Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.01.2016, Az. I ZB 50/15

1. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 17756

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Gegenstand

Entscheidung des Schiedsgerichts über die eigene Zuständigkeit trotz Parteivereinbarung über den Ausschluss der Klagbarkeit von Ansprüchen im Schiedsverfahren


Leitsatz

Eine Vereinbarung, mit der die Parteien eines Schiedsverfahrens die Klagbarkeit von Ansprüchen im Schiedsverfahren ausgeschlossen haben, berührt nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts zur Entscheidung über die Schiedsklage.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.] - 6. Zivilsenat - vom 27. Mai 2015 wird auf Kosten der Antragstellerin als unzulässig verworfen.

Gegenstandswert: 5.287.111,39 €.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin ist eine in [X.] ansässige Werft. Die Antragsgegnerin ist eine Gesellschaft mit Sitz auf der [X.], die zu dem Zweck gegründet wurde, bei der Antragstellerin eine Segelyacht zu bestellen und zu erwerben.

2

Die Parteien schlossen unter dem 4. Dezember 2006 einen Vertrag über den Bau einer Segelyacht (Schiffsbauvertrag). Darin heißt es:

[X.]. 16 LAW AND ARBITRATION

16.1 LAW OF THE CONTRACT

This Contract shall be subject to German law. [X.] disputes [X.], which cannot be solved between the parties, [X.] in [X.] ([X.], [X.]). [X.] in English.

16.2 REFERENCE TO EXPERT OR ARBITRATION

If any dispute or difference may arise or claim be made by any of or between the Parties hereto out of or in relation to or in connection with this Contract both Parties are to discuss the problems so arisen in [X.] an amicable settlement. In case no amicable settlement will be arrived at disputes shall be settled as follows:

16.2.1 Technical disputes (being disputes, differences or claims regarding any technical matter arising out of, or relating to or in connection with the construction of the Vessel) shall at the written request of either Party be referred to a mutually acceptable technical expert who shall act as such (and not as an arbitrator) and whose opinion on the matter shall be final and binding upon the Parties. […]

16.2.2 All other disputes arising out or in connection with this Contract shall be submitted to and settled by arbitration in [X.] in [X.] ([X.]). [X.] arbitration to be conducted in English language.

3

Die Antragsgegnerin hat [X.] erhoben, mit der sie Zahlungsansprüche wegen von ihr behaupteter Mängel der von der Antragstellerin gebauten und gelieferten Segelyacht verfolgt. Die Antragstellerin hat die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts gerügt. Das Schiedsgericht hat sich durch [X.] für zuständig erklärt. Die Antragstellerin hat Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das [X.] hat diesen Antrag zurückgewiesen und die Zuständigkeit des Schiedsgerichts festgestellt. Dagegen hat die Antragstellerin Rechtsbeschwerde eingelegt. Sie erstrebt die Aufhebung des [X.]s und die Feststellung, dass das Schiedsgericht zur Entscheidung über die mit der [X.] geltend gemachten Anträge zur [X.] unzuständig ist, mindestens aber diese Anträge als zur [X.] unbegründet abzuweisen sind.

4

II. Das [X.] hat angenommen, das Schiedsgericht sei zur Entscheidung über die mit der [X.] geltend gemachten Zahlungsansprüche wegen Baumängeln der Segelyacht zuständig. Dazu hat es ausgeführt:

5

Da die [X.] eine Streitigkeit aus dem Schiffsbauvertrag zum Gegenstand habe, falle sie nach dessen Artikel 16.1 in den Anwendungsbereich der Schiedsvereinbarung und die Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Für diese Zuständigkeit sei es unerheblich, dass nach Art. 16.2.1 des [X.] auf Antrag einer Partei ein Sachverständigenverfahren durchzuführen sei, soweit die Streitigkeit technische Fragen betreffe.

6

Die genannte Bestimmung enthalte keine Schiedsvereinbarung, sondern einen Schiedsgutachtenvertrag. Ein [X.] habe allein Tatsachen festzustellen und Tatfragen zu entscheiden; er sei nicht befugt, darüber zu befinden, welche Verpflichtungen sich daraus für die Parteien ergeben. Die Parteien hätten ausdrücklich klargestellt, dass der technische Sachverständige nur in dieser Eigenschaft handeln solle und nicht als Schiedsrichter.

