Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.12.2019, Az. II R 5/17

2. Senat | REWIS RS 2019, 753

STEUERRECHT STEUERN FAMILIE ERBSCHAFTSTEUER SCHENKUNG BUNDESFINANZHOF (BFH) VATERSCHAFT

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Erbschaft- und Schenkungsteuer: Maßgebende Steuerklasse beim Erwerb vom biologischen Vater


Leitsatz

Beim Erwerb eines Kindes von seinem leiblichen Vater, der nicht auch der rechtliche Vater ist (biologischer Vater), findet die Steuerklasse III Anwendung .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 15.12.2016 - 1 K 1507/16 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist der leibliche, aber nicht rechtliche Vater (biologischer Vater) der 1987 geborenen Tochter. Zum Zeitpunkt der Geburt war deren Mutter mit [X.] verheiratet. Eine Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft des Ehemanns der Mutter erfolgte nicht.

2

Der Kläger schenkte seiner Tochter am 15.03.2016 einen Geldbetrag in Höhe von 30.000 € und sagte zu, etwa anfallende Schenkungsteuer zu übernehmen. In seiner Schenkungsteuererklärung beantragte er die Anwendung der Steuerklasse I.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) unterwarf den Erwerb der Schenkungsteuer nach der Steuerklasse III. In dem Bescheid vom 04.05.2016 erläuterte er, die rechtliche Vaterschaft zu einer anderen Person schließe die rechtliche Anerkennung der Vaterschaft als biologischer Vater nach § 1594 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) aus.

4

Den Einspruch des [X.], mit dem er geltend machte, die günstigere Steuerklasse I finde nicht nur im Verhältnis des Kindes zu seinem rechtlichen, sondern auch zu seinem biologischen Vater Anwendung, wies das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 16.09.2016 zurück. Kinder i.S. des § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 des [X.] ([X.]) seien nur die vom Vater nach den Regeln des Zivilrechts "abstammenden" Kinder und Adoptivkinder.

5

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage statt. Eine einschränkende --zivilrechtliche-- Auslegung des Kindsbegriffs sei weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck des § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 [X.] zwingend. Sie trage der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) und der mit Rücksicht auf Urteile des [X.] ([X.]) eingefügten Vorschrift des § 1686a BGB auch nicht hinreichend Rechnung. Eine schenkungsteuerrechtliche Privilegierung des biologischen Vaters stehe zudem mit der Begünstigung der biologischen Eltern im Falle der Adoption des Kindes (§ 15 Abs. 1a [X.]) im Einklang. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2017, 610, veröffentlicht.

6

Mit der Revision macht das [X.] eine Verletzung des § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 [X.] geltend.

7

Das [X.] beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

9

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[[X.].]O--). Das [[X.].] hat zu Unrecht entschieden, dass auf den Erwerb der Tochter von ihrem biologischen Vater die [X.] anzuwenden ist. Es gilt die Steuerklasse [[X.].].

1. Nach § 15 Abs. 1 [X.] richtet sich die Steuerklasseneinteilung im Regelfall für jeden einzelnen Erb- oder Schenkungsfall nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder [[X.].]. Die Einteilung der Steuerpflichtigen in unterschiedliche Steuerklassen ist maßgebend für die Bestimmung der persönlichen Freibeträge (§§ 16, 17 [X.]) und die Höhe des Steuersatzes (§ 19 [X.]). Zur Steuerklasse I gehören u.a. Kinder und Stiefkinder (§ 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 [X.]). In die Steuerklasse [[X.].] fallen alle übrigen Erwerber (§ 15 Abs. 1 Steuerklasse [[X.].] [X.]). Die Steuerklasse [[X.].] gilt nach dem Wortlaut der Vorschrift auch für den Erwerb eines Kindes von dessen biologischem Vater.

