Bundessozialgericht, Urteil vom 30.11.2016, Az. B 12 R 8/15 R

12. Senat | REWIS RS 2016, 1604

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Isolierte Zuordnung von Beschäftigungszeiten zur allgemeinen oder knappschaftlichen Rentenversicherung durch Bescheid


Leitsatz

Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See ist nicht berechtigt, gegenüber den Versicherten isoliert über die Zuordnung von Beschäftigungszeiten zur allgemeinen oder zur knappschaftlichen Rentenversicherung durch Verwaltungsakt zu entscheiden.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung einer Beschäftigungszeit von 2007 bis 2010 in der knappschaftlichen statt in der allgemeinen Rentenversicherung (RV).

2

Der 1966 geborene Kläger ist seit [X.] bei der Beigeladenen zu 1. (bzw deren [X.] im Folgenden einheitlich: Beigeladene zu 1.) versicherungspflichtig beschäftigt. Bei der Beigeladenen zu 1. handelt es sich nach den Feststellungen des [X.] um ein "Bergbauspezialunternehmen". Zum Arbeitsvertrag vom [X.] trafen der Kläger und die Beigeladene zu 1. am 2.11.2006 eine Zusatzvereinbarung, die [X.] die Bereitschaft des [X.] zur Überlassung an Fremdfirmen beinhaltet. Im Rahmen erlaubter Arbeitnehmerüberlassung überließ die Beigeladene zu 1. den Kläger im streitigen Zeitraum an die Beigeladene zu 2., einen knappschaftlichen Betrieb iS von § 134 Abs 1 [X.]. Grundlage für die Arbeitnehmerüberlassung war konkret ein zwischen beiden Beigeladenen bestehender Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvertrag von November 2006. Die Beigeladene zu 2. setzte den Kläger überwiegend als Fördermaschinist über Tage im Bereich der zentralen Wasserhaltung auf stillgelegten Bergwerken ein. Lediglich vom 29.1. bis 11.2.2007, 6.8. bis [X.] und 22. bis 26.10.2007 war der Kläger unter Tage tätig.

3

Die beklagte [X.] ([X.]) Knappschaft-Bahn-See führte bei der Beigeladenen zu 1. hinsichtlich des Prüfzeitraums vom [X.] bis 31.12.2009 eine Betriebsprüfung durch. Durch (bestandskräftig gewordenen) Bescheid vom 27.1.2011 stellte sie gegenüber der Beigeladenen zu 1. fest, dass [X.] der Kläger durch die Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum zu Unrecht zur knappschaftlichen RV angemeldet worden war.

4

Durch Bescheid vom 24.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.2.2012 stellte die Beklagte sodann gegenüber dem Kläger fest, dass die Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum zu Unrecht Beiträge zur knappschaftlichen RV gezahlt habe; diese Beiträge würden "beanstandet" und - als Beiträge der [X.] geltend - in Höhe des Beitragssatzes der [X.] dem zuständigen Versicherungsträger gutgeschrieben.

5

Mit seiner hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihn ab 1.1.2007 "weiterhin" in der knappschaftlichen RV zu versichern. Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 31.8.2012).

6

Im Berufungsverfahren hat der Kläger seine Klage auf die Aufhebung der angefochtenen Bescheide beschränkt. Hinsichtlich des Zeitraums von 2011 bis 2014 haben Kläger, Beklagte und Beigeladene zu 1. im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt, entsprechend der Entscheidung des [X.] zu verfahren.

