Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.07.2012, Az. II ZR 212/10

2. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4893

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Gegenstand

Rechtsstreit um die Zahlung einer "Stammkapitalerhöhung" für eine insolvente GmbH: Hinweispflicht des Berufungsgerichts auf eine vom Erstgericht abweichende Rechtsauffassung infolge zwischenzeitlicher Gesetzesänderung; Behandlung einer zweiten Zahlung des Erhöhungsbetrages nach einem ersten, fehlgeschlagenen Erfüllungsversuch


Leitsatz

1. Tritt im Laufe eines Rechtsstreits eine Gesetzesänderung in Kraft, die sofortige Wirksamkeit entfaltet, gebieten es die Grundsätze des fairen Verfahrens und die Fürsorgepflicht des Gerichts, dass es der erstinstanzlich erfolgreichen Partei rechtzeitig einen Hinweis darauf erteilt, dass es die Rechtslage anders beurteilt als das erstinstanzliche Gericht. Dies gilt auch dann, wenn der Prozessgegner der anwaltlich vertretenen Partei auf Schlüssigkeitsbedenken hingewiesen hat, für das Gericht aber offen zu Tage tritt, dass der Hinweis nicht richtig verstanden wurde.

2. Zahlt der Gesellschafter den Einlagebetrag (hier: aus einer Kapitalerhöhung) nach Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses ein zweites Mal an die Gesellschaft verbunden mit der Anweisung, die Zahlung an ihn zur Tilgung seiner Bereicherungsforderung aus einem ersten, fehlgeschlagenen Erfüllungsversuch zurück zu überweisen, liegt darin eine verdeckte Sacheinlage in Form des Hin- und Herzahlens.

Tenor

Auf die [X.] der [X.] zu 1 und 2 und des Nebenintervenienten der [X.] wird das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 13. Oktober 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 926.701,38 €

Gründe

I.

1

Die [X.] zu 1 bis 4 sind [X.]er einer [X.] bürgerlichen Rechts (im Folgenden: GbR), die ihrerseits ab August 2000 Alleingesellschafterin der Insolvenzschuldnerin, einer GmbH, war. Mit [X.]erbeschluss vom 11. Oktober 2000 wurde das Stammkapital der Insolvenzschuldnerin um 969.322,49 € erhöht und die GbR zur Übernahme des [X.] zugelassen. Die Kapitalerhöhung wurde am 6. November 2000 beim Registergericht angemeldet, die Eintragung erfolgte am 4. Dezember 2000. Am 25. und 26. September 2000 waren auf Konten der Insolvenzschuldnerin 2 Mio. DM eingegangen mit dem Vermerk „T.     Gruppe - Stammkapitalerhöhung“. Die von den [X.] beherrschte [X.] hatte der GbR insoweit ein Darlehen gewährt. Im Zeitpunkt der Fassung des [X.] waren die überwiesenen 2 Mio. DM bis auf einen Betrag von 83.359,64 DM für das operative Geschäft der Insolvenzschuldnerin verbraucht. Am 26. Oktober 2000 gewährte die [X.] ein Darlehen in Höhe von 2 Mio. DM für den Verwendungszweck „Finanzierung [X.]ereinlagen“. Am 4. November 2000 mit Wertstellung am 15. November 2000 überwies die GbR die ihr von der Bank gewährte Darlehenssumme von 2 Mio. DM an die Insolvenzschuldnerin unter Angabe des Verwendungszwecks „Stammeinlage“. Am selben Tag überwies die Insolvenzschuldnerin diesen Betrag weiter an die [X.], um deren Darlehensforderung gegen die GbR zu tilgen.