a) Für die Steuerklasseneinteilung nach § 15 Abs. 1 [X.] sind die [X.]n Vorschriften über die Abstammung und Verwandtschaft maßgebend (vgl. Urteil des [[X.].] --[X.]-- vom 14.05.1986 - II R 37/84, [[X.].], 471, BStBl II 1986, 613; [[X.].] vom 27.10.1982 - II B 77/81, [[X.].], 76, BStBl II 1983, 114, unter 2.b bb, und vom 24.11.2005 - II B 27/05, [[X.].], 743; [[X.].] München, Urteil vom 09.10.1986 - [X.] 79/85 Erb, E[[X.].] 1987, 255; [X.] in [X.]/ [X.]/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, [X.], 5. Aufl., § 15 [X.] Rz 2; [X.] in [X.][X.], § 15 [X.] Rz 14; [[X.].] [X.], [X.], § 15 Rz 16, 18 f.; [X.] in Fischer/[X.]/[[X.].], [X.], 6. Aufl., § 15 Rz 16; [X.] [X.]/[X.], § 15 Rz 11; [X.] in [X.]/ [X.]/[[X.].], [X.], [X.], 3. Aufl., § 15 [X.] Rz 5; a.A. für den [X.] in Troll/[X.]/[X.]/[X.], [X.], § 15 Rz 40; von [X.], Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2017, 291).

b) Nach § 1589 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind Personen, deren eine von der anderen abstammt, in gerader Linie verwandt. Vater eines Kindes in diesem Sinne ist [[X.].], der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, der die [X.]chaft anerkannt hat oder dessen [X.]chaft gerichtlich festgestellt ist (§ 1592 [X.]; Überschrift des Buches 4, Abschn. 2, Titel 2 [X.]: "Abstammung"; [X.]-Urteil vom 28.07.2005 - [[X.].] R 68/04, [X.], 107, BStBl II 2008, 350, unter [X.], zu § 32 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes; [[X.].] in [[X.].]/[[X.].] (2011), [X.], § 1592 Rz 10 f., 14 ff., [X.]. zu §§ 1591-1600d Rz 1; [[X.].] in [[X.].]/[[X.].] (2017), [X.], [X.]. zu §§ 1924-1936 Rz 20, 22b, 26; [X.] in [X.], [X.], 15. Aufl., § 1592 Rz 1 ff.; [X.] in [X.] Kommentar zum [X.], 8. Aufl., § 1589 Rz 1, § 1592 Rz 1 f.). Das Vorliegen einer der drei Voraussetzungen führt dazu, dass [[X.].] als rechtlicher Vater angesehen wird. Aus der rechtlichen [X.]chaft leiten sich Rechte und Pflichten ab. Der Vater ist z.B. dem Kind zum Unterhalt verpflichtet (vgl. § 1601 [X.]. § 1589 Abs. 1 Satz 1 [X.]. § 1592 [X.]). Das Kind ist gegenüber seinem rechtlichen Vater erb- (vgl. § 1924 Abs. 1 [X.]) und pflichtteilsberechtigt (vgl. § 2303 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

c) Die biologische Abstammung allein führt nicht zur rechtlichen [X.]chaft (vgl. z.B. [[X.].] in [[X.].]/[[X.].] (2011), a.a.[X.], § 1592 Rz 20; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 1592 Rz 3; [X.] in [X.] Kommentar zum [X.], a.a.[X.], § 1589 Rz 9). Dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Begründung familiärer Rechtsbeziehungen ist gesetzlich zwar so zu gestalten, dass den leiblichen Eltern eines Kindes in der Regel auch die rechtliche Stellung als Eltern eingeräumt wird. Der Gesetzgeber ist aber nicht verpflichtet, die rechtliche Anerkennung der Elternschaft stets von der Prüfung abhängig zu machen, von wem das Kind im Einzelfall biologisch abstammt. Es genügt, aus bestimmten tatsächlichen Umständen und [X.] Situationen auf die leibliche Abstammung eines Kindes zu schließen und aufgrund dieser Vermutung die Zuweisung der rechtlichen Elternstellung vorzunehmen, wenn dies in aller Regel zu einem Zusammentreffen von leiblicher und rechtlicher Elternschaft führt. Konsequenz der gesetzlichen Vermutungsregelung ist, dass leibliche und rechtliche [X.]chaft im Einzelfall auseinanderfallen können (vgl. [X.] vom 09.04.2003 - 1 BvR 1493/96, 1 BvR 1724/01, [X.] 108, 82, unter [X.]a, b, 3.a, und vom 13.10.2008 - 1 BvR 1548/03, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2009, 423, unter [X.], jeweils m.w.[X.]).