7

Das [X.] hat das Urteil des [X.] geändert und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei in der streitigen [X.] rentenversichert gewesen. Dies folge unmittelbar aus § 133 [X.], § 134 Abs 1 [X.]. Auf die Frage, ob es sich bei seiner Tätigkeit um knappschaftliche Arbeiten iS von § 133 [X.], § 134 Abs 4 [X.] gehandelt habe, komme es damit nicht entscheidend an. Durch die angefochtenen Bescheide habe die Beklagte keine "Beanstandung", sondern lediglich eine Feststellung über die Versicherungspflicht in der [X.] im Rahmen von § 201 Abs 1 S 1, Abs 2 [X.] vorgenommen. § 133 [X.] [X.] sei auch auf Versicherte (direkt) anzuwenden, die als Leiharbeitnehmer in einem knappschaftlichen Betrieb nach den Vorstellungen und Zielen von Ver- und Entleiher wegen der bergmännischen Q[X.]lifikation im Entleihbetrieb faktisch wie ein dort beschäftigter Arbeitnehmer über Jahre eingesetzt würden. Nach Wortlaut ("in einem knappschaftlichen Betrieb beschäftigt", nicht: "bei einem knappschaftlichen Betrieb/Arbeitgeber"), Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck des § 133 [X.] [X.] sei auch derjenige in einem knappschaftlichen Betrieb beschäftigt, der als überlassener Arbeitnehmer im knappschaftlichen Entleihbetrieb eine "bergmännische Kerntätigkeit" verrichte, wegen seiner dort fortlaufend benötigten besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten in diesen Betrieb dauerhaft wie ein dortiger Arbeitnehmer eingegliedert sei und entsprechend allein den Weisungen des Entleihbetriebs unterliege. Der Entleiher nehme bei einer Arbeitnehmerüberlassung teilweise Arbeitgeberfunktionen wahr (Hinweis auf § 11 Abs 6 und 7 [X.], § 28e Abs 2 S 1 [X.]B IV, § 6 Abs 2 S 2 AGG, § 3 [X.]3 [X.], § 7 S 2 BetrVG). Auch aus der Rechtsprechung des [X.] könne eine partielle Arbeitgeberstellung des Entleihers abgeleitet werden. Eine solche Arbeitgeberstellung der Beigeladenen zu 2. ergebe sich vorliegend - wie näher ausgeführt wird - aus den zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen und der darauf basierenden tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit des [X.]. Sinn und Zweck der knappschaftlichen Versicherung als Berufsversicherung der Bergleute, die den schwierigen Verhältnissen und Gefahren des Bergbaus besondere Rechnung trage, könnten nur erreicht werden, wenn man entscheidend darauf abstelle, ob eine solche bergmännische Kerntätigkeit dauerhaft in einem knappschaftlichen Betrieb verrichtet werde. Schließlich sei maßgeblich auf den "Inhalt der Tätigkeit" abzustellen. Dies folge daraus, dass nach § 133 [X.], § 134 Abs 4 [X.] der knappschaftlichen Versicherung deshalb auch (knappschaftliche) Arbeiten unterfielen, die [X.] (idR als Subunternehmer aufgrund von Werkverträgen) verrichteten, ohne dass die Arbeitnehmer der Bergbauspezialgesellschaften in einem knappschaftlichen Betrieb beschäftigt seien (Urteil vom 6.5.2014).

8

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie rügt eine Verletzung von § 133 [X.] und 2 [X.] sowie § 134 Abs 1, 4 und 5 [X.]. Nach dem Wortlaut von § 133 [X.] [X.] komme es maßgebend auf den Begriff "Beschäftigung" an. Ohne Relevanz sei, dass das Gesetz von einer Beschäftigung "in" einem knappschaftlichen Betrieb und nicht "durch" einen oder "von" einem knappschaftlichen Betrieb spreche. "Beschäftigt" iS von § 7 Abs 1 [X.]B IV sei der Kläger lediglich bei der Beigeladenen zu 1. Daran ändere auch seine erlaubte Überlassung an die Beigeladene zu 2. nichts; nur bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung komme nach § 10 Abs 1 iVm § 9 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ([X.]) ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zustande. Dem stehe nicht entgegen, dass das [X.] der Beigeladenen zu 2. als Entleiherin eine "teilweise Arbeitgeberstellung" einräume. § 133 [X.] [X.] sei nicht weiter gefasst als die Vorgängervorschrift des § 1 Abs 1 [X.] Reichsknappschaftsgesetz ([X.]). Hinsichtlich der vom [X.] geschaffenen weiteren Voraussetzung der Verrichtung einer "bergmännischen Kerntätigkeit" könne nur gemutmaßt werden, welche Merkmale eine solche aufweisen müsse. Das [X.] argumentiere allein mit Sinn und Zweck der knappschaftlichen RV und trage der Gesetzessystematik nicht hinreichend Rechnung, wonach zwischen der Beschäftigung in einem knappschaftlichen Betrieb einerseits und der Verrichtung knappschaftlicher Arbeiten andererseits zu differenzieren sei.

