz des gesetzlichen Richters [X.].
Die Vorlage ist unzulssig.
1. Nach Sinn und Zweck des in Art. 100 Abs. 2 GG geregelten Verfahrens sind Vorlagen nach dieser Vorschrift nur zulssig, wenn die Regel des Vlkerrechts und die Frage, ob sie Bestandteil des Bundesrechts ist, [X.] das Ausgangsverfahren entscheidungserheblich sind (vgl. [X.] 15, 25 <30>; 94, 315 <328>). Das [X.] dient nicht dazu, abstrakte Rechts[X.]agen zu klren oder dem vorlegenden Gericht zustzliche rechtliche Gesichtspunkte [X.] seine Entscheidung an die Hand zu geben. Es ist nur dann statthaft, wenn der bei dem vorlegenden Gericht anhngige Rechtsstreit ohne die Beantwortung der Vorlage[X.]age nicht entschieden werden kann.
2. Ebenso wie im [X.] nach Art. 100 Abs. 1 GG ist im Verfahren nach Art. 100 Abs. 2 GG [X.] die Beurteilung der [X.]keit die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts mageblich, es sei denn, da sich diese als offensichtlich unhaltbar erweist (vgl. [X.] 78, 1 <5>). Gem 84 und 80 Abs. 2 [X.] mu die Vorlagebegrndung auch im Verfahren nach Art. 100 Abs. 2 GG angeben, inwiefern von der Regel des Vlkerrechts die Entscheidung des Gerichts abhngig ist. Das vorlegende Gericht mu sich mit den in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Rechtsansichten auseinandersetzen. Der [X.] Hinweis auf einzelne Fundstellen vermag diese Auseinandersetzung nicht zu ersetzen (vgl. [X.] 65, 308 <316>).
Diesen Anforderungen gengt die Vorlage des Amtsgerichts nicht.
1. Bereits die einleitenden Stze ber eine mgliche Rechtfertigung des Verhaltens des Angeklagten machen deutlich, da sich das Gericht noch keine abschlieende Meinung zu der Frage gebildet hat, ob im Falle einer [X.] der Stationierung von Nuklearwaffen das Verhalten des Angeklagten tatschlich als gerechtfertigt angesehen werden mu. Nach dem [X.] ist eine Rechtfertigung des regelverletzenden Verhaltens des Angeklagten "nicht ausgeschlossen". Diese Formulierung lt die Mglichkeit offen, da das Gericht auch im Falle der [X.] von Nuklearwaffen zu dem Ergebnis kommt, da das regelverletzende Verhalten des Angeklagten nicht gerechtfertigt werden kann. Fr die Darlegung der [X.]keit reicht dies nicht aus. [X.] ist die Beantwortung der vlkerrechtlichen Frage nur dann, wenn das Gericht begrndet, da und warum es im Falle der [X.] eine Rechtfertigung des Angeklagten annehmen wrde, im Falle der Vlkerrechtsmigkeit hingegen nicht.
2. Die Vorlage macht auch nicht verstndlich, warum im Falle der [X.] des Atomwaffenbesitzes die Meinungs- und Versammlungs[X.]eiheit die Rechtswidrigkeit oder Schuld des Angeklagten [X.]. Das [X.] nicht nur das vom Angeklagten verfolgte Fernziel der nuklearen Abrstung, welches von vielen gesellschaftlichen Krften geteilt wird, in den Blick nehmen drfen, sondern sich auch mit der Zulssigkeit der im politischen Meinungskampf eingesetzten Mittel auseinandersetzen mssen. Der Angeklagte drang in ein [X.]emdes, um[X.]iedetes Besitztum ein und beschdigte dort durch das [X.] von Parolen die Auenfassade eines Gebudes. Angesichts dieser Tatumstnde [X.] das Amtsgericht zumindest die Rechtsprechung errtern mssen, wonach die Meinungs- und Versammlungs[X.]eiheit derartige Rechtsgutverletzungen nicht schtzt (vgl. etwa [X.], 30 <35f.>; BayObLG NJW 1995, 269 <271>). Dabei [X.] das Gericht auch ausfhren mssen, warum eine [X.] der Atomwaffen angesichts des Gebots [X.]iedlicher Auseinandersetzung im politischen Meinungskampf das Verhalten des Angeklagten rechtfertigen oder seine Schuld [X.].
Im Rahmen von 34 StGB gengt das Gericht den Begrndungsanforderungen nicht, wenn es im [X.] lediglich ausfhrt, da bei [X.] der Atomwaffen sich das Merkmal der Gefahrenlage anders beurteile als bei ihrer Vlkerrechtsgemheit. Hier fehlt es an der Prfung, ob bei [X.] der Atomwaffen die Tatbestandsmerkmale des 34 StGB erfllt [X.]n. Das Gericht [X.] dazu darlegen und begrnden mssen, da und warum durch die Stationierung und die Drohung mit dem Einsatz von Nuklearwaffen eine Gefahrenlage im Sinne dieser Vorschrift begrndet wird. Auerdem [X.] es begrnden mssen, da und warum diese Gefahrenlage nicht anders als durch die dem Angeklagten vorgeworfenen Handlungen abgewendet werden konnte.
3. Auch die Ausfhrungen des Amtsgerichts zur Strafzumessung knnen die [X.]keit der aufgeworfenen Rechts[X.]agen nicht begrnden, solange eine Auseinandersetzung mit dem Gebot der Friedlichkeit fehlt und auerdem nicht dargelegt ist, warum der stra[X.]echtliche Schutz von [X.] und Sachgtern und die daraus sich ergebenden Rechtsfolgen durch die vlkerrechtliche Qualifikation der von den Atomwaffen geschaffenen allgemeinen Gefahrenlage [X.] werden knnten.
4. Der [X.] erfllt im brigen nicht die [X.]. 80 [X.] an die Auseinandersetzung mit der Literatur und Rechtsprechung zu stellenden Anforderungen. Das vorlegende Gericht hat gerade im Bereich der Rechts[X.]agen, die [X.] die [X.]keit der Vorlage mageblich sind (Rechtfertigung und Schuld des Angeklagten), Literatur und Rechtsprechung nur in geringem Umfang herangezogen und sich mit dieser nicht inhaltlich auseinandergesetzt (vgl. den verkrzten Hinweis auf [X.], Stra[X.]echtliche Bemerkungen zum zivilen Ungehorsam, in: Festschrift [X.] [X.] zum 65. Geburtstag, [X.] 1993, 441ff.). Um den Begrndungsanforderungen zu gengen, [X.] es die bisherige Behandlung dieses Problemkreises fundiert wrdigen und darstellen mssen, inwiefern sich seine Rechtsauffassung mit den in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansichten deckt oder von ihnen abweicht. Dabei [X.] auch darzulegen gewesen, ob und welche vlker- und stra[X.]echtlichen Folgerungen, insbesondere [X.] das Verhalten von Einzelpersonen, aus dem Gutachten des [X.] zu ziehen sind.
Limbach | Kirchhof | Winter |
[X.] | [X.] | [X.] |
[X.] | Osterloh |
Meta
02.02.1999
Sachgebiet: BvM
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 02.02.1999, Az. 2 BvM 1/98 (REWIS RS 1999, 24)
Papierfundstellen: REWIS RS 1999, 24 BVerfGE 100, 209-214 REWIS RS 1999, 24
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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