2. Die Systematik des § 15 [X.] verlangt die Anwendung der Steuerklasse I im Verhältnis des Kindes zu seinem biologischen Vater nicht.

a) § 15 Abs. 1a [X.] spricht nicht für, sondern gegen die Einordnung des Erwerbs vom biologischen Vater in die Steuerklasse I.

aa) Gemäß § 15 Abs. 1a [X.] gelten die Steuerklassen I und II Nr. 1 bis 3 auch dann, wenn die Verwandtschaft durch Annahme als Kind bürgerlich-rechtlich erloschen ist. Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und anderer Gesetze vom 18.08.1980 ([X.]l I 1980, 1537) eingefügt und beruht auf einer Änderung des Adoptionsrechts (vgl. BTDrucks 8/3688, S. 23). Gemäß § 1755 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.d.[X.] vom 02.07.1976 ([X.]l I 1976, 1749) erlöschen mit der Annahme Minderjähriger (Überschrift des Buches 4, Abschn. 2, Titel 7, Untertitel 1 [X.]: "Annahme Minderjähriger") mit Ausnahme bestimmter Verwandtenadoptionen nach § 1756 [X.] das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes und seiner Abkömmlinge zu den bisherigen Verwandten und die sich aus ihm ergebenden Rechte und Pflichten. Bei einem Erwerb des Kindes von seinen bisherigen Verwandten hätte dies erbschaftsteuerrechtlich zur Anwendung der Steuerklasse [[X.].] geführt. Um diesen Nachteil zu verhindern, wurde § 15 Abs. 1a [X.] geschaffen (vgl. [X.]-Urteil vom [X.], [X.], 191, BStBl II 2010, 554).

bb) § 15 Abs. 1 und Abs. 1a [X.] haben zur Folge, dass die Steuerklassen I und II Nr. 1 bis 3 sowohl bei Erwerben in dem durch Adoption Minderjähriger neu begründeten [X.] als auch bei Erwerben im bisherigen [X.] gelten, also eine Doppelbegünstigung eintritt ([X.]-Urteil in [X.], 191, BStBl II 2010, 554, Rz 16), obwohl im bisherigen [X.] Unterhalts- sowie Erb- und Pflichtteilsansprüche für die Zukunft erlöschen ([X.]/[X.],  Bürgerliches Gesetzbuch, 79. Aufl., § 1755 Rz 3). Damit trägt der Gesetzgeber aber nicht der biologischen Abstammung des Kindes Rechnung. Die Begünstigung von Erwerben im bisherigen [X.] beruht vielmehr auf der --durch Adoption erloschenen-- rechtlichen Verwandtschaft des Kindes.

cc) Gerade der Umstand, dass der Gesetzgeber mit § 15 Abs. 1a [X.] eine besondere erbschaftsteuerrechtliche Regelung für die Minderjährigenadoption getroffen hat, spricht dafür, dass der Kindsbegriff i.S. des § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 [X.] grundsätzlich nach [X.]n Vorschriften auszulegen ist. § 15 Abs. 1a [X.] bewirkt eine --gesetzgeberisch gebilligte-- ausnahmsweise Doppelbegünstigung. Für den gesetzlich nicht geregelten Fall eines ehemaligen Adoptionsverhältnisses hat der [X.] dementsprechend die Möglichkeit einer solchen Doppelbegünstigung verneint (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 191, BStBl II 2010, 554, Rz 17).

b) Des Weiteren hat der Gesetzgeber in § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 [X.] ausdrücklich Stiefkinder einbezogen. Stiefkinder sind keine Kinder i.S. des [X.]n Kindsbegriffs und fielen ohne diese explizite Nennung nicht in Steuerklasse I. Eine solche ausdrückliche Regelung der Anwendung der Steuerklasse I fehlt für das Verhältnis eines Kindes zu seinem biologischen Vater.

3. Die Einordnung des Kindes als übriger Erwerber i.S. des § 15 Abs. 1 Steuerklasse [[X.].] [X.] bei einem Erwerb von seinem biologischen Vater entspricht dem Sinn und Zweck des § 15 [X.].