2

Mit Beschluss vom 1. Februar 2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser hat mit der Behauptung, die aus der Kapitalerhöhung geschuldete Einlage sei in Höhe von 926.701,38 € nicht erbracht worden, es liege insoweit keine schuldtilgende Voreinzahlung vor, im August 2007 Klage gegen die [X.] zu 1 bis 4 erhoben. Am 25. April 2008 fand eine mündliche Verhandlung vor dem [X.] statt. Das erstinstanzliche Teilurteil gegen die [X.] zu 1, 2 und 4 wurde nach im Mai 2009 erfolgtem Übergang ins schriftliche Verfahren am 21. Juli 2009 verkündet. Im Hinblick auf das im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens am 1. November 2008 in [X.] getretene Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) hat das [X.] die Klage mit der Begründung abgewiesen, es liege eine verdeckte Sacheinlage nach § 19 Abs. 4 GmbHG nF vor, wegen des gleichwertigen und vollständigen [X.] der [X.] aus der fehlgeschlagenen Voreinzahlung, der mit dem Anspruch der Insolvenzschuldnerin aus der Kapitalerhöhung [X.] gewesen sei, sei die Klage aus § 19 Abs. 4 GmbHG unbegründet. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des [X.] der Klage stattgegeben. Hiergegen richten sich die Nichtzulassungsbeschwerden der [X.] zu 1 und 2 und des Nebenintervenienten der [X.].

II.

3

[X.] der [X.] zu 1 und 2 (künftig: Beklagte) und des Nebenintervenienten der [X.] sind begründet und führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 544 Abs. 7 ZPO). Das Berufungsgericht hat mit seiner Entscheidung, der Vortrag der [X.] zur Werthaltigkeit der Bereicherungsforderung aus der fehlgeschlagenen Voreinzahlung sei unsubstantiiert, darüber hinaus verspätet und biete keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, den Anspruch der [X.] auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

4

1. Die nicht näher begründete Annahme des Berufungsgerichts, der Vortrag der [X.] in den Schriftsätzen vom 28. September 2010 und vom 7. Oktober 2010 zu der fehlenden insolvenzrechtlichen Überschuldung der Insolvenzschuldnerin im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung sei unsubstantiiert, verletzt die [X.] in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass Vortrag einer [X.] dann hinreichend substantiiert ist, wenn sie Tatsachen anführt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Der Pflicht zur Substantiierung ist nur dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund der Darstellung nicht beurteilen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind ([X.], [X.], 492 Rn. 16; [X.], Beschluss vom 9. Februar 2009 - [X.], [X.], 1154 Rn. 4; Beschluss vom 21. Mai 2007 - [X.], [X.], 1524 Rn. 8; Urteil vom 25. Juli 2005- II ZR 199/03, [X.], 1847, 1848 m.w.N.). Überspannt das Gericht die Anforderungen an die Substantiierung und erhebt deshalb nicht die von der [X.] angebotenen Beweise, verletzt es den Anspruch auf rechtliches Gehör ([X.], [X.], 492 Rn. 20 f.; [X.], Beschluss vom 9. Februar 2009 - [X.], [X.], 1154 Rn. 4). So liegt der Fall hier. Die [X.] haben ausführlich unter Vorlage von zahlreichen Unterlagen und unter Beweisantritt vorgetragen, dass zwar eine bilanzielle, nicht jedoch eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Insolvenzschuldnerin vorgelegen habe.

5

2. Dieser Verstoß des Berufungsgerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist entscheidungserheblich, weil auch die weitere Begründung des Berufungsgerichts, der Vortrag der [X.] sei verspätet (§ 531 Abs. 2 ZPO) und - auch - deshalb unbeachtlich, auf einem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG beruht.

6

a) Nach der Rechtsprechung des [X.] darf eine - wie hier die [X.] - in erster Instanz siegreiche [X.] darauf vertrauen, vom Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis nach § 139 ZPO zu erhalten, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will, insbesondere aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (st.Rspr., siehe nur [X.], Beschluss vom 4. Mai 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 1109 Rn. 12; Beschluss vom 15. März 2006 - [X.], NJW-RR 2006, 937 Rn. 4; Urteil vom 27. April 1994 - [X.], [X.], 1823, 1824; [X.], [X.], 2716 Rn. 10 ff.). Gerichtliche Hinweispflichten dienen der Vermeidung von Überraschungsentscheidungen und konkretisieren den Anspruch der [X.]en auf rechtliches Gehör ([X.]E 84, 188, 189 f.). Rechtliche Hinweise müssen danach den [X.]en in ihrer konkreten Situation so erteilt werden, dass es diesen auch tatsächlich möglich ist, vor einer Entscheidung zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können, sie also nicht gehindert werden, rechtzeitig ihren Sachvortrag zu ergänzen ([X.]E 84, 188, 189; 86, 133, 144).