9

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des [X.] vom 6. Mai 2014 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des [X.] vom 31. August 2012 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

        

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Beigeladenen äußern sich nicht und stellen keine Anträge.

Im Revisionsverfahren hat die Beklagte die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten des [X.], die länger als sechs Jahre zurücklagen (bis 31.12.2009), nach § 149 Abs 5 [X.] durch [X.] vom [X.] verbindlich festgestellt. Den überwiegenden Teil der streitigen Beschäftigungszeiten, nämlich den Zeitraum vom 1.1.2007 bis 31.12.2009, hat sie darin der knappschaftlichen RV zugeordnet. In dem als Anlage beigefügten Versicherungsverlauf ordnete sie auch die Beschäftigungszeit vom 1.1. bis 31.12.2010 der knappschaftlichen RV zu. Mit Bescheid vom 29.11.2016 (= Tag vor der mündlichen Verhandlung des Senats) hat die Beklagte den [X.] vom [X.] sodann wieder aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Die Revision der beklagten [X.] Knappschaft-Bahn-See ist zurückzuweisen.

Der erkennende 12. Senat des B[X.] ist für die Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit geschäftsplanmäßig zuständig (dazu 1.). Die im Revisionsverfahren ergangenen Bescheide der Beklagten vom [X.] und 29.11.2016 sind bei der Entscheidungsfindung des Senats mit zu berücksichtigen, soweit sie den Zeitraum 2007 bis 2010 betreffen (dazu 2.). Ob die Revisionsbegründung der Beklagten den Zulässigkeitsanforderungen nach § 164 Abs 2 [X.]G entspricht, kann offenbleiben (dazu 3.). Ein Träger der allgemeinen [X.] war zum Rechtsstreit nicht beizuladen (dazu 4.).

Im Ergebnis bleibt die Revision der Beklagten ohne Erfolg, weil sie (jedenfalls) unbegründet ist. Das [X.] hat - im Ergebnis - revisionsrechtlich beanstandungsfrei auf die Berufung des [X.] den Bescheid der Beklagten vom 24.3.2011 in der Gestalt des [X.] aufgehoben (dazu 5.).

1. Der erkennende 12. Senat des B[X.] ist zur Entscheidung über den Rechtsstreit berufen. Die geschäftsplanmäßige Zuständigkeit eines anderen Senats des B[X.] ist nicht gegeben.

a) Nach Rd[X.]2 [X.]) des bei Eingang der Revision der Beklagten am 24.9.2015 geltenden [X.] des [X.] in der Fassung der 2. Änderung des [X.] des [X.] (vom 21.5.2015 - im Folgenden: [X.]) entscheidet der 12. Senat über Streitigkeiten betreffend Versicherungspflicht, Versicherungsfreiheit, Versicherungsbefreiung, Versicherungsberechtigung, Beitragspflicht und Beitragsentrichtung (jeweils einschließlich der Zugehörigkeit zu einer in Gesetz oder Satzung bestimmten besonderen Versichertengruppe) in der gesetzlichen [X.], jedoch "nicht Streitigkeiten zur Nachversicherung, zur Beanstandung von Beiträgen, zur Vormerkung von Versicherungszeiten (bis Ende 1991) und von rentenrechtlichen Zeiten (ab 1992) sowie zu [X.] und nicht bei Streitigkeiten nach § 225 Abs. 2 [X.], soweit nicht die Zuständigkeit des 5. Senats gegeben ist". Nach Rd[X.] [X.] [X.] entscheidet der 5. Senat über Streitigkeiten betreffend Versicherungspflicht, Versicherungsfreiheit, Beitragspflicht und Beitragsentrichtung in der gesetzlichen [X.] der in §§ 2 bis 4 [X.] bestimmten Personenkreise. Nach Rd[X.] [X.] und Rd[X.]3 [X.] des [X.] entscheiden der 5. bzw 13. Senat über Streitigkeiten aus der [X.], soweit nicht der 12. Senat zuständig ist.