7

Selbst wenn Art. 16.2.1 Schiffsbauvertrag als „pactum de non petendo“ anzusehen wäre, stünde dies der Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht entgegen. In diesem Falle wäre zwar eine ohne Vorlage des Schiedsgutachtens eingereichte [X.] durch das Schiedsgericht als verfrüht und damit als zur [X.] unbegründet abzuweisen. Das berühre jedoch nicht die Frage, ob ein Schiedsverfahren zulässig und das Schiedsgericht befugt sei, über die mit der [X.] gestellten Anträge zu entscheiden.

8

III. [X.] des [X.]s ist von Gesetzes wegen statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Gegen den Beschluss des [X.]s nach § 1062 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO über eine Entscheidung eines Schiedsgerichts, in der dieses seine Zuständigkeit in einem [X.] bejaht hat (§ 1040 ZPO), findet gemäß § 1065 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Rechtsbeschwerde statt. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Senatsentscheidung erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

9

1. Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, die Auffassung des [X.]s, der [X.] habe lediglich Tatsachen festzustellen und Tatfragen zu entscheiden, nicht aber darüber zu befinden, welche Verpflichtungen sich daraus für die Parteien ergeben, beruhe auf einem der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprechenden Obersatz. Die Rechtsbeschwerde sei daher zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordere. Gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muss die Begründung der Rechtsbeschwerde im Falle einer nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kraft Gesetzes statthaften Rechtsbeschwerde eine Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO enthalten. Die Rechtsbeschwerde hat lediglich behauptet, aber nicht dargelegt, dass die Auffassung des [X.]s der Rechtsprechung des [X.] widerspricht.

Auch soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, das [X.] habe im Rahmen seiner Auslegung nicht geprüft, ob es sich bei Art. 16 Schiffsbauvertrag um eine Schiedsgutachtenvereinbarung im engeren oder im weiteren Sinne handele, hat sie damit weder eine Divergenz der Entscheidung des [X.]s zur Rechtsprechung des [X.] noch einen anderen Grund für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde aufgezeigt. Ein Rechtsfehler des Tatrichters bei der Auslegung eines Vertrages erfordert keine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Davon abgesehen lässt die Auslegung von Art. 16.2.1 Schiffsbauvertrag keinen Rechtsfehler erkennen. Nach der Rechtsprechung des [X.] hat der [X.] bei einer Schiedsgutachtenvereinbarung im engeren Sinne lediglich die für die Klarstellung des [X.] maßgeblichen Tatsachen zu ermitteln und für die Parteien festzustellen; dagegen obliegt es dem [X.] bei einer Schiedsgutachtenvereinbarung im weiteren Sinne, den Vertragsinhalt nach billigem Ermessen rechtsgestaltend zu bestimmen ([X.], Urteil vom 26. April 1991 - [X.], NJW 1991, 2761; Urteil vom 17. Januar 2013 - [X.], NJW 2013, 1296 Rn. 13; Urteil vom 4. Juli 2013 - [X.], NJW-RR 2014, 492 Rn. 27 und 33 mwN). Das [X.] hat Art. 16.2.1 des [X.] im Ergebnis dahin ausgelegt, dass es sich dabei um eine Schiedsgutachtenvereinbarung im engeren Sinne handelt. Es hat angenommen, der in Art. 16.2.1 Schiffsbauvertrag zur näheren Bestimmung der vom technischen Sachverständigen verbindlich zu entscheidenden „technischen Streitigkeiten“ verwendete Begriff „claims“ könne zwar die Bedeutung von „Rechtsansprüchen“ haben. Daraus folge aber nicht, dass der technische Sachverständige auch Rechtsfragen entscheiden solle. Die Parteien hätten mit der Formulierung „a […] technical expert who shall act as such (and not as an arbitrator)“ ausdrücklich klargestellt, dass der technische Sachverständige allein in dieser Eigenschaft handeln solle und nicht als Schiedsrichter. Bei verständiger Würdigung der beiderseitigen Interessen sei es auch nicht sinnvoll, einen Sachverständigen, der zwar über technischen, nicht aber über juristischen Sachverstand verfüge, etwa darüber entscheiden zu lassen, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung von Mängelansprüchen - wie die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Nacherfüllung oder die Unbegründetheit einer Verjährungseinrede - vorliegen. Die Rechtsbeschwerde versucht, diese Auslegung der Schiedsvereinbarung durch ihre abweichende eigene zu ersetzen, ohne einen Rechtsfehler des [X.]s aufzuzeigen oder die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Rechtsbeschwerde darzulegen.