7

Ein rechtlicher Hinweis ist zwar regelmäßig nicht geboten, wenn eine [X.] in erster Instanz obsiegt hat, die dem ihr günstigen Urteil zugrundeliegende Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts als zentraler Streitpunkt zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt wird und das Berufungsgericht sich sodann der Auffassung des [X.] anschließt. In diesem Fall muss die in erster Instanz erfolgreiche [X.] von vornherein damit rechnen, dass das Berufungsgericht anderer Auffassung ist; seine dementsprechende Entscheidung kann im Grundsatz nicht überraschend sein. Das Berufungsgericht hat regelmäßig keinen Anlass zu der Annahme, trotz der in der Berufung zentral geführten Auseinandersetzung über den Streitpunkt bestehe noch Aufklärungsbedarf und müsse der [X.] Gelegenheit zu weiterem Vortrag und Beweisantritt gegeben werden (siehe nur [X.], Urteil vom 19. August 2010 - [X.], NJW 2010, 3089 Rn. 18 m.w.N.).

8

Andererseits befreit der Umstand, dass der Prozessgegner Bedenken gegen die Schlüssigkeit des Vortrags der anderen [X.] geltend gemacht hat, das Gericht dann nicht von seiner Pflicht zu einem Hinweis, wenn es für das Gericht offenkundig ist, dass der Prozessbevollmächtigte der [X.] die Bedenken des Prozessgegners nicht zutreffend aufgenommen hat (siehe nur [X.], Urteil vom 17. Juni 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 1247, 1248; Urteil vom 7. Dezember 2000 - [X.], NJW 2001, 2548, 2549 jew. m.w.N.).

9

b) Gemessen an diesen Grundsätzen durfte das Berufungsgericht den Vortrag der [X.] in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen nicht als verspätet zurückweisen und die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht ablehnen.

Der Hinweis des Berufungsgerichts in der mündlichen Verhandlung, dass es die Frage der Vollwertigkeit der Bereicherungsforderung anders beurteile als das [X.] und dementsprechend weiteren Vortrag der [X.] und [X.] für erforderlich halte, war gemessen an § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO ohnehin recht spät; angesichts dessen hätte das Berufungsgericht, nachdem es bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage erstmalig diesen Hinweis erteilt hatte, dem Antrag der [X.] auf Gewährung einer Schriftsatzfrist stattgeben müssen (§ 139 Abs. 5 ZPO). Jedenfalls aber musste es den substantiierten, beweisbewehrten Vortrag der [X.] in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen zum Anlass nehmen, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Dadurch, dass es dies unterlassen und den Vortrag der [X.] unberücksichtigt gelassen hat, hat es gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen (siehe hierzu [X.], Beschluss vom 18. September 2006 - [X.], [X.], 2328 Rn. 4 ff.; Beschluss vom 15. Oktober 2009 - [X.], [X.], 246 Rn. 3 f. jew. m.w.N.).

Zwar trifft es zu, dass der Berufungskläger darauf hingewiesen hatte, dass das [X.] die Frage der Vollwertigkeit des [X.] nicht richtig beurteilt habe und die [X.] bislang dazu den erforderlichen Vortrag nicht gehalten hätten. Darin lag jedoch nicht "der" zentrale Streitpunkt zwischen den [X.]en. Vielmehr ging es vorrangig um die Frage, ob ein Fall des Hin- und [X.] oder ein Fall einer verdeckten Sacheinlage vorlag.