b) Eine von der Zuständigkeit des 12. Senats ausgenommene Streitigkeit zur bzw über die "Beanstandung von Beiträgen" liegt nicht vor: Zwar enthält der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24.3.2011 die Betreffzeile "Beanstandung" von Beiträgen nach § 201 Abs 2 [X.] und die Worte "Die zur knappschaftlichen Rentenversicherung gezahlten Beiträge werden daher beanstandet …". Wie das [X.] insoweit zutreffend entschieden hat, liegt jedoch keine - zur Zuständigkeit der Rentensenate des [X.] von Beiträgen im Rechtssinne vor. Das [X.] nennt die Maßnahme einer "Beanstandung" im Zusammenhang mit der irrtümlichen Zahlung von Pflichtbeiträgen (§ 26 Abs 1 [X.] IV, § 202 S 1 f [X.]), bei der Zuständigkeitsregelung im Rahmen der Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge (§ 211 S 1 [X.] [X.]: "und die Beiträge vom Träger der Rentenversicherung noch nicht beanstandet worden sind") sowie bei der Erstattung zu Unrecht gezahlter Pflichtbeiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung (§ 286f [X.]). Eine - vorliegend allein in Betracht kommende - irrtümliche Zahlung von Pflichtbeiträgen an einen Träger der [X.] ist vorliegend nicht gegeben. Vielmehr steht lediglich die Zuordnung von Beschäftigungszeiten zur allgemeinen [X.] oder zur knappschaftlichen [X.] im Raum. Hierfür enthalten allerdings § 201 Abs 2 und 3 [X.] Regelungen zur Überweisung an den richtigen Träger der [X.] und hinsichtlich des Arbeitgebers zur Nachzahlung bzw Erstattung der [X.]. Insoweit findet eine "Beanstandung" im Rechtssinne nicht statt (vgl allgemein [X.] in jurisPK-[X.], 2. Aufl 2013, § 201 Rd[X.]2; s dazu auch näher unten 5. b>).

Ausführungen der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger in [X.] der "Gemeinsamen Grundsätze für die Verrechnung und Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung aus einer Beschäftigung" vom [X.] führen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar wird in diesen Grundsätzen - unbeschadet ihres rechtlichen Charakters und ihrer Verbindlichkeit in Bezug auf Rechte Betroffener - ausgeführt, Fehlversicherungen zwischen der allgemeinen [X.] und der knappschaftlichen [X.] seien stets derart zu berichtigen, dass der nicht zuständige Versicherungsträger die zu Unrecht gezahlten Beiträge "beanstandet" und dem zuständigen Versicherungsträger den Gegenwert der Beiträge überweist; dies ändert aber nichts daran, dass eine Beanstandung im oben dargestellten Sinne im Verfahren nach § 201 Abs 2 S 1 [X.] nicht vorgesehen ist.

c) Ebenfalls hat jedenfalls bei Eingang der Revision keine - in die Zuständigkeit der Rentensenate des B[X.] fallende - Streitigkeit zur "Vormerkung von rentenrechtlichen Zeiten" vorgelegen.

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits war bei Klageerhebung allein der feststellende Verwaltungsakt der Beklagten vom 24.3.2011 in der Gestalt des [X.], der im Nachgang zu einer Betriebsprüfung erging. In diesem Verwaltungsakt stellte die Beklagte - anders als nach § 149 Abs 5 S 1 [X.] für einen [X.] vorgesehen - nicht die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten fest, sondern beschränkte sich auf die Feststellung der Zuordnung bestimmter Beschäftigungszeiten zur allgemeinen [X.]. Einen [X.] hat die Beklagte hingegen erst später im Revisionsverfahren am [X.] erlassen. Zwar wird dieser nach § 171 [X.]G Gegenstand des Revisionsverfahrens, weil er im Revisionsverfahren ergangen ist, die angefochtenen Bescheide überwiegend abändert und den Kläger überwiegend klaglos stellt (dazu sogleich unter 2. a>). An der bei Revisionseinlegung - wie unter 1. b) dargelegt - gegebenen Zuständigkeit des 12. Senats kann dieser Bescheid hingegen nichts ändern (Gedanke der perpetuatio fori <§ 17 Abs 1 S 1 [X.]>, vgl hierzu [X.] Beschluss vom 19.5.2008 - [X.]/07 - Juris Rd[X.]6; zur Geschäftsverteilung s § 21e Abs 1 [X.], Abs 4 [X.], hierzu [X.] Urteil vom 20.5.1981 - [X.] - Juris Rd[X.]2).