a) Mit der Besserstellung von Erwerbern der Steuerklasse I begünstigt § 15 Abs. 1 [X.] die Weitergabe von Familienvermögen an Ehegatten und Lebenspartner sowie an vorhergehende und nachfolgende Generationen. Die Begünstigung dient dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) und verwirklicht das Familienprinzip als Grenze für das Maß der Steuerbelastung. Danach ist die familiäre Verbundenheit der nächsten Angehörigen zum Erblasser oder [[X.].] erbschaftsteuerrechtlich zu berücksichtigen. Der steuerliche Zugriff ist bei Familienangehörigen derart zu mäßigen, dass diesen der Nachlass zumindest zum deutlich überwiegenden Teil oder, bei kleineren Vermögen, völlig steuerfrei zugutekommt (vgl. z.B. [X.] vom 22.06.1995 - 2 BvR 552/91, [X.] 93, 165, BStBl II 1995, 671, unter [X.], und vom 21.07.2010 - 1 BvR 611/07, [X.] 126, 400, unter [X.] (1); [X.]-Urteil vom 03.06.2014 - II R 45/12, [X.]E 245, 374, BStBl II 2014, 806, Rz 23 f.; [X.][X.], Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 17. Aufl., § 15 Rz 2; [X.] [X.]/[X.], § 15 Rz 18, 30; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 15 Rz 1).

b) Die erbschaftsteuerrechtliche Begünstigung von Kindern folgt aus der im bürgerlichen Familien- und Erbrecht angelegten Mitberechtigung der Kinder am Familiengut. Kinder haben aufgrund ihres Unterhaltsanspruchs gegen ihre Eltern (§ 1601 [X.]) an deren Vermögensverhältnissen teil (vgl. [X.] vom 22.06.1995 - 2 BvL 37/91, [X.] 93, 121, BStBl II 1995, 655, unter [X.], c). Beim Tode der Eltern stehen ihnen ein gesetzliches Erbrecht als Erben der ersten Ordnung (§ 1924 [X.]) und ein Pflichtteilsanspruch (§ 2303 Abs. 1 [X.]) zu. Diese Rechte sollen nach dem Willen des Gesetzgebers die Weitergabe des in der Familie gebildeten Vermögens an die nächste Generation fördern. Damit korrespondiert das Schutzziel des Familienprinzips, kleine und mittlere Vermögen als Grundlage der privaten Lebensgestaltung möglichst ungeschmälert in der Generationenfolge zu erhalten. Dem trägt die Einordnung von Kindern in die [X.] Rechnung (vgl. [X.] in [X.] 126, 400, unter [X.] (2)(b); vgl. auch Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1997, BTDrucks 13/4839, S. 63; [X.][X.], a.a.[X.], § 15 Rz 2; [X.] [X.]/[X.], § 15 Rz 18, 30).

c) Unter Beachtung dieses Gesetzeszwecks ist es sachgerecht, den erbschaftsteuerrechtlichen Kindsbegriff auf Kinder i.S. des Abstammungsrechts (§ 1592 [X.]) zu beschränken. Allein die [X.] Abstammung begründet Unterhaltspflichten sowie das gesetzliche Erbrecht und den Anspruch auf den Pflichtteil. Demgegenüber bestehen im Rahmen der biologischen [X.]chaft diese gesetzlichen finanziellen Verpflichtungen, die zur Bildung und Weitergabe von Familienvermögen beitragen, nicht. Dies rechtfertigt es, ein Kind bei Erwerben von seinem biologischen Vater auf die ungünstigere Steuerklasse [[X.].] zu verweisen.

4. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG erfordert keine Auslegung des § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 [X.] dahingehend, dass auf den Erwerb des Kindes von seinem biologischen Vater die Steuerklasse I anzuwenden ist. Die grundrechtlich geschützte [X.], mit der die Anwendung der Steuerklasse I verknüpft ist, hat nur der rechtliche Vater inne.

a) Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sind Pflege und Erziehung des Kindes Recht und Pflicht der Eltern. Nach der Rechtsprechung des [X.] steht zwar auch der leibliche, nicht rechtliche Vater eines Kindes unter dem Schutz der Grundrechtsnorm. [X.] Vater eines Kindes zu sein, macht ihn allerdings noch nicht zum Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Norm schützt den leiblichen Vater lediglich in seinem Interesse, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einzunehmen. Sie gewährleistet ihm den Zugang zu einem Verfahren, in dem die [X.]chaft überprüft und das Elternrecht gegebenenfalls rechtlich neu zugeordnet wird. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert dem leiblichen Vater danach nicht das Elternrecht, sondern nur einen verfahrensrechtlichen Zugang zu jenem Recht (vgl. [X.] in [X.] 108, 82, unter [X.] und 3.; in NJW 2009, 423, unter [X.]; vom 24.02.2015 - 1 BvR 562/13, Zeitschrift für das Gesamte Familienrecht --FamRZ-- 2015, 817, Rz 7, und vom 25.09.2018 - 1 BvR 2814/17, NJW 2018, 3773, Rz 18; vgl. auch Beschluss des [X.] --BGH-- vom 15.11.2017 - [X.]II ZB 389/16, NJW 2018, 947, Rz 24, 27).