Zudem hatten die [X.]en in der ersten Instanz nur über die Frage der Zulässigkeit der Voreinzahlung auf die Kapitalerhöhung gestritten. Erst nachdem während des Verfahrens in der ersten Instanz das MoMiG in [X.] getreten war, bestand für die [X.] erstmals Anlass, sich mit der Frage der Vollwertigkeit der Bereicherungsforderung zu befassen, da die Vollwertigkeit der Verteidigung der [X.] zuvor nicht hätte zum Erfolg verhelfen können (vgl. nur [X.], Urteil vom 7. Juli 2003 - [X.], [X.]Z 155, 329, 337 ff.). Vortrag zu der neuen Rechtslage findet sich dementsprechend in der ersten Instanz nur in ganz geringem Umfang - geschweige denn sind diese Fragen in einer mündlichen Verhandlung erörtert worden -, und auch die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung bot den [X.] keinen Anlass zu der Annahme, sie müssten zur Frage der Vollwertigkeit weiteren Vortrag halten. Jedenfalls musste für das Berufungsgericht aber erkennbar sein, dass die anwaltlichen Vertreter der [X.] die Frage der Vollwertigkeit offensichtlich fehlerhaft allein auf die Zahlungsfähigkeit der [X.] bezogen und den Hinweis in der Berufungsbegründung des [X.] nicht richtig verstanden hatten. Tritt, wie hier, im Laufe des Verfahrens eine Gesetzesänderung ein und besteht auch wegen Fehlens einer (höchstrichterlichen) Rechtsprechung bei den anwaltlichen Prozessbevollmächtigten hinsichtlich der Anwendbarkeit und der Voraussetzungen der neuen Vorschriften eine verständliche Unsicherheit, erfordern es die Grundsätze eines fairen Verfahrens und die Fürsorgepflicht des Gerichts in besonderem Maße, dass das Gericht rechtzeitig Hinweise erteilt und sich nicht darauf zurückzieht, die betroffene [X.] sei schon durch Vorbringen des Gegners auf die Fragen, die nach der vom Gericht erst in der mündlichen Verhandlung dargelegten Rechtsauffassung von Bedeutung sind, hingewiesen worden.

3. Der Erfolg der Rechtsverteidigung der [X.] hängt von der Frage ab, ob bzw. in welcher Höhe die Bereicherungsforderung aus der fehlgeschlagenen Voreinzahlung gegen die Insolvenzschuldnerin im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung werthaltig war (§ 19 Abs. 4 Satz 3, Satz 5, § 56 Abs. 2 GmbHG). Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht diese Frage anders beurteilt hätte, wenn es den Vortrag der [X.] zur Kenntnis genommen hätte.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Voreinzahlung der GbR auf die Kapitalerhöhung nicht zum Erlöschen der Einlageforderung geführt hat (st.Rspr., siehe nur [X.], Urteil vom 26. Juni 2006 - [X.], [X.]Z 168, 201 ff.).

b) Im Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht - im [X.] an die wegen der aus § 19 Abs. 5 Satz 1 GmbHG folgenden Subsidiarität rechtsfehlerhaften Prüfung des Eingreifens von § 19 Abs. 5 GmbHG - weiter erkannt, dass hier ein Fall der verdeckten Sacheinlage nach § 19 Abs. 4 GmbHG in der Form des Hin- und [X.] vorliegt. Die GbR hat mit der zweiten, an sie zurückgeflossenen Einzahlung auf ihre Einlageverpflichtung aus der beschlossenen Kapitalerhöhung zu verdecken versucht, dass sie ihre Bereicherungsforderung gegen die Insolvenzschuldnerin aus der fehlgeschlagenen Voreinzahlung als Sacheinlage auf die Kapitalerhöhung eingebracht hat.

c) Hat der [X.]er auf eine geplante Kapitalerhöhung gezahlt, ist aber eine Tilgung seiner Einlageschuld dadurch nicht eingetreten, kann er seinen daraus resultierenden Bereicherungsanspruch als (offene) Sacheinlage einbringen. Geschieht das nicht, liegt eine verdeckte Sacheinlage im Sinne des § 19 Abs. 4 Satz 1 GmbHG vor. Denn bei wirtschaftlicher Betrachtung wird die Einlage nicht durch Geldleistung, sondern durch Einbringung der Bereicherungsforderung des [X.]ers erfüllt (siehe hierzu [X.], Festschrift Priester, 2007, [X.], 98). Eine entsprechende Abrede wird zwar - so auch hier - förmlich in der Regel nicht getroffen werden. Das ist aber auch nicht erforderlich, da sie bei einem - wie hier gegebenen - engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang vermutet wird (st.Rspr., siehe nur [X.], Urteil vom 22. März 2010 - [X.], [X.]Z 185, 44 Rn. 14 m.w.N. - [X.]).