2. Die während des Revisionsverfahrens ergangenen Bescheide der Beklagten vom [X.] (= [X.]) und vom 29.11.2016 (= Aufhebung des [X.]) sind durch den Senat mit zu berücksichtigen, soweit sie den ursprünglichen Zeitraum 2007 bis 2010 betreffen (vgl allgemein zu § 171 Abs 2 [X.]G aF: [X.], 254 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]4).

a) Hinsichtlich des [X.] vom [X.] greift § 171 [X.]G, der für während des Revisionsverfahrens ergangene ändernde oder ersetzende Bescheide die Voraussetzungen für die Fiktion einer Anfechtung solcher Bescheide durch die Klage beim [X.] regelt, aus zwei Gründen nicht ein: Zum einen hat die Beklagte den Kläger durch den [X.] hinsichtlich des Zeitraums 2007 bis 2009 "klaglos gestellt" (§ 171 Fall 1 [X.]G). Zum anderen wird durch das nunmehr ergehende Urteil des erkennenden Senats (= im Ergebnis Bestätigung der vom [X.] vorgenommenen Aufhebung des Bescheides vom 24.3.2011 in der Gestalt des [X.]; dazu im Einzelnen unten 5. b>) "dem Klagebegehren in vollem Umfang genügt" (§ 171 Fall 2 [X.]G).

b) Aus dem letztgenannten Grund greift auch hinsichtlich des Bescheides der Beklagten vom 29.11.2016 § 171 [X.]G mit der Rechtsfolge einer Anfechtung dieses Bescheides vor dem [X.] nicht ein. Denn durch die nun ergehende Entscheidung des Senats zum ersten Verwaltungsakt - also der Bestätigung der vom [X.] vorgenommenen Aufhebung des Bescheides vom 24.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides - wird ebenfalls bereits "dem Klagebegehren in vollem Umfang genügt".

Etwas anderes gilt nicht etwa deshalb, weil der (am Tag vor der mündlichen Verhandlung des Senats) durch den Bescheid vom 29.11.2016 wieder aufgehobene [X.] vom [X.] - hinausgehend über den ursprünglich streitigen Zeitraum 2007 bis 2010 - auch die vor 2007 liegenden Zeiten verbindlich feststellt. Dieser Zeitraum ist nämlich zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Klage gewesen oder (kraft zulässiger Anfechtung) geworden. Daher haben der [X.] und der spätere Aufhebungsbescheid insoweit (also hinsichtlich des Zeitraums vor 2007) den angefochtenen Bescheid vom 24.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides weder geändert noch ersetzt.

3. Da sich die Revision im Ergebnis als erfolglos erweist und das Urteil des [X.] Bestand hat, kann offenbleiben, ob sie mangels hinreichender Revisionsbegründung unzulässig ist (vgl zu den unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Zulässigkeitsanforderungen Anfragebeschlüsse des 12. Senats an den 5. Senat des B[X.] vom 27.4.2016 - [X.] KR 16/14 R und [X.] KR 17/14 R sowie vom 29.6.2016 - [X.] KR 2/15 R; [X.] lagen dem Senat am Tag der mündlichen Verhandlung, dem 30.11.2016, noch nicht vor).

4. Ein Träger der allgemeinen [X.] war zum Rechtsstreit nicht mit Blick auf § 75 [X.]G beizuladen.

Nach § 136 S 1 f [X.] ist die beklagte [X.] Knappschaft-Bahn-See für Leistungen zuständig, wenn ein Beitrag aufgrund einer Beschäftigung zur knappschaftlichen [X.] gezahlt worden ist. In diesen Fällen führt die [X.] Knappschaft-Bahn-See auch die Versicherung durch. Wie sich aus dem im laufenden Revisionsverfahren ergangenen [X.] der Beklagten vom [X.] ergibt, verfügt der Kläger unabhängig von den vorliegenden streitigen Beschäftigungszeiten über weitere Pflichtbeitragszeiten zur knappschaftlichen [X.]. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit der Beklagten unabhängig von den im vorliegenden Revisionsverfahren zur Überprüfung gestellten Rechtsfragen.