b) Träger des Elternrechts ist, wer --ggf. infolge eines solchen Verfahrens-- rechtlicher Vater eines Kindes ist (z.B. [X.] in [X.] 108, 82, unter [X.], und vom [X.], [X.], 1661, unter [X.]). Nach der Rechtsprechung des [X.] kann der biologische Vater die [X.] auch nicht neben dem rechtlichen Vater einnehmen. Ein Nebeneinander von zwei [X.], denen zusammen mit der Mutter jeweils die gleiche grundrechtlich zugewiesene Elternverantwortung für das Kind zukommt, entspricht nicht der Vorstellung von elterlicher Verantwortung, die Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zugrunde liegt. Auch der gesellschaftliche Wandel familiärer Lebenszusammenhänge fordert dies nicht. Dass rechtliche und leibliche [X.]chaft auseinanderfallen können, ist kein neues Phänomen, das sich auf die Veränderung familiärer Strukturen zurückführen ließe. Es findet seine Ursache vielmehr in der Rechtstradition, die [X.]chaft aufgrund bestimmter [X.] Sachverhalte zu vermuten, darauf die rechtliche Zuordnung des Kindes zu stützen und nur dann im Einzelfall die leibliche [X.]chaft als Grundlage für die rechtliche festzustellen, wenn die gesetzliche Vermutung nicht mehr trägt ([X.] in [X.] 108, 82, unter [X.] und [[X.].].1.a).

5. Die Anwendung der Steuerklasse I auf den Erwerb des Kindes von seinem biologischen Vater ist auch im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG nicht geboten.

Gemäß Art. 6 Abs. 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Nach der Rechtsprechung des [X.] bildet auch der leibliche, aber nicht rechtliche Vater eines Kindes mit diesem eine Familie, die in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG fällt, wenn zwischen ihm und dem Kind eine [X.] Beziehung besteht, die darauf beruht, dass er zumindest eine Zeit lang tatsächlich Verantwortung für das Kind getragen hat. Für diesen Fall hat das [X.] aus Art. 6 Abs. 1 GG aber lediglich ein Umgangsrecht des leiblichen [X.] abgeleitet (vgl. [X.] in [X.] 108, 82, unter C.[X.] und [[X.].].1.b; vom 04.12.2013 - 1 BvR 1154/10, [X.], 191, Rz 5, und in [X.], 817, Rz 7). Es wurden ihm weder weitergehende Rechte zugesprochen noch Pflichten auferlegt, die denen des rechtlichen [X.] entsprächen und eine steuerrechtliche Privilegierung der Erwerbe vom leiblichen Vater rechtfertigten.

6. Eine Berücksichtigung der --als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten heranzuziehenden-- Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ([X.]) und der dazu ergangenen Rechtsprechung des [X.] (vgl. z.B. auch [X.] vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04, [X.] 111, 307, unter [X.]a, und vom 27.01.2015 - 1 BvR 471/10, [X.] 138, 296, Rz 149; [X.]-Urteil vom 17.05.2017 - V R 52/15, [X.]E 258, 124, [X.], 218, Rz 39) führt zu keinem anderen Ergebnis.

a) Gemäß Art. 8 Abs. 1 [X.] hat jede Person u.a. das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Nach dessen Abs. 2 darf eine Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer [X.] Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des [X.], zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.