2. Die Rechtsbeschwerde macht weiter ohne Erfolg geltend, die Auffassung des [X.]s, selbst wenn in Art. 16.2.1 Schiffsbauvertrag ein „pactum de non petendo“ zu sehen wäre, stünde dies der Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht entgegen und wäre eine ohne Vorlage des Schiedsgutachtens eingereichte [X.] durch das Schiedsgericht lediglich als verfrüht und damit als zur [X.] unbegründet abzuweisen, widerspreche der jüngeren Rechtsprechung des [X.] und einer Entscheidung des [X.]s München und begründe daher die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Ein „pactum de non petendo“ kann nach der Rechtsprechung des [X.] und der von der Rechtsbeschwerde herangezogenen Entscheidung des [X.]s München allerdings die [X.] ausschließen (zu einem Schiedsgutachtenvertrag vgl. [X.], Urteil vom 26. Oktober 1989 - [X.], NJW 1990, 1231, 1232; zu einer Schlichtungsvereinbarung vgl. [X.], Urteil vom 29. Oktober 2008 - [X.], NJW-RR 2009, 637 Rn. 19; zu einer Duldungsvereinbarung vgl. [X.], Beschluss vom 4. August 2009 - 32 Wx 33/09, juris Rn. 17). Das [X.] hat jedoch mit Recht angenommen, dass ein „pactum de non petendo“ einem Gericht nicht die Zuständigkeit zur Entscheidung über eine Klage nimmt, mit der Ansprüche, deren [X.] die Parteien ausgeschlossen haben, ungeachtet des „pactum de non petendo“ geltend gemacht werden.

Das [X.] hat sich mit dieser Annahme nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des [X.] oder anderer [X.]e gesetzt. Es kommt nicht darauf an, ob eine solche Klage, wie das [X.] angenommen hat, „als zur [X.] unbegründet“ (für den Fall, dass die beweispflichtige Partei die rechtserhebliche Tatsache, deren Feststellung dem [X.] übertragen ist, nicht durch Vorlage des Schiedsgutachtens nachweist vgl. [X.], Urteil vom 8. Juni 1988 - [X.], NJW-RR 1988, 1405; Urteil vom 7. Juni 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 1059 Rn. 13) oder, wie die Rechtsbeschwerde geltend macht, „als zur [X.] unzulässig“ (für den Fall, dass die klagende Partei vor Klageerhebung nicht wie vereinbart einen Schlichtungsversuch vor einem Schiedsgericht unternommen hat vgl. [X.], NJW-RR 2009, 637 Rn. 17) abzuweisen ist. Das [X.] hatte im vorliegenden Verfahren allein darüber zu entscheiden, ob das Schiedsgericht seine Zuständigkeit in dem [X.] mit Recht bejaht hat. Seine Annahme, die in Art. 16.2.1 Schiffsbauvertrag enthaltene [X.] berühre nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, lässt keinen Rechtsfehler erkennen und begründet nicht die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde.

IV. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher                  Schaffert                         [X.]

                Koch                      [X.]

Meta

I ZB 50/15

14.01.2016

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BGH, 21. Oktober 2015, Az: I ZB 50/15, Beschluss

§ 1040 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.01.2016, Az. I ZB 50/15 (REWIS RS 2016, 17756)

Papier­fundstellen: WM 2016, 1189 REWIS RS 2016, 17756


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZB 50/15

Bundesgerichtshof, I ZB 50/15, 14.01.2016.


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