5. Die Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg, weil sie jedenfalls unbegründet ist. Im Ergebnis zu Recht hat das [X.] auf die statthafte Anfechtungsklage des [X.] die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten erweisen sich unabhängig von der Frage ihrer formellen Rechtmäßigkeit (dazu a) als materiell rechtswidrig (dazu b).

a) Ob der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24.3.2011 in der Gestalt des [X.] im noch streitigen Umfang dem [X.] nach § 33 Abs 1 [X.] X genügt, kann offenbleiben. Hieran bestehen allerdings Zweifel, weil die Beklagte darin den für ihre Entscheidung maßgeblichen Lebenssachverhalt nur lückenhaft aufführt. Enthalten sind in dem Bescheid lediglich der Zeitraum (1.1.2007 bis 31.12.2010), die Entgeltsummen und der Arbeitgeber. Die Beklagte präzisiert darin aber insbesondere nicht, welche konkreten Tätigkeiten des [X.] in welchem Betrieb sie als nicht knappschaftliche Arbeiten iS von § 134 Abs 4 [X.] ansieht. Weiterhin fehlt jedwede Angabe dazu, wie sich die von der Beklagten vorgenommene Zuordnung der Beschäftigungszeiten zur allgemeinen [X.] konkret auswirkt, ua in welcher Höhe Beiträge nach § 201 Abs 3 [X.] an die Beigeladene zu 1. als Arbeitgeberin des [X.] zu erstatten sind.

b) Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides erweist sich als materiell rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil die Beklagte schon nicht zu seinem Erlass ermächtigt war.

aa) Wie das [X.] zu Recht entschieden hat, enthalten die genannten angefochtenen Bescheide - entgegen dem darin verwendeten Sprachgebrauch - keine Beanstandung im rechtstechnischen Sinne (also iS von § 26 Abs 1 [X.] IV, § 202 S 1 f, § 211 S 1 [X.] und § 286f [X.] - vgl dazu bereits oben 1. b>).

bb) Entgegen der Auffassung des [X.] scheidet auch § 201 [X.] als Ermächtigungsgrundlage für die getroffene Feststellung aus.

Nach § 201 Abs 1 [X.] gelten Beiträge, die an einen nicht zuständigen Träger der [X.] gezahlt worden sind, als an den zuständigen Träger der [X.] gezahlt. Eine Überweisung an den zuständigen Träger der [X.] findet nur in den Fällen des Absatzes 2 statt. Sind Beiträge an die [X.] Knappschaft-Bahn-See als Träger der knappschaftlichen [X.] als nicht zuständigen Träger der [X.] gezahlt worden, so sind sie gemäß § 201 Abs 2 S 1 [X.] dem zuständigen Träger der [X.] zu überweisen. Schließlich sind [X.] zwischen den Beiträgen zur knappschaftlichen [X.] und den Beiträgen zur allgemeinen [X.] nach § 201 Abs 3 [X.] vom Arbeitgeber nachzuzahlen oder ihm zu erstatten.

Aus dem Wortlaut von § 201 [X.] kann eine Ermächtigung der Beklagten zur Feststellung der entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen gegenüber den Versicherten nicht abgeleitet werden. Vielmehr enthält die Bestimmung für die [X.] Knappschaft-Bahn-See lediglich eine Verpflichtung zur Überweisung an den zuständigen Träger der [X.] (Abs 2 S 1) sowie gegenüber dem Arbeitgeber eine Ermächtigung zur Geltendmachung einer Nachzahlung bzw eine Verpflichtung zur Erstattung von Beiträgen (Abs 3).

Die konkrete Bewertung und Zuordnung von Beschäftigungszeiten erfolgt im Recht der gesetzlichen [X.] außerhalb von [X.] zudem grundsätzlich nach den Bestimmungen über das [X.] in § 149 [X.]. Abs 5 S 1 der Norm enthält eine ausdrückliche Ermächtigung für den kontoführenden Versicherungsträger, die im Versicherungsverlauf (Abs 3) enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid festzustellen. Der vorliegend angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24.3.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist jedoch nicht etwa als [X.] iS von § 149 Abs 5 S 1 [X.] anzusehen. Die Beklagte entschied lediglich punktuell über ein (untergeordnetes) Element, nämlich über die bloße Zuordnung von Beschäftigungszeiten von 2007 bis 2010 zur allgemeinen statt zur knappschaftlichen [X.]; anders als erforderlich stellte sie demgegenüber nicht (alle) im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten fest.

cc) Die angefochtenen Bescheide der Beklagten können auch nicht auf § 28p Abs 1 S 5 [X.] IV gestützt werden.