b) Nach der Rechtsprechung des [X.] kann Art. 8 [X.] dahingehend ausgelegt werden, dass er den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auferlegt zu prüfen, ob es dem Kindeswohl dient, dem leiblichen Vater den Aufbau einer Beziehung zu seinem Kind zu ermöglichen, insbesondere durch die Gewährung eines Umgangsrechts (z.B. [X.]-Urteile Anayo/[X.] vom 21.12.2010 - 20578/07, NJW 2011, 3565, und [[X.].]/ [X.] vom 15.09.2011 - 17080/07, NJW 2012, 2781). Dies bedeutet gegebenenfalls die Feststellung der leiblichen [X.]chaft in einem Umgangsverfahren, wenn unter den besonderen Umständen der Rechtssache davon ausgegangen wird, dass ein Umgang zwischen leiblichem Vater und Kind dem Kindeswohl dienen würde (z.B. [X.]-Urteil Kautzor/[X.] vom 22.03.2012 - 23338/09, [X.], 1937, Rz 77). Eine konventionsrechtliche Pflicht, dem mutmaßlichen leiblichen Vater zu gestatten, die Stellung des rechtlichen [X.] anzufechten, oder eine separate Klage auf Feststellung der leiblichen [X.]chaft zuzulassen, besteht aber nicht. Insoweit besteht ein staatlicher Ermessensspielraum (z.B. [X.]-Urteile in [X.], 1937, Rz 78, und [X.]/[X.] vom 22.03.2012 - 45071/09, juris, Rz 74; [X.]-Entscheidungen Hülsmann/ [X.] Nr. 2 vom 05.11.2013 - 26610/09, NJW 2014, 3083, Rz 47 f.; vom 02.12.2014 - 546/10, juris, Rz 23 f., und vom 10.03.2015 - 42719/14, [X.], 437, Rz 22 f., jeweils m.w.[X.]; vgl. auch [X.] vom 18.10.2017 - [X.]II ZB 525/16, [X.], 41, Rz 15, und in NJW 2018, 947, Rz 29).

c) Aus dieser Rechtsprechung lässt sich keine konventionsrechtliche Pflicht ableiten, Erwerbe vom biologischen Vater steuerrechtlich genauso wie Erwerbe vom rechtlichen Vater zu behandeln. Der [X.] hat Art. 8 [X.] nicht entnommen, dass biologische und rechtliche Väter gleichzustellen wären. Er unterscheidet vielmehr zwischen rechtlicher [X.]chaft, die Elternverantwortung mit sämtlichen elterlichen Rechten und Pflichten bedeutet, und biologischer [X.]chaft, die lediglich einzelne Rechte, etwa zum Umgang mit dem Kind, vermittelt.

d) Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Entscheidungen des [X.], nach denen die erbrechtliche Ungleichbehandlung von nichtehelichen und ehelichen Kindern ([X.]-Urteile Brauer/[X.] vom 28.05.2009 - 3545/04, [X.], 1293, und Mitzinger/[X.] vom 09.02.2017 - 29762/10, [X.], 656) und die Ungleichbehandlung von [X.] nichtehelicher Kinder bezüglich des Zugangs zur elterlichen Sorge ([X.]-Urteil Zaunegger/[X.] vom 03.12.2009 - 22028/04, NJW 2010, 501) Art. 14 (Diskriminierungsverbot) [X.]. Art. 8 [X.] verletzen. Grund für die Nichtanwendung der [X.] auf den erbschaftsteuerrechtlichen Erwerb des Kindes von seinem biologischen Vater ist nicht dessen fehlende Ehe mit der Mutter bei der Geburt des Kindes, sondern der Umstand, dass [[X.].], der nicht mit der Mutter verheiratet sein muss, rechtlicher Vater des Kindes ist.

7. Entgegen der Ansicht des [[X.].] und des [X.] rechtfertigt schließlich auch § 1686a [X.] keine andere Entscheidung.

a) Gemäß § 1686a Abs. 1 Nr. 1 [X.] hat der leibliche Vater, der ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat, solange die [X.]chaft eines anderen Mannes besteht, ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient, und gemäß § 1686a Abs. 1 Nr. 2 [X.] ein Recht auf Auskunft von jedem Elternteil über die persönlichen Verhältnisse des Kindes, soweit er ein berechtigtes Interesse hat und dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Die Regelungen wurden durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen [X.] vom 04.07.2013 ([X.]l I 2013, 2176) eingefügt und sind am 13.07.2013 in [[X.].] getreten. Dem leiblichen Vater, dessen Kind mit den rechtlichen Eltern in einer Familie lebt und der zu seinem Kind keine enge persönliche Beziehung aufbauen konnte, soll unter bestimmten Voraussetzungen ein Umgangs- und Auskunftsrecht eingeräumt werden (BTDrucks 17/13269, S. 1).

b) § 1686a Abs. 1 [X.] setzt voraus, dass das Kind einen anderen rechtlichen Vater hat. Fehlt ein solcher, ermöglicht § 1686a [X.] nicht eine "Elternschaft light" mit Rechten ohne Pflichten (vgl. BTDrucks 17/12163, S. 12).