Die (nochmalige) Zahlung des [X.] hat die Einlageforderung der Insolvenzschuldnerin ebenfalls nicht zum Erlöschen gebracht. Dieser Betrag ist auf Anweisung der [X.] am selben Tag an sie zurückgeflossen, um ihren Bereicherungsanspruch gegen die Insolvenzschuldnerin zu erfüllen. An der Rückzahlung an die GbR ändert der Umstand nichts, dass die [X.] den Betrag nicht unmittelbar an die GbR, sondern auf deren Anweisung an die von den [X.] beherrschte [X.] gezahlt hat, um die Darlehensverbindlichkeit der GbR gegenüber der [X.] zu erfüllen (§ 267 Abs. 1 Satz 1, § 362 Abs. 2 BGB).

Diese Art der gegenläufigen Überweisungen stellt keinen Fall des Hin- und [X.] nach § 19 Abs. 5 GmbHG, sondern eine verdeckte Sacheinlage in der Form des Hin- und [X.] nach § 19 Abs. 4 GmbHG dar (so zutreffend Priester, [X.], 454, 500). Die Bestimmung des § 19 Abs. 5 GmbHG betrifft nicht alle Fälle gegenläufiger Zahlungen, sondern nur solche, bei denen die [X.] mit der Rücküberweisung einen - dazu noch vollwertigen und liquiden - Anspruch gegen den [X.]er erwirbt (siehe hierzu [X.], Urteil vom 20. Juli 2009 - [X.], [X.]Z 182, 103 Rn. 11, 26 ff. - [X.]). Genau das war hier aber nicht der Fall: Die Insolvenzschuldnerin tilgte durch die Zahlung an die [X.] eine bereits bestehende „Altverbindlichkeit“ gegenüber der [X.] (deren Bereicherungsanspruch) und erwarb gerade keine neue Forderung gegen die [X.]erin. Die GbR wollte ihrerseits mit der (erneuten) Zahlung keine neue Verbindlichkeit gegenüber der Insolvenzschuldnerin eingehen; sie wollte vielmehr von ihrer Einlageverpflichtung frei werden.

Die Erfüllung der fortbestehenden Geldeinlagepflicht des [X.] kann bei der vorliegenden „verdeckten verdeckten Sacheinlage“ nur nach Maßgabe von § 19 Abs. 4 Satz 3, Satz 5, § 56 Abs. 2 GmbHG gelingen, d.h. wenn der Inferent nachweist, dass seine Bereicherungsforderung gegen die [X.] im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung vollwertig, nämlich durch entsprechendes Vermögen der [X.] vollständig abgedeckt war (siehe nur [X.], Urteil vom 21. Februar 1994 - [X.], [X.]Z 125, 141, 145 f. m.w.N.). Daran fehlt es, soweit eine Überschuldung der [X.] vorgelegen hat. Eine Unterbilanz schadet dagegen im Grundsatz nicht. Bei der Ermittlung des Vermögensstands dürfen stille Reserven berücksichtigt werden, denn es geht nicht um eine Ausschüttungsbegrenzung wie im Falle des § 30 GmbHG, sondern allein um eine hinreichende Vermögensdeckung. Die Erfüllung eines Anspruchs kann eine Unterbilanz oder Überschuldung weder herbeiführen noch vertiefen, weil der Verminderung der Aktivseite eine entsprechende Verringerung der Verbindlichkeiten gegenübersteht, die Erfüllung also bilanzneutral ist (siehe nur MünchKommGmbHG/Ekkenga, § 30 Rn. 227).

4. In der wiedereröffneten Berufungsverhandlung wird das Berufungsgericht dem beweisbewehrten Vortrag der [X.] zur Vollwertigkeit des [X.] im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung (siehe hierzu [X.], Urteil vom 22. März 2010 - [X.], [X.]Z 185, 44 Rn. 19 - [X.]) nachzugehen haben.

Bergmann                                                Strohn                                            Caliebe

                                [X.]

Meta

II ZR 212/10

10.07.2012

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Nürnberg, 13. Oktober 2010, Az: 12 U 1528/09

Art 103 Abs 1 GG, § 19 Abs 4 GmbHG vom 23.10.2008, § 139 ZPO, MoMiG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.07.2012, Az. II ZR 212/10 (REWIS RS 2012, 4893)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4893

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