Danach erlassen die Träger der [X.] im Rahmen der (Betriebs-)Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Zwar ermächtigt die Norm die prüfenden [X.]-Träger auch zum Erlass von Bescheiden gegenüber den Arbeitnehmern/Versicherten (vgl B[X.] [X.]-2400 § 28p [X.] Rd[X.]0 ff). Gegenstand derartiger Bescheide müssen aber nach dem Wortlaut der Vorschrift "Versicherungspflicht und Beitragshöhe" in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung sein. Der Wortlaut ermächtigt dagegen nicht zur - vorliegend stattdessen erfolgten - bloßen Feststellung eines einzelnen, untergeordneten Elements innerhalb der bestehenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen [X.]. Diese Sichtweise korrespondiert mit § 201 Abs 2 S 1 und Abs 3 [X.], die als lex specialis zu § 201 Abs 1 [X.] anzusehen sind (vgl [X.] in jurisPK-[X.], 2. Aufl 2013, § 201 Rd[X.]3). Dabei kommt § 201 [X.] die Aufgabe zu, das Verfahren bei einer Beitragszahlung an einen unzuständigen Träger der [X.] deutlich zu vereinfachen (vgl [X.], aaO, Rd[X.]2; [X.] in [X.] Komm, Stand [X.], § 201 [X.] Rd[X.]).

dd) Die Beklagte kann sich schließlich auch nicht auf eine vorbehaltlose, allgemeine Ermächtigung zur Feststellung einzelner Elemente oder Vorfragen der Versicherungspflicht durch Verwaltungsakt stützen. Der Vorbehalt des Gesetzes (Art 20 Abs 3 GG, für den Bereich des [X.] vgl § 31 [X.] I) als verfassungsrechtliches Prinzip gerade für feststellende Verwaltungsakte, die definitionsgemäß inhaltlich deklaratorisch sind, also nur die bestehende Rechtslage verbindlich feststellen, verlangt vielmehr eine enge Anbindung an eine gesetzliche Ermächtigung (vgl B[X.] [X.]-2600 § 2 [X.] Rd[X.]9). Demzufolge hat das B[X.] im Bereich der Feststellung von Versicherungspflicht und Beitragsentrichtung wiederholt die Berechtigung von Sozialversicherungsträgern verneint, nur einzelne Elemente hiervon durch Bescheid festzustellen (grundlegend zu § 7a [X.] IV: B[X.]E 103, 17 = [X.]-2400 § 7a [X.] Rd[X.]4 ff; B[X.] Urteil vom 29.2.2012 - [X.] KR 19/09 R - Juris Rd[X.]8; zur Beitragsbemessung in der [X.]: B[X.] Urteil vom 10.5.2006 - [X.] KR 5/05 R - Juris RdNr 9). Nur als Ausnahme hiervon sieht der Senat die Beitragspflicht von Einnahmen als Element des [X.] als gesondert feststellungsfähig an (B[X.] Urteil vom 29.2.2012 - [X.] KR 19/09 R - Juris Rd[X.]8 mwN).

6. Da der angefochtene Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides mangels Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig ist, kommt es auf die Frage einer möglichen Rechtswidrigkeit wegen Verstoßes gegen § 133 [X.], 2, § 134 Abs 1, 4, 5 [X.] nicht mehr an.

7. [X.] beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 12 R 8/15 R

30.11.2016

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Gelsenkirchen, 31. August 2012, Az: S 7 KN 146/12, Urteil

§ 26 SGB 4, § 28p Abs 1 S 5 SGB 4, § 133 Nr 1 SGB 6, § 133 Nr 2 SGB 6, § 134 Abs 1 SGB 6, § 134 Abs 4 SGB 6, § 134 Abs 5 SGB 6, § 136 S 1 SGB 6, § 149 Abs 3 SGB 6, § 149 Abs 5 SGB 6, § 201 Abs 1 SGB 6, § 201 Abs 2 S 1 SGB 6, § 201 Abs 3 SGB 6

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 30.11.2016, Az. B 12 R 8/15 R (REWIS RS 2016, 1604)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1604

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