Mit § 1686a [X.] hat der Gesetzgeber dem leiblichen Vater punktuelle Rechte eingeräumt, ohne die Regelungen über die Abstammung zu ändern. An der Unterscheidung zwischen rechtlicher [X.]chaft mit umfassender Elternverantwortung und (nur) biologischer [X.]chaft ohne Elternrechte und -pflichten hat er festgehalten (vgl. Peschel-Gutzeit in [[X.].]/[X.] (2019), [X.], § 1686a Rz 4-6). Dass er die Stellung des biologischen [X.] darüber hinaus insgesamt aufwerten wollte, ist nicht erkennbar. Dem Protokoll der zweiten und dritten Beratung des Gesetzentwurfs im [X.] lässt sich entnehmen, dass eine noch weiter gehende Stärkung der Rechtsposition des leiblichen [X.] letztlich nicht gewollt war (vgl. Plenarprotokoll 17/237, S. 29840 ff.). Insbesondere ein uneingeschränktes Anfechtungsrecht des leiblichen [X.], das diesen in die Stellung des rechtlichen [X.] einrücken und Unterhalts- sowie Erbansprüche entstehen ließe, wurde abgelehnt (Plenarprotokoll 17/237, S. 29843, 29845 f.). Gleiches gilt für die Überlegung, das Umgangsrecht des biologischen [X.] an dessen Bereitschaft, seinem Kind Unterhalt zu gewähren, zu knüpfen (Plenarprotokoll 17/237, S. 29846). Die Beibehaltung der Regelungen in § 1592 [X.], die bei der Anwendung des § 15 Abs. 1 [X.] Nr. 2 [X.] heranzuziehen sind, war daher eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung. Ob die bestehenden gesetzlichen Vorschriften auch zukünftig noch rechtspolitisch wünschenswert erscheinen oder ob den Interessen des biologischen [X.] im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht ein höherer Stellenwert gebühren soll, hat allein der Gesetzgeber zu entscheiden (vgl. auch [X.] in [X.], 41, Rz 15, und in NJW 2018, 947, Rz 27).

8. Das [[X.].] ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Die Sache ist spruchreif und die Klage ist abzuweisen. Der [X.] vom 04.05.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 16.09.2016 sind rechtmäßig. Das [X.] hat den Erwerb zutreffend der Schenkungsteuer nach der Steuerklasse [[X.].] unterworfen. Die leibliche Tochter des [X.] gehört zu den übrigen Erwerbern i.S. des § 15 Abs. 1 Steuerklasse [[X.].] [X.]. Sie ist kein Kind des [X.] i.S. des § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 [X.], da der Kläger --zwischen den Beteiligten unstreitig-- ihr biologischer, nicht aber ihr rechtlicher Vater ist.

9. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [[X.].]O.

Meta

II R 5/17

05.12.2019

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 15. Dezember 2016, Az: 1 K 1507/16, Urteil

§ 15 Abs 1 Nr 2 ErbStG 1997, § 15 Abs 1a ErbStG 1997, § 1589 Abs 1 S 1 BGB, § 1592 BGB, § 1686a BGB, Art 6 Abs 1 GG, Art 6 Abs 2 S 1 GG, Art 8 MRK, Art 14 MRK

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.12.2019, Az. II R 5/17 (REWIS RS 2019, 753)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 753

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 280/15 (Bundesgerichtshof)


12 WF 221/20 (Oberlandesgericht Hamm)


XII ZB 280/15 (Bundesgerichtshof)

Antrag auf Umgang des Kindes mit seinem leiblichen Vater: Verweigerungshaltung der rechtlichen Eltern; Erfordernis der …


1 BvR 3309/13 (Bundesverfassungsgericht)

Kenntnis der eigenen Abstammung und allgemeines Persönlichkeitsrecht - keine gesetzgeberische Pflicht zur Bereitstellung eines isolierten …


1 BvR 562/13 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Ausschluss des leiblichen Vaters von der Vaterschaftsanfechtung bei bestehender sozial-familiärer …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XII ZB 389/16

XII ZB 525/16

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.